Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindungen aus Parteivermögen der PDS
Normenkette
ParteienG-DDR § 20b i.d.F. des EV Anlage II Kapitel II Sachgebiet A Abschn. III; BetrVG 1972 §§ 19, 112
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Abfindung aus einem Sozialplan in Höhe von 17.760,00 DM.
Der Kläger war seit Oktober 1989 beim Kreisverband Jena der Beklagten beschäftigt. Als die Entlassung eines großen Teils der bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter anstand, schlossen die Beklagte, die Gewerkschaft HBV und die Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) beim Parteivorstand der Beklagten am 11. Juli 1990 einen Sozialplan (Sozialplan I), der u.a. lautet:
“2.3 Mitarbeiter, denen fristgemäß gekündigt wird und die nicht in den Vorruhestand treten, erhalten von der PDS eine einmalige Abfindung. Mit dieser sind alle Nachteile des Mitarbeiters aus seinem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung gegenüber der PDS abgegolten.
…
4.1 Die Abfindung beträgt mindestens acht Monatsgehälter.”
Die Unabhängige Kommission zur Verwaltung des Parteivermögens hat diesem Sozialplan nicht zugestimmt. Sie beschloß am 2. Februar 1991 die Auszahlung von Abfindungen nach diesem Sozialplan an entlassene Mitarbeiter der Beklagten bis zur Festlegung neuer, wirtschaftlich gerechtfertigter Sozialplanregelungen einzustellen und bat die Beklagte, von weiteren Auszahlungen abzusehen. Gegen diesen Bescheid hat die Beklagte vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben.
Am 29. November 1991 wurde eine “Vereinbarung zum Sozialplan der PDS” (Sozialplan II) geschlossen, der die Zahlung von Abfindungen für alle von der Aussetzung des Sozialplans I am 8. Februar 1991 betroffenen und bis zum 30. Juni 1991 gekündigten Arbeitnehmer regelt. Darin wird u.a. bestimmt, daß der Sozialplan I aufgehoben wird (Ziff. 1.2.), daß Abfindungen aus dem Sozialplan I zwischen 10.000,00 DM und 20.000,00 DM zu 80 % gezahlt würden (Ziff. 2.2.), und daß Arbeitnehmer, die weitergehende Ansprüche (aus dem Sozialplan I) aufrechterhielten, die im Sozialplan II festgelegten Leistungen nicht bekämen. Dies gelte auch für eingeleitete Verfahren zur Durchsetzung von Ansprüchen aus dem Sozialplan I (Ziff. 3.3.).
Dem Kläger, der von der Beklagten am 28. Februar 1991 betriebsbedingt gekündigt worden war und der auf das Angebot der Beklagten, eine Abfindung aus dem Sozialplan II zu zahlen, nicht eingegangen ist, begehrt mit seiner Klage eine Abfindung aus dem Sozialplan I in unstreitiger Höhe von 17.760,00 DM. Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 17.760,00 DM netto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, ein Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan I sei nicht gegeben. Der Sozialplan I sei rechtsunwirksam, weil die Unabhängige Kommission bzw. später die Treuhandanstalt und die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS) als Rechtsnachfolger dem Sozialplan nicht, wie es nach dem ParteienG-DDR erforderlich gewesen sei, zugestimmt habe. Darüber hinaus sei die BGL der Beklagten nicht zum Abschluß des Sozialplans berechtigt gewesen, weil sie nicht nach demokratischen Grundsätzen gewählt worden sei. Die Arbeitnehmervertretungen der Gliederungen bzw. der damals noch existierenden Einrichtungen der Beklagten hätten am Abschluß des Sozialplans I nicht mitgewirkt. Im übrigen sei der Sozialplan I auch aufgehoben und durch den Sozialplan II ersetzt worden. Schließlich dürfe eine Verurteilung nie auf sofortige Leistungen gerichtet sein, da ihr Vermögen der treuhänderischen Verwaltung der BVS unterliege.
Die Beklagte hat der BVS den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin beigetreten und hat sich dem Antrag der Beklagten angeschlossen. In einem Vergleich vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin vom 18. Juli 1995 haben die Beklagte und die BVS eine Regelung über das Altvermögen der Beklagten getroffen und in dessen § 5 die Freistellung der Beklagten von Sozialplanansprüchen im einzelnen geregelt.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Abfindungsanspruch des Klägers aus dem Sozialplan I sei begründet. Dieser Sozialplan sei wirksam zustande gekommen. Sein Abschluß habe nicht der Zustimmung der Unabhängigen Kommission bzw. der Treuhandanstalt oder der BVS bedurft. Die Beklagte habe auch nicht substantiiert vorgetragen, warum die Wahl der BGL nicht nach demokratischen Grundsätzen erfolgt sei. Der Abfindungsanspruch des Klägers sei auch nicht durch den Sozialplan II aufgehoben worden. Einer Verurteilung zur künftigen Leistung bedürfe es nicht mehr, weil die Beklagte und die BVS im Vergleich vom 18. Juli 1995 vereinbart hätten, daß die Beklagte wegen etwaiger Sozialplanansprüche bis zu einem Betrag von 1 Mio. DM freigestellt werde.
Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
II. Der Kläger hat gem. Ziff. 2.3. und 4.1. des Sozialplans I wegen der betriebsbedingten Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30. April 1991 einen Anspruch auf die begehrte Abfindung in unstreitiger Höhe von 17.760,00 DM.
1. Zu Unrecht meinen die Beklagte und die BVS, der Sozialplan I sei nicht rechtswirksam zustande gekommen.
a) Der Sozialplan I bedurfte zu seiner Wirksamkeit nicht der Zustimmung der Unabhängigen Kommission bzw. der Treuhandanstalt. Der Zustimmung als Wirksamkeitsvoraussetzung bedurften gem. § 20b Abs. 1 ParteienG-DDR nur Vermögensveränderungen. Der Abschluß des Sozialplans I stellt jedoch keine Vermögensveränderung i.S.d. § 20b Abs. 1 ParteienG-DDR dar (vgl. BAG Urteil vom 10. Dezember 1992 – 8 AZR 20/92 – BAGE 72, 95 = AP Nr. 1 zu § 20b ParteienG-DDR). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.
b) Die Betriebsgewerkschaftsleitung bei der Beklagten war auch befugt, den Sozialplan I abzuschließen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß sie nicht nach demokratischen Grundsätzen gewählt worden ist.
aa) Eine wirksame Wahl einer Arbeitnehmervertretung i.S. von § 30 des Gesetzes über die Inkraftsetzung von Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland in der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Juni 1990 (GBl.-DDR I Nr. 34 S. 362) und der Verordnung zur Übergangsregelung bis zur erstmaligen Wahl der Betriebsräte nach dem Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Juli 1990 (GBl.-DDR I Nr. 44 S. 715) setzt voraus, daß sie nach demokratischen Grundsätzen in gleicher und geheimer Abstimmung von allen oder jedenfalls von einer Mehrheit der Arbeitnehmer des Betriebes, die das aktive Wahlrecht hatten, gewählt worden ist (vgl. BAG Urteile vom 12. November 1992 – 8 AZR 232/92 – BAGE 71, 360, 363 = AP Nr. 1 zu § 30 MantelG DDR; vom 13. März 1996 – 10 AZR 809 und 835/94 – n.v. sowie vom 13. November 1996 – 10 AZR 804/94 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Beklagte hat zwar vorgetragen, die Wahl der BGL sei mangels geheimer Abstimmung nicht nach demokratischen Grundsätzen erfolgt. Mangels weiteren dahingehenden Sachvortrags hat das Landesarbeitsgericht diese Parteienbehauptung jedoch zutreffend als unsubstantiiert angesehen. Zu Unrecht rügt die Revision insoweit, das Landesarbeitsgericht habe die Beklagte zu weiterem Tatsachenvortrag hinsichtlich der Wahl selbst auffordern müssen. Dies ist jedoch geschehen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Beschluß vom 29. November 1995 beide Parteien unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Dezember 1992 (aaO), die ausdrücklich Bedenken gegen eine wirksame Wahl der BGL geäußert hat, zu weiterem Sachvortrag aufgefordert. Da daraufhin kein substantieller Vortrag der Beklagten erfolgte, konnte das Landesarbeitsgericht davon auszugehen, die Beklagte wolle insoweit keinen weiteren Tatsachenvortrag bringen. Ihre Rüge ist damit unbegründet.
bb) Soweit die Beklagte geltend macht, die BGL sei deswegen nicht nach demokratischen Grundsätzen gewählt worden, weil an der Wahl nicht die Arbeitnehmer der Gliederungen bzw. der damals noch existierenden Einrichtungen der Beklagten teilgenommen haben, führt dies nicht zur Nichtigkeit der Wahl. Der Senat hat in seinen Entscheidungen vom 13. März und 13. November 1996 (aaO) ausgeführt, die Nichtbeteiligung der Arbeitnehmer der Gliederungen und Einrichtungen der Beklagten bei der Wahl zur BGL beim Parteivorstand beruhe inhaltlich auf einer Verkennung des Betriebsbegriffs. Die Verkennung des Betriebsbegriffs mache aber eine Betriebsratswahl nach dem Betriebsverfassungsgesetz nur anfechtbar und führe nicht zu deren Nichtigkeit (vgl. BAGE 30, 12 und 46, 363 = AP Nr. 1 und 3 zu § 1 BetrVG 1972).
cc) Daß die BGL beim Parteivorstand mit der Beklagten einen Sozialplan auch zugunsten der Arbeitnehmer ihrer Untergliederungen und Einrichtungen vereinbarte, macht den Sozialplan I nicht unwirksam. Dieser ist im übrigen auch mit der HBV vereinbart worden und somit als Firmentarifvertrag wirksam.
2. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Anspruch des Klägers auf die Abfindung aus dem Sozialplan I nicht durch den Sozialplan II beseitigt worden.
Abfindungsansprüche, für die wie hier nur eine betriebsbedingte Kündigung vorausgesetzt werden, entstehen mit Ausspruch der Kündigung (vgl. BAG Urteil vom 28. August 1996 – 10 AZR 886/95 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, m.w.N.). Damit war der Anspruch des Klägers auf die Sozialplanabfindung am 28. Februar 1991 entstanden. Dieser Anspruch ist nicht durch den am 29. November 1991 geschlossenen Sozialplan II beseitigt worden. Zwar wird dort in Ziff. 1.2. bestimmt, daß der Sozialplan I aufgehoben wird. Doch erhalten nach Ziff. 3.3. des Sozialplans II Arbeitnehmer, die weitergehende Abfindungsansprüche aus dem Sozialplan I aufrechterhalten bzw. zu deren Durchsetzung ein Verfahren eingeleitet haben, nicht die im Sozialplan II festgelegten Leistungen. Der Sozialplan II hat damit bereits entstandene Ansprüche aus dem Sozialplan I in ihrem rechtlichen Bestand nicht beseitigt, sondern unverändert bestehen gelassen (so auch BAG Urteil vom 10. Dezember 1992 – 8 AZR 20/92 – BAGE 72, 95 = AP Nr. 1 zu § 20b ParteienG-DDR). Da der Kläger seinen Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan I am 20. Juni 1991 klageweise geltend gemacht und das Angebot der Beklagten auf Zahlung einer geringeren Abfindung nicht angenommen hat, ist dieser Abfindungsanspruch auch nach Abschluß des Sozialplans II erhalten geblieben.
3. Entgegen der Auffassung der Revision verstößt eine uneingeschränkte Verurteilung der Beklagten durch das Landesarbeitsgericht nicht mehr gegen § 20b Abs. 1 ParteienG-DDR. Zu einer Umgehung dieser Vorschrift könnte es nur kommen, wenn der Kläger in Vermögensgegenstände vollstrecken könnte, die der Beklagten nicht zustehen, sondern der Verwaltung der BVS unterliegen (vgl. BAG Urteil vom 10. Dezember 1992, aaO). Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben aber die Beklagte und die BVS am 18. Juli 1995 durch Vergleich sich über die Entflechtung des Alt- und Neuvermögens geeinigt und dabei auch einen Freistellungsanspruch der Beklagten gegenüber der BVS in Höhe von 1 Mio. DM für rechtskräftig zuerkannte Ansprüche aus dem Sozialplan I geregelt. Bei einer möglichen Vollstreckung ausschließlich in das Neuvermögen der Beklagten bzw. in diesen Freistellungsanspruch besteht dann aber nicht mehr die Gefahr der Umgehung von § 20b Abs. 1 ParteienG-DDR.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Jobs, Hauck, Schlaefke, Lindemann
Fundstellen