Entscheidungsstichwort (Thema)
Gefahrenzulage Erzieher in einer kinder- und jugendpsychiatrischen Station einer Universitätsklinik; Berichtigung der Rechtsmittelbelehrung
Orientierungssatz
Als Erzieher in psychiatrischen Einrichtungen tätige Angestellte sind keine Pflegepersonen iSd. § 1 Abs. 1 Nr. 5 TV Gefahrenzulagen. Sie haben nur dann Anspruch auf Gefahrenzulagen nach dieser Tarifbestimmung, wenn sie mit den geistig kranken Patienten ständig zu arbeitstherapeutischen Zwecken zusammenarbeiten oder sie hierbei beaufsichtigen.
Normenkette
BAT § 33 Abs. 1c, 6, § 34 Abs. 2; Tarifvertrag über die Gewährung von Zulagen gem. § 33 Abs. 1 Buchst. c; BAT (TV Gefahrenzulagen) § 1 Abs. 1 Nr. 5; GG Art. 9 Abs. 3; ZPO § 319 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer Gefahrenzulage gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Tarifvertrags über die Gewährung von Zulagen gem. § 33 Abs. 1c BAT (TV Gefahrenzulagen).
Der Kläger war bei der Beklagten seit 1. Januar 1988 bis 31. Juli 2001 als Erzieher beschäftigt. Er erhielt Vergütung nach der VergGr. IVb BAT. Seine Arbeitszeit betrug 19,5 Wochenstunden. Nachdem der Kläger zunächst in einer Außenstelle der Charité in Charlottenburg tätig war, war er seit dem 13. Dezember 1999 mit gleichen Aufgaben auf der Station 31 der Charité eingesetzt. Dort wurden 12 Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren betreut, die akute psychische, psychosomatische und/oder neuropsychiatrische Erkrankungen mit ua. schweren Verhaltens- und Entwicklungsstörungen der kognitiven, emotionalen und psychosozialen Kompetenz aufwiesen. Basis der stationären psychiatrischen Betreuung war die pflegerisch-pädagogische Behandlungsgruppe. Die Regelaufgaben des pflegerisch bzw. erzieherisch tätigen Personals waren grundsätzlich miteinander und nebeneinander durchzuführen. Über Spiel, Gespräche sowie Aktivitäten innerhalb und außerhalb des Krankenhauses sollten familienähnliche Bedingungen gestaltet werden.
Mit Schreiben vom 29. Juli 1999 hat der Kläger für die Zeit ab 1. Januar 1999 die Zahlung einer Gefahrenzulage gem. § 33 Abs. 1c BAT iVm. dem TV Gefahrenzulagen geltend gemacht. Diesen Anspruch verfolgt er, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 25. Oktober 1999 eine Zahlung abgelehnt hat, mit seiner Klage weiter.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe die gleichen Aufgaben wahrgenommen wie die als Krankenschwestern oder- pfleger ausgebildeten Mitarbeiter in der Behandlungsgruppe. Auf Grund der neuen Konzeption einer Verknüpfung der Aufgaben des Pflege- und Erziehungspersonals zur Umsetzung moderner pflegerisch-heilpädagogischer Behandlungsmethoden im Rahmen der Teamarbeit sei er dem pflegerischen Personal gleichzustellen. Dies folge auch aus dem Wortlaut der tariflichen Vorschrift, wenn dort von Pflegepersonen die Rede sei. Der Begriff der “Pflege” werde heute nicht mehr in dem Sinne betrachtet, wie dies bei Schaffung der Tarifmerkmale womöglich noch der Fall gewesen sei. Sinn und Zweck der sogenannten Gefahren- bzw. Erschwerniszulage sei es, diese Zulage für die Erschwernisse der beruflichen Tätigkeit in psychiatrischen Einrichtungen zu gewähren. Eine konkrete Gefährdung des Behandelnden sei für die Gewährung der Gefahrenzulage nicht erforderlich. Das Pflegepersonal müsse wegen des ständigen Umgangs mit den psychisch kranken Menschen selber psychisch und physisch höhere Anforderungen erfüllen und sei damit erheblich höheren Belastungen ausgesetzt, als dies in Anstalten und Krankenanstalten gegeben sei. Zumindest sei der genannte Tarifvertrag im Wege der Lückenfüllung unter Einbeziehung der heute praktizierten, nicht mehr an der rein medizinischen Versorgung orientierten heilpädagogischen Konzeption im Bereich der Behandlung geistig kranker Menschen dahingehend auszulegen, daß alle Mitarbeiter des jeweiligen Teams unabhängig von ihrer medizinischen oder erzieherischen/heilpädagogischen Ausbildung einen Anspruch auf die Gefahrenzulage hätten. Auch die Tätigkeit des Pflegepersonals mit medizinischer Ausbildung sei als betreuende Pflege, als Pflege in psychologischer Hinsicht bzw. als Hilfe im Sinne einer “Milieutherapie” zu verstehen. Bezeichnenderweise sei auch das “pädagogische Personal” der Pflegedienstleitung unterstellt. Die Beklagte habe tatsächlich sowohl hinsichtlich des Einsatzes der Beschäftigten als auch deren ausgeübten Tätigkeiten keineswegs zwischen medizinischem Pflegepersonal und sozialpädagogischem Pflegepersonal differenziert. So habe er, der Kläger, auch alleine Dienst auf der Station gemacht. Richtig sei zwar, daß er im strengen Sinne des Wortlauts des Tarifvertrages nicht zu “arbeitstherapeutischen Zwecken” mit den geistig kranken Patienten zusammengearbeitet oder diese beaufsichtigt habe, doch seien für Schüler und Jugendliche “normale” Beschäftigungssituationen als der “arbeitstherapeutischen” Beschäftigung gleichwertig anzuerkennen.
Der Kläger hat in den Vorinstanzen beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 480,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. März 2000 sowie künftig monatlich 30,00 DM brutto als Zulage entsprechend § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Tarifvertrages über die Gewährung von Zulagen gem. § 33 Abs. 1c BAT zu zahlen.
Die Beklagte hat ihren Antrag auf Klageabweisung damit begründet, Erzieher unterfielen nicht dem Begriff des “Pflegepersonals in psychiatrischen Krankenhäusern”. Eine Rechtsfortbildung bzw. ergänzende Auslegung des Tarifvertrages komme nicht in Betracht, da der Wille der Tarifvertragsparteien zur unterschiedlichen Behandlung der verschiedenen Personengruppen klar ersichtlich sei. Selbst wenn man mit der Behauptung des Klägers davon ausginge, daß die Pflegepersonen auf der Station des Klägers nicht überwiegend pflegerisch tätig seien, würde dies nur bedeuten, daß diese keinen Anspruch auf die Zulage hätten. Daraus könne der Kläger für sich nichts herleiten. Unerheblich sei, daß sich die Methoden in den Heil- und Pflegeanstalten weiterentwickelt hätten. Entscheidend sei, daß die Tarifvertragsparteien die Tätigkeit, die der Kläger ausübt habe, nicht im Rahmen des TV Gefahrenzulagen erfaßt hätten. Schließlich habe der Kläger auch nicht das Merkmal der Zusammenarbeit mit oder der Beaufsichtigung von geistig kranken Patienten zu arbeitstherapeutischen Zwecken erfüllt. Die im Rahmen der Arbeitstherapie von den Patienten eingesetzten Werkzeuge bedeuteten eine zusätzliche Gefahr, die über die Gefahren des alltäglichen Umgangs mit den Patienten hinausgehe. Die Gefährdung im gewöhnlichen Umgang mit den Patienten habe dagegen zum Berufsrisikos des Klägers gehört; für sie sehe der Tarifvertrag keine Gefahrenzulage vor.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos.
Mit seiner vom Landesarbeitsgericht im Tenor des Urteils zugelassener Revision beantragt der Kläger unter teilweiser Klagerücknahme,
die Beklagte in Abänderung der Urteile I. und II. Instanz zu verurteilen, für den Zeitraum 1. Januar 1999 bis 31. Juli 2001 an den Kläger 475,54 Euro brutto nebst 4 % Zinsen auf 245,44 Euro seit dem 1. März 2000 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf 230,10 Euro seit dem 1. Februar 2001 zu zahlen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger erfüllte nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 TV Gefahrenzulagen.
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Thiel, Tirre
Fundstellen
ARST 2003, 66 |
NZA 2002, 1112 |
ZTR 2002, 591 |
PersV 2003, 278 |
PflR 2002, 473 |
NJOZ 2003, 1385 |
Tarif aktuell 2002, 5 |