Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialplanabfindung. Eigenkündigung des Arbeitnehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

Fortführung der Rechtsprechung aus dem Urteil vom 20. April 1994 – 10 AZR 323/93 – AP Nr. 77 zu § 112 BetrVG 1972

 

Normenkette

BetrVG §§ 75, 112

 

Verfahrensgang

LAG Brandenburg (Urteil vom 14.03.1994; Aktenzeichen 5 Sa 684/93)

ArbG Neuruppin (Urteil vom 24.06.1993; Aktenzeichen 4 Ca 218/93)

 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 14. März 1994 – 5 Sa 684/93 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Abfindung aus einem Sozialplan.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 1. September 1975 beschäftigt. Die Beklagte produzierte Leiterplatten. Bei ihr waren ca. 3500 Arbeitnehmer tätig. Die Klägerin arbeitete im Direktoriat Produktion, Abteilung Fertigungsorganisation. Diese Abteilung betreute sämtliche Vorbereitungs-, Abwicklungs- und Abrechnungsarbeiten für den produktiven Bereich des Betriebes. Zu den Aufgaben der Klägerin gehörte die Führung, Mitgestaltung und Überwachung des Funktionsplanes und des Stellenplanes des gesamten Direktoriats.

Aufgrund der Umstellung von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft geriet die Beklagte in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Jahre 1990 fanden Belegschaftsversammlungen statt, auf denen die Situation des Unternehmens diskutiert wurde. Anfang 1990 wurde mit Rationalisierungsmaßnahmen begonnen. Im Sommer 1990 war die Klägerin an der Änderung des Stellen- und Strukturplanes beteiligt. Die Umstrukturierung führte dazu, daß von den ca. 1.600 Beschäftigten in ihrem Direktoriat ca. 600 in Kurzarbeit geschickt wurden. Ab Mitte September 1990 wurden der Klägerin keine Aufgaben mehr zugewiesen. Seit dem 12. November 1990 befand sie sich in Kurzarbeit Null.

Mit Schreiben vom 28. Januar 1991 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 10. Februar 1991. Sie hatte eine neue Stelle bei der AOK gefunden.

Im März 1991 beschloß die Beklagte die Liquidation. Von diesem Zeitpunkt an wurden betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Der Betrieb der Beklagten wurde zum 30. Juni 1991 stillgelegt.

Am 19. März 1992 wurde vom Liquidator und dem Betriebsrat der Beklagten ein Sozialplan abgeschlossen. Dieser wurde am 4. Mai 1992 in einigen Punkten auf Initiative der Treuhandanstalt abgeändert.

Der Sozialplan enthält, soweit hier von Interesse, folgende Regelung:

§ 1

Gegenstand

Gegenstand des Sozialplanes sind Regelungen zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile aus Anlaß der Betriebsstillegung gemäß Interessenausgleich vom 26.03.1991.

Dem Betriebsrat ist bekannt, daß EPW nicht in der Lage ist, den Sozialplan selbst zu finanzieren. EPW wird deshalb einen Antrag auf Zweckzuwendung für den Gesamtbetrag des Sozialplanes stellen. Die Auszahlung des Sozialplanes ist daher erst möglich, wenn der Antrag bewilligt und die Zuwendung durch die Treuhandanstalt erfolgt ist.

§ 4

Anspruchsberechtigung

Anspruchsberechtigt sind alle Arbeitnehmer, die nach dem 01.07.90 von der EPW betriebsbedingt gekündigt oder mit denen ein betriebsbedingter Aufhebungsvertrag abgeschlossen wurde.

Die ursprüngliche, von der Treuhandanstalt nicht genehmigte Fassung des Sozialplans sah in § 4 Satz 2 u. 3 folgende Regelung vor:

„Ebenfalls einbezogen sind Arbeitnehmer, deren Eigenkündigung nach dem 30.06.1990 zeitnah und unmittelbar bedingt war, da ihnen seitens der Geschäftsleitung von EPW mitgeteilt wurde, daß ihr Arbeitsplatz ersatzlos aus betriebsbedingten Gründen wegfallen wird. Eine solche Ankündigung gilt als betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung im Sinne des Sozialplanes.”

§ 5

Ausgeschlossene Arbeitnehmer

Keinen Anspruch aus diesem Sozialplan haben

a) Arbeitnehmer, die das Arbeitsverhältnis gekündigt haben oder kündigen oder einen nicht betriebsbedingten Aufhebungsvertrag abgeschlossen haben und auf die der Tatbestand des § 4 Satz 2 nicht zutrifft.

§ 6

Höhe des Anspruchs

d) Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 30.06.1991 durch einen betriebsbedingten Aufhebungsvertrag oder durch eine gem. § 4 Satz 2 bedingte Eigenkündigung beendet wurde, erhalten 80 % der gemäß Ziffer b und c ermittelten Punkte. Die sich daraus ergebenden Punkte sind zu runden.

§ 10

Wirksamwerden des Sozialplanes

Dieser Sozialplan wird wirksam, wenn die Treuhandanstalt dem Antrag auf Zweckzuwendung zustimmt …

Während eine Arbeitskollegin der Klägerin, die etwa zur gleichen Zeit eine Tätigkeit bei der AOK aufgenommen hatte, jedoch aufgrund eines Aufhebungsvertrages ausgeschieden war, eine Abfindung aus dem Sozialplan erhielt, weigerte sich die Beklagte, an die Klägerin eine Abfindung zu zahlen.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine Abfindung in Höhe von 3.595,20 DM brutto nach dem Sozialplan. Sie meint, der Ausschluß von Beschäftigten, die ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben, weil ihre Entlassung abzusehen gewesen sei, aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 BetrVG. Die Eigenkündigung sei betriebsbedingt und von der Beklagten veranlaßt worden. Ihr Arbeitsplatz sei im Zeitpunkt der Kündigung bereits unwiderruflich weggefallen.

Die Klägerin hat im übrigen behauptet, ihr unmittelbarer Vorgesetzter, der Zeuge P., habe ihr in Gesprächen klargemacht, daß keine Hoffnung auf eine Weiterbeschäftigung mehr bestehe. Diese Gespräche hätten vor dem Beginn der Kurzarbeit Null stattgefunden. Etwa eine Woche bevor sie in Kurzarbeit Null geschickt worden sei, habe ferner der damalige Direktor für Produktion, Herr P., ihr erklärt, daß es ihren Arbeitsplatz nicht mehr gebe und auch eine andere Verwendung innerhalb des Betriebes für sie nicht gefunden werden könne. Er habe ihr geraten, sich eine andere Tätigkeit zu suchen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 3.595,20 DM brutto zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie beruft sich darauf, daß nach den Regelungen des Sozialplanes der Klägerin kein Abfindungsanspruch zustehe. Die Kündigung sei nicht von ihr veranlaßt worden. Auf die subjektive Einschätzung der Klägerin komme es nicht an. Im Jahre 1990 habe das Schicksal des Unternehmens noch nicht festgestanden. Erst mit dem Liquidationsbeschluß vom März 1991 sei entschieden worden, was mit dem Unternehmen geschehen sollte. Aus den von der Klägerin behaupteten Äußerungen der Vorgesetzten könne nicht der Schluß gezogen werden, daß seitens der Beklagten konkrete Kündigungsabsichten bestanden hätten. Im übrigen sei sie an die Entscheidung der Treuhandanstalt, arbeitgeberseitig veranlaßte Eigenkündigungen vom Sozialplan auszunehmen, gebunden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Vernehmung des Zeugen P. abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Revision zugelassen.

Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht erkannt, daß der Klägerin ein Anspruch auf eine Abfindung zusteht. Ihr Ausschluß von den Sozialplanleistungen wegen ihrer vom Arbeitgeber veranlaßten Eigenkündigung verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein Abfindungsanspruch in der geltend gemachten Höhe zu. Soweit der Sozialplan einerseits Abfindungen bei betriebsbedingten Kündigungen und bei betriebsbedingten Aufhebungsverträgen vorsehe, andererseits aber Arbeitnehmer, deren Eigenkündigung vom Arbeitgeber veranlaßt worden sei, von Abfindungen ausschließe, liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG vor. Diesem könne nur dadurch Rechnung getragen werden, daß auch diese Arbeitnehmer Sozialplanleistungen erhielten. Die Klägerin sei von der Beklagten zur Eigenkündigung veranlaßt worden. Sie sei vor Anordnung der Kurzarbeit Null im November 1990 bereits über einen längeren Zeitraum von der Beklagten nicht mehr beschäftigt worden. Wegen der ihr bekannten wirtschaftlichen Situation der Beklagten und der nach der Beweisaufnahme unstreitigen Äußerung des Zeugen P., daß es aus der Kurzarbeit kein Zurück mehr gebe, habe die Klägerin davon ausgehen können, daß sie ihren Arbeitsplatz in absehbarer Zeit endgültig verlieren werde, zumal sie aufgrund ihrer Arbeitsaufgabe Einblick in die Stellenplanung der Beklagten gehabt habe.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts stimmt der Senat im Ergebnis zu. Der Klägerin steht ein Anspruch auf eine Abfindung aus dem Sozialplan zu, da sie mit den Arbeitnehmern gleich zu behandeln ist, die aufgrund eines betriebsbedingten Aufhebungsvertrages ausgeschieden sind.

1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß der Klägerin nach dem Wortlaut der Sozialplanregelung kein Anspruch auf eine Abfindung zusteht. Nach §§ 4 u. 5 des Sozialplans haben Anspruch auf eine Abfindung nur Arbeitnehmer, denen betriebsbedingt gekündigt worden ist oder die einen betriebsbedingten Aufhebungsvertrag geschlossen haben. Die ursprünglich in § 4 Satz 2 u. 3 des Sozialplans vorgesehene Regelung, die vom Arbeitgeber veranlaßte Eigenkündigungen den betriebsbedingten Kündigungen durch den Arbeitgeber gleichstellte, hat keinen Eingang in die endgültige Fassung des Sozialplans gefunden.

2. Die Versagung von Sozialplanleistungen an Arbeitnehmer, die im Hinblick auf eine vom Arbeitgeber geplante Betriebsänderung ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben, verstößt im vorliegenden Falle gegen § 75 BetrVG, weil Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten, die aufgrund eines betriebsbedingten Aufhebungsvertrages ausgeschieden sind.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Betriebspartner bei der Aufstellung eines Sozialplans frei in ihrer Entscheidung, welche Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer sie in welchem Umfange ausgleichen oder mildern wollen (BAGE 59, 359 = AP Nr. 47 zu § 112 BetrVG 1972, m.w.N.). Sie können bei ihrer Regelung von einem Nachteilsausgleich auch gänzlich absehen (BAG Urteil vom 25. Oktober 1983 – 1 AZR 260/82 – AP Nr. 18 zu § 112 BetrVG 1972) oder nach der Vermeidbarkeit von Nachteilen unterscheiden (BAG Urteil vom 8. Dezember 1976 – 5 AZR 613/75 – AP Nr. 3 zu § 112 BetrVG 1972). Es muß aber der Normzweck des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG beachtet werden, wonach der Sozialplan dazu dient, wirtschaftliche Nachteile auszugleichen oder zu mildern, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen.

3. Arbeitnehmer, die im Hinblick auf eine bevorstehende Betriebsänderung ihr Arbeitsverhältnis selbst kündigen oder einen Aufhebungsvertrag schließen, tun dies regelmäßig nur dann, wenn sie bereits ein neues Arbeitsverhältnis gefunden oder doch wenigstens in sicherer Aussicht haben. Diese Arbeitnehmer können gleichwohl durch die Betriebsänderung einen wirtschaftlichen Nachteil erleiden, da sie alle Anwartschaften beim bisherigen Arbeitgeber verlieren und im neuen Arbeitsverhältnis zunächst keinen Kündigungsschutz haben. Ob auch diese wirtschaftlichen Nachteile durch Leistungen aus dem Sozialplan ausgeglichen oder gemildert werden sollen, können die Betriebspartner frei entscheiden. Sie können davon auch absehen und diesen Arbeitnehmern keine Leistungen zukommen lassen (BAG Urteil vom 30. November 1994 – 10 AZR 578/93 – AP Nr. 89 zu § 112 BetrVG 1972, m.w.N.).

Im vorliegenden Fall sieht der Sozialplan zwar Leistungen für Arbeitnehmer vor, die aufgrund eines betriebsbedingten, d.h. aufgrund eines durch die bevorstehende Betriebsänderung bedingten Aufhebungsvertrages ausscheiden, nimmt aber Arbeitnehmer aus, die aus dem gleichen Grund ihr Arbeitsverhältnis selbst kündigen. Diese Unterscheidung ist im Hinblick auf die zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile regelmäßig nicht gerechtfertigt, da für beide Gruppen davon auszugehen ist, daß sie eine neue Stelle gefunden haben und daher die gleichen, wenn auch weniger schwerwiegenden wirtschaftlichen Nachteile erleiden.

Gleichwohl kann die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis selbst kündigen, und solchen, die aufgrund eines Aufhebungsvertrages ausscheiden, sachlich gerechtfertigt sein. Arbeitnehmer, die einen Aufhebungsvertrag schließen, gehen mit Zustimmung des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber kann entscheiden, ob er den Arbeitnehmer noch für die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsänderung oder noch darüber hinaus benötigt, oder ob ihm das freiwillige Ausscheiden des Arbeitnehmers nur eine ohnehin notwendige Kündigung erspart.

Kündigt der Arbeitnehmer selbst, verliert der Arbeitgeber u.U. Arbeitnehmer, die er überhaupt oder noch eine gewisse Zeit benötigt und daher behalten möchte. Auch dieses Interesse des Arbeitgebers an einer geordneten Durchführung der Betriebsänderung können die Betriebspartner bei ihrer Regelung über Leistungen aus einem Sozialplan berücksichtigen. So hat der Senat es für zulässig gehalten, daß Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis vorzeitig, d.h. vor der geplanten Stillegung des (Hotel-)Betriebs selbst kündigten, von Leistungen aus dem Sozialplan ausgeschlossen wurden (Urteil vom 9. November 1994 – 10 AZR 281/94 – AP Nr. 85 zu § 112 BetrVG 1972).

4. Im vorliegenden Fall ist nicht festgestellt, daß die Betriebspartner die Differenzierung zwischen Eigenkündigungen und Aufhebungsverträgen aus den dargestellten Gründen vorgenommen haben. Die ursprüngliche, später von der Treuhandanstalt nicht genehmigte Fassung des § 4 Satz 2 und 3 des Sozialplans spricht eher dagegen. Das kann jedoch dahingestellt bleiben.

Das Interesse des Arbeitgebers, selbst darüber entscheiden zu können, ob und welche Arbeitnehmer er vorzeitig gehen lassen will und deswegen mit ihnen einen Aufhebungsvertrag schließt, ist jedenfalls dann kein sachlicher Grund für eine Differenzierung zwischen Eigenkündigungen und Aufhebungsverträgen, wenn die Arbeitnehmer seit langer Zeit ohnehin nicht mehr beschäftigt werden und sich in Kurzarbeit Null befinden, aus der es, wie das Landesarbeitsgericht aufgrund der Beweisaufnahme festgestellt hat, „kein Zurück mehr gibt”. Daß unter diesen Umständen diese Arbeitnehmer noch benötigt werden und dem Arbeitgeber daher die Entscheidung verbleiben muß, ob er den Arbeitnehmer gehen lassen will, ist nicht ersichtlich.

5. Soweit die Beklagte die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts angreift, kann sie damit keinen Erfolg haben. Das Landesarbeitsgericht hat dabei weder Denkgesetze noch allgemeine Erfahrungssätze verletzt noch hat es wesentliche Umstände außer Betracht gelassen. Es hat der Aussage des Zeugen P. vielmehr die naheliegendste Bedeutung beigemessen. Die Anordnung von Kurzarbeit mit Null Stunden Arbeitszeit diente in der Regel der Überbrückung bis zur Zeit der Betriebsschließung.

Der Ausschluß der Arbeitnehmer von Leistungen des Sozialplans, die ihr Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die bevorstehende Betriebsänderung selbst gekündigt haben, während denjenigen, die aus diesem Grund einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben, solche Leistungen gewährt werden, verstößt daher gegen § 75 BetrVG i.Verb. mit dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Er ist daher unwirksam.

6. Mit Recht nimmt das Landesarbeitsgericht auch an, daß die Kündigung der Klägerin in einen Zeitraum fiel, auf den sich die vom Sozialplan erfaßte Betriebsänderung erstreckte. Zwar wurde der Liquidationsbeschluß erst im März 1991 gefaßt und wurden auch erst nach diesem Zeitpunkt betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Die Betriebspartner haben aber gleichwohl alle Maßnahmen, die nach dem 1. Juli 1990 erfolgten, als vom Sozialplan erfaßte Betriebsänderungen angesehen. Dazu zählte somit auch die Kündigung der Klägerin im Februar 1991.

7. Die Beklagte kann dem Abfindungsanspruch der Klägerin auch nicht entgegenhalten, daß die Treuhandanstalt die Zahlung von Abfindungen an Arbeitnehmer, die aufgrund einer Eigenkündigung ausgeschieden sind, nicht genehmigt habe.

Zwar ist auf das Betreiben der Treuhandanstalt die ursprüngliche Fassung des § 4 Satz 2 u. 3 des Sozialplans, die vom Arbeitgeber veranlaßte Eigenkündigungen mit erfaßte, nicht in die endgültige Fassung des Sozialplans eingegangen. Damit konnten die Betriebspartner aber nicht mit Rechtswirksamkeit gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern von der Beachtung der Grundsätze in § 75 BetrVG entbunden werden. Diese führen vielmehr dazu, daß das von der Treuhandanstalt genehmigte Gesamtvolumen für den Sozialplan entsprechend diesen Grundsätzen zu verteilen ist. Wird das Gesamtvolumen durch Ansprüche, die erst nachträglich festgestellt werden, erhöht, so ist eine solche mittelbare Ausdehnung des Gesamtvolumens nach ständiger Rechtsprechung hinzunehmen, wenn nur einzelne Arbeitnehmer benachteiligt worden sind und die Mehrbelastung durch die Korrektur im Verhältnis zum Gesamtvolumen des Sozialplans nicht ins Gewicht fällt (BAGE 35, 80 = AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972; BAGE 65, 199 = AP Nr. 56 zu § 112 BetrVG 1972). Diese Voraussetzungen hat das Landesarbeitsgericht vorliegend festgestellt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Thiel, Tirre

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1092937

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