Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplanabfindung
Normenkette
BetrVG 1972 § 112
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 1. Februar 1996 – 4 Sa 1152/95 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Sozialplanabfindung.
Die Klägerin war vom 1. Juli 1977 bis zum 31. Dezember 1993 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma A. GmbH … als Sachbearbeiterin beschäftigt.
Weil die A. GmbH ihre Geschäftsaktivitäten mit der D. GmbH … zusammenlegen wollte, vereinbarte die Geschäftsleitung mit dem Betriebsrat am 27. September 1993 einen Sozialplan, der u.a. folgende Bestimmungen enthält:
„§ 3 Versetzungen
3.1 Alle Arbeitnehmer/innen des Standortes „E.” erhalten ein Versetzungsangebot zum Standort „M.”
3.2 …
§ 4 Besitzstandssicherung
…
4.3 Hat der/die Mitarbeiter/in das Angebot eines gleichen oder gleichwertigen Arbeitsplatzes angenommen, hat er/sie auch nach der Betriebsverlegung das Recht, seine Annahme zu widerrufen. Dieses muß innerhalb eines Zeitraumes von 3 Monaten nach der ersten Arbeitsaufnahme am Standort M. erfolgen.
Auch diese Arbeitnehmer/innen erhalten die Kündigungsabfindung gemäß § 7 dieses Sozialplanes beim Ausscheiden aus dem Unternehmen.
…
4.4 Wird das Arbeitsverhältnis gegenüber einem versetzten Mitarbeiter/in innerhalb von 18 Monaten nach Arbeitsaufnahme am neuen Arbeitsplatz aus betriebsbedingten Gründen gekündigt, erhält er/sie die Abfindung gemäß § 7 dieses Sozialplanes.
§ 7 Kündigungsabfindung
7.1 Arbeitnehmer/innen, die im Zusammenhang mit den im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen ausscheiden, erhalten eine Abfindung gemäß § 9 und 10 Kündigungsschutzgesetz in Verbindung mit § 3 Einkommenssteuergesetz.
7.2.1 Die Höhe der Abfindung bemißt sich,
…”
Die Klägerin nahm das Versetzungsangebot der A. GmbH an und war seit dem 1. Januar 1994 bei der D. GmbH in M. als Sachbearbeiterin tätig.
Diese Firma kündigte mit Schreiben vom 28. Juli 1994 das Arbeitsverhältnis der Klägerin betriebsbedingt wegen beabsichtigter Betriebsstillegung zum 31. August 1994, hilfsweise zum 1. Januar 1995, nachdem am 11. Juli 1994 die Eröffnung des Konkursverfahrens über deren Vermögen beantragt worden war, das am 31. August 1994 auch eröffnet wurde.
Die Klägerin war über den 31. August zunächst mit Abwicklungsarbeiten weiterbeschäftigt worden, hatte sich dann auf Weisung des Konkursverwalters zunächst vom 1. bis 18. Oktober 1994 arbeitslos gemeldet, dann wieder gearbeitet und war ab 8. November 1994 von einer neu gegründeten D. GmbH & Co. KG, die dem Betrieb der D. GmbH vom Konkursverwalter erworben hatte, weiterbeschäftigt worden.
Gegen die Kündigung hatte die Klägerin zwischenzeitlich Klage erhoben. Das Arbeitsgericht hat durch rechtskräftiges Urteil vom 17. November 1994 (– 1 Ca 1631/94 – ArbG Mönchengladbach) festgestellt, daß die Kündigung unwirksam sei. Sie sei wegen des Betriebsübergangs auf die D. GmbH & Co. KG ausgesprochen worden.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten gemäß § 4 Ziff. 4.4 des Sozialplans die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 36.850,00 DM. Der Abfindungsanspruch sei begründet, weil die D. GmbH eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen habe. Es müsse nicht zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses gekommen sein.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 36.850,– DM nebst 12,5 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 16. Oktober 1994 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, ein Abfindungsanspruch sei nur gegeben, wenn das Arbeitsverhältnis des versetzten Arbeitnehmers aufgrund einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung beendet worden sei.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der Abfindung gemäß § 4 Ziff. 4.4 des Sozialplanes vom 27. September 1993. Danach erhält eine versetzte Mitarbeiterin eine Abfindung gemäß § 7 des Sozialplanes, wenn ihr Arbeitsverhältnis innerhalb von 18 Monaten nach Arbeitsaufnahme am neuen Arbeitsplatz aus betriebsbedingten Gründen gekündigt wird. Gemäß § 7 Abs. 1 Sozialplan erhalten Arbeitnehmer/innen eine Abfindung, die im Zusammenhang mit den im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen ausscheiden.
1. Das Landesarbeitsgericht hat diese Regelung dahin ausgelegt, daß ein Abfindungsanspruch nur dann besteht, wenn das Arbeitsverhältnis der versetzten Arbeitnehmerin aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung auch tatsächlich beendet wird und diese deshalb aus dem Betrieb der Firma D. GmbH ausscheidet. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen wie Tarifverträge auszulegen (vgl. BAG Urteil vom 28. Oktober 1992 – 10 AZR 129/92 – AP Nr. 66 zu § 112 BetrVG 1972, m.w.N.). Maßgeblich ist dabei – entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung – zunächst der Wortlaut. Über den reinen Wortlaut hinaus ist sodann der wirkliche Wille der Betriebspartner und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Regelung mitzuberücksichtigen. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang um Sinn und Zweck der Regelung zu ermitteln.
a) Bereits aus dem Wortlaut des § 4 Ziff. 4.4 in Verbindung mit § 7.1 des Sozialplanes folgt, daß die betriebsbedingte Kündigung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen muß. Das wird bereits aus der Formulierung „wird das Arbeitsverhältnis … aus betriebsbedingten Gründen gekündigt” deutlich.
Der Rechtsbegriff „betriebsbedingte Kündigung” wird von den Betriebspartnern nicht näher definiert. Deshalb ist bei der Auslegung des im Sozialplan aufgenommenen Begriffes von der in der allgemeinen Rechtsterminologie geltenden Inhaltsbestimmung auszugehen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. z.B. BAG Urteil vom 8. Februar 1984 – 4 AZR 158/83 – BAGE 45, 121 = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung). Nach der allgemeinen Rechtsterminologie wird unter einer „betriebsbedingten Kündigung” der Ausspruch einer Kündigung verstanden, die aufgrund betrieblicher Gründe zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Dieser Wortlaut des § 4 Ziff. 4.4 des Sozialplanes wird darüber hinaus durch die Verweisung auf § 7.1 des Sozialplanes bestätigt. Danach wollten die Betriebspartner erkennbar nicht allein eine Kündigungserklärung für die Entstehung eines Abfindungsanpruches genügen lassen, sondern es muß ein Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund der im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen erfolgen.
b) Auch der Sinn und Zweck der Sozialplanregelung bestätigt dieses Ergebnis. Der Sozialplan soll entsprechend § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dem Ausgleich und der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile dienen, die den Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung entstehen. Sozialplanregelungen haben eine Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion und sind keine Entschädigungen (BAG Urteil vom 9. November 1994 – 10 AZR 281/94 – AP Nr. 85 zu § 112 BetrVG 1972). Es entspricht daher Sinn und Zweck einer Sozialplanregelung, bei Erhalt eines Arbeitsplatzes den Ausgleich bzw. die Milderung der durch die Betriebsänderung verursachten Nachteile anders zu regeln als bei Verlust des Arbeitsplatzes.
c) Diese Auslegung wird schließlich auch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen des Sozialplanes bestätigt. Danach sollen diejenigen Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten, die entweder ihren Arbeitsplatz am früheren Standort E. verlieren (§ 7 Ziff. 7.1) oder innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten am neuen Standort M. freiwillig ausscheiden (§ 4 Ziff. 4.3) oder deren Arbeitsverhältnis innerhalb von 18 Monaten infolge einer betriebsbedingten Kündigung des neuen Arbeitgebers beendet wird. Damit stellen alle drei Regelungen auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab.
3. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist durch rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 17. November 1994 (– 1 Ca 1631/94 –) festgestellt, daß die Kündigung der D. GmbH vom 30. Juli 1994 rechtsunwirksam war. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur D. GmbH ist daher durch die Kündigung nicht beendet worden. Die Klägerin ist in diesem Arbeitsverhältnis weiterbeschäftigt worden, das nach dem Urteil des Arbeitsgerichts auf die D. GmbH & Co. KG übergegangen ist. Sie hat daher ihren Arbeitsplatz in diesem Betrieb nicht verloren. Eine Abfindung steht ihr daher nach dem Sozialplan nicht zu.
II. Die Klägerin hat auch keinen Abfindungsanspruch aus dem Gesichtspunkt arbeitsrechtlicher Gleichbehandlung.
Nach der Rechtsprechung des Senates ist es sachlich gerechtfertigt, wenn die Betriebspartner eine Abfindung für den Fall ausschließen, daß der Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsplatz hat, auch wenn dessen Bestand nicht gesichert ist (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 13. März 1996 – 10 AZR 193/95 – nicht veröffentlicht, m.w.N.). Dabei obliegt es dem Regelungsermessen der Betriebspartner, die Abfindung nach den prognostizierten Nachteilen eines Arbeitsplatzverlustes festzulegen (Senatsurteil vom 30. November 1994 – 10 AZR 578/93 – AP Nr. 89 zu § 112 BetrVG 1972). Im vorliegenden Falle haben die Betriebspartner dem dadurch ausreichend Rechnung getragen, daß diejenigen Arbeitnehmer, die sich mit einer Versetzung nach M. einverstanden erklärt haben nicht völlig von der Zahlung einer Abfindung ausgenommen wurden, sondern ihnen in M. eine Abfindung zusteht, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung beendet wird. Diese Regelung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin kann keine Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern verlangen, die infolge der Aufgabe des Betriebes in E. ihren Arbeitsplatz verloren haben.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Jobs, Hauck, Gnade, Thiel
Fundstellen