Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuwendung. Einheitliches Arbeitsverhältnis

 

Orientierungssatz

1. Auslegung des § 2 Abs 1 Unterabs 2 und des § 1 Abs 1 Nr 1 des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte (ZuwendTV) vom 12. Oktober 1973.

2. Anforderungen an die rechtliche Einheit von Arbeitsverhältnissen.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 21.11.1985; Aktenzeichen 9 Sa 82/85)

ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 26.04.1985; Aktenzeichen 3 Ca 171/85)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger im Jahr 1984 zustehenden Zuwendung.

Der Kläger war vom 1. November 1981 bis zum 31. Oktober 1983 als "Zeitangestellter" mit einer Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche am Biochemischen Institut der Universität F beschäftigt. Nach § 2 des "Arbeitsvertrages" zwischen der A-L-Universität F und dem Kläger vom 4. November 1981 bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen. Nach § 3 des Vertrages war Anlaß für die Beschäftigung die wissenschaftliche Weiterbildung des Klägers mit dem Ziel der Promotion. Dieser Vertrag wurde durch Zusatzvereinbarung vom 4. August 1983 bis zum 31. Oktober 1984 verlängert. § 4 dieser Zusatzvereinbarung lautet wie folgt:

"§ 4

Eine Vertragsverlängerung über den

31.10.1984 ist nicht mehr möglich

gemäß Arbeitsvertrag vom 04.11.1983

§ 3 Abs. 2."

Am 22. Oktober 1984 schlossen das Land Baden-Württemberg, vertreten durch die A-L-Universität, und der Kläger einen "Dienstvertrag für eine wissenschaftliche Hilfskraft mit abgeschlossener Hochschulausbildung". Darin ist u.a. folgendes vereinbart worden:

"§ 1

Der Obengenannte wird für die Zeit vom

1.11. 1984 bis 31.12.1984 beim Biochemischen

Institut der Universität

F zur Wahrnehmung von wissenschaftlichen

Hilfstätigkeiten, die zugleich

seiner wissenschaftlichen Fortbildung dienen

sollen, als wissenschaftliche Hilfskraft im

außertariflichen Angestelltenverhältnis eingestellt.

Auf das Vertragsverhältnis findet

gemäß § 3 Buchstabe g und q des Bundes-Angestelltentarifvertrages

(BAT) vom 23.02.1961

das Tarifrecht für Angestellte des Landes

keine Anwendung, soweit nachstehend nichts

anderes bestimmt ist.

§ 3

Ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsvertrages

nach dem Bundesangestelltentarifvertrag oder auf

Übernahme in das Beamtenverhältnis kann aus diesem

Dienstvertrag nicht hergeleitet werden.

§ 4

Die Arbeitszeit beträgt monatlich 25 Stunden.

§ 5

Er erhält für seine Tätigkeit pro monatliche Arbeitsstunde

eine Vergütung von 1/92 von 50 v.H.

des Grundgehalts der 1. Dienstaltersstufe der Bes.Gr.

A 13 und des Ortszuschlags nach Tarifklasse I b,

Stufe 1, gerundet auf volle DM. Die Vergütung wird

jeweils am 15. des Monats gezahlt.

§ 7

Hinsichtlich der allgemeinen Arbeitsbedingungen

gelten die §§ 7 - 10 und 14 BAT sinngemäß. Für

Krankenbezüge bei Schadenersatzansprüchen gegen

Dritte gilt § 38 BAT entsprechend. Im übrigen ist

für die Ansprüche aus dem Dienstverhältnis § 70 BAT

entsprechend anzuwenden.

§ 10

Für die Gewährung einer Zuwendung (Weihnachtszuwendung)

werden die Bestimmungen des Tarifvertrages

über die Gewährung einer Zuwendung an Angestellte

in der jeweils geltenden Fassung entsprechend angewendet.

Dies gilt auch für die Rückzahlungsverpflichtung

bei vorzeitigem Ausscheiden.

§ 13

Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, daß

das Arbeitsverhältnis bis 31. Dezember 1984 befristet

ist (§ 83 Abs. 2 UG).

Es ist nur eine Vertragsverlängerung möglich,

diese darf nicht zu einer Gesamtbeschäftigungsdauer

von mehr als 4 Jahren führen.

Die Befristung findet ihren Grund darin, daß

die Universität als Ausbildungsstätte gilt und

es in der Zweckbestimmung der Hilfskraftmittel

liegt, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern

und ihm Gelegenheit zu geben, im Anschluß an das

Studium Erfahrungen und Kenntnisse zu sammeln.

Diese Ziele sind nur durch eine turnusmäßige Neubesetzung

zu erreichen.

Die Beschäftigung von Herrn P erfolgt als

Aushilfskraft zur Mithilfe beim Biochemischen

Praktikum für Mediziner im Wintersemester 1984/1985.

Die Hilfskraft erklärt ausdrücklich, daß sie keine

Dauerbeschäftigung an diesem Arbeitsplatz anstrebt."

Im September 1984 erzielte der Kläger ein Bruttoentgelt von 1.898,67 DM, im November 1984 auf der Grundlage des neuen Vertrages in Höhe von 433,-- DM. Das beklagte Land zahlte dem Kläger eine Zuwendung in Höhe von 433,-- DM auf der Grundlage von § 2 des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte (ZuwendTV) vom 12. Oktober 1973. Dieser lautet, soweit es hier interessiert, wie folgt:

"§ 2 Höhe der Zuwendung

(1) Die Zuwendung beträgt - unbeschadet des

Absatzes 2 - 100 v.H. der Urlaubsvergütung

nach § 47 Abs. 2 BAT, die dem

Angestellten zugestanden hätte, wenn er

während des ganzen Monats September Erholungsurlaub

gehabt hätte. Dabei sind bei

der Anwendung des § 47 Abs. 2 Unterabs. 1

Satz 2 BAT bei der Fünftagewoche 22 Urlaubstage,

bei der Sechstagewoche 26 Urlaubstage

und bei anderer Verteilung der

Arbeitszeit die entsprechende Zahl von

Urlaubstagen zugrunde zu legen.

Für den Angestellten, dessen Arbeitsverhältnis

später als am 1. September begonnen

hat, tritt an die Stelle des Monats September

der erste volle Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses.

.....

(2) Hat der Angestellte nicht während des ganzen

Kalenderjahres Bezüge von demselben Arbeitgeber

aus einem Rechtsverhältnis der in § 1 Abs. 1

Nr. 2 genannten Art erhalten, vermindert sich

die Zuwendung um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat,

für den er keine Bezüge erhalten hat.

..."

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach dem ZuwendTV sei allein die Höhe seines Einkommens im Monat September für die Höhe seines Anspruches auf die Zuwendung maßgebend. Seine beiden Beschäftigungsverhältnisse bildeten eine rechtliche Einheit. Die Tätigkeitsmerkmale seiner Beschäftigung seien vor und nach dem 31. Oktober 1984 dieselben gewesen, lediglich die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden sei reduziert worden. Für die Höhe seines Anspruches auf die Zuwendung sei dementsprechend gemäß § 2 Abs. 1 ZuwendTV das Bruttoeinkommen im September 1984 maßgebend.

Der Kläger hat beantragt,

der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

DM 1.465,67 DM brutto nebst 4 % Zinsen hieraus

seit Zustellung der Klage zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen und vorgetragen, die Beschäftigungsverhältnisse bildeten keine rechtliche Einheit, so daß der Kläger nach § 2 Abs. 1 Unterabs. 2 ZuwendTV nur Anspruch auf eine Zuwendung in Höhe der Vergütung für November 1984 habe. Die Tätigkeitsmerkmale des Klägers vor und nach dem 31. Oktober 1984 seien nicht identisch.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Ausnahme der Höhe des Zinsanspruches entsprochen. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat im Jahr 1984 keinen Anspruch auf eine Zuwendung in Höhe des September-Bruttogehalts.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die beiderseitigen Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien seien durch den Dienstvertrag vom 22. Oktober 1984 auf eine völlig neue Grundlage gestellt worden. Die Verringerung der Arbeitszeit von 20 Wochenstunden auf 25 Monatsstunden sei dabei eine unbeachtliche Äußerlichkeit. Entscheidend sei jedoch, daß der Kläger nach dem Dienstvertrag vom 22. Oktober 1984 für zwei Monate als "wissenschaftliche Hilfskraft mit abgeschlossener Hochschulausbildung" zur Wahrnehmung von wissenschaftlichen Hilfstätigkeiten in ein Dienstverhältnis eingestellt worden sei. Demgegenüber habe er zuvor zur eigenen Weiterbildung mit dem Ziel der Promotion in einem Arbeitsverhältnis als Zeitangestellter gestanden. Während sich früher sein Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des BAT, insbesondere der SR 2 y, gerichtet habe und er in die Vergütungsgruppe II a eingereiht worden sei, erhalte er in dem neuen Dienstverhältnis ein Entgelt nach beamtenrechtlichen Grundsätzen, berechnet auf der Grundlage der ersten Dienstaltersstufe der Besoldungsgruppe A 13. Es handele sich deshalb um zwei deutlich voneinander zu trennende Vertragsverhältnisse, so daß als Bezugsmonat für die Sonderzuwendung gemäß § 2 Abs. 1 Unterabs. 2 ZuwendTV der Monat November 1984 gelte.

II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Nach dem ZuwendTV hat grundsätzlich nur der Angestellte einen Anspruch auf die jährliche Zuwendung, der am 1. Dezember des Kalenderjahres, für das die Zuwendung beansprucht wird, in einem Arbeitsverhältnis zu dem in Anspruch genommenen Arbeitgeber steht und nicht zu den in dem TV genannten Zwecken ohne Vergütung beurlaubt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ZuwendTV). Die Höhe der zu gewährenden Vergütung regelt § 2 ZuwendTV. Diese beträgt nach Abs. 1 Satz 1 - unbeschadet des Abs. 2 - 100 v.H. der Urlaubsvergütung nach § 47 Abs. 2 BAT, die dem Angestellten zugestanden hätte, wenn er während des ganzen Monats September Erholungsurlaub gehabt hätte. Für den Angestellten, dessen Arbeitsverhältnis später als am 1. September begonnen hat, tritt an die Stelle des Monats September der erste volle Kalendermonat dieses Arbeitsverhältnisses (§ 2 Abs. 1 Unterabs. 2 ZuwendTV).

2. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf eine Zuwendung in Höhe des Bruttogehalts des Monats September 1984 ist nicht begründet, da beide Anstellungsverhältnisse mit dem beklagten Land keine rechtliche Einheit bilden; denn das Dienstverhältnis aufgrund des Vertrages vom 22. Oktober 1984 stellt nicht die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Vertrages vom 4. November 1981/4. August 1983 zu anderen Bedingungen dar.

a) Der Vertrag vom 4. November 1981 ist ausdrücklich als Arbeitsvertrag unter Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe II a BAT abgeschlossen und insbesondere den Sonderregelungen SR 2 y BAT unterstellt worden. Demgegenüber ist in dem "Dienstvertrag" vom 22. Oktober 1984 bereits in § 1 darauf hingewiesen worden, der BAT finde mit Rücksicht auf dessen § 3 Buchstabe g und q keine Anwendung. Nach § 5 des Dienstvertrages vom 22. Oktober 1984 wird der Kläger nach beamtenmäßigen Grundsätzen (A 13) besoldet und nach § 13 Abs. 4 des Vertrages wird er nicht mehr zur Förderung seiner wissenschaftlichen Weiterbildung mit dem Ziel der Promotion beschäftigt, sondern als Aushilfskraft zur Mithilfe beim Biochemischen Praktikum für Mediziner im Wintersemester 1984/1985. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß nach der ausdrücklichen Regelung im Vertrag vom 4. November 1981 nur dessen einmalige Verlängerung möglich ist (§ 3 Abs. 2). Diese Möglichkeit ist durch die Zusatzvereinbarung vom 4. August 1983 ausgeschöpft worden, wobei die Vertragsparteien eine Verlängerung über den 31. Oktober 1984 hinaus ausdrücklich ausgeschlossen haben (§ 4). Es ist zwar richtig, daß in dem Dienstvertrag vom 22. Oktober 1984 hinsichtlich der allgemeinen Arbeitsbedingungen, für Krankenbezüge bei Schadenersatzansprüchen gegen Dritte sowie hinsichtlich der Ausschlußfristen eine entsprechende Anwendung des BAT vereinbart worden ist (§ 7). Zutreffend ist auch, daß nach § 10 des Vertrages der Tarifvertrag über die Gewährung einer Zuwendung an Angestellte entsprechend anzuwenden ist. Diese Vereinbarung von gleichen Bestimmungen in beiden Vertragsverhältnissen kann jedoch nicht dazu führen, beide als eine rechtliche Einheit anzusehen, zumal die Gemeinsamkeiten nicht unmittelbar das Leistungs-/Gegenleistungsverhältnis betreffen.

b) Im Gegensatz zur Auffassung der Revision steht dem die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31. Oktober 1975 - 5 AZR 482/74 - (AP Nr. 87 zu § 611 BGB Gratifikation = EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 48) nicht entgegen. In jener Entscheidung ging es um die Frage der rechtlichen Einheit zwischen zwei Anstellungsverträgen, bei denen lediglich die Dauer der Arbeitszeit verändert worden war, während alle anderen Regelungen, insbesondere die Grundlagen der Entgeltzahlung, Eingruppierung und die Art der Arbeitsleistung gleich blieben. Unter dieser Voraussetzung hat das Bundesarbeitsgericht damals entschieden, es liege ein einheitlicher Lebenssachverhalt vor, der nicht sinnwidrig und entgegen verständiger Rechtsauffassung in zwei getrennte Abschnitte zerlegt werden könne. Vom allgemeinen Rechtsverständnis ausgehend lasse sich demnach nicht sagen, daß die inhaltliche Änderung der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses gleichzusetzen sei. Auch wenn die Änderung nach dem 1. September erfolge, stehe dieser Monat als voller Bezugszeitraum im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 ZuwendTV zur Verfügung. Bei vorausgesetzter Einheit der rechtlichen Beziehungen sei auch der September ein "voller Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses" im Sinne der Tarifnorm, der demnach auch als Bezugszeitraum für die Berechnung der Zuwendung verwendbar bleibe, gleichviel zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis inhaltlich geändert werde. Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht nur die vereinbarte Arbeitszeit unter Beibehaltung der übrigen Bedingungen verändert worden, sondern die Rechtsbeziehungen der Parteien sind hinsichtlich Arbeitszeit, Entgelt und Rechtsgrundlage völlig neu geordnet worden. Unter diesen Umständen kann von einem einheitlichen Lebenssachverhalt keine Rede mehr sein, insbesondere wenn zusätzlich berücksichtigt wird, daß der Kläger zunächst zu seiner eigenen wissenschaftlichen Weiterbildung mit dem Ziel der Promotion, später dagegen zur Wahrnehmung wissenschaftlicher Hilfstätigkeiten als Aushilfskraft zur Mithilfe beim Biochemischen Praktikum für Mediziner beschäftigt worden ist. Damit hat sich nicht nur seine Arbeitszeit und die Grundlage seiner Vergütung völlig verändert, sondern auch die Art seiner Arbeitsleistung.

c) Das am 1. Dezember 1984 bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers hat somit am 1. November 1984 begonnen, so daß gemäß § 2 Abs. 1 Unterabs. 2 ZuwendTV für die Berechnung der Zuwendung an die Stelle des Monats September der Monat November 1984 tritt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Röhsler Dörner Schneider

Ramdohr Schmidt

 

Fundstellen

Haufe-Index 440935

ZTR 1988, 430-430 (ST1)

EzBAT, TV Zuwendung Nr 12 (KT1)

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