Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsausschluß bei gemeinsamer Betriebsstätte. Schadensersatz
Leitsatz (amtlich)
Ein Haftungsausschluß auf Grund einer Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte nach § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII kommt nur in Betracht, wenn betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen vorliegen, die bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinander greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen. Es reicht aus, daß die gegenseitige Verständigung stillschweigend erfolgt.
Orientierungssatz
Ein Haftungsausschluß auf Grund einer Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte nach § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII setzt ein bewußtes Miteinander im Arbeitsablauf voraus, das zwar nicht nach einer rechtlichen Verfestigung oder auch nur ausdrücklichen Vereinbarung verlangt, sich aber zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 847; SGB VII § 105 Abs. 1 Sätze 1-2, § 106 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2001 – 9/2 Sa 1983/00 – insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 12. Oktober 2000 – 3 Ca 452/99 –, das den Antrag des Klägers, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 6.855,60 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Mai 1998 sowie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Mai 1998 zu zahlen, abgewiesen hat, zurückgewiesen worden ist.
Der Rechtsstreit wird insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2001 – 9/2 Sa 1983/00 – zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche. Der Beklagte ist Arbeitnehmer der R… M… GmbH & Co. KG Spedition und Lagerung in G…, Streithelferin auf Beklagtenseite. Der Kläger ist Arbeitnehmer der B… Maschinen GmbH in B….
Die Arbeitgeber der Parteien stehen in Geschäftsbeziehungen zueinander. Am 20. Mai 1998 erwartete die Arbeitgeberin des Klägers einen Maschinentransport, der von der Streithelferin als Spediteurin durchgeführt wurde. Eine Druckmaschine sollte auf dem Betriebsgelände der Streithelferin ab- und umgeladen werden.
Der Kläger hatte von seiner Arbeitgeberin den Auftrag, den eintreffenden Maschinentransport und die Maschinenentladung auf dem Gelände der Streithelferin zu überwachen und für seine Arbeitgeberin zu koordinieren. Diese hat daran aus haftungs- und gewährleistungsrechtlichen Gründen ein erhebliches Interesse. Der Kläger, der seit vier Jahren bei seiner Arbeitgeberin beschäftigt ist, hat das Firmengelände der Streithelferin bis zu dem Unfall vier- bis fünf Mal im Monat für derartige Tätigkeiten aufgesucht. Er erschien auch am 20. Mai 1998 auf dem Betriebsgelände der Streithelferin.
Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte dabei, mit dem Gabelstapler Palettenkörbe mit leeren Gasflaschen auf dem Betriebsgelände der Streithelferin auf einen Lkw zu laden. Diese Tätigkeit stand in keinem Zusammenhang mit dem Transport der Druckmaschine.
Bevor es zu einer Überwachung des Maschinentransports und insbesondere der Maschinenentladung kam, erfaßte der Beklagte den Kläger beim Rückwärtsfahren mit dem Gabelstapler. Der Kläger wurde an beiden Beinen und Füßen erheblich verletzt. Die zuständige Berufsgenossenschaft der Arbeitgeberin des Klägers erkannte den Unfall als Arbeitsunfall an. Der Kläger erhielt Versicherungsleistungen.
Mit der Klage hat der Kläger gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche in Höhe von 9.071,70 DM geltend gemacht. Die Forderung setzt sich zusammen aus einem Betrag in Höhe von 60,00 DM für ein Attest, 890,20 DM für eine Brille samt Brillenetui, 798,00 DM für eine Uhr, 199,00 DM für eine Hose, 79,00 DM für ein Hemd, 249,90 DM für ein Paar Schuhe sowie 795,60 DM für Fahrtkosten der Ehefrau des Klägers für dessen Betreuung im Krankenhaus. Ferner hat der Kläger Ersatz von Kosten in Höhe von 6.000,00 DM für eine während der Betreuung des Klägers in der Boutique der Ehefrau eingesetzte Ersatzkraft verlangt.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe bei seiner Fahrt mit dem Gabelstapler die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet. Die geltend gemachten Sach- und Personenschäden seien durch den Unfall verursacht worden.
Er hat der Streithelferin mit Schriftsatz vom 3. August 1999 den Streit verkündet. Diese ist dem Beklagten beigetreten.
Der Kläger hat beantragt
- den Beklagten zu verurteilen, an ihn 9.071,70 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 20. Mai 1998 zu zahlen,
- den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Mai 1998 zu zahlen,
- festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 20. Mai 1998 auf dem Betriebsgelände der Fa. R… M… GmbH & Co. KG Spedition und Lagerung, in G… zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Der Beklagte und die Streithelferin haben Klageabweisung beantragt.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, im Streitfall komme die Haftungsbeschränkung des § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII zum Tragen. Bei dem Kläger und dem Beklagten handele es sich um Arbeitnehmer zweier Unternehmen, die vorübergehend eine betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichtet hätten. Der Beklagte hat überdies behauptet, die vom Kläger genannten Gegenstände seien bei dem Unfall nicht zerstört worden.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat zum Teil Erfolg; im übrigen ist sie unzulässig.
Unterschriften
Hauck, Dr. Wittek, Laux, Hickler, Binder
Fundstellen
BAGE 2004, 229 |
BB 2003, 690 |
DB 2003, 725 |
NJW 2003, 1891 |
EBE/BAG 2003, 42 |
ARST 2003, 186 |
ARST 2003, 93 |
EWiR 2003, 385 |
FA 2003, 125 |
FA 2003, 143 |
FA 2003, 91 |
JurBüro 2003, 331 |
NZA 2003, 968 |
SAE 2003, 370 |
StuB 2003, 480 |
ZTR 2003, 251 |
AP, 0 |
AuA 2003, 45 |
AuA 2004, 47 |
EzA-SD 2002, 5 |
EzA-SD 2003, 19 |
EzA |
PERSONAL 2003, 55 |
VersR 2003, 1177 |
ArbRB 2003, 109 |
BAGReport 2003, 104 |
GuS 2003, 64 |
SPA 2003, 7 |