Entscheidungsstichwort (Thema)
Mutterschutzlohn. Ärztliches Beschäftigungsverbot. Darlegungs- und Beweislast. Vorrangigkeit des Anspruchs auf Mutterschutzlohn gegenüber dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für den Ausspruch eines Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs. 1 MuSchG tatsächlich nicht vorgelegen haben, liegt nicht beim Arbeitgeber; dieser hat vielmehr lediglich Tatsachen vorzutragen und im Falle des Bestreitens zu beweisen, die den Beweiswert eines ärztlich bescheinigten Beschäftigungsverbots erschüttern. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen eines wirksamen Beschäftigungsverbots liegt sodann bei der Arbeitnehmerin.
2. Durch eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit wird der Anspruch aus § 11 MuSchG grundsätzlich ausgeschlossen. Bewirkt eine bestehende Krankheit erst bei fortdauernder Beschäftigung eine weitere Verschlechterung der Gesundheit und damit einhergehend die Unfähigkeit zur Arbeitsleistung, ist zu prüfen, ob die Ursache hierfür ausschließlich in der Schwangerschaft liegt; in diesem Falle ist der Anspruch auf Mutterschutzlohn gegenüber dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vorrangig.
Normenkette
MuSchG § 3 Abs. 1, § 11; ZPO § 286
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 16.05.2000; Aktenzeichen 12 Sa 1723/99) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 16. Mai 2000 – 12 Sa 1723/99 – aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Mutterschutzlohn auf Grund eines ärztlichen Beschäftigungsverbots.
Die am 21. März 1969 geborene Klägerin ist seit 1988 bei der Beklagten als Hauswirtschafterin zu einem Bruttomonatsverdienst von 1.402,00 DM beschäftigt. Die Beklagte betreibt Pflegeheime. Die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin betrug zuletzt 18,5 Stunden.
In der Zeit vom 15. Juni bis 10. Juli 1998 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Am 14. Juli 1998 erhielt die Beklagte von der Klägerin ein ärztliches Zeugnis über eine bestehende Schwangerschaft mit voraussichtlichem Geburtstermin am 29. Januar 1999 sowie eine Bescheinigung über ein Beschäftigungsverbot bis zum 17. Dezember 1998. Beide Bescheinigungen stammten von dem Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. C.
Mit Schreiben vom 14. Juli 1998 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie erkenne das Beschäftigungsverbot nicht an, weil der behandelnde Arzt es ausgesprochen habe, ohne den Arbeitsplatz zu kennen. Zugleich forderte die Beklagte die Klägerin auf, eine ausführlichere Bescheinigung vorzulegen und sich von einem weiteren Facharzt untersuchen zu lassen. In einer daraufhin von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung der Ärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. L und Dipl.-Med. D vom 23. Juli 1998 ist ausgeführt, dass sich die Klägerin in der 13. Schwangerschaftswoche befinde und wegen einer Risikoschwangerschaft ein Beschäftigungsverbot erteilt werde.
Nachdem die Beklagte auch dieses Beschäftigungsverbot nicht anerkannte, teilte Herr Dr. C unter dem Datum des 24. August 1998 folgendes mit:
„… Die Arbeitsunfähigkeit für Frau M wurde wegen einer Erkrankung ausgestellt. Das Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG bezieht sich auf das ungeborene Kind, dessen Gesundheit bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet wäre. § 3 Abs. 1 MuSchG beinhaltet das jegliche Tätigkeit verboten ist, wenn Leben oder Gesundheit von Mutter und Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet sind. Deshalb bitte ich Sie, die von zwei Ärzten getroffene Entscheidung jetzt zu akzeptieren. Weitere Anfragen richten Sie bitte nur noch über das zuständige Gewerbeaufsichtsamt an mich.
…”
Für den Monat Juli 1998 zahlte die Beklagte der Klägerin ein Gehalt in Höhe von 1.585,07 DM brutto einschließlich eines Urlaubsgelds in Höhe von 370,00 DM. Weitere Zahlungen erfolgten nicht.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung restlicher 304,78 DM brutto für den Monat Juli 1998 sowie für die Monate August, September und Oktober 1998 jeweils 1.402,00 DM brutto. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Anspruch ergebe sich aus § 11 MuSchG, weil sie durch zwei fachärztliche Bescheinigungen ein Beschäftigungsverbot nachgewiesen habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin rückständigen Lohn für Juli, August, September und Oktober 1998 in Höhe von insgesamt 4.510,78 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den jeweils sich ergebenden Nettobetrag seit dem 4. November 1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ausweislich der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen habe eine Risikoschwangerschaft und damit Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Dies stehe der Zahlungspflicht nach § 11 MuSchG entgegen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Ob die Klägerin Mutterschutzlohn zu beanspruchen hat, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Die Revision rügt mit Erfolg, das Landesarbeitsgericht habe den Beweiswert der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen verkannt. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
I. Die Klageforderung kann sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 MuSchG ergeben.
1. Nach § 11 Abs. 1 MuSchG hat eine schwangere Arbeitnehmerin, soweit sie nicht Mutterschaftsgeld nach der RVO beziehen kann, Anspruch auf Weitergewährung ihres bisherigen Durchschnittsverdienstes, wenn sie wegen eines Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG mit der Arbeit aussetzt. Gemäß § 3 Abs. 1 MuSchG dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist.
2. Für ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG sind der individuelle Gesundheitszustand und die konkrete Arbeitstätigkeit der schwangeren Arbeitnehmerin maßgebend. Es genügt, dass die Fortsetzung der Arbeit mit einer Gefährdung der Gesundheit von Mutter oder Kind verbunden ist. Unerheblich ist die genaue Ursache der Gefährdung. Die Arbeitstätigkeit der Schwangeren oder ihr räumlicher Arbeitsbereich müssen nicht gesundheitsgefährdend sein. Ein Beschäftigungsverbot ist vielmehr auch dann auszusprechen, wenn die Beschäftigung für andere Frauen unabhängig von einer Schwangerschaft keinerlei Gefährdung ergibt, aber im Einzelfall auf Grund der individuellen Verhältnisse der schwangeren Frau die Gesundheit von Mutter oder Kind gefährden würde. Unter dieser Voraussetzung können auch psychische Belastungen der Arbeitnehmerin ein Beschäftigungsverbot begründen. Das individuelle Beschäftigungsverbot des § 3 Abs. 1 MuSchG greift aber erst ein, wenn der Arzt eine Gefährdung attestiert. Das ärztliche Zeugnis ist für das Beschäftigungsverbot konstitutiv (BAG 1. Oktober 1997 – 5 AZR 685/96 – BAGE 86, 347, 350; 11. November 1998 – 5 AZR 49/98 – BAGE 90, 125, 130 f.; 21. März 2001 – 5 AZR 352/99 – AP MuSchG 1968 § 3 Nr. 16, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 2 der Gründe mwN).
3. Die Pflicht der Arbeitnehmerin zur Arbeitsleistung wird durch das Verbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG suspendiert. Der Arbeitgeber darf die Arbeitnehmerin nicht mehr verbotswidrig einsetzen. Das Beschäftigungsverbot bestimmt nach Maßgabe des § 11 MuSchG zugleich über die Vergütungspflicht des Arbeitgebers. Entgegen § 323 Abs. 1 BGB entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung nicht. Vielmehr besteht für die gesamte Dauer des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots ein Anspruch auf Mutterschutzlohn (BAG 21. März 2001 aaO, zu II 3 der Gründe mwN).
4. Der Anspruch auf Mutterschutzlohn nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG besteht nur, wenn allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot dazu führt, dass die Schwangere mit der Arbeit aussetzt. Das Beschäftigungsverbot muss die nicht wegzudenkende Ursache für das Nichtleisten der Arbeit und den damit verbundenen Verdienstausfall sein. Für die Zeit, in der die Schwangere arbeitsunfähig krank ist, ist dieser alleinige Ursachenzusammenhang nicht gegeben. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber nach Ablauf des Sechswochenzeitraums nicht mehr zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle verpflichtet ist. Es kommt also darauf an, ob ein krankhafter Zustand, sei es im Zusammenhang mit der Schwangerschaft, sei es unabhängig von dieser besteht, der zur Arbeitsunfähigkeit der Schwangeren führt. Ist dies der Fall, so ist krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen. Ein gleichzeitig ausgesprochenes Beschäftigungsverbot hat die Wirkungen der § 3 Abs. 1, §§ 21, 24 MuSchG, begründet aber keine Vergütungspflicht nach § 11 MuSchG. Worauf die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit beruht, ist unerheblich. Liegt dagegen keine Krankheit vor oder führt diese nicht zur Arbeitsunfähigkeit, bleibt die Vergütungspflicht durch das Beschäftigungsverbot aufrecht erhalten. Je nachdem, ob eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder nicht, hat die Schwangere also entweder einen – gesetzlich auf sechs Wochen beschränkten – Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gegen den Arbeitgeber (§ 3 EFZG) und anschließend auf Krankengeld gegen die Krankenkasse (§ 44 SGB V), oder sie hat gegen den Arbeitgeber einen – nicht auf sechs Wochen beschränkten – Anspruch nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG (BAG 12. März 1997 – 5 AZR 766/95 – BAGE 85, 237, 242 f.; 1. Oktober 1997 – 5 AZR 685/96 – BAGE 86, 347, 350 f.). Der behandelnde Arzt hat zu beurteilen, ob krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder ohne eine aktuelle Arbeitsunfähigkeit Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist. Hierbei besteht für den Arzt ein gewisser Beurteilungsspielraum (BAG 5. Juli 1995 – 5 AZR 135/94 – BAGE 80, 248, 253; 31. Juli 1996 – 5 AZR 474/95 – BAGE 84, 1, 4; 12. März 1997 – 5 AZR 766/95 – BAGE 85, 237, 243 mwN).
Diese Risikoabgrenzung beim Zusammentreffen von zwei Tatbeständen, die jeweils für sich einen Ausfall der Arbeit bewirken, ist dadurch gerechtfertigt, dass die wirtschaftlichen Folgen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, wie dargestellt, zwischen dem einzelnen Arbeitgeber und der Versichertengemeinschaft aufgeteilt sind. Es wäre nicht gerechtfertigt, die gesetzliche Aufteilung deswegen zu Lasten des Arbeitgebers zu verschieben, weil zu der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit die Gefährdung der Gesundheit der schwangeren Arbeitnehmerin hinzutritt. Die zeitlich abgegrenzte und materiell abgestufte Sicherung des Arbeitnehmers durch Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Krankengeld mit Leistungspflicht der Krankenkasse (§§ 44, 48, 49 SGB V) ist das vorrangige Prinzip. § 11 MuSchG füllt demgegenüber nur eine verbleibende Lücke zugunsten eines vorbeugenden Schutzes der Schwangeren.
5. Nach diesen Grundsätzen ist auch der Fall zu beurteilen, dass eine bestehende Krankheit bei Fortführung der Beschäftigung eine weitere Verschlechterung der Gesundheit und erst dadurch die Unfähigkeit zur Arbeitsleistung bewirkt. Der Arzt kann hier krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bescheinigen, ohne dass der Arbeitnehmer die Arbeit zuvor wieder aufnehmen müsste (vgl. nur BAG 7. August 1991 – 5 AZR 410/90 – BAGE 68, 196, 198). Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit schließt den Anspruch nach § 11 MuSchG aus.
Allerdings führt die Beschäftigung nur selten allein zu der in § 3 Abs. 1 MuSchG vorausgesetzten Gefährdung und nicht gleichzeitig auch zur Arbeitsunfähigkeit. Hätte der Arzt die Möglichkeit des Ausspruchs eines Beschäftigungsverbots nicht, würde er im Falle einer Lebens- oder Gesundheitsgefährdung in aller Regel Arbeitsunfähigkeit bescheinigen. Die arbeitsbedingte Gefährdung von Leben oder Gesundheit im Sinne von § 3 MuSchG ist zumeist mit Arbeitsunfähigkeit verbunden. Die Schwangere darf unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 MuSchG nicht beschäftigt werden. Die Norm verlangt eine Prognose, ob die Gefährdung von Leben oder Gesundheit eintritt, wenn die Beschäftigung andauert. Nur wenn Arbeitsunfähigkeit vorliegt, wie sie jede Arbeitnehmerin treffen kann, gilt allein das Entgeltfortzahlungsrecht. Deshalb kommt es dann, wenn die entscheidende Verschlechterung der Gesundheit erst durch die Fortführung der Beschäftigung eintreten würde, darauf an, ob die Ursache hierfür ausschließlich in der Schwangerschaft begründet ist. In diesem Fall ist das sich verwirklichende Risiko der § 3 Abs. 1, § 11 MuSchG dem Arbeitgeber zuzuweisen, die Arbeitsunfähigkeit dagegen subsidiär. Bei einer anderen Auslegung liefe § 11 MuSchG weitgehend leer.
6. Die Arbeitnehmerin genügt ihrer Darlegungslast zur Suspendierung der Arbeitspflicht und zur Begründung eines Anspruchs aus § 11 Abs. 1 MuSchG zunächst durch Vorlage der Bescheinigung. Der Arbeitgeber, der ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG anzweifelt, kann vom ausstellenden Arzt Auskünfte über die Gründe für das Attest verlangen, soweit diese nicht der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. Der Arzt hat dem Arbeitgeber mitzuteilen, von welchen tatsächlichen Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerin er bei Erteilung seines Zeugnisses ausgegangen ist und ob krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat. Will der Arbeitgeber das Beschäftigungsverbot wegen objektiv begründbarer Zweifel nicht gegen sich gelten lassen, kann er eine weitere ärztliche Untersuchung der Arbeitnehmerin verlangen. Die Arbeitnehmerin hat diesem Verlangen angesichts der den Arbeitgeber treffenden Belastungen regelmäßig nachzukommen, wenn der Arbeitgeber ihr die ihn dazu bewegenden Gründe mitteilt (BAG 31. Juli 1996 – 5 AZR 474/95 – BAGE 84, 1, 6; 21. März 2001 aaO, zu II 4, 5 der Gründe mwN).
7. a) Bestehen Zweifel an einem Beschäftigungsverbot, ist es dem Arbeitgeber unbenommen, unabhängig von einer neuerlichen Untersuchung Umstände vorzutragen, die den Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses erschüttern. Der Ausspruch des Beschäftigungsverbots stellt keine hinreichende Bedingung des Anspruchs dar, sondern dient nur als Beweismittel für das Vorliegen des Beschäftigungsverbots; als Beweismittel kann die ärztliche Bescheinigung durch anderweitige Tatsachen mehr oder weniger entwertet werden. Ein erhebliches Vorbringen des Arbeitgebers wäre etwa, die Arbeitnehmerin habe dem Arzt ihre Arbeitsbedingungen, die für den Ausspruch des Verbots ausschlaggebend gewesen seien, unzutreffend beschrieben.
b) Der Beweiswert eines zunächst nicht näher begründeten ärztlichen Beschäftigungsverbots ist ferner erschüttert, wenn die Arbeitnehmerin trotz Aufforderung des Arbeitgebers keine ärztliche Bescheinigung vorlegt, aus der hervorgeht, von welchen Arbeitsbedingungen der Arzt beim Ausspruch des Beschäftigungsverbots ausgegangen ist und welche Einschränkungen für die Arbeitnehmerin bestehen. Solche Angaben sind vor dem Hintergrund der erheblichen finanziellen Folgen eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots für den Arbeitgeber erforderlich. Nur wenn der Arbeitgeber diese Umstände kennt, kann er prüfen, ob er der Arbeitnehmerin andere zumutbare Arbeiten zuweisen kann, die dem Beschäftigungsverbot nicht entgegenstehen (vgl. dazu BAG 21. April 1999 – 5 AZR 174/98 – AP MuSchG 1968 § 4 Nr. 5 = EzA MuSchG § 11 nF Nr. 18, zu A II 2 und B I der Gründe; 15. November 2000 – 5 AZR 365/99 – BAGE 96, 228, 230 f.). Solche Angaben verletzen nicht das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin. Vom Arzt wird nämlich nicht die Mitteilung des medizinischen Befunds verlangt, sondern die Angabe der Verhaltensanordnungen, die er der Arbeitnehmerin auf der Grundlage seiner Untersuchungen erteilt hat. So muss der Arzt auf Nachfrage beispielsweise mitteilen, ob und inwieweit die Arbeitnehmerin Arbeiten sitzend oder stehend verrichten soll und ob sie körperlich belastende Arbeiten verrichten kann. Da der Arzt im Hinblick auf die §§ 21, 24 MuSchG die Möglichkeit hat, die Beschäftigung auch dann zu verbieten, wenn krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt, ist der Beweiswert des Verbots auch dann erschüttert, wenn die entsprechende Nachfrage des Arbeitgebers unbeantwortet bleibt.
c) Bei einem auf „Stress-Situationen am Arbeitsplatz” oder „Probleme mit Vorgesetzten und Kollegen” gestützten Beschäftigungsverbot kann der Arbeitgeber die konkrete Beschreibung der zugrunde liegenden Umstände verlangen. Unterbleibt eine entsprechende Erläuterung der tatsächlichen Voraussetzungen des Beschäftigungsverbots, ist dessen Beweiswert erschüttert. Auch genügt der Arbeitgeber, der die Berechtigung des Verbots anzweifelt, seiner Darlegungslast zunächst dadurch, dass er solche Probleme am Arbeitsplatz bestreitet. Es ist Sache der Arbeitnehmerin, sie näher zu erläutern und entsprechende Geschehnisse zu konkretisieren. Erst dann ist der Arbeitgeber gehalten, dies substantiiert zu bestreiten und seinen Vortrag zu beweisen.
d) Ist der Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses erschüttert, steht nicht mehr mit der gebotenen Zuverlässigkeit fest, dass die Arbeitnehmerin im Sinne von § 11 Abs. 1 MuSchG „wegen eines Beschäftigungsverbots” mit der Arbeit ausgesetzt hat. Es ist dann ihre Sache, die Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, aufgrund derer ein Beschäftigungsverbot gleichwohl bestand. Diese Verteilung der Beweislast für die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, dass jede Partei die für ihr Begehren notwendigen Tatsachen beweisen muss (BAG 21. März 2001 aaO, zu II 6 der Gründe mwN). Zur Beweisführung kann die Arbeitnehmerin ihren behandelnden Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden und ihn als sachverständigen Zeugen für die Verbotsgründe benennen. Dann kommt erst der näheren ärztlichen Begründung gegenüber dem Gericht ein ausreichender Beweiswert zu, wobei das Gericht den Arzt mit den festgestellten Tatsachen konfrontieren muss. Wegen der Komplexität und Schwierigkeit der Materie wird vielfach eine schriftliche Auskunft des Arztes (§ 377 Abs. 3 ZPO) nicht genügen, sondern dessen persönliche Befragung durch das Gericht erforderlich sein. Befreit die Arbeitnehmerin den Arzt nicht von seiner Schweigepflicht, sind die tatsächlichen Behauptungen des Arbeitgebers der Entscheidungsfindung zugrunde zu legen (BAG 31. Juli 1996 – 5 AZR 474/95 – BAGE 84, 1, 6).
II. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Vorliegen einer Risikoschwangerschaft und der Ausspruch des Beschäftigungsverbots im Anschluss an eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit begründeten keine ernsten Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 MuSchG, wenn zwei Fachärzte für Frauenheilkunde unabhängig voneinander ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG aussprechen. Dies trifft für den Streitfall nicht zu. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts trägt der Arbeitgeber nicht die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für den Ausspruch eines Beschäftigungsverbots in Wahrheit nicht vorgelegen haben. Der Arbeitgeber braucht vielmehr nur Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, die den Beweiswert des ärztlich bescheinigten Beschäftigungsverbots erschüttern. Für das Vorliegen der Voraussetzungen eines wirksamen Beschäftigungsverbots ist dann die Arbeitnehmerin darlegungs- und beweispflichtig.
Der Beweiswert der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ist hier erschüttert. Die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Zeugnisse machen nicht deutlich, von welchen tatsächlichen Grundlagen die Ärzte bei Ausspruch des Beschäftigungsverbots ausgegangen sind. Obwohl die Beklagte die Klägerin zur Vorlage einer konkreten ärztlichen Bescheinigung aufgefordert hat, enthalten die daraufhin vorgelegten ärztlichen Zeugnisse nur die Wiedergabe des Wortlauts des § 3 Abs. 1 MuSchG (Bescheinigung des Dr. C vom 24. August 1998) sowie den pauschalen Hinweis auf eine Risikoschwangerschaft (Bescheinigung des Dr. L und der Dipl. Med. D vom 23. Juli 1998). Der nicht näher erläuterte Hinweis auf eine Risikoschwangerschaft genügt nicht den Anforderungen einer hinreichenden Begründung des Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG, weil eine Risikoschwangerschaft ganz unterschiedliche Ursachen haben und Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann (Schliemann/König NZA 1998, 1030, 1035). Auf Grund des zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Arbeitsunfähigkeit und dem sich unmittelbar anschließenden Beschäftigungsverbot ist nicht ausgeschlossen, dass die Risikoschwangerschaft auf einer fortdauernden Erkrankung der Klägerin beruht hat. In diesem Fall könnte die Arbeitsunfähigkeit fortbestanden haben.
Das Landesarbeitsgericht wird bei der erneuten Verhandlung auf der Grundlage der dargelegten Beweislastverteilung der Klägerin Gelegenheit zu geben haben, die Anspruchsvoraussetzungen für den geltend gemachten Mutterschutzlohn näher darzulegen und unter Beweis zu stellen. Hierbei wird die Klägerin aufzuzeigen haben, dass ab dem Beginn des Beschäftigungsverbots keine Arbeitsunfähigkeit mehr vorgelegen hat. Wegen erforderlicher Rückfragen sowie der Schwierigkeiten bei der Feststellung der Arbeitsfähigkeit bei gleichzeitig ausgesprochenem mutterschutzrechtlichem Beschäftigungsverbot wird eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage nach § 377 Abs. 3 ZPO ausscheiden und eine Vernehmung des Arztes erforderlich sein.
Bezüglich der geltend gemachten anteiligen Gehaltsforderung für Juli 1998 wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte nach der vorgelegten Gehaltsabrechnung für diesen Monat ohne Urlaubsgeld bereits 1.215,07 DM bezahlt hat und deshalb unter Zugrundelegung eines Monatsgehalts von 1.402,00 DM nur eine Restforderung in Höhe von 186,93 DM bestehen könnte.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Heel, Dittrich
Fundstellen
Haufe-Index 1480150 |
PERSONAL 2003, 58 |
GdWZ 2002, 145 |