Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis
Normenkette
Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für die Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 10. März 1994 Nr. 3.1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 28.02.1997; Aktenzeichen 18 b (6) Sa 22/96) |
ArbG Stuttgart (Urteil vom 04.03.1996; Aktenzeichen 19 Ca 10610/95) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 28. Februar 1997 – 18 b (6) Sa 22/96 – hinsichtlich des Zahlungsantrags aufgehoben.
Insoweit wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger nach Abschluß der Berufsausbildung in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen.
Der Kläger wurde von der Beklagten seit dem 26. August 1991 zum Konstruktionsmechaniker, Fachrichtung Feinblechbautechnik, ausgebildet. Am 1. Februar 1995 bestand er die Abschlußprüfung. Auf das Ausbildungsverhältnis fand kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für die Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 10. März 1994 (TV BS) Anwendung. Dort ist u.a. folgendes bestimmt:
„…
3. Übernahme von Auszubildenden
3.1 Auszubildende werden im Grundsatz nach erfolgreich bestandener Abschlußprüfung für mindestens sechs Monate in ein Arbeitsverhältnis übernommen, soweit dem nicht personenbedingte Gründe entgegenstehen. Der Betriebsrat ist hierüber unter Angabe der Gründe zu unterrichten.
3.2 Mit Zustimmung des Betriebsrates kann von der Verpflichtung nach Absatz 3.1 abgewichen werden, wenn das Angebot eines Arbeitsverhältnisses wegen akuter Beschäftigungsprobleme im Betrieb nicht möglich ist oder der Betrieb über seinen Bedarf hinaus Ausbildungsverträge abgeschlossen hat.
…”
Während des Ausbildungsverhältnisses fehlte der Kläger krankheitsbedingt im Jahre 1991 in zwei Fällen an zwei Arbeitstagen, im Jahre 1992 in 12 Fällen an 34 Arbeitstagen, im Jahre 1993 in neun Fällen an 40 Arbeitstagen und im Jahre 1994 in 18 Fällen an 76 Arbeitstagen. Nach dem weiteren unbestritten gebliebenen Sachvortrag der Beklagten führte der Kläger häufig seine Berichtshefte nicht, fehlte Ende März 1994 unentschuldigt und zeigte in mehreren Fällen seine Arbeitsunfähigkeit nicht unverzüglich an.
Mit der am 16. November 1995 eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, gegen die Beklagte einen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrags zu haben. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seine Klage um die Klageanträge zu 2) und 3) erweitert.
Der Kläger hat in den Tatsacheninstanzen zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
dem Kläger einen unbefristeten – hilfsweise auf mindestens sechs Monate befristeten – höchsthilfsweise bis zum 9. März 2041 befristeten – Arbeitsvertrag anzubieten mit Wirkung ab 2. Februar 1995 – hilfsweise: ab Rechtskraft einer obsiegenden Entscheidung im vorliegenden Verfahren – als Konstruktionsmechaniker – höchsthilfsweise: als Montagearbeiter zu folgenden Bedingungen:
- Schichtarbeit,
- individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit: 36 Stunden bis 30. September 1995, 35 Stunden seit 1. Oktober 1995,
- Leistungslohn,
- Arbeitswert 20;
höchsthilfsweise zu 1,
die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Arbeitsvertrag zu angemessenen Bedingungen, die das Gericht gemäß § 315 BGB bestimmen möge, anzubieten,
- die Beklagte zu verurteilen, ihm 28.150,00 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem sich errechnenden Nettobetrag seit 1. August 1995 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers und sein übriges Fehlverhalten seien als personenbedingte Gründe im Sinne der Nr. 3.1 TV BS anzusehen, so daß sie berechtigt gewesen sei, den Kläger nicht in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Im übrigen sei sie allenfalls verpflichtet gewesen, dem Kläger einen auf sechs Monate befristeten Arbeitsvertrag im unmittelbaren Anschluß an die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses anzubieten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist hinsichtlich der Klageanträge zu 1) und 2), die auf die Verurteilung der Beklagten zum Abschluß eines Arbeitsvertrags gerichtet sind, unbegründet. Der Kläger kann zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz den Abschluß eines auf den 2. Februar 1995 rückwirkenden Arbeitsvertrags nicht mehr verlangen. Auf den Abschluß eines Arbeitsvertrags mit Wirkung ab Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung gewährt der TV BS keinen Anspruch. Dagegen ist die Revision hinsichtlich des Zahlungsantrags zu 3) begründet und führt insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht, § 565 Abs. 1 ZPO. Denn das Landesarbeitsgericht hat den Zahlungsantrag mit unzureichender Begründung abgewiesen.
I. Der im Klageantrag zu 1) gestellte Hauptantrag auf Verurteilung der Beklagten zum Abschluß eines Arbeitsvertrags mit Wirkung ab 2. Februar 1995 ist schon deshalb unbegründet, weil die beanspruchte Willenserklärung zu einem Vertrag führen würde, dessen Erfüllung bereits bei Klageerhebung unmöglich war. Ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag ist jedoch nichtig, § 306 BGB. Auf die weiteren Gründe, aus denen das Landesarbeitsgericht diesen Klageantrag abgewiesen hat, kommt es nicht an.
1. Der erkennende Senat hat im Anschluß an das Senatsurteil vom 14. Mai 1997 (– 7 AZR 159/96 – AP Nr. 2 zu § 611 BGB Übernahme ins Arbeitsverhältnis, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) mit Urteilen vom 14. Oktober 1997 (– 7 AZR 298/96 – und – 7 AZR 811/96 –, beide ebenfalls zur Veröffentlichung vorgesehen, jeweils zu I 1 bis I 4 der Gründe; vgl. auch Senatsurteil vom 12. November 1997 – 7 AZR 422/96 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu A I der Gründe) entschieden, daß die Bestimmung der Nr. 3 TV BS zwar nicht zur automatischen Begründung eines Arbeitsverhältnisses führt, wohl aber den ausbildenden Arbeitgeber verpflichtet, dem Auszubildenden im unmittelbaren Anschluß an die erfolgreich bestandene Abschlußprüfung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis für die Dauer von mindestens sechs Monaten anzubieten, soweit kein tariflicher Ausnahmetatbestand vorliegt.
a) Der Senat hat ausgeführt, daß die Tarifnorm der Nr. 3 TV BS ein an den Arbeitgeber gerichtetes Einstellungsgebot enthält, das von § 1 Abs. 1 TVG gedeckt ist. Das gilt entgegen der im vorliegenden Rechtsstreit vertieften Rechtsauffassung der Beklagten auch für Normen zur Regelung bereits laufender Rechtsverhältnisse. Auch sie entstehen in Ausübung kollektiver Privatautonomie und beruhen mittelbar auf dem Willen des tarifgebundenen Arbeitgebers, der mit dem Verbandsbeitritt seinen Verband zum Abschluß von Normen legitimiert hat. Der Verbandsbeitritt bewirkt die Unterwerfung unter geltendes und künftiges Tarifrecht. Soweit dadurch Grundrechte der einzelnen Verbandsmitglieder nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG durch überraschende wie z.B. „rückwirkende” Regelungen beeinträchtigt werden, üben die staatlichen Gerichte als Grundrechtsverpflichtete im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG im Rahmen der ihnen obliegenden Schutzpflicht die Kontrolle darüber aus, ob die grundrechtlichen Belange der Koalitionsmitglieder in angemessener Weise berücksichtigt sind. So verhält es sich im Streitfall, wie der Senat in seinen bereits angezogenen Urteilen vom 14. Oktober 1997 (BAG, a.a.O.) ausführlich dargelegt hat. Das gilt auch hinsichtlich des Einstellungsgebots für bereits beschäftigte Auszubildende. Bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen und von Ausbildungsverhältnissen muß der Arbeitgeber stets damit rechnen, daß ihm die Tarifvertragsparteien hinsichtlich dieser Rechtsverhältnisse später zusätzliche unmittelbar und zwingend geltende Verpflichtungen auferlegen. Im übrigen handelt es sich nicht um eine echte Rückwirkung im Sinne des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots, weil nicht in einen abgeschlossenen Tatbestand eingegriffen wird.
b) Aufgrund der Nr. 3 TV BS kann der Auszubildende vom Arbeitgeber nur den Abschluß eines Arbeitsvertrags für die Dauer von sechs Monaten verlangen, nicht aber für einen längeren Zeitraum oder auf unbestimmte Dauer. Dies ergibt sich auch aus dem Zweck der tariflichen Regelung. Die Tarifvertragsparteien haben verhindern wollen, daß der Auszubildende im unmittelbaren Anschluß an seine Berufsausbildung arbeitslos wird. Die Vermeidung einer solchen Anschlußarbeitslosigkeit dient zwei Zwecken: Zum einen soll dem Auszubildenden durch eine an das Ausbildungsverhältnis anschließende Weiterbeschäftigung in einem Arbeitsverhältnis der Erwerb von Berufspraxis ermöglicht werden, um seine Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Zum anderen soll für den Fall einer sich an das sechsmonatige Arbeitsverhältnis anschließenden Arbeitslosigkeit erreicht werden, daß dem Arbeitslosengeld gemäß § 112 Abs. 2 des damals geltenden AFG der in dem sechsmonatigen Arbeitsverhältnis erzielte Verdienst und nicht gemäß § 112 Abs. 5 Satz 2 AFG die niedrigere Ausbildungsvergütung zugrunde gelegt wird.
2. Da die Hauptpflichten eines nach dem Klageantrag mit Wirkung ab 2. Februar 1995 abzuschließenden Arbeitsvertrags am 1. August 1995 geendet und daher bereits bei Erhebung der Klage nicht mehr bestanden hätten, konnte bereits erstinstanzlich keine Verurteilung mehr erfolgen. Eine gemäß § 894 ZPO als mit Rechtskraft des Urteils abgegeben geltende Willenserklärung der Beklagten wäre von der Nichtigkeitsfolge des § 306 BGB erfaßt.
II. Auch der im Klageantrag zu 1) gestellte Hilfsantrag auf Verurteilung der Beklagten zum Abschluß eines Arbeitsvertrags mit Wirkung ab Rechtskraft einer obsiegenden Entscheidung im vorliegenden Verfahren ist unbegründet.
1. Der Abschluß eines solchen Arbeitsvertrags wäre zwar auch jetzt noch möglich. Wie das Landesarbeitsgericht jedoch zutreffend erkannt hat, gewährt der TV BS keinen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrags schlechthin, sondern nur auf Abschluß eines Arbeitsvertrags für eine sich direkt an die Berufsausbildung anschließende Beschäftigung. Dies ergibt sich bereits aus dem Tarifwortlaut, der die „Übernahme” des Auszubildenden „nach” der Abschlußprüfung vorsieht. Aber auch die mit der Nr. 3 TV BS verfolgten Zwecke, dem Auszubildenden durch die Umsetzung seiner in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten Berufspraxis zu verschaffen sowie die Bemessung des Arbeitslosengeldes an der Ausbildungsvergütung zu verhindern, lassen sich nur durch eine sich unmittelbar oder doch jedenfalls sehr zeitnah an die Berufsausbildung anschließende Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis erreichen.
2. Wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend entschieden hat, läßt sich ein Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrags mit Wirkung erst ab der Rechtskraft einer stattgebenden Entscheidung auch nicht als schadensersatzrechtliche Naturalrestitution begründen (a.A. LAG Niedersachsen Urteil vom 24. August 1995 – 7 Sa 882/95 – LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 3). Auch wenn die Beklagte durch die Nichtübernahme des Klägers in ein Arbeitsverhältnis pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt haben sollte und daher wegen eintretender Unmöglichkeit während des Schuldnerverzugs zum Schadensersatz verpflichtet wäre, könnte der Kläger nur eine Entschädigung in Geld gemäß § 251 Abs. 1 BGB verlangen. Denn durch eine erst sehr viel spätere tatsächliche Beschäftigung des Klägers könnten die Zwecke der Nr. 3 TV BS nicht mehr erreicht werden, so daß eine tatsächliche Herstellung des früheren Zustandes im Sinne des § 249 Satz 1 BGB nicht mehr möglich ist.
III. Da der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch mehr auf Abschluß eines Arbeitsvertrags hat, ist auch sein Klageantrag zu 2) unbegründet, der sich auf Verurteilung der Beklagten zum Abschluß eines sich inhaltlich nach § 315 BGB bestimmenden Arbeitsvertrags richtet.
IV. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts für die Abweisung des Zahlungsantrags ist nicht rechtsfehlerfrei; insoweit ist das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Zwar kommt ein Zahlungsanspruch des Klägers als Lohnanspruch aus Annahmeverzug nicht in Betracht. Denn ein solcher Anspruch setzt das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist weder automatisch aufgrund der Nr. 3 TV BS noch durch einen Vertragsabschluß entstanden. Dem Kläger kann jedoch ein Zahlungsanspruch als Schadensersatzanspruch zustehen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat einen solchen Schadensersatzanspruch mit der Begründung verneint, die Beklagte sei nach Nr. 3.1 TV BS nicht zur Übernahme des Klägers verpflichtet gewesen, weil dem personenbedingte Gründe entgegengestanden hätten. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu im wesentlichen ausgeführt, ein personenbedingter Grund im Sinne der Nr. 3.1 TV BS liege vor, wenn dem (ehemaligen) Auszubildenden die Fähigkeit oder Eignung abgehe, die geschuldete Arbeitsleistung ganz oder teilweise zu erbringen, die Erreichung des Vertragszwecks also durch diese Umstände unmöglich werde. Damit entspreche der Begriff demjenigen, wie er im Kündigungsschutzrecht, insbesondere in § 1 Abs. 2 KSchG verwendet und in Rechtsprechung und Literatur allgemein verstanden werde. Verhaltensbedingte Gründe seien nicht geeignet, eine Nichtübernahmeentscheidung des Arbeitgebers zu rechtfertigen. Die Tarifvertragsparteien hätten ersichtlich einen Rechtsbegriff verwendet, der gerade zur Abgrenzung gegenüber Verhaltens- und betriebsbedingten Kündigungsgründen diene. Indessen sei eine Übernahmepflicht der Beklagten bereits aufgrund der (entschuldigten) Fehlzeiten des Klägers entfallen. Diese Fehlzeiten, die sich während des Ausbildungsverhältnisses kontinuierlich gesteigert hätten, ließen den Schluß zu, daß der Kläger auch künftig sehr häufig und an insgesamt vielen Tagen krankheitsbedingt nicht arbeiten können werde. Die damit indizierte negative Zukunftsprognose habe der Kläger nicht substantiiert bestritten; insbesondere habe er die Krankheitsursachen nicht dargelegt. Überdies erscheine auch ein Verschulden der Beklagten zweifelhaft, weil das Landesarbeitsgericht dazu neige, daß der Kläger bereits im zeitlichen Zusammenhang mit der Geltendmachung seines Übernahmewunsches gegenüber der Beklagten hätte darlegen müssen, warum mit künftigen Fehlzeiten im bisherigen Umfang nicht zu rechnen gewesen sei. Da mithin von einer ungünstigen Gesundheitsprognose und von Ausfallzeiten des Klägers im Umfang von nahezu einem Drittel der Arbeitstage ausgegangen werden müsse, sei der auf Austausch der Hauptleistungspflichten gerichtete Zweck des Arbeitsvertrags nicht zu erreichen gewesen. Die Beklagte habe keinen Arbeitsvertrag mit einem Vertragspartner abschließen müssen, von dem sie annehmen durfte, dieser werde überhaupt nur an zwei Dritteln der anfallenden Arbeitszeit zur Verfügung stehen und einsetzbar sein, im übrigen aber Lohnfortzahlung ohne Arbeitsleistung fordern.
2. Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist rechtsfehlerhaft, weil sie sich ausschließlich an Wertungen des Kündigungsschutzgesetzes orientiert. Der erkennende Senat hat in seinen bereits angeführten Urteilen vom 14. Oktober 1997 (– 7 AZR 298/96 –, zu II 1 b der Gründe, und – 7 AZR 811/96 –, zu III 1 der Gründe) entschieden, daß die Tarifvertragsparteien den Begriff der „personenbedingten Gründe” nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG verstanden wissen wollten. Denn beim TV BS geht es nicht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein bereits bestehendes bestandsgeschütztes Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufgelöst werden kann, sondern darum, ob ein Arbeitsverhältnis überhaupt erst begründet werden soll. Auch die dem § 1 Abs. 2 KSchG zugrunde liegende Unterscheidung zwischen in der Person bzw. in dem Verhalten liegenden Gründen entspricht nicht dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien. Es kann nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten etwa in Fällen grober Pflichtverletzungen, die sich auf die Durchführung eines Arbeitsverhältnisses belastender auswirken können als Gründe in der Person des Auszubildenden, dem Arbeitgeber keine Möglichkeit zur Ablehnung der Übernahme einräumen wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff „personenbedingt” in Nr. 3.1 TV BS (im Gegensatz zu den aus der Arbeitgebersphäre stammenden Gründen der Nr. 3.2 TV BS) die in der Sphäre des Auszubildenden liegenden und damit auch verhaltensbedingte Gründe erfassen wollten.
Schon hieraus ergibt sich, daß sich die tatrichterliche Würdigung, ob die im konkreten Einzelfall geltend gemachten „personenbedingten Gründe” einer Übernahme des Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis im Sinne der Nr. 3.1 TV BS „entgegenstehen”, nicht an vergleichbaren Begriffen des Kündigungsschutzgesetzes, sondern nur an Sinn und Zweck dieser tariflichen Regelung zu orientieren hat, wie er oben näher beschrieben worden ist. Beide dort genannten Zwecke sollen nach den Vorstellungen der Tarifvertragsparteien durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung in einem funktionierenden Arbeitsverhältnis und nicht durch eine einseitige Leistung des Arbeitgebers an den Auszubildenden erreicht werden. Deshalb sind als „entgegenstehende personenbedingte Gründe” in erster Linie solche Umstände anzusehen, die einem zweckentsprechenden Vollzug des Arbeitsverhältnisses, auch unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Arbeitsleistung und/oder einem vertragsgerechten Verhalten des übernommenen Auszubildenden, in Frage stellen können.
Tatsachen für eine derartige Beeinträchtigung eines künftigen Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber darzulegen. Denn mit der Geltendmachung eines vom Regelfall abweichenden Ausnahmetatbestands macht der Arbeitgeber eine rechtsvernichtende Einwendung geltend. Der Arbeitgeber genügt seiner Darlegungslast nicht mit dem bloßen Hinweis auf vergangene Ereignisse, wie etwa während des Ausbildungsverhältnisses eingetretene Fehlzeiten. Erforderlich ist vielmehr eine Prognose des Arbeitgebers, in welcher Weise und in welchem Ausmaß das Arbeitsverhältnis durch zu erwartende Fehlzeiten in seiner zukünftigen Durchführung belastet sein werde. Hierfür können zwar in der Vergangenheit liegende krankheitsbedingte Fehlzeiten ein Indiz sein; dies erspart aber nicht den Vortrag des Arbeitgebers über Art und Umfang der drohenden Beeinträchtigung des ggf. nur sechs Monate andauernden Arbeitsverhältnisses.
Wie die Revision durchgreifend rügt, hätte das Landesarbeitsgericht daher jedenfalls nicht ohne jegliche Bemühungen um eine weitere Sachaufklärung von einer negativen Zukunftsprognose ausgehen dürfen. Im erneuten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht deshalb den Parteien insoweit Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben haben.
V. Im übrigen kann der Senat für das erneute Berufungsverfahren nur die folgenden Hinweise geben:
1. Die Ansicht der Beklagten, selbst bei Annahme einer objektiven Pflichtverletzung fehle es an ihrem Verschulden, weil ein entschuldbarer Rechtsirrtum über den Inhalt der unklaren und nicht leicht zu durchschauenden Tarifregelung vorliege, ist unzutreffend. Für das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums reicht es nicht aus, daß die Rechtslage ungeklärt ist. Darüber hinaus ist erforderlich, daß der Schuldner die Rechtslage sorgfältig geprüft und gewichtige Anhaltspunkte für die Richtigkeit der von ihm vertretenen Rechtsmeinung gefunden hat. Es genügt nicht, daß er sich auf eine ihm günstige Ansicht im Schrifttum berufen kann, wohl aber die Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BAG Urteil vom 12. November 1992 – 8 AZR 503/91 – BAGE 71, 350 = AP Nr. 1 zu § 285 BGB). Im Streitfall ist weder ersichtlich, daß die Beklagte die Rechtslage sorgfältig geprüft hätte, noch hat sie auf Anhaltspunkte verweisen können, die die von ihr vertretene Rechtsmeinung als richtig erscheinen ließe. Wenn die Beklagte die ungeklärte Rechtslage ohne derartige konkrete Anhaltspunkte ausschließlich in einem ihr günstigen Sinne verstand, handelte sie auf eigenes Risiko.
2. Entgegen der Ansicht der Beklagten wäre ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht nach § 18 des Manteltarifvertrags für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nord baden verfallen. Denn ein Arbeitsverhältnis ist zwischen den Parteien nicht begründet worden; für Ausbildungsverhältnisse gilt die Ausschlußfrist gemäß § 1.1.3.3 dieses Manteltarifvertrags nicht. Der Manteltarifvertrag für Auszubildende in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden enthält ebensowenig eine Ausschlußfrist wie der TV BS. In der Protokollnotiz zum TV BS wird lediglich bestimmt, daß für den TV BS die Geltungsbereiche der Manteltarifverträge für Arbeiter und Angestellte sowie für Auszubildende maßgebend sind. Diese Vorschrift regelt mithin nur den Geltungsbereich des TV BS und macht die übrigen Bestimmungen der Manteltarifverträge nicht zu seinem Inhalt.
3. Zur Höhe eines möglichen Schadensersatzanspruchs kann der Senat wegen des Fehlens tatsächlicher Feststellungen keine näheren Hinweise geben. Das Landesarbeitsgericht wird zu klären haben, aufweiche Art von Beschäftigung das Übernahmeangebot hätte gerichtet sein müssen, um den tarifvertraglichen Anspruch des Klägers zu erfüllen. Danach richtet sich die Bestimmung des Arbeitsentgelts nach Art und Höhe, das die Beklagte dem Kläger zu entrichten gehabt hätte. Das ausgefallene Arbeitsentgelt ist seinerseits Grundlage für die Bestimmung des Geldersatzanspruches.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Wilke, U. Zachert
Fundstellen