Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Arbeitgebers bei Arbeitsunfall des Arbeitnehmers
Normenkette
RVO § 636 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 03.04.1990; Aktenzeichen 8 Sa 13/90) |
ArbG Berlin (Urteil vom 28.11.1989; Aktenzeichen 17 Ca 91/89) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 3. April 1990 – 8 Sa 13/90 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen eines auf einer Dienstfahrt erlittenen Verkehrsunfalles in Anspruch. Die Klägerin ist als Zahlstellenverwalterin beim U. amt beschäftigt. In dieser Funktion gehört es zu ihren Aufgaben, regelmäßig zur Sonderkasse der Oberfinanzdirektion zu fahren, um Geldbeträge einzuzahlen oder abzuholen.
Am 31. Mai 1988 unternahm die Klägerin eine solche Fahrt in einem Dienstwagen des U. amtes, der von dem ebenfalls bei der Beklagten beschäftigten Kraftfahrer P. gesteuert wurde. Dieser verursachte schuldhaft einen Unfall, bei dem die Klägerin erheblich verletzt wurde.
Mit der Klage hat die Klägerin von der Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,– DM verlangt sowie Ersatz einer Stornogebühr von 150,– DM für eine wegen der Unfallfolgen nicht angetretene Urlaubsreise, Erstattung von 36,25 DM Telefonkosten, 55,– DM für Kosten für ärztliche Atteste, 450,– DM für Akkupunkt-Massagen und schließlich 406,– DM für therapeutisch veranlaßte Fahrstunden, um ihre durch den Verkehrsunfall hervorgerufene krankhafte Angst vor dem Autofahren zu überwinden.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Autofahrt sei zwar betrieblich veranlaßt gewesen; die Beklagte könne sich jedoch nicht auf den Haftungsausschluß des § 636 Abs. 1 RVO berufen, da die Fahrt zur Oberfinanzdirektion als Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr anzusehen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.097,25 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 6. Mai 1989 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, da der Unfall sich nicht bei Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr ereignet habe, greife der Haftungsausschluß des § 636 Abs. 1 RVO zu ihren Gunsten ein.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld noch auf Ersatz der ihr entstandenen und die Leistungen der Berufsgenossenschaft übersteigenden Schäden. Ihre Ansprüche sind gemäß § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO ausgeschlossen.
Nach dieser Bestimmung ist der Unternehmer den in seinem Unternehmen tätigen Versicherten zum Ersatz des Personenschadens, den ein Arbeitsunfall verursacht hat, nur dann verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist.
1. Die Klägerin war als Angestellte beim U. amt gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO in der Unfallversicherung der Beklagten versichert. Der Verkehrsunfall vom 31. Mai 1988 ist nach dem Bescheid der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung vom 28. August 1989 als Arbeitsunfall anzusehen im Sinne des § 638 Abs. 1 Nr. 1 RVO.
§ 636 Abs. 1 Satz 1 RVO befreit den Unternehmer nur vom Ersatz der durch den Arbeitsunfall hervorgerufenen Personenschäden. Bei den von der Klägerin geltend gemachten Schäden handelt es sich um Personenschäden. Als solche sind alle unmittelbar aus der Körperverletzung entstandenen Schäden sowie alle Nachteile zu verstehen, die sich als Folge aus den in der Person des Verletzten entstandenen Schäden ergeben (OLG Oldenburg in VersR 1967, 900; Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 20. Aufl., Kap. 31 Rz 21). Dazu gehört auch der Anspruch auf Schmerzensgeld (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. z.B. Urteil vom 8. Dezember 1970 – 1 AZR 81/70 – AP Nr. 4 zu § 636 RVO).
2. Die Vorinstanzen haben zu Recht angenommen, daß der Beklagten der Haftungsausschluß des § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO zugutekommt. Die Ausnahmetatbestände von der Haftungsbefreiung – vorsätzliche Herbeiführung des Arbeitsunfalls oder Teilnahme am allgemeinen Verkehr – liegen nicht vor.
a) Der Fahrer des Dienstwagens hat den Verkehrsunfall nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vorsätzlich herbeigeführt. Daß er, wie die Klägerin behauptet, den Unfall grob fahrlässig verursacht habe, ist für den Haftungsausschluß nach § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO unerheblich. Diese Bestimmung ordnet den Ausschluß der Haftung nur an, wenn der Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt worden ist.
b) Entgegen der Auffassung der Revision ist der Unfall auch nicht bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten.
Unter allgemeinem Verkehr ist Verkehr auf allgemein zugänglichen öffentlichen Straßen und Plätzen und in öffentlichen Gebäuden zu verstehen (BAGE 3, 103 = AP Nr. 3 zu § 1 Ges. Schad-ErsAnspr. Dienst- u. ArbUnfall). Es kommt darauf an, daß der Arbeitnehmer den Unfall als normaler Verkehrsteilnehmer und nicht als Betriebsangehöriger erlitten hat (BGH Urteil vom 8. Mai 1973 – VI ZR 148/72 – AP Nr. 7 zu § 636 RVO, zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 6. November 1974 – 5 AZR 22/74 – AP Nr. 8 zu § 636 RVO). Nicht jeder Arbeitsunfall im öffentlichen Straßenverkehr ereignet sich demnach bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr; maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalles. Es kommt nicht darauf an, wo sich der Unfall ereignet hat, sondern inwieweit er mit dem Betrieb und der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers zusammenhängt (BGH Urteil vom 19. Januar 1988 – VI ZR 199/87 – LM Nr. 36 zu § 636 RVO).
Der Arbeitsunfall, den die Klägerin erlitten hat, ereignete sich auf einer Dienstfahrt der Klägerin zur Oberfinanzdirektion. Für diese Fahrt war ihr ein Dienstfahrzeug des U. amtes mit Fahrer zur Verfügung gestellt worden. Dies spricht bereits dafür, daß die Klägerin bei dieser Fahrt nicht „am allgemeinen Verkehr” teilgenommen hat (vgl. BAG Urteil vom 23. September 1969 – 1 AZR 493/68 – AP Nr. 3 zu § 636 RVO). Die Fahrten zur Oberfinanzdirektion gehörten zwar nicht zu den eigentlichen Aufgaben der Klägerin im engeren Sinne; sie waren aber Teil ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten als Zahlstellenverwalterin. Das Landesarbeitsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß der Arbeitsunfall während eines innerbetrieblichen Vorgangs und nicht bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist.
3. Die Ausführungen der Revision geben keine Veranlassung, von den durch die Rechtsprechung gefestigten Grundsätzen bei der Auslegung des Merkmals „Teilnahme am allgemeinen Verkehr” abzuweichen.
Die Revision ist der Auffassung, eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr sei bei jedem Verkehrsvorgang auf öffentlichen, dem allgemeinen Gebrauch zugänglichen Verkehrsflächen gegeben; entscheidend sei allein das Merkmal der Verkehrsteilnahme. Der Arbeitnehmer sei den Gefahren des Straßenverkehrs ebenso ausgesetzt, wie jeder andere Verkehrsteilnehmer, der nicht dienstlich oder für seinen Betrieb unterwegs ist. Die Unterscheidung zwischen betriebsbezogener und „normaler” Teilnahme am Straßenverkehr sei nicht mehr gerechtfertigt, da weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber den Gefahrenbereich im öffentlichen Straßenverkehr durch geeignete Schutzmaßnahmen beeinflussen könne.
Der Revision ist zuzugeben, daß der Begriff „Teilnahme am allgemeinen Verkehr” seinem Wortlaut nach auch die von ihr gegebene Auslegung zuläßt. Bei der Auslegung eines gesetzlichen Merkmals darf jedoch nicht allein dessen Wortlaut berücksichtigt werden; es sind auch die Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Gesetzesnorm heranzuziehen.
a) Der Haftungsausschluß des Unternehmers gegenüber seinen Arbeitnehmern für bei Arbeitsunfällen entstandene Personenschäden war früher in § 898 RVO (a.F.) enthalten. Die Fälle der Teilnahme am allgemeinen Verkehr waren wiederum durch § 1 des Gesetzes über die erweiterte Zulassung von Schadenersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen (ErwG) vom 7. Dezember 1943 (RGBl I, S. 674) von dem Haftungsausschluß ausgenommen. In der Amtlichen Begründung des Erweiterungsgesetzes (Deutsche Justiz 1944, 21) ist ausgeführt, die Beschränkung der Schadensersatzansprüche habe insbesondere dann zu Unbilligkeiten geführt, wenn zwischen dem Unfall und der dienstlichen Tätigkeit nur ein verhältnismäßig loser Zusammenhang bestanden habe. Mit dem Ausschluß der Haftungsbeschränkung bei Teilnahme am allgemeinen Verkehr sollten daher unbillige Härten vermieden werden. Ob der Verletzte am allgemeinen Verkehr teilgenommen habe lasse sich nur von Fall zu Fall beurteilen. Es genüge nicht eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr schlechthin, sondern es müsse untersucht werden, ob der Verletzte im Verhältnis zum Dienstherrn, den er auf Schadenersatz in Anspruch nehmen wolle, am allgemeinen Verkehr teilgenommen habe.
Danach ist eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr dann zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer sich wie jeder andere Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr aufhält (z.B. bei der Fahrt von oder zur Arbeitsstätte). Sie ist jedoch zu verneinen, wenn der Aufenthalt im Straßenverkehr einen dienstlichen Bezug hat. Das ist dann der Fall, wenn dem Verletzten von seinem Arbeitgeber zur Beförderung ein diensteigenes Fahrzeug zur Verfügung gestellt wird, das nicht gleichzeitig auch für den allgemeinen Verkehr bestimmt ist. Es ist somit darauf abzustellen, ob die Teilnahme am Straßenverkehr mit den arbeitsvertraglich festgelegten Leistungspflichten des Arbeitnehmers in engem Zusammenhang steht. Mit der Einfügung der Bestimmungen des Erweiterungsgesetzes in die Reichsversicherungsordnung durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I, S. 241) war nach der amtlichen Begründung (BT-Drucks. IV/120 zu § 635) keine inhaltliche Änderung verbunden, sondern die den Regelungen des Erweiterungsgesetzes zugrunde liegenden gesetzgeberischen Gedanken behielten unverändert Gültigkeit.
b) Auch aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung ergibt sich nur die zuvor dargestellte und von den Gerichten in ständiger Rechtsprechung vorgenommene Auslegung. Mit Schaffung der gesetzlichen Unfallversicherung sind die Leistungen der Unfallversicherungsträger an die Stelle der privatrechtlichen Haftung des Unternehmers getreten. Die Versicherungsleistungen werden durch die Beitragszahlungen der Unternehmer finanziert. Da die Unternehmer indirekt durch ihre Beiträge die Schäden der Arbeitnehmer bereits begleichen, müssen sie andererseits von einer weiteren direkten Inanspruchnahme durch den Arbeitnehmer freigestellt werden. Um diesem Prinzip der Haftungsersetzung durch Beitragsleistung gerecht zu werden, müssen die Ausnahme fälle, in denen der Unternehmer dennoch zum Schadenersatz herangezogen wird, eng ausgelegt werden. Dies wird dadurch bestätigt, daß sich der verletzte Arbeitnehmer gemäß § 636 Abs. 1 Satz 2 RVO auch auf einen Schadenersatzanspruch gegen seinen Arbeitgeber die Leistungen der Unfallversicherung anrechnen lassen muß.
c) Der Hinweis der Klägerin, der Begriff Teilnahme am allgemeinen Verkehr sei wegen der heute veränderten Verhältnisse im Straßenverkehr in dem von ihr dargelegten Sinne auszulegen, gibt ebenfalls keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, diesen veränderten Umständen Rechnung zu tragen; angesichts der klaren gesetzlichen Vorgaben müßte der Gesetzgeber tätig werden.
d) Die Rüge der Revision, die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer im Straßenverkehr verletze den Gleichheitsgrundsatz, ist ebenfalls nicht geeignet, die „Teilnahme am allgemeinen Verkehr” in dem von der Klägerin angestrebten Sinne auszulegen.
Ein Arbeitnehmer, der einen vom Arbeitgeber schuldhaft verursachten Arbeitsunfall erleidet, wird, wenn der Unfall nicht bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist, durch den Haftungsausschluß des § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO zwar anders behandelt als derjenige, der den Schaden durch ein schuldhaftes Verhalten eines Dritten erleidet. In dem einen Fall kann der Arbeitnehmer den Schädiger gemäß §§ 823 ff. BGB auf Ersatz der ihm entstandenen Schäden in Anspruch nehmen; im anderen Fall ist er auf die Ansprüche gegen den Träger der Unfallversicherung verwiesen. Die Leistungen der Unfallversicherung können dabei im Einzelfall geringer sein als das, was der Verletzte als Schadenersatz von dem Schädiger verlangen kann; ein Schmerzensgeld wird nicht gezahlt.
Hierin ist jedoch keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen; die unterschiedliche Behandlung ist sachlich gerechtfertigt.
Art. 3 Abs. 1 GG verbietet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich zu behandeln. Er läßt Differenzierungen zu, die in tatsächlichen Verschiedenheiten der Lebensverhältnisse ihren Grund haben, deren Berücksichtigung für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise gerechtfertigt erscheint (vgl. BVerfGE 4, 219, 243 f.). Verletzt ist der Gleichheitssatz nur, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlicher Grund für die verschiedene Behandlung nicht finden läßt (vgl. BVerfGE 1, 14, 52; ständige Rechtsprechung).
Für den Ausschluß des Schmerzensgeldanspruchs durch § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Beschluß vom 7. November 1972 (BVerfGE 34, 118 = AP Nr. 6 zu § 636 RVO) die Verfassungsmäßigkeit bejaht. Für die Gesamtregelung des § 636 Abs. 1 RVO kann nichts anderes gelten. Die Regelung des § 636 Abs. 1 RVO darf nicht isoliert § 847 BGB gegenübergestellt werden, sondern ist vielmehr im Gesamt Zusammenhang des Leistungssystems der gesetzlichen Unfallversicherung zu sehen (BVerfGE, a.a.O., zu C I 2 der Gründe).
Der gesetzlichen Unfallversicherung liegt das Prinzip der Ersetzung der privatrechtlichen Haftung durch die Leistungen der Unfallversicherung zugrunde. Prägend hierfür ist, daß der Arbeitnehmer nach Eintritt eines Arbeitsunfalls Ansprüche gegen den Träger der Unfallversicherung geltend machen kann, ohne ein Verschulden des Schädigers nachweisen zu müssen. Auch wenn den geschädigten Arbeitnehmer ein Mitverschulden trifft, entfallen die Ansprüche aus der Unfallversicherung nicht. Der Arbeitnehmer hat einen solventen Anspruchsgegner, seine Ansprüche sind nicht von der Leistungsfähigkeit seines Arbeitgebers abhängig. Diese Vorteile wiegen eine mögliche Schlechterstellung des abhängig Beschäftigten im Einzelfall auf. Das System der gesetzlichen Unfallversicherung unterscheidet sich damit wesentlich von der verschuldensabhängigen deliktsrechtlichen Haftung.
Durch Schaffung der gesetzlichen Unfallversicherung sollen außerdem gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien vermieden werden. Dies ist – entgegen der Ansicht der Revision – auch in den Fällen von Bedeutung, in denen ein (Kfz-)Haftpflichtversicherer die Schäden zu ersetzen hätte. Zwar mag in diesen Fällen der Schutz des Betriebsfriedens durch den Haftungsausschluß eine untergeordnete Rolle spielen, jedoch kann der Betriebsfriede auch durch einen mit einem Haftpflichtversicherer geführten Streit gestört werden (vgl. hierzu auch BGH Urteil vom 8. Mai 1973 – VI ZR 148/72 – a.a.O., zu II 3 der Gründe). Vorliegend ist eine Störung des Betriebsfriedens auch deshalb nicht ausgeschlossen, weil die Beklagte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 PflVG von der Versicherungspflicht für Kraftfahrzeuge befreit ist, aber gemäß § 2 Abs. 2 PflVG wie ein Haftpflichtversicherer entstandene Schäden selbst ersetzen muß.
Die dargestellte besondere Zielsetzung rechtfertigt den Haftungsausschluß des § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO, aber auch die enge Auslegung des Begriffs Teilnahme am allgemeinen Verkehr. Die Durchbrechung des Haftungsausschlusses für Unfälle, die bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten sind, ist dadurch sachlich gerechtfertigt, daß auch Wegeunfälle in den Schutz der Unfallversicherung einbezogen worden sind. Der Gesetzgeber wollte verhindern, daß einem Arbeitnehmer, der wie ein sonstiger Verkehrsteilnehmer am allgemeinen Verkehr teilnimmt und dabei vom Arbeitgeber verletzt wird, die Schadenersatzansprüche vorenthalten werden, welche über die Entschädigung der Unfallversicherung hinausgehen. Er trägt jedoch dem Umstand Rechnung, daß die Arbeitnehmer auch bei Teilnahme am allgemeinen Verkehr Unfallversicherungsschutz auf Kosten der Unternehmer genießen; denn der Verletzte muß sich gem. § 636 Abs. 1 Satz 2 RVO die Leistungen aus der Unfallversicherung auf seine zivilrechtlichen Ansprüche gegen den Arbeitgeber anrechnen lassen.
Unterschriften
Michels-Holl, Dr. Leinemann, Dr. Ascheid, Plenge, Hannig
Fundstellen