Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung
Normenkette
PersVG-DDR §§ 82, 116 b; BPersVG § 82; BAT-Ost § 53 Abs. 2-3
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 09.02.1993; Aktenzeichen 5 Sa 99/92) |
KreisG Leipzig-Stadt (Urteil vom 18.06.1992; Aktenzeichen 1 Ca 45/92) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 9. Februar 1993 – 5 Sa 99/92 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die am 5. Januar 1958 geborene Klägerin ist verheiratet und hat zwei unterhaltspflichtige Kinder. Seit 1. August 1980 war sie zunächst als Lehrerin für Deutsch und Kunsterziehung tätig. Von August 1984 bis Juli 1989 war sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hauptamtliche Sekretärin der FDJ-Kreisleitung in O und von August 1989 bis März 1990 Vorsitzende der Frauenkommission im SED-Kreisvorstand. Am 5. März 1990 trat sie wieder in den Schuldienst ein.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 1991, der Klägerin zugegangen am 28. Dezember 1991, kündigte der Beklagte unter Hinweis auf den Einigungsvertrag zum 31. März 1992 wegen mangelnder persönlicher Eignung der Klägerin.
Mit ihrer Klage vom 14. Januar 1992 hat sich die Klägerin gegen diese Kündigung gewandt. Sie hat geltend gemacht, die Sonderregelungen des Einigungsvertrages würden das allgemeine Kündigungsschutzrecht nicht verdrängen. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Im übrigen habe der Beklagte keine Einzelfallprüfung vorgenommen, sondern den Grund der mangelnden Eignung lediglich aus ihren früheren Funktionen hergeleitet. Sein Vorbringen sei unsubstantiiert. Sie, die Klägerin, habe sich nicht so verhalten, wie der Beklagte dies Funktionsträgern der streitbefangenen Art generell unterstelle, sondern die Funktion in der FDJ- Kreisleitung lediglich aus Verantwortung für die Organisation einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung der Jugend übernommen. Sie habe bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beanstandungsfrei unterrichtet. Auch fehle es an einer ordnungsgemäßen Personalratsanhörung und an der Einhaltung der Kündigungsfrist.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei dem Beklagten durch die Kündigung des Beklagten vom 18. Dezember 1991 nicht mit Wirkung zum 31. März 1992 aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen weiter forbesteht.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, aufgrund ihrer früheren Tätigkeit für Agitation und Propaganda bei der FDJ-Kreisleitung und der anschließenden Übernahme in eine Funktion bei der SED-Kreisleitung sei die Klägerin für eine weitere Verwendung als Lehrerin im öffentlichen Dienst persönlich nicht geeignet. Die Kündigungsregelungen des Einigungsvertrages seien abschließende Sonderregelungen. Die Wahrnehmung der hauptamtlichen Funktion in der FDJ- Kreisleitung sei überwiegend mit der Durchsetzung von Zielen verbunden gewesen, die als verfassungsfeindlich einzuordnen seien. Ihre Hauptaufgabe sei gewesen, aktiv und werbend für die Parteiziele einzutreten und insbesondere die Freundschaftspionierleiter und stellvertretenden Direktoren für außerunterrichtliche Tätigkeit an den Schulen des gesamten Kreises anzuleiten und diese – vorgenannte Personen seien ja auch der FDJ-Kreisleitung unterstellt gewesen – in ihrem politischen Wirken an den Schulen zu unterstützen, zu aktivieren und, wenn nötig, entsprechend dienstlich anzuweisen. Im Statut der FDJ sei dokumentiert gewesen, daß sich diese Organisation als „Kampfreserve der Partei” verstand und sämtliche Schüler und Jugendliche FDJ-mäßig zu betreuen gehabt habe. Die außerunterrichtliche Betreuung der Schüler im sogenannten Grundschulbereich (Klasse 1 – 4) habe den Freundschaftspionierleitern an den jeweiligen Schulen oblegen. Ab der 5. Klasse seien die Jugendlichen als sogenannte „Ernst-Thälmann-Pioniere” organisiert und betreut worden. In der 8. Klasse sollten schließlich der Eintritt in die FDJ und die Teilnahme an den entsprechenden Veranstaltungen stattfinden. Es sei vom Parteisystem der SED her vorgesehen gewesen, daß jeder ehemalige Bürger der DDR so früh wie möglich „gesinnungsmäßig” erfaßt und organisiert werde, um die Parteiziele frühzeitig den Kindern und Jugendlichen zu indoktrinieren. Schulische Aufstiegsmöglichkeiten hätten nur diejenigen Schüler gehabt, die schon frühzeitig einen Klassenstandpunkt bewiesen hätten und zumindest in der FDJ organisiert gewesen seien und sich hier auch politisch bereits hervorgetan hätten. Somit sei der FDJ und damit der Jugendorganisation der SED eine besonders wichtige Funktion zugekommen, da gerade das frühzeitige Erfassen der Schüler und Jugendlichen und die entsprechende parteiliche Indoktrination von außerordentlicher Bedeutung gewesen seien. Angeleitet und überwacht worden seien diejenigen Personen, die an der Schule tätig gewesen seien (Freundschaftspionierleiter und stellvertretende Direktoren für außerunterrichtliche Tätigkeit), von der FDJ-Kreisleitung. Dort sei eben gerade dem Funktionär für Agitation und Propaganda eine wichtige Rolle zugekommen, da dieser wiederum auf das politische Klima der Thälmann-Pioniere und FDJ an den jeweiligen Schulen Einfluß genommen habe und, stets den Parteizielen getreu, dafür zu sorgen gehabt habe, die Jugendlichen in der FDJ zu erfassen, die Teilnahme an der Jugendweihe sicherzustellen, ebenso wie die Teilnahme an den sogenannten Aufmärschen, Pfingsttreffen usw., an welchen zugunsten des Staates der ehemaligen DDR Ehrbekundungen und Gelöbnisse abzugeben gewesen seien. Wer, wie die Klägerin, eine derartige politische und hauptamtliche Tätigkeit auf FDJ- Kreisleitungsebene über fünf Jahre hinweg ausgeübt habe, habe sich nicht nur vorher bereits als aktiver Parteigenosse bewähren müssen, sondern darüber hinaus auch die Funktionen in der von der Partei vorgeschriebenen Art und Weise ausfüllen und die an ihn gestellten Erwartungen voll inhaltlich erfüllen müssen. Wenn man bei der Klägerin hier irgendwelche Nachlässigkeiten festgestellt hätte, wäre sie von ihrer Tätigkeit bei der FDJ-Kreisleitung sofort entbunden worden. Die Klägerin sei hierarchisch gesehen nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei der FDJ-Kreisleitung sogar noch höher aufgestiegen, als sie 1989 eine Funktion bei der SED- Kreisleitung übernommen habe. Selbstverständlich seien von dieser Parteiorganisation nur Personen übernommen worden, die vorbehaltlos und aktiv für die Ziele der Partei eingetreten seien bzw. sich in den zuvorliegenden Jahren bereits als vorbehaltlose Verfechter der SED-Ideologien bewährt hätten. Wer also, wie die Klägerin, ausschließlich politisch tätig gewesen sei und gerade als Repräsentant des totalitären und repressiven, von der Einheitspartei aufgebauten Staatssystems fungiert habe, sei heute nicht geeignet, Schüler im Sinne einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung glaubwürdig zu unterrichten. Wer, wie die Klägerin, gerade andere kraft Amtes und nach seiner Stellung von der Richtigkeit totalitärer und kommunistischer Zielvorstellungen zu überzeugen gehabt und in diesem Tätigkeitsbereich auch über Jahre hinweg gewirkt habe, sei keine geeignete Persönlichkeit für die Vermittlung humanistischer Bildungsziele. Die Klägerin habe sich aus dem normalen Schulleben verabschiedet gehabt und ihre berufliche Hauptaufgabe darin gesehen, daß sie Parteiorganisation betrieben und die Ziele der SED in der Abteilung für Agitation und Propaganda unterstützt habe. Ihr fehle deshalb sowohl die fachliche als auch die persönliche Eignung für eine weitere Tätigkeit als Lehrerin. Ihm, dem Beklagten, stehe hinsichtlich der Eignungsfeststellung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Kündigung sei fristgerecht erfolgt. An einer fehlenden oder mangelhaften Personalratsanhörung könne die Wirksamkeit der Kündigung deshalb nicht scheitern, weil im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung durch das Oberschulamt ein Personalrat auf dieser Ebene nicht gebildet gewesen sei.
Das Kreisgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision trägt die Klägerin vor, sie sei Ende Juli 1988 in das sogenannte Babyjahr gegangen und danach lediglich ehrenamtliche Mitarbeiterin der SED-Kreisleitung gewesen. Sie meint, der Beklagte habe Grundlagen und Bedeutung ihrer früheren politischen Funktionen in der Verfassungswirklichkeit der DDR nicht ausreichend dargelegt. Sie verfolgt ihren Feststellungsantrag weiter, den sie in der Revisionsverhandlung klarstellend wie folgt gefaßt hat:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei dem Beklagten durch die Kündigung vom 18. Dezember 1991 nicht mit Wirkung zum 31. März 1992 beendet worden ist.
Der Beklagte beantragt die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Klägerin für die Tätigkeit eines Lehrers im öffentlichen Dienst nicht ausreichend persönlich geeignet ist.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Wirksamkeit der Kündigung scheitere mangels Existenz einer zuständigen Personalvertretung nicht an einer fehlenden oder unzureichenden Personalratsbeteiligung. Die einschlägige Kündigungsfrist des § 55 Abs. 2 AGB-DDR sei eingehalten. Gemäß Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 sei die Kündigung auch begründet, die Klägerin sei im Sinne dieser Vorschrift für den Lehrerberuf persönlich nicht ausreichend geeignet. Als Lehrerin müsse sich die Klägerin durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen. Von ihr könne das gleiche Maß an politischer Treue verlangt werden wie von Beamten. Ein Lehrer sei insoweit auf das Vertrauen der Schüler und Eltern angewiesen. Er müsse auch in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen für diesen Staat Partei ergreifen und den ihm anvertrauten Kindern und Jugendlichen die Grundwerte unserer Verfassung glaubwürdig vermitteln. Im Fall der Klägerin sei aber ihre hauptamtliche Tätigkeit bei der FDJ als Sekretärin für Agitation und Propaganda ausreichend, ihr gegenüber Mißtrauen zu erwecken; dies mache sie für eine Stellung als Lehrerin im öffentlichen Dienst ungeeignet. Die Klägerin habe sich demgegenüber nicht durch Tatsachenvortrag entlastet.
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Die Klägerin hat in der Revisionsverhandlung klargestellt, daß ihr Feststellungsantrag allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4, 7 KSchG umfaßt. Auf das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO für einen weitergehenden Antrag kommt es daher nicht an.
2. Nach Art. 20 Abs. 1 EV gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts der neuen Länder die in der Anlage I zum Einigungsvertrag vereinbarten Regelungen. Die Klägerin unterrichtete damals an einer öffentlichen Schule und gehörte deshalb dem öffentlichen Dienst an.
3. Nach Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Wie bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung gemäß § 1 KSchG handelt es sich bei der entsprechenden Eignungsfeststellung, die nach einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung zu treffen ist (vgl. BAG Urteile vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 –, n. v.; vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 68 und 128/93 –, n. v.), um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht die Rechtsbegriffe selbst verkannt, ob es bei der Subsumtion Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (vgl. BAGE 48, 314, 319 = AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu B I der Gründe; BAGE 65, 61 = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Dieser eingeschränkten Überprüfung hält das angefochtene Urteil stand.
4. Der bisher für Kündigungen nach der genannten Vorschrift des Einigungsvertrages allein zuständige Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat für die gebotene Einzelfallprüfung folgende Grundsätze entwickelt (vgl. die zuletzt genannten Urteile des Achten Senats m.w.N.):
Die mangelnde persönliche Eignung i. S. von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht.
Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen; denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und ggf. zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu erschüttern. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweislast findet nicht statt.
5. Dieser Rechtsprechung des Achten Senats schließt sich der erkennende Senat an. Die Rechtsprechung steht, den Besonderheiten des Einigungsvertrages Rechnung tragend, in Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung des Zweiten Senats zur Kündigung von Lehrern im öffentlichen Dienst wegen Nichteignung aufgrund Zugehörigkeit zu einer als verfassungsfeindlich einzustufenden Partei (vgl. Senatsurteil vom 28. September 1989 – 2 AZR 317/86 – BAGE 63, 72 = AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, m.w.N.).
In der Sache ist danach von einer abgestuften Darlegungslast auszugehen: Legt der Arbeitgeber substantiiert dar, der Arbeitnehmer habe für längere Zeit eine Funktion wahrgenommen, die unbestritten in der gesellschaftlichen Realität des SED-Staates aufgrund ihrer Exponiertheit oder konkreten Aufgabenzuweisung regelmäßig eine Mitwirkung an der ideologischen Umsetzung der die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfenden Ziele der SED bedingte, so ist weiteres Vorbringen des Arbeitgebers zum konkreten Verhalten des Arbeitnehmers zunächst entbehrlich; eine solche Funktionsausübung ist an sich geeignet, den Schluß auf eine besondere Identifikation des Arbeitnehmers mit dem SED- Staat, auf eine sich hieraus ergebende mangelnde Glaubwürdigkeit bei der geschuldeten Vermittlung der Grundwerte unserer Verfassung und deshalb auf mangelnde persönliche Eignung für die Aufgabe eines Lehrers im öffentlichen Dienst zuzulassen. Es ist sodann Sache des Arbeitnehmers, sich durch substantiiertes und damit einer Beweisaufnahme zugängliches Tatsachenvorbringen zu entlasten.
Trotz eindeutiger gesetzlicher Zuweisung der Darlegungs- und Beweislast an eine Partei wird eine vergleichbare Abstufung der Darlegungslast in der Rechtsprechung auch sonst vorgenommen, wenn die beweisbelastete Partei nicht oder nur unter erheblich größeren Schwierigkeiten zu einer weitergehenden Substantiierung ihres Vorbringens in der Lage ist als die nichtbeweisbelastete bestreitende Partei. Dies rechtfertigt sich aus der prozessualen Mitwirkungspflicht gemäß § 138 Abs. 2 ZPO. Als Beispiel sei nur die Verteilung der Darlegungslast bei der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG (vgl. insbesondere BAGE 62, 116, 125 f. = AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu B II 3 b aa der Gründe, m.w.N.) oder bei der Arbeitgeberkündigung wegen unentschuldigten Fehlens bzw. wegen der Vortäuschung von Arbeitsunfähigkeit (vgl. Senatsurteil vom 26. August 1993 – 2 AZR 154/93 – AP Nr. 112 zu § 626 BGB, zu B I 1 c cc der Gründe) genannt. Auch in Fällen wie dem vorliegenden ist diese Abstufung der Darlegungslast gerechtfertigt. Angesichts einer allenfalls partiellen Verwaltungskontinuität nach der Wiedervereinigung und angesichts des Umstandes, daß unter der Regierung Modrow zahlreiche Personalakten „gesäubert” wurden, würden die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers überspannt, wenn man von ihm ohne konkretes Gegenvorbringen die detaillierte Darlegung verlangen würde, der mit der Umsetzung der grundgesetzfeindlichen SED-Ideologie beauftragte Funktionsträger habe im konkreten Fall die Funktion der Aufgabenstellung gemäß ausgeübt. Wie er im Einzelfall die Funktion tatsächlich ausübte, weiß der belastete Arbeitnehmer in aller Regel weitaus besser. Daher ist es ihm zumutbar, sich durch eigenen Tatsachenvortrag zu entlasten. Das Maß der gebotenen Substantiierung des Entlastungsvobringens hängt dabei davon ab, ob der Beklagte dieses Vorbringen bestreitet. Wird es bestritten, so bedarf es des Vortrags konkreter, einer Beweisaufnahme zugänglicher Entlastungstatsachen. Der Arbeitgeber kann dann seine Ermittlungen auf die vorprozessual oder im Prozeß konkretisierten Tatsachen konzentrieren. Die Beweislast bleibt aber auch in diesen Fällen bei ihm.
6. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, daß die Funktion der Klägerin bei der FDJ-Kreisleitung die Schlußfolgerung zuläßt, sie sei für die weitere Verwendung als Lehrerin im öffentlichen Dienst persönlich nicht geeignet.
a) Das Landesarbeitsgericht hat entsprechend dem übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien in den Tatsacheninstanzen festgestellt, die Klägerin sei hauptamtlich von August 1984 bis Juli 1989 Sekretärin für Agitation und Propaganda bei der FDJ-Kreisleitung und danach bis März 1990 Vorsitzende der Frauenkommission im SED-Kreisvorstand gewesen. An diese Feststellung ist der Senat gebunden, das teilweise abweichende Vorbringen der Revision ist unbeachtlich (§ 561 ZPO).
b) Soweit die Klägerin rügt, der Beklagte habe Grundlagen und Bedeutung der Funktionen in der Verfassungswirklichkeit der DDR nicht dargelegt, ist ihr zwar zuzugeben, daß der Beklagte die Aufgaben einer Vorsitzenden der Frauenkommission im SED-Kreisvorstand nicht näher erläutert hat. Auch das Landesarbeitsgericht hat keine näheren Feststellungen hierzu getroffen. Eine Aufhebung des angefochtenen Urteils ist gleichwohl nicht geboten. Die mangelnde Eignung der Klägerin ist, wovon auch das Landesarbeitsgericht ausgeht, bereits aufgrund der Tätigkeit der Klägerin als hauptamtliche Sekretärin für Agitation und Propaganda bei der FDJ-Kreisleitung anzunehmen.
c) Selbstverständnis und Aufgaben der FDJ allgemein und speziell der FDJ-Kreisleitung und ihres hauptamtlichen Sekretärs für Agitation und Propaganda im SED-Staat hat der Beklagte eingehend geschildert. Die Klägerin hat in den Tatsacheninstanzen die entsprechenden Behauptungen des Beklagten mit der Folge des § 138 Abs. 3 ZPO nicht substantiiert bestritten, so daß der Beklagte zu einer weiteren Konkretisierung und Beweisführung nicht gehalten war. Danach ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, mit der Funktion einer hauptamtlichen Sekretärin für Agitation und Propaganda bei der FDJ-Kreisleitung habe die Klägerin an hervorgehobener Stelle an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken gehabt; wer, wie die Klägerin, eine solche Funktion über längere Zeit wahrgenommen habe, könne nun die Grundwerte unserer Verfassung nicht glaubwürdig vermitteln und sei deshalb für den Lehrerberuf persönlich ungeeignet, wenn er die augenscheinliche besondere Identifikation mit dem SED- Staat nicht durch konkretes Tatsachenvorbringen entkräfte.
Insoweit hat die Klägerin lediglich für ihre eigene Amtsausübung in Abrede gestellt, ihre Hauptaufgabe sei die Anleitung bzw. Anweisung von Freundschaftspionierleitern und stellvertretenden Direktoren für außerunterrichtliche Tätigkeit gewesen. Sie hat es allerdings vermieden, die ihr in der genannten Funktion konkret zugeteilten Aufgaben und ihre Amtsführung in Abgrenzung zu den Behauptungen des Beklagten näher zu erläutern. Im übrigen kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin abweichend von den allgemeinen Merkmalen des Amtes bei ihrer Tätigkeit den Akzent auf die Anleitung und Anweisung von Freundschaftspionierleitern und stellvertretenden Direktoren für außerunterrichtliche Tätigkeit gelegt hat oder nicht. Entscheidend ist, daß sie über längere Zeit nach außen den SED-Staat mit den entsprechenden Merkmalen
des Amtes einer FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda repräsentierte (vgl. BAG Urteile vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 –, n.v., zu B II 2 d der Gründe, vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 128 und 174/93 –, n.v., zu B III 4 bzw. B II 2 der Gründe).
Auch der Hinweis, sie habe nach der Wende bis zur Kündigung beanstandungsfrei unterrichtet, vermag die Klägerin nicht zu entlasten (vgl. BAG Urteil vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 –, n.v.). Angesichts der laufenden Überprüfungsverfahren und der anstehenden Kündigungen besagt dies weder etwas über ein Bekenntnis der Klägerin zu den Grundwerten unserer Verfassung noch über die Eigung der Klägerin, diese Grundwerte im Unterricht glaubwürdig zu vermitteln.
7. Soweit die Revision meint, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei, kann ihr nicht gefolgt werden. Der erkennende Senat schließt sich auch zu dieser Problematik der ständigen Rechtsprechung des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts an (vgl. eingehend Urteile vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 –; vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 68 und 128/93 –, zu B V bzw. B IV der Gründe, m.w.N.). Danach gilt folgendes:
- Kündigungsberechtigt war das zuständige Oberschulamt, hier das Oberschulamt Leipzig. Die Schule, an der die Klägerin zuletzt beschäftigt war, war nicht zur Kündigung berechtigt. Nach § 82 Abs. 1 PersVG-DDR/BPersVG wäre die Stufenvertretung zu beteiligen gewesen. Eine solche bestand bei der Schulaufsichtsbehörde nicht. Daher entfiel eine personalvertretungsrechtliche Beteiligung.
- Aus den §§ 82 Abs. 6, 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR ergab sich keine Notwendigkeit, einen bestehenden Schul- oder Kreisschulpersonalrat zu beteiligen. Diese Vorschriften sicherten lediglich ein mehrstufiges Beteiligungsverfahren und setzten das Vorhandensein einer erstzuständigen Personalvertretung voraus.
- Die Unwirksamkeit der Kündigung kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß das Sächsische Staatsministerium für Kultus die Wahl eines Hauptpersonalrats bzw. Bezirkspersonalrats nicht früher eingeleitet hat. Eine Rechtsvorschrift, aus der eine solche Folge hergeleitet werden könnte, existiert nicht.
8. Die Kündigung erfolgte fristgerecht gemäß § 55 Abs. 2 AGB- DDR. Diese Vorschrift war gemäß Einigungsvertrag Anlage I aaO Abs. 4 Satz 4 weiterhin anwendbar.
Demgegenüber war die Kündigungsfrist von drei Monaten zum Schuljahresende gemäß § 9 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte vom 29. November 1979 (GBl. der DDR I S. 444), zuletzt geändert durch die 2. Verordnung zur Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte vom 25. Januar 1990 (GBl. der DDR I S. 24), nach dem 2. Oktober 1990 nicht mehr einschlägig. Die genannte Bestimmung gehört nicht zu dem in Anlage II zum Einigungsvertrag aufgeführten DDR-Recht, das seit dem 3. Oktober 1990 als Bundesrecht weitergilt. Dementsprechend könnte sie nur gemäß Art. 9 EV als Landesrecht weitergelten, wenn der Beklagte die Gesetzgebungskompetenz für den Erlaß dieser Kündigungsfristenregelung besäße. Die Regelung der Kündigungsfristen für Lehrkräfte gehört jedoch nicht zum Schulrecht, sondern zum materiellen Arbeitsrecht. Insofern hat der Bund von seinem konkurrierenden Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht (vgl. BAG Urteil vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 658/92 –, n.v.). Selbst wenn aber diese Regelung über den 2. Oktober 1990 hinaus weitergegolten hätte, wäre sie durch das Schulgesetz für den Freistaat Sachsen am 1. August 1991 außer Kraft gesetzt worden. Das Schulgesetz hat das Schulwesen für den Freistaat Sachsen abschließend geregelt und bestimmt ausdrücklich, daß am 1. August 1991 „entgegenstehendes oder entsprechendes Recht für den Freistaat Sachsen” außer Kraft tritt (§ 65 Abs. 2 SchulG vom 3. Juli 1991 – SächsGVBl. 1991, 213).
Auch die Kündigungsfrist des § 53 Abs. 2 BAT-O findet unabhängig von der Tarifbindung der Parteien nach § 53 Abs. 3 BAT-O keine Anwendung. Diese Bestimmung stellt ausdrücklich klar, daß die Regelungen des Einigungsvertrages in Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 vorgehen (vgl. BAG Urteil vom 25. März 1993 – 6 AZR 252/92 – AP Nr. 14 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt; Urteil vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 658/92 –, n.v.).
Unterschriften
Etzel, Bröhl, Fischermeier, Thelen, Engelmann
Fundstellen