Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Betriebserwerbers für Abfindungsforderung
Leitsatz (redaktionell)
Der Ausschluß der Haftung des neuen Inhabers eines Betriebes nach § 613a Abs 1 BGB für bei Konkurseröffnung bereits entstandener Ansprüche von Arbeitnehmern, die im Konkursverfahren gegen den bisherigen Arbeitgeber zu verfolgen sind, hängt nicht davon ab, ob es sich um einfache oder bevorrechtigte Konkursforderungen handelt, ob die Konkursmasse zur Befriedigung ausreicht oder ob die Forderungen anderweitig gesichert sind (im Anschluß an BAG 17.01.1980 3 AZR 160/79 = BAGE 32, 326 = AP Nr 18 zu § 613a BGB und BAG Urteil vom 20.11.1984 3 AZR 584/82 = AP Nr 38 zu § 613a BGB).
Normenkette
KO § 61; BGB § 613a; KSchG § 9 Fassung 1969-08-25, § 10 Fassung 1969-08-25
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 10.09.1985; Aktenzeichen 11 Sa 221/85) |
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 13.12.1984; Aktenzeichen 3 Ca 2013/84) |
Tatbestand
Der Kläger war seit 1. April 1971 als Verkaufsleiter bei der Firma Wilhelm H GmbH & Co. KG (im folgenden KG) beschäftigt. Nach einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die KG schlossen diese und der Kläger in einem Kündigungsrechtsstreit (- 1 Ca 1523/83 - ArbG Bielefeld) am 5. August 1983 folgenden Vergleich:
"1. Die Parteien sind sich darüber einig, daß das
zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis
durch ordentliche, arbeitgeberseitige, frist-
gerechte, betriebsbedingte Kündigung zum
31.12.1983 enden wird.
2. Die Beklagten zahlen als Gesamtschuldner an den
Kläger zum Ausgleich für den Verlust des sozia-
len Besitzstandes eine Abfindung nach den §§ 9,
10 KSchG in Höhe von 72.000,-- DM.
Dieser Betrag ist fällig in 3 Raten zu je
24.000,-- DM. Die erste Rate wird fällig am
15.12.1983, die zweite am 15.07.1984 und die
dritte Rate wird fällig am 15.01.1985.
Sollten die Beklagten mit einer Rate länger als
14 Tage in Rückstand geraten, soll der ausstehen-
de Restbetrag insgesamt sofort fällig werden."
Auf Antrag der KG vom 11. November 1983 wurde am 14. November 1983 um 12.00 Uhr über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet.
Ebenfalls am 11. November 1983 fand bei der KG eine Betriebsversammlung statt, an deren Anschluß 111 von 120 Mitarbeitern nach Beratung durch Betriebsrat und Gewerkschaft fristlos ihr Arbeitsverhältnis zur KG kündigten.
Die Beklagte erwarb die zum Betrieb der KG gehörenden Maschinen, die Rohstoffe und Fertigwaren, wobei die Modalitäten des Erwerbs streitig sind. Den Grundbesitz, auf dem sich der Betrieb der KG befand und der Herrn und Frau H gehörte, mietete eine Firma B GmbH. Am 17. November 1983 bot die Beklagte 90 früheren Mitarbeitern der KG befristete Arbeitsverträge bis zum 16. Dezember 1983 an und fertigte in diesem Zeitraum Kunststoff- und Massivholzteile. Ab Januar 1984 führt eine Firma B M GmbH den Betrieb fort.
Der Kläger hat vorgetragen, er sei im wesentlichen beim Möbelverkauf, der Gestaltung, Planung, im Innenausbau und der Werbung beschäftigt gewesen. In seiner Funktion als Verkaufsleiter habe er zur Verwaltung gehört, wobei die KG keine selbständigen Betriebsabteilungen, sondern nur unterschiedliche Abteilungen gehabt habe: Kunstholz und Möbelabteilung sowie Möbelrahmenfertigung aus Massivholz.
Die Beklagte habe die Maschinen, Büro- und Fertigteile unmittelbar vor oder nach Konkurseröffnung erworben und zwar auch die Maschinen, die zur Möbelfertigung benötigt worden seien. Es seien auch bis unmittelbar vor Konkurseröffnung noch Möbelaufträge erledigt worden.
Die Übernahme der KG sei von langer Hand vorbereitet worden und sei schon am 11. November 1983 beschlossene Sache gewesen. Schon im Juni/Juli 1983 habe der Unternehmensberater K mit dem Geschäftsführer der Beklagten den Betrieb der KG besichtigt. Lange vor Konkurseröffnung sei ein Herr Sch im Betrieb umhergelaufen und habe erklärt, bei dieser Sachlage lasse sich ein "wunderschöner Konkurs" mit anschließendem Betriebsübergang bewerkstelligen.
In einer Betriebsversammlung am 11. November 1983 sei den Arbeitnehmern angeraten worden, selbst zu kündigen. Es sei darauf hingewiesen worden, Probleme ergäben sich daraus nicht, weil die Beklagte den Betrieb fortführen und neue Arbeitsverhältnisse abschließen werde.
Der Betrieb sei schon vor Konkurseröffnung von der Beklagten übernommen worden. Die Produktion sei durchgängig weitergelaufen, als ob nichts geschehen sei, am 14. November 1983 morgens vor Konkurseröffnung seien schon Rechnungen "namens der Firma B (= Beklagte) für die bei Firma H hergestellten Artikel" ausgestellt bzw. umgestellt worden.
Die Beklagte hafte daher für die Abfindungsforderung. Die Forderung sei erst nach Konkurseröffnung entstanden, zudem sei im Hinblick auf sein endgültiges Ausscheiden eine einschränkende Auslegung von § 613 a BGB nicht angezeigt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 72.000,-- DM
nebst 4 % Zinsen seit 23. August 1984 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat geltend gemacht: Sie sei nicht in die Rechte und Pflichten aus dem mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnis eingetreten. Die KG habe über drei selbständige Betriebsabteilungen verfügt. Der Kläger sei in der Möbelabteilung tätig gewesen und habe nur über diese vorrangige Tätigkeit als Verkaufsleiter auch der Verwaltung angehört. Die Möbelfertigung sei bereits zum 1. Juli 1983 eingestellt und auch nicht mehr aufgenommen worden.
Eine Vorbereitung der Übernahme der KG habe nicht stattgefunden. Die Besichtigung durch einen Unternehmensberater habe nicht in ihrem Auftrag stattgefunden. Die zum Betrieb der KG gehörenden Maschinen und Anlagen habe sie von der Industriekreditbank D, die halbfertigen und fertigen Waren von der Sicherheitenverwertungsgemeinschaft gekauft. Die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe habe sie entweder gekauft oder den Eigentümern zurückgegeben. Außerdem habe sie sich mit Leasinggebern wegen neuer Verträge betreffend einige Maschinen in Verbindung gesetzt. Alle maßgebenden Verträge seien nach Konkurseröffnung abgeschlossen worden, der erste datiere vom 2. Dezember 1983. Der Konkursverwalter habe einen geschlossenen Betrieb vorgefunden, er habe weder eine betriebliche Tätigkeit aufgenommen noch überhaupt aufnehmen können. Es sei unrichtig, daß am 14. November 1983 bereits Rechnungen ausgestellt worden seien. Die Stillegung vom 11. November bis 17. November 1983 sei ausschließlich auf die Insolvenz der KG zurückzuführen gewesen. Eine Betriebsübernahme scheide auch deshalb aus, weil infolge der 111 fristlosen Kündigungen die KG nicht mehr die Eigenschaft eines Betriebes gehabt habe, zu dem notwendig eine Belegschaft gehöre.
Auf keinen Fall habe sie vor Konkurseröffnung den Betrieb übernommen, so daß schon deshalb eine Haftung wegen der Abfindungsforderung ausscheide.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision des Klägers war das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat eine Haftung der Beklagten verneint und dazu ausgeführt: Die Abfindungsforderung des Klägers sei bereits mit Abschluß des gerichtlichen Vergleiches am 5. August 1983 entstanden. Ein Betriebsübergang von der KG auf die Beklagte habe erst nach Konkurseröffnung stattgefunden. Die Beklagte habe die Betriebsleitungsbefugnis und die Organisationsgewalt am 17. November 1983 tatsächlich übernommen. Selbst wenn die vom Kläger behauptete Besichtigung der Maschinen und die behauptete Rechnungsumstellung vorher erfolgt seien, so sei die Beklagte durch diese Vorgänge nicht in die betriebliche Organisation der KG eingetreten, ein solcher Eintritt sei vielmehr dadurch erst vorbereitet worden. Die Voraussetzungen des Betriebsübergangs, die Erlangung der betrieblichen Organisationsgewalt, seien nach außen erkennbar und nachvollziehbar, sie spielten sich nicht nur in der ausschließlichen Einflußsphäre des Betriebsübernehmers oder -übergebers ab. Die Beklagte müsse daher nicht darlegen, daß die vom Kläger aufgezeigten Indizien für die Annahme eines Betriebsübergangs vor Konkurseröffnung nicht geeignet seien. Im vorliegenden Fall bestünden keine Anhaltspunkte für eine Erleichterung der Darlegungslast.
Unterstelle man zugunsten des Klägers, daß die Beklagte den Betrieb insgesamt übernommen habe und nicht nur Betriebsteile, in denen der Kläger gar nicht tätig gewesen sei, so scheitere eine Haftung jedenfalls daran, daß es sich hier um einen Betriebsübergang im Konkursverfahren handele. Deshalb habe die Beklagte für die bereits vor Konkurseröffnung entstandene Abfindungsforderung nicht einzustehen, wobei nicht zu unterscheiden sei zwischen gesicherten und ungesicherten Ansprüchen.
Hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß der Eintritt in alle erforderlichen technisch-organisatorischen Voraussetzungen bereits vor Konkurseröffnung "beschlossene Sache" gewesen und das Konkursverfahren nur gewählt worden sei, um in der Vergangenheit entstandene Ansprüche zu beschränken, seien nicht ersichtlich.
II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, ein Betriebsübergang liege erst dann vor, wenn der Betriebserwerber seine Betriebsleitungsbefugnis tatsächlich gebrauche. In Verkennung der Rechtslage und insbesondere der Darlegungs- und Beweislast hat es aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen ausgeführt, die Beklagte habe den Betrieb erst nach Konkurseröffnung übernommen, so daß sie schon deshalb nicht hafte.
1. Nach § 613 a Abs. 1 BGB tritt allerdings ein Betriebserwerber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.
a) Nach der zutreffenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte den Betrieb der späteren Gemeinschuldnerin übernommen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehören zu einem Betrieb im Sinne des § 613 a Abs. 1 BGB diejenigen sächlichen und immateriellen Betriebsmittel, mit denen und mit Hilfe der Arbeitnehmer der neue Inhaber bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgen kann (BAG 35, 104, 106 = AP Nr. 24 zu § 613 a BGB,zu 1 der Gründe; BAG Urteil vom 22. Mai 1985 - 5 AZR 30/84 - AP Nr. 42 zu § 613 a BGB). Dabei ist es nicht erforderlich, daß alle Wirtschaftsgüter, die bisher zu dem Betrieb des alten Inhabers gehörten, auf den neuen Betriebsinhaber übergehen. Es brauchen auch keine unmittelbaren rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen dem früheren und dem neuen Betriebsinhaber zu bestehen (BAG 35, 104; BAG Urteil vom 14. Oktober 1982 - 2 AZR 811/79 - AP Nr. 36 zu § 613 a BGB; BAG Urteil vom 22. Mai 1985, aa0). Für die Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB reicht es vielmehr aus, wenn der Erwerber - wie vorliegend die Beklagte - die Verfügungsbefugnis über einen Betrieb durch ein Bündel von verschiedenen Rechtsgeschäften über einzelne wesentliche Betriebsmittel mit verschiedenen Dritten erhält, sofern diese verschiedenen Rechtsgeschäfte insgesamt auf den Übergang eines funktionsfähigen Betriebes ausgerichtet sind (BAG 39, 208 = AP Nr. 31 zu § 613 a BGB; BAG Urteil vom 22. Mai 1985, aaO).
b) Im vorliegenden Fall war der Betrieb nicht bereits vor Konkurseröffnung stillgelegt worden. Von einer Stillegung gehen auch die Parteien übereinstimmend nicht aus. Eine Betriebsstillegung setzt die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft voraus, die ihre Veranlassung und ihren sichtbaren Ausdruck zugleich darin findet, daß der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Weiterverfolgung des bisherigen Betriebszweckes dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne aufzugeben (BAG 41, 72, 78 f.). Selbst wenn ganz kurzfristig die Produktion eingestellt gewesen sein sollte, so würde dies noch keine Betriebseinstellung bedeuten. Vielmehr hätte die Auflösung der dem Betriebszweck dienenden Organisation hinzukommen müssen (vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 111 Rz 31; BAG Urteil vom 21. November 1985 - 2 AZR 33/85 -, nicht veröffentlicht). Daran fehlt es.
c) Der Betrieb hat auch nicht deswegen seine Funktionsfähigkeit verloren , weil am 11. November 1983 ein Großteil der Arbeitnehmer gekündigt hat. Diese Kündigung durch die Arbeitnehmer erfolgte nämlich in der Gewißheit, ein Großteil der Belegschaft werde sofort wieder übernommen. Der Betrieb blieb damit funktionsfähig, weil die Arbeitskräfte dem neuen Betriebsinhaber absprachegemäß sofort zur Arbeitsleistung zur Verfügung standen. Es bedarf daher keiner weiteren Prüfung der Rechtswirksamkeit dieser Kündigungen.
2. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers bis zum 31. Dezember 1983 fortbestand, ist die Beklagte dann nach § 613 a Abs. 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus diesem Arbeitsverhältnis eingetreten, wenn sie den Betrieb vor Ablauf dieses Tages insgesamt übernommen hat und nicht nur solche Betriebsteile, in denen der Kläger nicht tätig gewesen ist, was das Landesarbeitsgericht zugunsten des Klägers unterstellt hat. Eine Haftung der Beklagten nach § 613 a Abs. 1 BGB würde nur dann entfallen, wenn sie den Betrieb nach Konkurseröffnung übernommen hätte.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 32, 326 = AP Nr. 18 zu § 613 a BGB und BAG 47, 206 = AP Nr. 38 zu § 613 a BGB) ist bei einer Betriebsveräußerung im Rahmen eines Konkursverfahrens § 613 a BGB insoweit nicht anwendbar, wie diese Vorschrift die Haftung des Betriebserwerbers für bei Konkurseröffnung bereits entstandene Ansprüche vorsieht. Für die Abwicklung aller Ansprüche, die zur Zeit der Konkurseröffnung bereits entstanden sind, sieht die Konkursordnung ein Verfahren vor, das von dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung beherrscht wird. Würde die bei der Veräußerung eines Betriebes übernommene Belegschaft einen neuen zahlungskräftigen Haftungsschuldner für bereits entstandene Ansprüche erhalten, wäre sie im Vergleich zu anderen Gläubigern und vor allem gegenüber den ausgeschiedenen Arbeitnehmern unangemessen bevorzugt. Dieser Vorteil müßte von den übrigen Gläubigern insoweit finanziert werden, als der Betriebserwerber den Kaufpreis mit Rücksicht auf die übernommene Haftung mindern könnte. Eine so ungleiche Verteilung der Lasten wäre mit dem geltenden Konkursrecht nicht vereinbar. Dieser Auffassung, der das Schrifttum überwiegend gefolgt ist (vgl. Henckel, ZIP 1980, 173; Seiter, Betriebsinhaberwechsel 1980, S. 137; Heinze, Anm.zu AP Nr. 18 zu § 613 a BGB; Willemsen, Anm.zu AP Nr. 38 zu § 613 a BGB; Mohrbutter, KTS 1983, 3,11) schließt sich der erkennende Senat an.
b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Abfindungsforderung sei mit Vergleichsschluß am 5. August 1983 entstanden und habe damit bei Konkurseröffnung bereits bestanden.
Dieser Beurteilung steht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Mai 1969 (- 5 AZR 309/68 - AP Nr. 2 zu § 8 KSchG) nicht entgegen, in der im Rahmen der Prüfung von Schuldnerverzug zutreffend ausgeführt ist, der Anspruch auf Abfindung nach § 7 KSchG entstehe erst durch die richterliche Festsetzung, die - ebenso wie die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 KSchG - selbst rechtsgestaltenden Charakter habe, da hier eine gerichtliche Entscheidung nicht vorliegt. Vorliegend geht es demgegenüber um eine vertragliche Vereinbarung einer Abfindung und dabei um die Auslegung des Parteiwillens, der erkennen läßt, daß die Parteien bereits mit dem Abschluß des Vergleiches und damit vor dem Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses einen - betagten - Anspruch begründen wollten. Nach der Regelung in Nr. 2 Sätze 2 ff. des Vergleiches sollte der Betrag in drei Raten fällig werden, wobei die erste Rate bereits am 15. Dezember 1983 zu zahlen war. Wie aus der Verfallklausel des letzten Satzes zu folgern ist, hätte sogar eine Gesamtfälligkeit schon vor dem 31. Dezember 1983 eintreten können. Sowohl aus der Wortwahl "fällig" als auch aus den Fälligkeitsdaten ist zu schließen, daß die Parteien von der Existenz einer bereits mit Abschluß des Vergleichs bestehenden Forderung ausgegangen sind. Aus der Bestimmung der Fälligkeit der ersten Rate (15. Dezember 1983) ist nicht herzuleiten, die Parteien hätten ein Entstehen des Anspruches erst zu diesem Termin gewollt. Es kann vielmehr nicht angenommen werden, die Parteien hätten eine Zahlungsverpflichtung auf eine noch nicht vorhandene Forderung beziehen wollen (so wohl auch Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 10 Rz 31 ohne nähere Begründung). Die somit bei Konkurseröffnung (14. November 1983) bereits betagte Abfindungsforderung war nach § 65 KO im Konkursverfahren als fällige Forderung zu berücksichtigen (Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., § 65 Rz 6).
c) Das Landesarbeitsgericht ist jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, die Beklagte habe den Betrieb erst nach Konkurseröffnung übernommen, und es hat bei seiner Würdigung zudem die Darlegungs- und Beweislast verkannt.
aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Betriebsleitungsbefugnis und damit die Organisationsgewalt erst am 17. November 1983 erlangt, als sie neue Arbeitsverträge mit den Mitarbeitern geschlossen habe, nachdem sie zuvor alle zur Weiterführung des Betriebs erforderlichen technischen und sonstigen Mittel erworben habe. Die vom Kläger behauptete Rechnungsumstellung vor Konkurseröffnung sei unerheblich, weil dadurch der Betriebsübergang erst vorbereitet worden sei.
Das Landesarbeitsgericht hat dabei die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht beachtet, nach der es für die Anwendung von § 613 a BGB entscheidend ist, ob der Betriebsnachfolger den Betrieb mit den notwendigen sachlichen Betriebsmitteln weiterführen und die vom Betriebsvorgänger geschaffenen technisch-organisatorischen Voraussetzungen für sich verwerten k a n n (BAG 27, 291 und BAG Urteile vom 18. August 1976 - 5 AZR 95/75 - und 15. November 1978 - 5 AZR 199/77 - = AP Nr. 2, 4, 14 zu § 613 a BGB). Es kommt deswegen entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht darauf an, ob die Beklagte erst am 17. November 1983 tatsächlich den Betrieb weitergeführt hat, sondern darauf an, zu welchem Zeitpunkt die Beklagte eine Rechtsposition erlangt hatte, die ihr die Weiterführung rechtlich und tatsächlich ermöglichte.
bb) Da eine haftungsrechtliche Reduktion von § 613 a BGB nur eintritt, wenn der Betriebsübergang nach Konkurseröffnung erfolgt ist, ist zudem die Beklagte und nicht, wie vom Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger dafür darlegungs- und beweispflicht, daß der Übergang erst nach der Konkurseröffnung stattfand.
Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, sie sei vor dem 17. November 1983 nicht bereits tätig gewesen. Der Konkursverwalter habe einen "geschlossenen Betrieb" vorgefunden, die ersten Verträge über die Möglichkeit der Nutzung der Betriebsmittel seien erst am 2. Dezember 1983 geschlossen worden. Demgegenüber hat der Kläger geltend gemacht, es seien bereits vor Konkurseröffnung Rechnungen auf den Namen der Beklagten umgestellt worden. Diesen Vortrag des Klägers hat das Landesarbeitsgericht nur unter dem Gesichtspunkt behandelt, die spätere Gesamtschuldnerin habe als Ausstellerin der Rechnungen damit den Betriebsübergang nur vorbereitet. Es hätte jedoch darüber hinaus prüfen müssen, ob diese Rechnungsstellungen nach dem Vortrag des Klägers auf Anweisung der Beklagten vorgenommen worden sind. Das würde nämlich für eine schon zu diesem Zeitpunkt bestehende "Leitungsmacht" der Beklagten sprechen. Es ist zudem vom Zeitablauf her nicht einsichtig und ungeklärt, wieso die Beklagte bereits am 17. November 1983 den Betrieb fortführen konnte, obwohl der erste von ihr für maßgeblich angesehene Vertrag erst am 2. Dezember 1983 geschlossen worden sein soll.
3. Das Landesarbeitsgericht wird daher unter Berücksichtigung des beiderseitigen Vortrages der Parteien, der entsprechend den vorstehenden Ausführungen zunächst noch der Ergänzung durch die Beklagte bedarf, weiter aufzuklären haben, ob die Beklagte bereits vor Konkurseröffnung eine Position erlangt hatte, die sie zur Weiterführung des Betriebes berechtigte.
a) Gelangt das Berufungsgericht zu der Auffassung, die Beklagte habe die Betriebsleitungsbefugnis vor Konkurseröffnung erlangt, so ist weiter zu prüfen, ob die Beklagte auch in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Kläger eingetreten ist, da sie insoweit geltend macht, sie habe den Betrieb nicht insgesamt und insbesondere nicht die Betriebsabteilung, der der Kläger angehört habe, übernommen. Diese sei bereits im Sommer 1983 stillgelegt und von ihr auch nicht fortgeführt worden. Da der Kläger nach seinem Vortrag im Betrieb in mehreren Funktionen gearbeitet haben will, ist die Frage welchem Betriebsteil der Arbeitnehmer zuzuordnen ist, nach objektiven Merkmalen und insbesondere danach zu entscheiden, für welchen Betriebsteil der Arbeitnehmer überwiegend tätig war (vgl. BAG 39, 208 = AP Nr. 31 zu § 613 a BGB).
b) Ist die Beklagte in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nach Konkurseröffnung eingetreten, so scheitert eine einschränkende Haftungsauslegung von § 613 a BGB auch nicht daran, daß der Kläger nur eine einfache Konkursforderung geltend macht. Bei der Abfindungsforderung handelt es sich um eine einfache Konkursforderung nach § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO (BAG Urteil vom 25. Februar 1981 - 5 AZR 922/78 - = AP Nr. 11 zu § 61 KO; BAG Urteil vom 6. Dezember 1984 - 2 AZR 348/81 - AP Nr. 14 zu § 61 KO; BAG Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 323/83 - AP Nr. 13 zu § 113 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; KR-Becker, 2. Aufl., § 10 KSchG Rz 93; KR-Weigand, aaO, § 22 KO Rz 38; a. A. LAG Niedersachsen, EzA § 61 KO Nr. 7).
In der Entscheidung des 3. Senats vom 17. Januar 1980 (BAG 32, 326) wird zwar zur Begründung der Haftungsreduktion auch ausgeführt, die besonderen Schutzbedürfnisse der Arbeitnehmer würden durch eine Reihe von Spezialregelungen berücksichtigt, es seien die Ansprüche der Belegschaft teilweise bevorzugt zu befriedigen, teilweise seien sie durch das Konkursausfallgeld gesichert. Tragend hat der Senat jedoch in dieser Entscheidung und insbesondere im Urteil vom 20. November 1984 (aaO) nicht auf die Gewährleistung eines angemessenen Insolvenzschutzes der Arbeitnehmer abgestellt, sondern wegen der Verteilungsgrundsätze des Konkursverfahrens auf eine zu verhindernde Sonderstellung der Arbeitnehmer gegenüber anderen Konkursgläubigern. Für die Frage der Haftungsreduktion ist es daher nicht entscheidend, ob der Arbeitnehmer als Konkursgläubiger eine einfache oder eine vorrangig geschützte Konkursforderung geltend macht. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Konkursgläubiger - mit der Folge der Haftung des Erwerbers nicht bereits dann gewahrt, wenn der Arbeitnehmer im Konkursverfahren wegen seiner Forderung gegen den früheren Betriebsinhaber nicht befriedigt wird.
Hillebrecht Dr. Weller Ascheid
Dr. Roeckl Brenne
Fundstellen
Haufe-Index 438219 |
BB 1987, 761 |
BB 1987, 761-762 (LT) |
DB 1987, 990-991 (LT) |
JR 1987, 308 |
KTS 1987, 510-514 (LT) |
NZA 1987, 458-460 (LT) |
RdA 1987, 126 |
ZIP 1987, 525 |
ZIP 1987, 525-527 (LT) |
AP § 613a BGB (LT), Nr 57 |
AR-Blattei, Betriebsinhaberwechsel Entsch 65 (LT) |
AR-Blattei, ES 500 Nr 65 (LT) |
EzA § 613a BGB, Nr 55 (LT) |