Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Betriebsnachfolgers für Forderungen vor Konkurseröffnung
Normenkette
BGB § 613a; KO § 59 Abs. 1 Nr. 3a, § 61 Abs. 1 Nr. 1a
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 16.12.1987; Aktenzeichen 10 Sa 51/87) |
ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 05.05.1987; Aktenzeichen 2 Ca 434/86) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. Dezember 1987 – 10 Sa 51/87 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision und der Nebenintervention zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch darüber, ob Ansprüche des Klägers aus der Zeit vor Konkurseröffnung über das Vermögen seines Arbeitgebers von der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Betriebsübernahme zu erfüllen sind.
Der Kläger war seit dem 15. Januar 1974 bei der Firma Kaiserstuhl Möbel Emil Meyer KG tätig. Über ihr Vermögen ist am 29. Mai 1986 das Konkursverfahren eröffnet worden. Aus diesem Arbeitsverhältnis beansprucht der Kläger 9.076,40 DM brutto als Urlaubsgeld und Urlaubsabgeltung für die Jahre 1985 und anteilig bis zur Konkurseröffnung 1986 sowie Weihnachtsgeld für denselben Zeitraum.
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch darüber, ob der Beklagte dafür aus dem Gesichtspunkt der Betriebsübernahme haftet.
Nach der Konkurseröffnung hat der Konkursverwalter und Nebenintervenient den Betrieb zunächst bis zum 30. Juni 1987 weitergeführt. Er hat jedoch das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 6. Juni 1986 zum 30. August 1986 aufgekündigt. Aus diesem Zeitraum beansprucht der Kläger von der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Betriebsnachfolge 2.744,80 DM brutto.
Seit dem 1. Juli 1986 führt die Beklagte den Betrieb mit geänderter Firmenbezeichnung in der Rechtsform einer GmbH fort und hat dem Kläger nur noch vom 1. Juli 1986 bis zum 13. Juli 1986 Arbeitsentgelt gezahlt. Danach hat die Beklagte ihn nicht weiterbeschäftigt, weil er nicht bereit war, eine vom Konkursverwalter vorgelegte Vereinbarung zu unterzeichnen, die im wesentlichen einen Ausschluß der Haftung der Beklagten für die Schulden des früheren Arbeitgebers des Klägers (K. … KG) nach § 613 a BGB und eine Neubegründung des Arbeitsverhältnisses ab 1. Juli 1986 mit der Beklagten enthielt. Der Kläger fordert für die Zeit ab 14. Juli 1986 von der Beklagten 4.504,– DM brutto für die Dauer seiner Nichtbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.
Der Kläger ist der Auffassung, daß die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Betriebsnachfolge gemäß § 613 a BGB ebenfalls für seine Ansprüche aus dem Zeitraum der Betriebsfortführung durch den Konkursverwalter und aus dem Arbeitsverhältnis mit der Gemeinschuldnerin vor der Konkurseröffnung aufkommen müsse. Zwar erfasse § 613 a BGB nach der Rechtsprechung nicht Forderungen aus der Zeit vor der Konkurseröffnung. Das gelte aber nicht, wenn das Konkursverfahren mangels Masse gar nicht eröffnet worden sei. Dem sei der hier gegebene Fall gleichzustellen, daß die Konkursmasse zur Befriedigung der Gläubiger nicht ausreiche und kaum die Kosten des Verfahrens gedeckt seien, so daß das Konkursverfahren gar nicht erst hätte eröffnet werden dürfen oder der Eröffnungsbeschluß hätte wieder aufgehoben werden müssen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.299,– DM brutto sowie 26,20 DM Sparzulage (steuerfrei) nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hierzu ausgeführt, daß sie nicht aus dem Gesichtspunkt der Betriebsübernahme gemäß § 613 a BGB für die Forderungen des Klägers hafte, denn die Vereinbarung mit dem Konkursverwalter zur Übertragung der für die Betriebsfortführung notwendigen Einrichtungsgegenstände und Maschinen sei am Widerspruch der gesicherten Gläubiger gescheitert; daher sei sie davon zurückgetreten. Das Konkursverfahren sei nach einer Zusage der Volksbank, für die Massekosten aufzukommen, ordnungsgemäß eröffnet worden. Der Beschluß sei rechtskräftig und nicht wieder aufgehoben worden.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage in Höhe von 9.076,40 DM brutto abgewiesen, soweit der Kläger Ansprüche aus der Zeit vor der Konkurseröffnung gegen die Beklagte geltend gemacht hat und im übrigen die Berufung zurückgewiesen.
Dagegen hat nur der Kläger Revision eingelegt, mit der er seine Klagforderung aus der Zeit vor der Konkurseröffnung weiterverfolgt.
Das Amtsgericht Emmendingen hat mit Beschluß vom 1. Dezember 1988 den Antrag der Geschäftsführer der Beklagten auf Eröffnung des Konkursverfahrens wegen nicht gedeckter Massekosten abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger Ansprüche aus der Zeit nach der Konkurseröffnung in vollem Umfang zuerkannt. Das ist der Zeitraum seit der Betriebsfortführung durch den Konkursverwalter und danach durch die Beklagte bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.
Dagegen hat es Forderungen des Klägers für die Zeit davor bis zur Konkurseröffnung abgewiesen. Insoweit handelt es sich um Urlaubsgeld und Urlaubsabgeltung für die Jahre 1985 und anteilig für 1986 sowie um Weihnachtsgeld für den gleichen Zeitraum. Darüber ist jetzt noch zu entscheiden, weil nur der Kläger Revision eingelegt hat.
II. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Anwendung des § 613 a BGB auf diese Forderungen aus der Zeit vor Konkurseröffnung abgelehnt.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Forderungen gegen den Gemeinschuldner begründet waren oder nicht, denn für sie hat die Beklagte nach § 613 a BGB nicht aufzukommen. Die Vorinstanz ist zutreffend von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgegangen, wonach der Betriebsnachfolger im Rahmen des § 613 a BGB nicht für die zur Zeit der Konkurseröffnung bereits entstandenen Ansprüche einzustehen hat. Insoweit haben die Verteilungsgrundsätze des Konkursverfahrens Vorrang (BAGE 32, 326 = AP Nr. 18 zu § 613 a BGB; BAGE 47, 206 = AP Nr. 38 zu § 613 a BGB; Urteil vom 13. November 1986 – 2 AZR 771/85 – AP Nr. 57 zu § 613 a BGB). Die Konkursordnung sieht hierfür ein Verfahren vor, das vom Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger beherrscht ist; dieser Grundsatz verdrängt die Haftung des Betriebserwerbers nach § 613 a BGB und führt dazu, daß bereits vor Konkurseröffnung entstandene Ansprüche am Konkursverfahren teilnehmen müssen. Sonst würde die übernommene Belegschaft auf Kosten der übrigen Konkursgläubiger bevorzugt (BAG, a.a.O.).
a) Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Vorrang des Konkursverfahrens dann nicht gilt, wenn es gar nicht erst eröffnet worden ist, weil die Konkursmasse nicht ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken (BAGE 47, 206, 213 = AP Nr. 38 zu § 613 a BGB zu 2 b der Gründe). In diesem Fall ist § 613 a BGB anzuwenden, weil außerhalb eines Konkursverfahrens der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung nicht gilt (BAGE 47, 206, 213 = AP, a.a.O.).
b) Davon geht der Kläger ebenfalls aus und vertritt die Auffassung, der Nichteröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse sei der hier gegebene Fall gleichzustellen, daß die Masse kaum ausreiche, die Verfahrenskosten zu decken und die Konkursgläubiger leer ausgingen. Das Konkursverfahren hätte gar nicht erst eröffnet werden dürfen oder es hätte zumindest nachträglich wieder eingestellt werden müssen.
c) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Behauptungen des Klägers über die Massearmut zutreffend sind oder nicht. Die Vorinstanz hat zu Recht darauf abgestellt, daß das Konkursverfahren eröffnet worden und dieser Beschluß in Rechtskraft erwachsen ist; es ist nachträglich auch nicht wieder eingestellt worden. Davon ist bei der rechtlichen Beurteilung auszugehen.
aa) Die Nichtanwendung des § 613 a BGB auf Ansprüche aus der Zeit vor der Konkurseröffnung ist damit begründet worden, daß der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger im Konkursverfahren Vorrang hat gegenüber den Ansprüchen der Arbeitnehmer gegen den Betriebserwerber, denn sonst würde die übernommene Belegschaft auf Kosten der übrigen Konkursgläubiger bevorzugt. Dieser Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger gilt aber nicht außerhalb des Konkursverfahrens. Das trifft auch auf den Fall zu, daß das Konkursverfahren mangels kostendeckender Masse gar nicht erst eröffnet worden ist (§ 107 KO). Bei einer Abweisung des Eröffnungsantrages mangels kostendeckender Masse gilt aber der konkursrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz außerhalb des Konkursverfahrens gerade nicht, sondern das Prioritätsprinzip der Einzelzwangsvollstreckung (Henckel, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 1984, 225 ff., 240).
Wenn aber – wie der Kläger geltend macht – das Konkursverfahren zwar eröffnet worden ist, aber die Masse zur Befriedigung der Konkursgläubiger nicht ausreicht, dann gilt uneingeschränkt der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger in dem unstreitig eröffneten Konkursverfahren und nicht – wie bei einer Abweisung mangels kostendeckender Masse – das Prioritätsprinzip der Einzelzwangsvollstreckung. Diese Rechtslage verbietet es, die Fälle einer Konkurseröffnung ohne ausreichende Masse im Rahmen des § 613 a BGB dem Fall gleichzustellen, daß das Konkursverfahren wegen nicht gedeckter Massekosten gar nicht erst eröffnet worden ist (ebenso BAG Urteil vom 13. November 1986 – 2 AZR 771/85 – AP Nr. 57 zu § 613 a BGB, zu II 3 b der Gründe).
Der Kläger vermag auch nicht zu erklären, wo er die Grenze ziehen will zwischen den Fällen der Massearmut nach Konkurseröffnung einerseits, die nach seiner Vorstellung unter den Anwendungsbereich des § 613 a BGB fallen sollen, und den Fällen, in denen die Anwendung des § 613 a BGB auf Ansprüche vor Konkurseröffnung ausgeschlossen ist.
bb) Der Kläger macht geltend, der Konkurs hätte gar nicht eröffnet werden dürfen oder aber das Verfahren hätte nachträglich wieder eingestellt werden müssen. Das ist in diesem Rechtsstreit nicht zu berücksichtigen.
Das Amtsgericht hat durch rechtskräftigen Beschluß vom 29. Mai 1986 das Konkursverfahren eröffnet. Dabei ist es in der Folgezeit geblieben.
Zwar kann das Gericht gemäß § 204 KO das Konkursverfahren wieder einstellen, sobald sich ergibt, daß eine den Kosten des Verfahrens entsprechende Konkursmasse nicht vorhanden ist. Dazu ist es aber nicht gekommen. Deswegen ist auch nicht darüber zu entscheiden, ob sich eine nachträgliche Einstellung des Konkursverfahrens mangels Masse auf die Anwendung des § 613 a BGB auswirkt oder nicht.
Wenn dagegen – wie hier – das Konkursverfahren rechtskräftig eröffnet worden und es dabei geblieben ist, dann kann in diesem Rechtsstreit nicht die Frage geprüft werden, ob das Amtsgericht das Verfahren zu Recht oder zu Unrecht eröffnet hat. Das erkennende Gericht hat vielmehr die formelle Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses zu beachten, und die hieran anknüpfenden Rechtsfolgen können nicht rückgängig gemacht werden (Jaeger, KO, 8. Aufl., § 74 Anm. 4 b; Kuhn/Ühlenbruck, KO, 10. Aufl., § 74 Rz 3; Kilger, KO, 15. Aufl., § 109 Anm. 7), über die Eröffnung des Konkursverfahrens haben nur das Konkursgericht oder die ihm übergeordneten Gerichte im Beschwerderechtzug zu entscheiden. Diese Entscheidung ist in anderen Rechtsstreitigkeiten zu Grunde zu legen (RGZ 129, 390, 392; RGZ 136, 97, 100).
2. Die Forderungen des Klägers sind im Konkursverfahren geltend zu machen. Das gilt auch für die zeitanteilig für das Jahr 1986 beanspruchte Gratifikation und die Urlaubsabgeltung. Da für diesen Zeitraum bis zur Konkurseröffnung nicht § 613 a BGB zur Anwendung kommt, sondern die Verteilungsgrundsätze des Konkursverfahrens Vorrang haben, richtet sich die Zuordnung dieser Forderungen ausschließlich nach Konkursrecht.
a) Die Gratifikationsforderung steht einem Gehaltsanspruch in der Vergangenheit gleich und entfällt auf den Zeitraum vor der Konkurseröffnung, denn der Arbeitnehmer hat sie bis dahin verdient. Wenn dieser Anspruch überhaupt entstanden sein sollte, ist er in den letzten sechs Monaten vor Konkurseröffnung rückständig, weil § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO ebenso wie § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO nicht auf einen bestimmten Fälligkeitszeitpunkt abstellt, sondern auf den rückständigen Zeitraum (BAGE 33, 113, 116 = AP Nr. 9 zu § 59 KO, zu II 2 b der Gründe mit zustimmender Anm. von Uhlenbruck).
Das gilt gleichermaßen für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Soweit es sich – wie hier – um eine Forderung aus den letzten sechs Monaten vor Konkurseröffnung handelt, sind es Rückstände auf Arbeitsentgelt, gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 a K0 (BAG Urteil vom 21. Mai 1980 – 5 AZR 441/78 – AP Nr. 10 zu § 59 KO, zu A II 2 a der Gründe mit zustimmender Anm. von Uhlenbruck; BAG Urteil vom 26. August 1986 – 3 AZR 98/85 – AP Nr. 20 zu § 59 KO, zu II 1 b der Gründe). Die Rangordnung von Ansprüchen in einem Konkursverfahren baut darauf auf, daß sie jeweils einem bestimmten Zeitraum zugeordnet werden können. Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger diese Forderungen zur Konkurstabelle angemeldet hat (BAG, a.a.O.).
b) Es kann dahingestellt bleiben, ob der bis zur Konkurseröffnung noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch darüber hinaus bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen den Konkursverwalter gerichtet werden kann, wenn er das Arbeitsverhältnis mit dem gekündigten Arbeitnehmer nach der Konkurseröffnung fortsetzt (BAG Urteil vom 15. Mai 1987 – 8 AZR 506/85 – AP Nr. 35 zu § 7 BUrlG Abgeltung). Darüber ist hier schon deswegen nicht zu entscheiden, weil die Klage sich nicht gegen den Konkursverwalter richtet.
Ebensowenig kommt es darauf an, ob der vor einem Betriebsinhaberwechsel noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB sich gegen den Betriebserwerber richtet (Leinemann/Lipke, Der Betrieb 1988, 1217, 1219 f.). Diese Rechtsfolge wird allein aus § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB abgeleitet, der in dem Anspruchszeitraum vor Konkurseröffnung gerade nicht zur Anwendung kommt, weil die Verteilungsgrundsätze des Konkursverfahrens Vorrang haben.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97, 101 ZPO.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Liebsch, Blank-Abel
Fundstellen
Haufe-Index 988650 |
ZIP 1989, 798 |