Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungskosten. Rückzahlungsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
vgl. – 5 AZR 420/90 –; – 5 AZR 430/90 –; – 5 AZR 443/90 –; – 5 AZR 17/91 –
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 15.11.1990; Aktenzeichen 10 Sa 411/90) |
ArbG Köln (Urteil vom 13.02.1990; Aktenzeichen 16 Ca 9033/89) |
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 15. November 1990 – 10 Sa 411/90 – insoweit aufgehoben, wie es die Widerklage in Höhe von 30.644,94 DM nebst Zinsen abgewiesen und über die Kosten entschieden hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte die Kosten für die Ausbildung auf dem Flugzeugmuster Boeing 737-300 anteilig tragen muß.
Die Klägerin ist eine Fluggesellschaft und setzt ab Anfang 1988 ausschließlich Großraumjets über 20 t des Flugzeugmusters Boeing 737-300 ein.
Der Beklagte ist Flugzeugführer für Verkehrsflugzeuge und besaß im Zeitpunkt der Bewerbung die Musterberechtigung für den von der Klägerin eingesetzten Flugzeugtyp Boeing 737-300 noch nicht, sondern hatte nur eine solche für das Flugzeugmuster Fokker F 27.
Deswegen haben die Parteien im Arbeitsvertrag vom 20. August 1987 folgende Vereinbarung getroffen:
„Der Mitarbeiter wird ab 15.10.87 in Seattle, USA durch die Firma Boeing zum Co-Piloten auf dem Flugzeugmuster Boeing 737-300 ausgebildet. Nach Erhalt des Type-Ratings wird der Mitarbeiter auf diesem Flugzeugmuster als Co-Pilot eingesetzt.
Sollte der Mitarbeiter – gleich aus welchem Grunde – vor Ablauf von 3 Jahren nach dem 1. kommerziellen Einsatz aus den Diensten der G. Fluggesellschaft ausscheiden, so hat er die Kosten des Type-Ratings an die Gesellschaft zurückzuzahlen, wobei er jeweils 1/36 des Type-Rating-Betrages je Dienstmonat gutgebracht bekommt.
Der Wert des Type-Ratings ist mit DM 80.000,– festgesetzt worden.
…”
Die Ausbildung des Beklagten erfolgte in der Zeit vom 20. Oktober 1987 bis zum 15. Dezember 1987 durch die Firma Boeing in USA. Der 1. kommerzielle Einsatz des Beklagten auf einer Boeing 737-300 im Betrieb der Klägerin fand am 12. Januar 1988 statt.
Die Klägerin zahlte dem Beklagten während der Ausbildung bis zum ersten kommerziellen Einsatz ein monatliches Bruttogehalt von 2.000,– DM. Anschließend wurde ihm ein Bruttogehalt von 3.300,– DM, Spesenersatz und eine Flugzulage in Höhe von 30,– DM je Blockstunde sowie eine jährliche Sonderleistung in Höhe eines monatlichen Grundgehaltes gezahlt. Die Bezüge des Beklagten beliefen sich im Jahre 1988 auf etwa 70.000,– DM. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 14. August 1989 das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30. September 1989 gekündigt. Die Klägerin hat sodann vom Beklagten die Rückzahlung von 34.148,– DM als Ausbildungskosten verlangt. Damit hat sie das Restgehalt des Beklagten in Höhe von 3.873,59 DM sowie einen weiteren Betrag von 739,16 DM verrechnet, so daß sie von ihm noch 29.535,25 DM fordert.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, daß der Beklagte sich zur anteiligen Rückzahlung der Ausbildungskosten von insgesamt 80.000,– DM rechtswirksam verpflichtet habe. Er habe durch den erstmaligen Erwerb der Musterberechtigung für das Flugzeugmuster Boeing 737-300 seine Berufsaussichten auf dem Arbeitsmarkt wesentlich verbessert. Der Flugzeugtyp Boeing 737 werde von der Lufthansa, Condor und Hapag-Lloyd eingesetzt. Die S.-Flug GmbH habe insgesamt elf Piloten der Klägerin, die nach Erwerb der Musterberechtigung für die Boeing 737 ihr Vertragsverhältnis mit der Klägerin ebenfalls vorzeitig gekündigt hätten, eingestellt, um sie auf der Boeing 757 einzusetzen. Die S.-Flug GmbH habe sich dafür der Klägerin gegenüber verpflichtet, die Ausbildungskosten zurückzuzahlen. Darüber hinaus werde das Flugzeugmuster Boeing 757 von der LTU/LTS und von dem Nürnberger-Flugdienst eingesetzt. Der Wert der Ausbildung des Beklagten sei noch dadurch gesteigert worden, daß er auf dem modernsten Navigationssystem „EFIS” ausgebildet worden sei.
Die Klägerin sei für die Ausbildung des Beklagten bei der Fluggesellschaft Boeing in USA mit Ausbildungskosten von 80.000,– DM von ihrer Muttergesellschaft (S. mbH) belastet worden. In Wirklichkeit seien ihre Ausgaben sogar noch höher gewesen und hätten sich auf 108.251,70 DM belaufen nebst zusätzlichen Kosten von 8.455,– DM.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 29.535,25 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung begehrt und im Wege der Widerklage 35.257,69 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit von der Klägerin gefordert. Mit dem Widerklageantrag beansprucht er 4.612,75 DM, die im Verrechnungswege mit der Klageforderung von seinem Gehalt einbehalten wurden, sowie 30.644,94 DM, die von der Klägerin im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben worden sind.
Der Beklagte hält die Rückzahlungsverpflichtung für unwirksam, denn sie beeinträchtige sein Recht auf freie Berufswahl (Art. 12 GG). Durch den Erwerb der Musterberechtigung hätten sich seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht verbessert. Er habe von dieser Musterberechtigung bei seinem neuen Arbeitgeber keinen Gebrauch machen können. Die von der Klägerin genannten Fluggesellschaften, die den Flugzeugtyp Boeing 737 einsetzten, würden den Beklagten nicht einstellen, weil er im Zeitpunkt seines Ausscheidens über 40 Jahre alt gewesen sei. Der Beklagte habe das Arbeitsverhältnis nur wegen des schlechten Betriebsklimas und wegen der vergleichsweise niedrigen Vergütung gekündigt.
Der Beklagte hat ausdrücklich bestritten, daß die Klägerin 80.000,– DM Ausbildungskosten aufgewandt habe. Selbst wenn sie buchungstechnisch von ihrer Muttergesellschaft (S. mbH) mit einem Betrag von 80.000,– DM belastet worden sei, so beweise das nicht, daß die Klägerin diesen Betrag tatsächlich für Ausbildungskosten an die Boeing-Fluggesellschaft gezahlt habe. Es sei davon auszugehen, daß die Boeing-Fluggesellschaft ihr im Zusammenhang mit dem Verkauf ihrer Flugzeuge zumindest teilweise ein kostenfreies Type-Rating ermöglicht habe. Die Behauptung der Klägerin, daß sie sogar 108.251,70 DM für die Ausbildung des Beklagten auf gewandt habe, werde bestritten.
Das Arbeitsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt und die Widerklage bis auf einen Betrag von 115,25 DM abgewiesen. Die Berufung des Beklagten dagegen war erfolglos. Der Beklagte will mit der Revision die Abweisung der Klage und die Verurteilung der Klägerin zur Rückzahlung des in der Vorinstanz vollstreckten Betrages von 30.644,94 DM erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur weiteren Sachaufklärung in der Vorinstanz führen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat im Urteilstenor nicht ausdrücklich über die vom Beklagten in der Vorinstanz erhobene Widerklage entschieden. Zwar hat es seinen Urteilstenor mit Beschluß vom 18. März 1991 berichtigt, aber nicht hinsichtlich dieses Punktes. Der Beklagte hat mit seiner Widerklage geltend gemacht, daß der Kläger im Juli 1990 einen Betrag von 30.644,94 DM im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben hat. Darüber hinaus beansprucht er einen Betrag von 4.612,75 DM, den die Klägerin zur Verrechnung mit ihrer Klageforderung vom Gehalt des Beklagten einbehalten hat. Das Landesarbeitsgericht hat in den Entscheidungsgründen jedoch dargelegt, daß es diese Widerklageforderung von insgesamt 35.257,69 DM nicht für begründet hält.
II. Das Berufungsgericht sieht die Rückzahlungsvereinbarung für rechtswirksam an, weil die Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit im Bindungszeitraum die Interessen der Parteien angemessen berücksichtige. Die Klägerin habe ein wichtiges wirtschaftliches Interesse daran, daß sie einen mit diesem finanziellen Aufwand ausgebildeten Piloten nicht alsbald wieder an ein Konkurrenzunternehmen verliere. Das gelte besonders deswegen, weil die Klägerin zu den ersten Fluggesellschaften gehört habe, die das neu auf den Markt gekommene Flugzeug des Typs Boeing 737-300 eingesetzt habe. Andererseits könne „kein Zweifel” daran bestehen, daß der Beklagte seine Berufschancen durch die Ausbildung erheblich verbessert habe. Wie die Erfahrung der Klägerin mit der S.-Flug GmbH gezeigt habe, sei diese Gesellschaft bereit gewesen, der Klägerin die Ausbildungskosten zu ersetzen, weil sie dringend Piloten mit einem Type-Rating für die Boeing 737-300 benötigt habe. Dagegen sei es unerheblich, daß der Beklagte die bei der Klägerin erworbene Musterberechtigung in seiner neuen Tätigkeit nicht benötigt habe, sondern als Pilot auf den Flugzeugtyp Fokker F 27 eingesetzt werde.
Die Rückzahlungsverpflichtung in Höhe der Ausbildungskosten von anfänglich 80.000,– DM sei ebenfalls rechtswirksam vereinbart worden. Der Kostenaufwand sei nach Überzeugung des Gerichts in Wirklichkeit höher. Dazu hat das Berufungsgericht folgendes ausgeführt:
Der Beklagte habe sich zu den einzelnen Behauptungen der Klägerin in der letzten mündlichen Verhandlung „nicht mehr ausdrücklich erklärt”. Die Ausführungen des Beklagten ließen auch nicht erkennen, ob er in der letzten mündlichen Verhandlung noch habe bestreiten wollen, daß die Klägerin an die S. mbH gemäß dem Buchungsbeleg vom 15. Dezember 1987 für das Type-Rating der Piloten jeweils 80.000,– DM zumindest im Verrechnungswege gezahlt habe und daß der S. mbH die von der Klägerin behaupteten Lehrgangskosten, Hotelkosten, Kosten für das Flug- und Landetraining in den USA sowie für die Supervisionsflüge in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich entstanden seien. Damit stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, daß die Belastung mit 80.000,– DM durch einen tatsächlichen Aufwand gedeckt sei und der Buchungsbeleg entgegen den Mutmaßungen des Beklagten nicht als ein Gefälligkeitsattest betrachtet werden könne.
III. Ob der Beklagte zur vereinbarten Rückzahlung der Kosten für den Erwerb der Musterberechtigung – insbesondere in der im Arbeitsvertrag festgelegten Höhe – verpflichtet ist, läßt sich aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend beurteilen und bedarf noch weiterer Sachaufklärung in der Vorinstanz.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitsvertragsparteien vereinbaren, daß Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer auf gewendet hat, von diesem zurückzuzahlen sind, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf bestimmter Fristen beendet. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Zahlungsverpflichtungen, die an die vom Arbeitnehmer ausgehende Kündigung anknüpfen, können das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 GG beeinträchtigen. Deshalb kommt es darauf an, ob den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenübersteht. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen. Die Rückzahlungspflicht muß vom Standpunkt eines verständigen Betrachters aus einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entsprechen; der Arbeitnehmer muß mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muß die Rückzahlungspflicht dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein. Dabei kommt es u.a. auf die Dauer der Bindung, den Umfang der Fortbildungsmaßnahme, die Höhe des Rückzahlungsbetrages und dessen Abwicklung an (vgl. BAGE 13, 168, 174 = AP Nr. 25 zu Art. 12 GG, zu II 1. der Gründe; BAGE 28, 159, 163 = APNr. 3 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 1 a der Gründe; BAG Urteil vom 19. März 1980 – 5 AZR 362/78 – AP Nr. 5 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu 2 der Gründe; BAGE 42, 48, 51 f. = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu I der Gründe; BAG Urteil vom 11. April 1984 – 5 AZR 430/82 – AP Nr. 8 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 1 der Gründe, sowie Senatsurteil vom 11. Oktober 1989 – 5 AZR 516/88 –, n.v., zu III der Gründe).
Nach allem ist es für die Interessenabwägung vorrangig, ob und inwieweit der Arbeitnehmer mit der Aus- oder Weiterbildung einen geldwerten Vorteil erlangt (so ausdrücklich BAGE 28, 159, 165 f. = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 4 der Gründe). Eine Kostenbeteiligung ist dem Arbeitnehmer um so eher zuzumuten, je größer der mit der Ausbildung verbundene berufliche Vorteil für ihn ist. Andererseits scheidet eine Beteiligung an Ausbildungskosten i.d.R. dann aus, wenn die Interessen des Arbeitnehmers an der Ausbildung im Vergleich zu denen des Arbeitgebers gering sind (z.B. bei betriebsbezogenen Fortbildungsmaßnahmen, die nur den Zweck haben, vorhandene Kenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern; BAGE 28, 159, 165 f. = AP, a.a.O.). Eine Rückzahlungsverpflichtung ist dann mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren (BAG, a.a.O.). Eine vernünftige Berücksichtigung der Arbeitgeberinteressen in dieser Form schließt das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nicht aus (BVerfGE 39, 128, 141). Die für den Arbeitnehmer tragbaren Bindungen sind aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (BGH Urteil vom 5. Juni 1984 – VI ZR 279/82 – AP Nr. 11 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 1 der Gründe).
2. Das Landesarbeitsgericht hat diese Rechtsgrundsätze zwar seiner Entscheidung im wesentlichen vorangestellt, hat sie dann aber auf den Sachverhalt nicht richtig angewendet.
Eine dem Einzelfall angepaßte Interessenabwägung erfordert zwangsläufig, daß eine Partei in diesem Rahmen solche Umstände darlegen muß, die ihr Interesse an derartigen Rückzahlungsverpflichtungen rechtfertigen können. Daraus ergibt sich im Streitfall folgendes:
a) Der Arbeitgeber übernimmt die Kosten für den Erwerb der Musterberechtigung in der Erwartung, daß der Pilot mit dieser Ausbildung im Arbeitsverhältnis für bestimmte Zeit bleibt und nicht zur Konkurrenz abwandert. Das ergibt sich im Streitfall schon aus der mit dem Beklagten vereinbarten Bindungsfrist. Andererseits reicht das alleine nicht aus, um den Arbeitnehmer mit der Rückzahlungsverpflichtung für diese Ausbildungskosten (wenn auch zeitanteilig) zu belasten, falls er vor Ablauf der Bindungsfrist aus dem Arbeitsverhältnis wieder ausscheidet. Die für den Arbeitnehmer tragbaren Bindungen sind aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (BGH Urteil vom 5. Juni 1984 – VI ZR 279/82 – AP Nr. 11 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 1 der Gründe). Der Arbeitgeber könnte zur Vermeidung der vorzeitigen Abwanderung des Arbeitnehmers die Ausbildung davon abhängig machen, daß ein Langzeitvertrag abgeschlossen oder lange Kündigungsfristen vereinbart werden (z.B. auch abgestimmt auf den Zeitpunkt des Flugplanwechsels). Er muß sich dann allerdings selbst im gleichen Umfange binden (§ 622 Abs. 5 BGB). Das ist nicht unzumutbar, weil nur erprobten Arbeitskräften eine teure Ausbildung finanziert zu werden pflegt (so schon BAGE 28, 159, 166 = AP, a.a.O., zu II 4 der Gründe)
b) Wenn der Arbeitgeber aber diesen Weg nicht gehen will, was ihm unbenommen ist, und dafür den Piloten mit der Rückzahlungsverpflichtung für die Ausbildungskosten belastet, so muß er ihm dafür nach den schon dargelegten Grundsätzen einer sachgerechten Interessenabwägung einen Ausgleich bieten: Einen solchen sieht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darin, daß der Arbeitnehmer mit der vom Arbeitgeber gewährten Ausbildung seine beruflichen Chancen wesentlich verbessert hat, weil Nachfrage nach derart ausgebildeten Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt besteht. Diesen ihn im Rahmen der Interessenabwägung entlastenden Umstand muß zwangsläufig der Arbeitgeber darlegen und beweisen, wie es ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entspricht.
c) Zwar hat die Klägerin behauptet und dargelegt, daß Nachfrage nach Piloten mit der vom Beklagten erworbenen Musterberechtigung außerhalb des Betriebes der Klägerin bestanden habe. Nach ihrer Behauptung hätten vier namhafte Fluggesellschaften (Lufthansa, Condor, Hapag-Lloyd und S.-Flug GmbH) ständig Bedarf an entsprechend ausgebildeten Piloten gehabt. Der Beklagte hat demgegenüber darauf hingewiesen, daß er bei diesen Gesellschaften keine Anstellung gefunden hätte, weil er die von diesen Gesellschaften gesetzte Altersgrenze von 40 Jahren überschritten habe. Die Klägerin hat demgegenüber eine solche Altersgrenze bestritten und behauptet, die von anderen Gesellschaften übernommenen Piloten mit derselben Ausbildung wie der Beklagte seien älter als 40 Jahre gewesen (z.B. Herr L.). Der Beklagte hat dagegen geltend gemacht, Herr L. sei nicht auf einer Boeing 737 eingesetzt worden, sondern habe ein neues Type-Rating erwerben müssen.
Diesen Ausführungen ist das Landesarbeitsgericht nicht nachgegangen, sondern hat sich allein darauf gestützt, daß die S. Flug GmbH viele Piloten mit der Musterberechtigung für die Boeing 737-300 von der Klägerin übernommen und die Klägerin für die aufgewendeten Ausbildungskosten entschädigt habe.
Es kommt aber nicht darauf an, ob andere Fluggesellschaften denselben Flugzeugtyp einsetzen, für den der Beklagte die Musterberechtigung erworben hat. Es ist vielmehr ausschlaggebend, ob außerhalb des eigenen Betriebes Bedarf nach derart ausgebildeten Arbeitskräften im nennenswerten Umfang besteht und inwiefern die Berufs- und Verdienstchancen des Arbeitnehmers gerade durch die Ausbildung gesteigert worden sind. Dazu gehören konkrete Angaben über die Lage auf dem Arbeitsmarkt für die Kräfte mit dem Ausbildungsstand des Beklagten (vgl. BAGE 28, 159, 167 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu III 2 a der Gründe; BAGE 42, 48, 53 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 3 der Gründe und BAG Urteil vom 11. April 1990 – 5 AZR 308/89 – DB 1990, 2222, 2223).
Ob die vorliegend dargelegten Maß Stäbe für die Beurteilung der Rückzahlungsverpflichtungen vorliegen, hängt entscheidend mit davon ab, auf welchen Zeitpunkt man dabei abstellen muß. Bei der Beurteilung dieser Voraussetzungen ist – wie allgemein im Vertragsrecht – von den zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegebenen Umständen auszugehen. Aus der späteren Entwicklung kann die Unwirksamkeit der Vereinbarung allenfalls abgeleitet werden, wenn sie bei Vertragsabschluß vorhersehbar war (Senatsurteil vom 24. Juli 1991 – 5 AZR 430/90 –, zu III 2 a der Gründe, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; im Anschluß an LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 23. Oktober 1981 – 6 Sa 353/81 – EzA Art. 12 GG Nr. 18). Da es auf die Umstände im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ankommt, ist es unerheblich, ob der Beklagte bei seinem neuen Arbeitgeber die ihm von der Klägerin verschaffte Musterberechtigung einsetzen konnte oder nicht, denn daraus läßt sich nicht allgemein auf eine größere Nachfrage nach Piloten mit dieser Lizenz schließen, sondern das kann auf Zufall beruhen (Senatsurteil vom 24. Juli 1991 – 5 AZR 430/90 –, a.a.O., zu III 2 c der Gründe).
IV. Darüber hinaus greift die Revision zu Recht die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Höhe der Klageforderung an.
Das Berufungsgericht hat einen Kostenaufwand von mindestens 80.000,– DM als „letztlich unstreitig” angesehen. Es ist unklar, wie es zu dieser Auffassung gekommen ist. Die Ausführungen des Berufungsgerichts hierzu sind widersprüchlich (§ 286 Abs. 1 ZPO). Es hält dem Beklagten vor, seine Erklärungen ließen nicht erkennen, ob er in der letzten mündlichen Verhandlung in der Vorinstanz den Vortrag der Klägerin dazu noch habe bestreiten wollen. Demgegenüber hat das Berufungsgericht dieses Bestreiten vorher zum Anlaß für einen Auflagenbeschluß vom 20. August 1990 genommen und zu Recht darauf hingewiesen, daß lediglich eine im Verrechnungswege erteilte Lastschrift der S. mbH nicht ausreiche, um die Höhe der Ausbildungskosten zu belegen. Die Klägerin hat daraufhin in umfangreichen Darlegungen die Klageforderung im einzelnen der Höhe nach begründet und dafür Beweis angeboten. Der Beklagte hat demgegenüber diese Aufwendungen im einzelnen bestritten und außerdem seinen Vortrag wiederholt, daß der Flugzeughersteller zumindest teilweise den kostenlosen Erwerb der Musterberechtigung ermöglicht habe. Das Berufungsgericht ist diesem streitigen Sachvortrag nicht nachgegangen. Es hat dazu im Verhandlungsprotokoll vom 15. November 1990 folgende Feststellung getroffen:
„Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers (richtig: Beklagten) erklärt, er wolle seinen Schriftsatzvortrag so verstanden wissen, daß der Kläger (richtig: Beklagte) tatsächliche Zahlungen der Fa. S. an die Fa. Boeing oder entsprechende Leistungen bestreitet.”
Daran ist unklar, welche „tatsächliche Zahlungen” vom Beklagten bestritten werden. Allerdings muß aus diesen Feststellungen in der letzten mündlichen Verhandlung vor Erlaß des Urteils in der Vorinstanz entnommen werden, daß die Parteien über die Höhe der Forderung der Klägerin streitig verhandelt haben.
V. Der Senat hat den Rechtsstreit entsprechend nach § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Olderog, Dr. Reinecke, Schütters, Dr. Koffka
Fundstellen