Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen Krankheit
Orientierungssatz
Hinweise des Senats:
"Kündigung wegen zu besorgender dauernder Arbeitsunfähigkeit und wirtschaftlicher Belastung mit Lohnfortzahlungskosten; Anforderungen an den Vortrag des Arbeitgebers zur negativen Gesundheitsprognose und den künftigen Anfall erheblicher Lohnfortzahlungskosten."
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 07.12.1989; Aktenzeichen 13 Sa 64/89) |
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 30.03.1989; Aktenzeichen 3 Ca 85/89) |
Tatbestand
Der im Jahre 1954 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 9. September 1981 bei der Beklagten als Arbeiter zu einem monatlichen Bruttolohn von zuletzt 3.500,-- DM beschäftigt. Er war in nahezu allen Abteilungen des Betriebs eingesetzt, zuletzt als Krümmermacher in der Kühlwasserschlauchfertigung.
Vom Jahre 1982 an hatte der Kläger folgende krankheitsbedingte Fehlzeiten:
Fehlzeiten Arbeitstage davon Lohnfortzahlungstage
1982
27.07. - 13.08. 16 16
11.10. - 15.10 5 5
16.11. - 19.11 4 4
25 25
1983
07.02. - 25.02. 15 15
27.05. - 03.06. 6 4
16.09. 1 1
11.10. - 28.10. 14 14
27.12. - 31.12. 4 4
40 38
1984
01.01. - 13.01. 10 10
24.04. - 04.05. 9 4
13.08. - 17.08. 5 5
18.10. - 31.10. 10 10
04.11. - 14.12. 30 30
64 59
1985
07.05. - 08.05. 2 2
26.03. - 29.03. 4 4
22.04. - 31.05. 30 30
12.08. - 13.08. 2 2
29.11. 1 1
39 39
1986
04.03. - 14.03. 9 9
16.05. - 23.05. 6 6
09.06. - 04.07. (20) (20 Unfall)
03.10. 1 1
06.11. - 05.12. 22 22
38 38
1987
13.03. - 03.04. 16 16
11.05. - 15.05. 5 5
09.09. - 11.09. 3 3
09.10. 1 1
03.11. - 31.12. 44 10
69 35
1988
(01.01. - 01.07.)
01.01. - 15.01. 11
27.03. 1 1
30.03. - 15.04. 13 13
20.05. 1 1
14.06. - 01.07. 14 14
40 29
Am 15. Juli 1988 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis, nachdem es zu Auseinandersetzungen mit dem Kläger über die Art seines Einsatzes im Betrieb gekommen war, nahm diese Kündigung aber wieder zurück, da der Kläger sich bereit erklärt hatte, als Krümmermacher weiterzuarbeiten.
Nach Wiederaufnahme der Arbeit am 22. September 1988 hatte der Kläger bis zum 28. Februar 1989 folgende krankheitsbedingten Fehlzeiten:
22.09.1988 - 31.12.1988
31.10. 1 1
07.11. - 08.11. 2 2
21.11. - 02.12. 10 10
05.12. - 30.12. 19 19
1988 insgesamt 72 61
1989
01.01. - 24.02. 40 23
28.02. 1 1
41 24
Die Beklagte leistete seit 1985 an den Kläger an Lohnfortzahlung insgesamt 31.378,12 DM bei einem Gesamtbruttoverdienst von 165.378,39 DM. Diese Beträge schlüsseln sich im einzelnen folgendermaßen auf:
Jahr Lohnfortzahlung Gesamtverdienst
1985 5.324,04 DM 39.320,67 DM
1986 8.513,28 DM 42.190,63 DM
1987 5.514,72 DM 39.438,38 DM
1988 8.246,72 DM 40.444,33 DM
1989 3.779,36 DM 3.984,38 DM
Das entspricht einem Anteil von 18,9 %. Die durchschnittliche Lohnfortzahlung eines vergleichbaren gewerblichen Mitarbeiters betrug im gleichen Zeitraum 7,5 % des Bruttoverdienstes. Die von der Beklagten während der Dauer des Arbeitsverhältnisses insgesamt für den Kläger aufgewendete Lohnfortzahlung betrug mehr als 50.000,-- DM.
Am 19. Oktober 1988 mahnte die Beklagte den Kläger wegen Arbeitsverweigerung ab. Daraufhin legte der Kläger zwei ärztliche Atteste vom 19. und 21. Oktober 1988 vor, die folgenden Wortlaut haben:
"Herr B.G. befindet sich seit langem in meiner
Behandlung. Er leidet unter wiederholenden Zwölf-
fingerdarmgeschwüren und ist sehr geruchsempfind-
lich.
Datum: 19. Okt. 1988 gez. Dr. med. A O
Internist"
"Datum: 21.10.1988
Fachärztliche Bescheinigung]
Betrifft: Herrn B G , geb. 20.12.1954
Herr G leidet an chronischer Mittelohrentzün-
dung mit ausgeprägter Schwerhörigkeit. Bei star-
ker körperlicher Belastung, wie er sie jetzt nach
einer Änderung seiner beruflichen Arbeit häufig
hat, verspürt er eine deutliche Verschlechterung
mit Ohrschmerzen. Von ärztlicher Seite wäre des-
halb eine Umsetzung auf einen geeigneteren Ar-
beitsplatz wünschenswert.
gez. Dr. med. P Sch
Hals-Nasen-Ohrenarzt"
Gestützt auf diese Atteste verlangte der Kläger seine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz seiner Wahl. Er erklärte, er könne die geschuldete Arbeitsleistung aufgrund seiner zahlreichen Leiden nicht mehr erbringen. Die Beklagte ließ sich hierauf nicht ein.
Nach der krankheitsbedingten Fehlzeit vom 21. November bis 2. Dezember 1988 erschien der Kläger am 5. Dezember 1988 wieder zur Arbeit. Nach 1 1/2 Stunden stellte er die Arbeit ein und wurde wiederum arbeitsunfähig krank geschrieben. Am 2. Januar 1989 meldete er sich erneut arbeitsfähig und bat unter Hinweis auf seinen allgemein schlechten Gesundheitszustand um die Zuweisung eines anderen leichteren Arbeitsplatzes, den die Beklagte aber nicht zur Verfügung stellte. Nach mehrstündigen erfolglosen Diskussionen erklärte der Kläger, er sei wiederum arbeitsunfähig. Er legte ein weiteres ärztliches Attest vom 9. Dezember 1988 mit folgendem Wortlaut vor:
"Betr.: B G
Geb.Dat.: 20.12.54
In Anbetracht der Abnutzungs- und Umbauzonen, im
Bereich der Wirbelsäule sollte Herr G , nur
noch zu Arbeiten mit mäßiger Belastung der Wir-
belsäule, sowie des oberen Schultergürtels, her-
angezogen werden.
gez. Dr. med. R. K ."
Anschließend war der Kläger bis zum 24. Februar 1989 arbeitsunfähig krank.
Mit Schreiben vom 11. Januar 1989 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte Kündigung des Klägers; der Betriebsrat erteilte seine Zustimmung am 12. Januar 1989. Mit Schreiben vom 13. Januar 1989, dem Kläger zugegangen am 27. Januar 1989, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 28. Februar 1989.
Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt. Er hat vorgetragen, die Ursache für seine Arbeitsunfähigkeit sei im wesentlichen eine chronische beidseitige Ohrerkrankung. Mitte Januar 1989 habe er sich einer Operation am linken Ohr unterzogen. Seitdem sei die Erkrankung abgeklungen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen
den Parteien durch die Kündigung vom 13. Januar
1989, dem Kläger zugegangen am 27. Januar 1989,
nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat geltend gemacht, aufgrund der bisherigen Fehlzeitenentwicklung sowie der Aussage des Klägers, er könne die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen, sei die Kündigung gerechtfertigt. Der Kläger leide an einer chronischen Mittelohrentzündung, an wiederholten Zwölffingerdarmgeschwüren sowie an Abnutzungserscheinungen an der Wirbelsäule.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Im zweiten Rechtszug hat der Kläger vorgetragen, er sei nunmehr gesund. Die Ohrerkrankung sei operativ beseitigt, die Magengeschwüre infolge medikamentöser Behandlung abgeheilt und die Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule durch roborierende Gymnastik abgeklungen. Er sei daher in der Lage, vollschichtig jede Tätigkeit an seinem bisherigen Arbeitsplatz zu verrichten. Er sei bereit, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen.
Die Beklagte hat den Vortrag des Klägers über die Ausheilung seiner Krankheiten mit Nichtwissen bestritten. Sie hat weiter ausgeführt, das Vorbringen des Klägers sei im übrigen unerheblich, weil es für die Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ankomme.
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während der Kläger um die Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Hierbei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
A. Das Berufungsgericht hat die Kündigung der Beklagten für sozial ungerechtfertigt angesehen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Das Gericht neige zwar zur Auffassung, daß die Kündigung sozial gerechtfertigt sei. Gleichwohl sehe es sich an der Klageabweisung gehindert, weil die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Voraussetzungen für die krankheitsbedingte Kündigung nicht festgestellt werden könnten.
Die Beklagte wolle möglicherweise geltend machen, dem Kläger sei die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung auf Dauer unmöglich. Aus den drei vorgelegten Attesten ergebe sich jedoch nicht, daß der Kläger nicht mehr als Krümmermacher arbeiten könne, sondern nur, daß seine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz angezeigt sei. Anscheinend habe der Kläger mit Hilfe der Atteste seine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz erzwingen wollen. Hierauf habe die Beklagte die Kündigung nicht gestützt. Vielmehr habe sie die Arbeitsunfähigkeit des Klägers in den entsprechenden Zeiträumen des Jahres 1988 nicht bestritten.
Mit dem Arbeitsgericht sei davon auszugehen, die Häufigkeit der Arbeitsunfähigkeiten rechtfertige an sich eine negative Gesundheitsprognose. Auf die Frage, ob die nach Zugang der Kündigung eingetretene Besserung des Gesundheitszustandes zu berücksichtigen sei, komme es nicht an; ebensowenig, ob der Kläger den Vortrag der Beklagten in hinreichender Weise bestritten habe. Denn es könne nicht festgestellt werden, daß die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers zu der vom Bundesarbeitsgericht weiter geforderten Beeinträchtigung betrieblicher Interessen geführt hätten.
Betriebsablaufstörungen habe die Beklagte nicht vorgetragen. Die Kritik der Beklagten, ein solcher Vortrag in der vom Bundesarbeitsgericht geforderten Form sei ihr unmöglich, erscheine dem Berufungsgericht nicht unberechtigt. Denn der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei bisher nicht zu entnehmen, ob es nur am Kündigungsgrund fehlen solle, wenn der krankheitsbedingte Ausfall tatsächlich überbrückt worden sei, oder ob die Betriebsablaufstörungen auch dann zu verneinen seien, wenn sie zwar konkret nicht vermieden wurden, aber hätten vermieden werden können. Das Problem für den Arbeitgeber liege nämlich darin, daß Überbrückungsmaßnahmen zwar an sich möglich, aber wirtschaftlich nicht sinnvoll und daher unzumutbar seien. Da das Bundesarbeitsgericht bei vorhandenen Überbrückungsmöglichkeiten schon den Kündigungsgrund verneine, könne die für den Arbeitgeber im Vordergrund stehende Frage der Zumutbarkeit nicht mehr eingebracht werden.
Auch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung durch die angefallenen Lohnfortzahlungskosten lasse sich unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht feststellen. Berücksichtigt werden könnten zunächst nur die Kosten, welche über einen Zeitraum von sechs Wochen jährlich hinaus aufgewendet worden seien. Den sechs Wochen jährlich übersteigenden Krankenlohnanteil habe die Beklagte nicht vorgetragen. Entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts dürfe dieser Anteil auch nicht vom Berufungsgericht selbst errechnet werden. Denn das Gericht könne nur pauschale Durchschnittswerte errechnen, die etwaige Überstunden und Schichtzulagen nicht berücksichtigten.
Selbst wenn man aber einen substantiierten Vortrag der Beklagten zu dem sechs Wochen jährlich übersteigenden Krankenlohnanteil nicht fordere, sei die Erheblichkeit der wirtschaftlichen Belastung nicht hinreichend vorgetragen.
Das Bundesarbeitsgericht sei in diesem Zusammenhang der Auffassung, die Erheblichkeit der wirtschaftlichen Beeinträchtigung hänge zunächst davon ab, welche Kostenbelastung der Arbeitgeber in der Zukunft zu besorgen habe. Diese Erwägung sei fallübergreifend nicht verwertbar. Denn es müsse auf die tatsächlich vorliegende konkrete Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen ankommen. Auf eine prognostisch zu erwartende Vertragsstörung allein könne die Kündigung nicht gestützt werden.
Auch was die Erheblichkeit der betrieblichen Beeinträchtigungen angehe, berücksichtige das Bundesarbeitsgericht zu wenig den Austauschcharakter des Arbeitsverhältnisses. Das Bundesarbeitsgericht nehme eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers an, wenn die Lohnfortzahlungskosten die hinzunehmende Belastung um 50 % überstiegen. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sei der Austauschcharakter des Arbeitsverhältnisses gestört, wenn Leistung und Gegenleistung nicht mehr korrespondierten. Für die Erheblichkeit der Lohnfortzahlungskosten müsse es deswegen auf deren Verhältnis zu den produktiv verdienten Lohnkosten ankommen. Nicht mehr unerheblich sei der durch Krankheit begründete, den Sechs-Wochen-Zeitraum übersteigende unproduktive Lohnanteil, wenn er mehr als 25 % des produktiv verdienten Lohnes ausmache. Gleichgültig, welcher Berechnungsmethode man folge, sei im Streitfall keine erhebliche Belastung des Arbeitgebers mit Lohnfortzahlungskosten festzustellen.
B. Dieser Würdigung kann in wesentlichen Teilen der Begründung nicht gefolgt werden.
I. Das Berufungsgericht hat eine krankheitsbedingte dauernde Unfähigkeit des Klägers, die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung als Krümmermacher zu erbringen, mit unzureichender Begründung verneint.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Urteil vom 28. Februar 1990 - 2 AZR 401/89 - AP Nr. 25 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu II 1 b, bb der Gründe) kann die krankheitsbedingte dauernde Unfähigkeit, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, als personenbedingter Grund zur ordentlichen Kündigung berechtigen. Steht bei einem Arbeitsverhältnis fest, daß der Arbeitnehmer in Zukunft die geschuldete Arbeitsleistung überhaupt nicht mehr erbringen kann, ist schon aus diesem Grund das Arbeitsverhältnis auf Dauer ganz erheblich gestört. Die unzumutbare betriebliche Beeinträchtigung besteht darin, daß der Arbeitgeber damit rechnen muß, der Arbeitnehmer sei auf Dauer außerstande, die von ihm geschuldete Leistung zu erbringen. Auch in einem solchen Falle liegt allerdings dann kein Kündigungsgrund vor, wenn der Arbeitnehmer - trotz seines Leidens - auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte. Denn der Arbeitgeber muß nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz, auch zu geänderten Bedingungen, anbieten (Senatsurteil vom 28. Februar 1990, aaO, zu II 1 c der Gründe).
2.a) Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, der Kläger habe nach der Wiederaufnahme seiner Tätigkeit am 22. September 1988 mehrfach erklärt, er könne aufgrund seiner zahlreichen Leiden - und damit objektiv - die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen. Diese Äußerungen werden durch den Umstand bestätigt, daß der Kläger allein in der Zeit vom 22. September 1988 bis 28. Februar 1989 an 73 Arbeitstagen erkrankt war; nur knapp zwei Monate, nämlich vom 22. September bis 21. November 1988 hat er, von drei Krankheitstagen abgesehen, die Arbeit als Krümmermacher verrichten können. Am 5. Dezember 1988 und am 2. Januar 1989 erschien er zwar zur Arbeit, stellte diese jedoch jeweils nach wenigen Stunden wegen Arbeitsunfähigkeit ein. Zumindest zwei der drei vorgelegten Atteste sprechen ebenfalls für eine dauernde Leistungsunfähigkeit des Klägers: In dem ärztlichen Attest vom 21. Oktober 1988, also nur einen Monat nach Wiederaufnahme der Tätigkeit ausgestellt, wird seine Umsetzung für wünschenswert gehalten; nach dem Attest vom 9. Dezember 1988 soll er nur noch zu Arbeiten mit mäßiger Belastung der Wirbelsäule sowie des oberen Schultergürtels herangezogen werden. Diese ärztliche Empfehlung zielt offensichtlich darauf ab, daß der Kläger an seinem bisherigen Arbeitsplatz, als Krümmermacher, zu starken Belastungen ausgesetzt sei.
b) Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die Aussagekraft der ärztlichen Atteste entkräften will, tragen nicht. Wenn der Kläger die Atteste nur deswegen vorgelegt hat, um seine Versetzung auf einen anderen, ihm genehmeren Arbeitsplatz zu erzwingen, dann hätte es sich um Gefälligkeitsatteste gehandelt. Der Kläger hätte sie dann nur deswegen vorgelegt, weil er subjektiv kein Interesse an der Arbeit als Krümmermacher hatte, obwohl er hierzu objektiv in der Lage war. Auf S. 9 2. Absatz der Gründe des angefochtenen Urteils heißt es aber, die Beklagte habe die Kündigung nicht darauf gestützt, der Kläger habe sich nur wegen des Fehlschlags seiner Versetzungsbemühungen arbeitsunfähig gemeldet. Die Beklagte wirft dem Kläger demnach nicht vor, er sei ein Simulant.
aa) Die Begründung des Berufungsgerichts ist in sich widersprüchlich: War der Kläger tatsächlich krank, wovon das Berufungsgericht im folgenden ausgeht, so fehlt es an einer schlüssigen Begründung dafür, er habe nur eine Versetzung auf einen ihm genehmeren Arbeitsplatz erzwingen wollen. Die vorgelegten Atteste dienten vielmehr dem Nachweis für eine ernsthafte Erkrankung des Klägers, die ihn objektiv daran hinderte, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung als Krümmermacher weiterhin zu erbringen. Alle vorstehend gewürdigten Umstände sprechen somit dafür, daß das Motiv für die vom Kläger damals erstrebte Versetzung nicht die Zuweisung eines ihm nur "genehmeren", sondern eines nach den vorgelegten Attesten seinem angeschlagenen Gesundheitszustand entsprechenden geeigneten Arbeitsplatzes gewesen ist. Die soziale Rechtfertigung der Kündigung hinge dann davon ab, ob - im Zeitpunkt der Kündigung - ein solcher freier Arbeitsplatz vorhanden gewesen ist.
bb) Nach alledem durfte das Berufungsgericht eine dauernde Unfähigkeit des Klägers zur Leistung der geschuldeten Arbeit als Kündigungsgrund nicht mit der Begründung verneinen, die hierfür von der Beklagten vorgetragenen Umstände könnten allenfalls für eine Arbeitsunwilligkeit des Klägers sprechen, hierauf habe die Beklagte aber die Kündigung nicht gestützt.
II. Auch soweit das Berufungsgericht die soziale Rechtfertigung der Kündigung unter dem Gesichtspunkt der häufigen Kurzerkrankungen geprüft hat, ist seine Würdigung nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt Senatsurteile vom 16. Februar 1989, BAGE 61, 131 und vom 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - AP Nr. 20 und 21 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit) ist die Sozialwidrigkeit einer wegen häufiger Erkrankungen ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers in drei Stufen zu prüfen. Zunächst ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Krankheitszustandes erforderlich. Die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. In der dritten Stufe, bei der Interessenabwägung, ist dann zu prüfen, ob die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen zu einer unzumutbaren Belastung des Arbeitgebers führt.
2. Das Berufungsgericht stellt im Rahmen des zweiten Prüfungsschritts für seine Entscheidung tragend darauf ab, nach dem festgestellten Sachverhalt fehle es an einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen durch die krankheitsbedingten Ausfallzeiten des Klägers. Hiergegen wendet sich die Revision zu Recht.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen Teil des Kündigungsgrundes. Als Beeinträchtigungen kommen schwerwiegende Störungen im Produktionsprozeß (Betriebsablaufstörungen) und zum anderen eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers in Betracht (BAGE 61, 131, 138 f. = AP, aaO, zu B I 2 der Gründe).
b) Das Berufungsgericht hat für den Senat bindend festgestellt, die Beklagte habe keine Betriebsablaufstörungen vorgetragen. Sie habe dazu in der Berufungsverhandlung ausgeführt, einem Arbeitgeber, der nicht nur einen Kleinbetrieb führe, sei dies nach den vom Bundesarbeitsgericht gestellten Anforderungen unmöglich.
aa) Damit scheiden Betriebsablaufstörungen als Grundlage für die Entscheidung des vorliegenden Falles aus. Nach dem im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren geltenden Beibringungsgrundsatz entscheiden die Parteien darüber, welchen Tatsachenstoff sie dem Gericht unterbreiten, also behaupten, bestreiten oder zugestehen wollen. Das Gericht darf solche Tatsachen, die die Parteien nicht vorbringen, grundsätzlich nicht berücksichtigen. Ohne Erfolg rügt die Revision in diesem Zusammenhang eine Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Unterlassen eines Sachvortrags und die hierfür von der Beklagten gegebene Begründung betreffen Parteivortrag. Sie gehören deshalb, auch wenn sie sich in den Entscheidungsgründen finden, zum Tatbestand im Sinn des § 314 ZPO und könnten nur mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen werden (§ 320 ZPO). Da dies nicht geschehen ist, sind sie für den Senat bindend (§ 561 Abs. 1 ZPO). Hat die Beklagte aber ausdrücklich erklärt, sie wolle und könne Betriebsablaufstörungen nicht vortragen, so war das Berufungsgericht nach § 139 ZPO nicht gehalten, sie auf diese Möglichkeit hinzuweisen.
bb) Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es die von der Beklagten gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in diesem Punkt erhobene Kritik aufgreift und näher begründet, sind somit rein theoretischer Natur und für die Entscheidung des Falles unerheblich. Der Senat sieht deshalb davon ab, sich mit ihnen im Rahmen der Entscheidung über die Revision auseinanderzusetzen.
c) Soweit das Berufungsgericht im Rahmen des zweiten Prüfungsschritts meint, keine erhebliche wirtschaftliche Belastung durch die in Zukunft anfallenden Lohnfortzahlungskosten feststellen zu können, kann ihm jedoch nicht gefolgt werden. Die Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesarbeitsgerichts zu diesem Punkt ergibt, daß eine erhebliche wirtschaftliche Belastung der Beklagten mit Lohnfortzahlungskosten vorliegt, wenn sich der Vortrag der Beklagten zur negativen Gesundheitsprognose als zutreffend erweist.
aa) Auch die zu erwartende wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers mit außergewöhnlich hohen Lohnfortzahlungskosten, die für jährlich jeweils einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind, stellt für sich allein einen zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung geeigneten Grund dar. Dabei ist nur auf die Kosten des Arbeitsverhältnisses abzustellen (BAGE 61, 131, 139 = AP, aaO, zu B I 2 b der Gründe).
Zu Unrecht verlangt das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang von der Beklagten einen spezifizierteren Vortrag, auf welchen Betrag sich der den Zeitraum von sechs Wochen übersteigende Lohnfortzahlungsanteil, aufgeschlüsselt in DM-Beträgen, beläuft. Für die Frage, ob die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers mit Lohnfortzahlungskosten erheblich ist, kommt es zunächst darauf an, daß diese Kosten für einen Zeitraum von jährlich mehr als sechs Wochen aufzuwenden waren. Die Beklagte hat zu diesem Zweck die Tage, für die sie Lohnfortzahlung geleistet hat, beziffert. Aufgrund dieses Vorbringens ergibt sich, wie auch das Berufungsgericht in Anwendung der von ihm abgelehnten Berechnungsmethode des Bundesarbeitsgerichts im Rahmen seiner Hilfserwägungen (Berufungsurteil S. 16/17) ermittelt hat, daß die zu berücksichtigende wirtschaftliche Belastung mit Lohnfortzahlungskosten während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses mit Ausnahme des Jahres 1982 laufend die Mindestgrenze von sechs Wochen überschritten hat.
Aber auch soweit im Rahmen der Interessenabwägung zu prüfen ist, inwieweit die Lohnfortzahlungskosten die Mindestgrenze von sechs Wochen übersteigen, ist es den Gerichten nicht verwehrt, aus dem Gesamtbetrag der angefallenen Lohnfortzahlungskosten den zu berücksichtigenden Anteil zu ermitteln. Auch wenn der so festgestellte Betrag aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen nicht in jedem Fall mit den tatsächlich entstandenen Kosten übereinstimmen mag (wobei die Abweichungen geringfügig sein dürften), so bildet er dennoch eine ausreichend konkrete Grundlage für die Prognose, welche Kostenbelastung der Arbeitgeber in Zukunft zu besorgen hat. Eine genaue Bezifferung des die Mindestgrenze übersteigenden Betrags könnte vom Arbeitgeber nur dann verlangt werden, wenn es für die krankheitsbedingte Kündigung feste Grenzwerte gäbe, deren Über- bzw. Unterschreitung in der Vergangenheit über die Wirksamkeit der Kündigung entschiede. Wie das Bundesarbeitsgericht aber mehrfach dargelegt und eingehend begründet hat, verbietet sich jede quantifizierende Betrachtungsweise (BAGE 40, 361, 367 = AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu B I 2 der Gründe; BAGE 61, 131, 145 f., 147 = AP, aaO, zu B II 1 c, cc und 2 a der Gründe). Deshalb bildet die voraussichtliche Kostenbelastung, prognostiziert auf der Grundlage der bisherigen Belastung, auch nur einen von mehreren Gesichtspunkten, die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind.
bb) Soweit das Berufungsgericht die Frage aufgeworfen hat, ob es auf die konkret eingetretene oder auf die in Zukunft zu besorgende Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ankomme, gibt es die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zutreffend wieder. Eine Änderung der Rechtsprechung ist entgegen der Deutung des Berufungsgerichts jedoch nicht zu verzeichnen.
Im Rahmen der Interessenabwägung ist u.a. zu prüfen, welche Kostenbelastung der Arbeitgeber in der Zukunft zu besorgen hat. Deshalb können für diese Wertung auch nur die Lohnfortzahlungskosten berücksichtigt werden, die auf die im Rahmen der negativen Gesundheitsprognose ermittelten Ausfallzeiten entfallen. Bei dieser Betrachtungsweise wird auf das Erfordernis konkret vorliegender und erheblicher Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen nicht verzichtet. Ist nämlich anhand der in der Vergangenheit angefallenen Fehlzeiten zu prüfen, ob mit erheblichen und unzumutbaren Belastungen zu rechnen ist, und wird diese Frage bejaht, dann liegt auch stets eine konkrete Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vor.
cc) Soweit das Berufungsgericht schließlich zur Präzisierung des Begriffs der Erheblichkeit auf einen festen Grenzwert (25 %iger Anteil der den für sechs Wochen aufzuwendenden Betrag übersteigenden Lohnfortzahlungskosten am produktiv verdienten Lohn) abstellen möchte, kann ihm ebenfalls nicht gefolgt werden.
Das Berufungsgericht will den von ihm vorgeschlagenen Grenzwert bei der Prüfung anwenden, ob die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen, demnach in der zweiten Prüfungsstufe einer krankheitsbedingten Kündigung. Dies widerspricht den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätzen. Danach sind die Lohnfortzahlungskosten bereits dann erheblich, wenn sie die für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geltende Mindestgrenze von sechs Wochen übersteigen. Der Senat hat dies bereits in seinen Urteilen vom 16. Februar 1989 (BAGE 61, 131, 145 f. = AP, aaO, zu B II 1 c, cc der Gründe) und vom 6. September 1989 - 2 AZR 224/89 - (AP, aaO, zu III 2 b der Gründe) dargelegt. In dem Urteil vom 5. Juli 1990 - 2 AZR 154/90 - (AP Nr. 26 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu II 2 a der Gründe) hat der Senat nochmals darauf hingewiesen, daß zu erwartende Lohnfortzahlungskosten bereits dann erheblich und damit geeignet sind, einen Kündigungsgrund abzugeben, wenn sie im Jahr jeweils für mehr als sechs Wochen aufgewendet werden. Alle anderen Umstände, zu denen auch die Höhe der diese Grenze übersteigenden Kosten gehört, sind im dritten Prüfungsabschnitt bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen.
Selbst einer Anwendung des vom Berufungsgericht vorgeschlagenen Grenzwerts im Rahmen der Interessenabwägung kann nicht zugestimmt werden. Der Senat hat in seinem Urteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - (AP, aaO, zu B IV 2 der Gründe) eine die Mindestgrenze um 50 % übersteigende Belastung des Arbeitgebers mit Lohnfortzahlungskosten weder als Regelwert noch als festen Grenzwert angesehen. Er hat darüber hinaus, wie bereits betont (s.o. zu B II 2 c, aa) alle Vorschläge abgelehnt, die für die Sozialwidrigkeit einer krankheitsbedingten Kündigung an generelle Regeln anknüpfen. Auch der Vorschlag des Berufungsgerichts ist willkürlich und nicht geeignet, dem Einzelfall gerecht zu werden. Das Berufungsgericht knüpft an Bestimmungen in Vergütungsordnungen im Bereich des öffentlichen Dienstes an, nach denen ein 25 %iger Anteil einer höherwertigen Tätigkeit an der Gesamttätigkeit eines Arbeitnehmers zu einer Vergütung nach der höheren Vergütungsgruppe führt, und damit an eine mit der Kündigung wegen wirtschaftlicher Belastung mit Lohnkosten nicht vergleichbare Regelungsmaterie.
III. Die vorgenannten materiell-rechtlichen Rechtsfehler führen zur Zurückverweisung des Rechtsstreits, ohne daß auf die zahlreichen Verfahrensrügen der Revision noch eingegangen werden müßte.
1. Das Berufungsgericht hat mit unzureichender Begründung eine dauernde Unfähigkeit des Klägers zur Leistung der vertraglich geschuldeten Arbeit als Krümmermacher verneint. Die insoweit noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen kann nur das Berufungsgericht treffen.
2. Der Senat kann auch die Frage, ob die Kündigung wegen einer unzumutbar hohen wirtschaftlichen Belastung der Beklagten durch bereits aufgewandte und künftig zu erwartende Lohnfortzahlungskosten sozial gerechtfertigt ist, nicht abschließend beantworten.
a) Das Berufungsgericht hat im Rahmen des ersten Prüfungsschritts das Vorliegen einer negativen Gesundheitsprognose nicht positiv festgestellt, sondern entweder zu Gunsten der Beklagten unterstellen wollen oder offen gelassen. Es führt zunächst aus, es könne mit dem Arbeitsgericht davon ausgegangen werden, daß die Häufigkeit der in den Jahren 1982 bis 1989 aufgetretenen Erkrankungen des Klägers "an sich" eine negative Gesundheitsprognose rechtfertigten. Dies spricht für eine Unterstellung zugunsten der Beklagten. Anschließend spricht es jedoch die Umstände an, die nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - AP, aaO, zu B II der Gründe) für die endgültige Feststellung einer zu erwartenden negativen gesundheitlichen Entwicklung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, nämlich die Frage, ob der Kläger im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht ausreichend dargetan hat, daß keine Besorgnis weiterer Erkrankungen bestehe, ob hierfür auch nach Zugang der Kündigung eingetretene Umstände berücksichtigt werden können und ob die Beklagte ihrerseits diesen Vortrag des Klägers substantiiert bestritten hat. Das Berufungsgericht betont hierbei mehrfach, auf diese Frage komme es jedoch nicht an, weil nicht festgestellt werden könne, daß die Ausfallzeiten auch zu der nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erforderlichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen geführt hätten. Diese Formulierungen sprechen gegen eine abschließende Feststellung zur negativen Gesundheitsprognose. Das Revisionsgericht kann diese Prüfung nicht nachholen und abschließend entscheiden, ob eine negative Gesundheitsprognose vorliegt.
b) Auch die im dritten Prüfungsabschnitt erforderliche Interessenabwägung kann der Senat nicht vornehmen. Gerade in diesem Bereich steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu. Das Berufungsgericht hat keine Interessenabwägung vorgenommen, weil es die Kündigung als im zweiten Prüfungsschritt an der fehlenden Erheblichkeit der nach dem Vortrag der Beklagten zu erwartenden wirtschaftlichen Belastung mit Lohnfortzahlungskosten hat scheitern lassen.
3. Für das erneute Berufungsverfahren hält der Senat zur Frage des Vorliegens einer dauernden Leistungsfähigkeit des Klägers und einer negativen Gesundheitsprognose folgende Hinweise für angezeigt:
a) Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung ist ihr Zugang beim Gekündigten. Dies gilt grundsätzlich auch für die bei einer krankheitsbedingten Kündigung anzustellende Gesundheitsprognose. Soweit der Senat in seinem Urteil vom 10. November 1983 - 2 AZR 291/82 - (AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit) eine Bestätigung oder Korrektur der Gesundheitsprognose durch die spätere tatsächliche Entwicklung einer Krankheit erwogen hat, gilt dies grundsätzlich nur für den Fall, daß der Arbeitnehmer nach dem Ende der Kündigungsfrist zu den bisherigen Bedingungen weitergearbeitet hat. Hieran fehlt es im Streitfall.
b) Darüber hinaus hat der Senat in seinen Urteilen vm 9. April 1987 - 2 AZR 210/86 - (AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit), vom 6. September 1989 - 2 AZR 118/89 - (AP Nr. 22 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit) und vom 5. Juli 1990 - 2 AZR 154/90 - (AP, aaO) klargestellt, die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch könne dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie auf einem neuen Kausalverlauf beruhe, der erst nach dem Kündigungszeitpunkt eingetreten sei. Der neue Kausalverlauf kann durch subjektiv vom Arbeitnehmer beeinflußbare Umstände ausgelöst werden, wie z.B. durch eine nach Kündigungsausspruch durchgeführte und zuvor vom Arbeitnehmer abgelehnte Operation oder Therapie sowie durch eine Änderung der bisherigen Lebensführung, oder durch außerhalb seines Einflußbereichs liegende Umstände, wie z.B. durch die Anwendung eines vom behandelnden Arzt bisher nicht erwogenen Heilmittels.
c) Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand davon auszugehen, daß die vom Kläger behauptete Ausheilung seiner Krankheiten auf einem nach Kündigungsausspruch eingetretenen Kausalverlauf beruht. Dies gilt zunächst für die infolge medikamentöser Behandlung beseitigten Zwölffingerdarmgeschwüre und für die durch Gymnastik abgeklungenen Abnutzungserscheinungen an der Wirbelsäule (sofern dies medizinisch möglich ist). Aber auch der Heilungserfolg, der durch die Mitte Januar vorgenommene Ohroperation in Gang gesetzt wurde, ist erst nach Zugang der Kündigung eingetreten. Denn ausweislich des ärztlichen Attestes vom 17. Februar 1989 war die Erkrankung am linken Ohr noch Mitte Februar nicht abgeheilt, wofür auch die bis zum 24. Februar 1989 andauernde Arbeitsunfähigkeit des Klägers spricht. Zudem hat der Kläger nicht dargelegt, zu welchem Zeitpunkt seine Beschwerden am rechten Ohr abgeklungen sind.
Hillebrecht Triebfürst Dr. Ascheid
Thieß Mauer
Fundstellen
Haufe-Index 437795 |
RzK, I 5g 42 (ST1-2) |