Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch eines Wahlvorstandsmitglieds. Schadensersatz bei unterbliebener Versetzung eines Wahlvorstandsmitglieds für die Betriebsratswahlen Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Das im Interesse des Amtes bestehende Übernahmegebot des § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG für Wahlvorstandsmitglieder ist ebenso wie deren besonderer Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 3 KSchG zeitlich begrenzt auf einen Zeitraum bis zu sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses.
Ist auch der nachwirkende Kündigungsschutz beendet, besteht kein besonderer Kündigungsschutz des Funktionsträgers mehr; der Arbeitgeber kann – wie jedem anderen Arbeitnehmer – kündigen (BAG 13. Juni 1996 – 2 AZR 431/95 – AP KSchG 1969 § 15 Wahlbewerber Nr. 2 = EzA KSchG § 15 n.F. Nr. 44).
- Erfolgt unter diesen Voraussetzungen eine wirksame Kündigung, kann der Funktionsträger einen Schadensersatzanspruch nicht auf die frühere Verletzung der Übernahmeverpflichtung des § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG stützen.
Orientierungssatz
Wird ein Wahlvorstandsmitglied für die Betriebsratswahlen entgegen § 15 Abs. 5 KSchG nicht aus einer stillzulegenden Betriebsabteilung in eine andere Betriebsabteilung, die nach § 613a BGB auf einen Erwerber übergeht, versetzt, so kann er, wenn ihm nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses und Ablauf des nachwirkenden Kündigungsschutzes (§ 15 Abs. 3 KSchG) wirksam gekündigt wird, keinen Schadensersatz wegen der unterbliebenen Versetzung verlangen.
Normenkette
BGB §§ 611, 613a; KSchG §§ 1, 15 Abs. 3, 5
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 19. Dezember 2000 – 2 Sa 112/99 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche des Klägers wegen seiner unterbliebenen Versetzung in eine andere Betriebsabteilung.
Der Kläger war bei der Druckwerk N. GmbH (Gemeinschuldnerin), die sich mit der Herstellung von Druckerzeugnissen befaßte, als Fotosetzer beschäftigt. Er war Wahlvorstandsmitglied der am 24. Juli 1997 durchgeführten Betriebsratswahl. Das Wahlergebnis wurde am 28. Juli 1997 bekanntgegeben.
Am 30. Oktober 1997 kündigte die Gemeinschuldnerin das Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 1998. Am 1. November 1997 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Er kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers erneut am 27. November 1997 zum 28. Februar 1998.
Der Kläger hat gegen beide Kündigungen Kündigungsschutzklage erhoben. Nach Abwicklung der Restarbeiten sind die betrieblichen Tätigkeiten zum 22. Dezember 1997 eingestellt worden. Lediglich der Bereich Großplakate wurde am 29. Dezember 1997 an die K. GmbH verkauft. Der Kläger war dieser Betriebsabteilung nicht zugeordnet.
Mit Urteil vom 11. Juni 1998 hat das Arbeitsgericht – 14 Ca 497/97 – festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Gemeinschuldnerin weder durch die Kündigung vom 30. Oktober 1997 noch durch die des Beklagten vom 27. November 1997 aufgelöst worden ist. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht angeführt, daß der Kläger als ehemaliges Mitglied des Wahlvorstandes auf Grund des besonderen Kündigungsschutzes nach § 15 KSchG in die nicht stillgelegte Betriebsabteilung Großplakate hätte versetzt werden müssen. Die Berufung des Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil hat das Landesarbeitsgericht durch das Urteil vom 2. März 1999 zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 29. Juni 1998 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers nochmals zum 30. September 1998.
Die gegen diese Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage hat der Kläger im Laufe des Rechtsstreits wieder zurückgenommen. Ab 1. Oktober 1998 war der Kläger arbeitslos. Seit Herbst 2001 befindet er sich im Vorruhestand.
Im Streitfall begehrt er noch im Wege des Schadensersatzes entgangene Vergütung für die Zeit von Oktober 1998 bis Juli 1999 in Höhe von 14.408,40 DM sowie die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, den er dadurch erleiden wird, daß es der Beklagte versäumt hat, den Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers gemäß § 613a BGB auf die K. GmbH zu bewirken.
Der Kläger hat vorgetragen, daß er nicht arbeitslos geworden wäre, wenn ihn der Beklagte, statt zu kündigen, in die Abteilung Großplakate versetzt hätte. Denn dann wäre das Arbeitsverhältnis auf Grund der Veräußerung dieses Bereichs an die K. GmbH auf diese übergegangen und er – der Kläger – stünde mit unveränderten Arbeitsbedingungen in einem Arbeitsverhältnis zu dem Betriebsübernehmer. Der Schaden sei nicht durch die später rechtswirksam ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 1998 entstanden, sondern durch die Nichtversetzung in den Großplakatebereich. Da der Beklagte seine Versetzungsverpflichtung nicht erfüllt habe, habe er sich hinsichtlich aller daraus erwachsenden Schäden ersatzpflichtig gemacht.
Der Kläger hat beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, an ihn 14.408,40 DM nebst 4 % Zinsen von 1.407,53 DM seit dem 1. November 1998, von 1.388,41 DM seit dem 1. Dezember 1998, von 1.499,94 DM seit dem 1. Januar 1999, von 1.327,44 DM seit dem 1. Februar 1999, von 1.456,97 DM seit dem 1. März 1999, von 1.509,68 DM seit dem 1. April 1999, von 1.514,15 DM seit dem 1. Mai 1999, von 1.349,52 DM seit dem 1. Juni 1999, von 1.514,15 DM seit dem 1. Juli 1999 und von 1.440,61 DM seit dem 1. August 1999 zu zahlen.
- festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm den Schaden zu ersetzen, den er dadurch erleiden wird, daß der Beklagte versäumt hat, den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB auf die K. GmbH zu bewirken.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, daß dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zustehe. Es könne nicht festgestellt werden, daß bei einer Versetzung des Klägers in den Großplakatebereich der von ihm geltend gemachte Schaden nicht eingetreten wäre. Eine Arbeitsplatzgarantie bis zum Eintritt des Rentenalters hätte der Kläger auch bei der K. GmbH nicht gehabt. Der Verstoß gegen § 15 KSchG bewirke lediglich die Unwirksamkeit der gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses, führe aber nicht zu einem Schadensersatzanspruch. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers sei im übrigen lediglich eine einfache Konkursforderung gemäß § 61 Abs. 1 KO, die der Kläger zunächst zur Konkurstabelle anzumelden habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu; daher hat auch sein Feststellungsantrag keinen Erfolg.
Das Landesarbeitsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung bejaht und diesen als einfache Konkursforderung angesehen. Es hat angenommen, der Beklagte habe schuldhaft gegen die aus § 15 Abs. 5 KSchG folgende Verpflichtung verstoßen, den Kläger von dem stillgelegten Betriebsteil in die Abteilung Großplakate zu übernehmen. Der eingetretene Schaden werde vom Schutzzweck der Norm erfaßt. Durch § 15 Abs. 5 KSchG solle gesichert werden, daß der Arbeitnehmer nicht von der Stillegungsentscheidung betroffen werde und sein Arbeitsverhältnis fortbestehe. Zwar sei es richtig, daß der Kündigungsschutz auch dem kollektiven Interesse der Arbeitnehmerschaft an der unabhängigen und durch willkürliche Maßnahmen des Arbeitgebers nicht bedrohten Amtsführung des jeweiligen Amtsträgers diene. Dieser Zweck sei aber vom Gesetzgeber als individueller Schutz ausgestaltet worden. Der geschützte Personenkreis habe einen Anspruch auf Übernahme in eine fortbestehende Betriebsabteilung, wenn andere Betriebsabteilungen stillgelegt würden. Der Schaden sei der Höhe nach und in zeitlicher Hinsicht durch den Schutzzweck der verletzten Norm nicht begrenzt. Bei dem Schadensersatzanspruch handele es sich nicht um eine Masseforderung iSv. § 59 KO, sondern um eine einfache Konkursforderung iSd. § 61 Abs. 1 KO.
Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zu folgen; die Klage kann aber nicht mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung abgewiesen werden.
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg, da die zulässige Klage unbegründet ist.
Die Klage ist zulässig.
Das gilt auch für die Feststellungsklage, mit der der Kläger die Feststellung begehrt, daß der Beklagte auch den zukünftigen Schaden zu ersetzen habe.
- Sie genügt dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwar wird nicht ausdrücklich angegeben, ab welchem Zeitpunkt die Feststellung begehrt wird. Da der Kläger aber sein Schadensersatzbegehren in einen Leistungs- und einen Feststellungsantrag aufgespalten hat, ist ersichtlich, daß mit der Beendigung des Zahlungszeitraums der Feststellungszeitraum beginnen soll.
- Eine ausreichend genaue Festlegung der festzustellenden Rechtsverhältnisse ist erfolgt (vgl. dazu Musielak/Foerste ZPO 2. Aufl. § 256 Rn. 36) . Das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis ist hinreichend genau bezeichnet worden. Der Antragstellung kann entnommen werden, daß diejenigen Schäden ersetzt werden sollen, die dadurch entstanden sind, daß der Beklagte den Kläger nicht in der Abteilung Großplakate eingesetzt hat, welche von der K. GmbH übernommen wurde. Für den so ausgelegten Feststellungsantrag ist das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Der Beklagte hat seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit in Abrede gestellt; im Zeitpunkt der Klageerhebung waren künftige Schadensfolgen möglich, ihr Umfang aber ungewiß. Der Kläger war im Zeitpunkt der begehrten Feststellung noch arbeitslos, so daß nicht absehbar war, ob und in welcher Höhe er künftig ein Einkommen durch Verwendung seiner Arbeitskraft erzielen wird. Er wird auch nicht verpflichtet, hinsichtlich des im Laufe des Rechtsstreits übersehbar gewordenen Teils des Schadens zur Leistungsklage überzugehen (BAG 17. Dezember 1958 – 1 AZR 349/57 – AP TVG § 1 Friedenspflicht Nr. 3, zu 2 der Gründe; 31. Oktober 1972 – 1 AZR 11/72 – AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 80 = EzA BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 15; BGH 16. Januar 2001 – VI ZR 381/99 – NJW 2001, 1431 ff.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 59. Aufl. § 256 Rn. 79) .
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Kläger kann weder die Zahlung noch die begehrte Feststellung verlangen, da – entgegen den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts – ein Schadensersatzanspruch nicht gegeben ist. Für den geltend gemachten Anspruch gibt es weder eine vertragliche noch eine deliktsrechtliche Anspruchsgrundlage.
Als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren kommt insoweit eine positive Vertragsverletzung (§§ 325, 326 BGB aF analog) nicht in Betracht. Zwar verpflichten schuldhaft begangene Pflichtverletzungen des Arbeitgebers im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses, die weder Unmöglichkeit noch Verzug herbeiführen, den Arbeitgeber nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung grundsätzlich zum Schadensersatz (vgl. nur ErfK/Preis 2. Aufl. § 611 BGB Rn. 1084) .
Vertragliche Ansprüche auf Ersatz des Beendigungsschadens scheiden nicht schon deshalb aus, weil die K. GmbH am 29. Dezember 1997 gemäß § 613a BGB in das Arbeitsverhältnis des Klägers eingetreten ist und deshalb zwischen den Parteien im Klagezeitraum ab Oktober 1998 kein Arbeitsverhältnis mehr bestand.
Nach § 613a BGB gehen nur die Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer auf den Erwerber über, die in dem übernommenen Betriebsteil tätig sind. Für die Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Betriebsteilen ist der Schwerpunkt der Arbeitstätigkeit maßgeblich, es kommt daher darauf an, für welchen Betriebsteil der Arbeitnehmer überwiegend tätig war. Ist eine Zuordnung zu dem übertragenen Betriebsteil nicht möglich, findet ein Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht statt (BAG 13. November 1997 – 8 AZR 375/96 – BAGE 87, 120 = AP BGB § 613a Nr. 170) .
Danach kann eine Zuordnung des Klägers zum Bereich Großplakate nicht erfolgen, da er in diesem Bereich – wovon auch die Parteien ausgehen – nicht tätig war. Soweit die Auffassung vertreten wird, daß das Arbeitsverhältnis eines nach § 15 KSchG geschützten Funktionsträgers bei Fallgestaltungen wie der vorliegenden Art gemäß § 613a BGB auf den Erwerber eines Betriebsteils übergehen müsse, sofern im Zeitpunkt des Betriebsübergangs der Veräußerer nach § 15 Abs. 5 KSchG verpflichtet war, den Funktionsträger in den veräußerten Betriebsteil zu übernehmen (LAG Sachsen-Anhalt 16. März 1999 – 8 Sa 589/98 – NZA-RR 1999, 574; Kittner/Däubler/Zwanziger KSchR 5. Aufl. § 15 KSchG Rn. 65) , folgt dem der Senat nicht. Der Zweck des § 15 KSchG, die Gewährung einer geschützten Stellung für den Funktionsträger zur sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen sowie die Erhaltung einer kontinuierlichen Arbeitnehmervertretung, trägt eine derart extensive Auslegung des § 613a BGB nicht. Beim Übergang eines Betriebsteils endet das Betriebsratsamt eines dort beschäftigten Arbeitnehmers; für dieses Betriebsratsmitglied beginnt mit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs gegenüber dem Erwerber der nachwirkende Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG (ErfK/Ascheid 2. Aufl. § 15 KSchG Rn. 40) . Damit wird aber der Zweck einer kontinuierlichen Arbeitnehmervertretung und die Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen mangels Amtes beim Erwerber des Betriebsteils gerade nicht gefördert. Im übrigen behält der Arbeitnehmer gegenüber dem Teilbetriebsveräußerer den Schutz des § 15 KSchG im gesetzlich vorgesehenen Umfang; von einer Vereitelung des Schutzzweckes der Norm kann daher nicht gesprochen werden.
Ein Schadensersatzanspruch des Klägers folgt nicht aus der am 29. Juni 1998 mit Wirkung zum 30. September 1998 ausgesprochenen Kündigung des Beklagten. Diese Kündigung hat zwar letztlich zu dem geltend gemachten Schaden geführt, da der Kläger hierdurch arbeitslos geworden ist. Die Kündigung ist jedoch rechtswirksam.
- Gegen diese Kündigung hat der Kläger zunächst Kündigungsschutzklage erhoben, diese aber später zurückgenommen. Inwieweit die Kündigung bereits deshalb nach § 7 KSchG als rechtswirksam anzusehen ist, kann jedoch offenbleiben. Zwar tritt eine rückwirkende Heilung auch ein, wenn eine zunächst rechtzeitig erhobene Klage nach Ablauf der 3-Wochen-Frist – wie im vorliegenden Fall – zurückgenommen wird. Durch die Klagerücknahme gilt gemäß § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO aF der Rechtsstreit nämlich als nicht anhängig geworden, die Rechtswirkungen des § 7 KSchG treten rückwirkend auf den Tag des Ausspruchs der Kündigung ein (vgl. KR-Rost 6. Aufl. § 7 KSchG Rn. 8; ErfK/Ascheid 2. Aufl. § 7 KSchG Rn. 1) . Es ist allerdings zweifelhaft, ob die Rechtsfolge des § 7 KSchG auch im Rahmen eines Schadensersatzprozesses gilt, wenn dieser, wie im vorliegenden Fall, innerhalb der Frist des § 4 KSchG anhängig gemacht worden ist. Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat gegenüber der Forderung, auch in einem solchen Fall zur Fristwahrung Kündigungsschutzklage erheben zu müssen, ohne abschließende Stellungnahme auf praktische Bedenken hingewiesen, weil diese Auffassung zu unnötigen Kündigungsschutzprozessen führen könnte, die nur der Klärung von Fragen dienten, die ebenso im Schadensersatzprozeß als Vorfrage geklärt werden könnten (vgl. BAG 11. Februar 1981 – 7 AZR 12/79 – AP KSchG 1969 § 4 Nr. 8 = EzA KSchG § 4 n.F. Nr. 20) . Im Streitfall kann die Frage aber dahingestellt bleiben, weil die Kündigung materiell-rechtlich nicht rechtsunwirksam ist.
Die Kündigung vom 29. Juni 1998 ist nicht nach § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG unwirksam. Der sechs Monate betragende und mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses am 28. Juli 1997 beginnende nachwirkende besondere Kündigungsschutz des Klägers als Mitglied des Wahlvorstandes war zum Zeitpunkt der Kündigung bereits abgelaufen. Nach Beendigung des nachwirkenden Kündigungsschutzes eines Funktionsträgers kann der Arbeitgeber diesem wieder wie jedem anderen Arbeitnehmer kündigen (BAG 13. Juni 1996 – 2 AZR 431/95 – AP KSchG 1969 § 15 Wahlbewerber Nr. 2 = EzA KSchG § 15 n.F. Nr. 44) .
Die Kündigung ist weiter nicht gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam; sie ist nämlich nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, welche einer Weiterbeschäftigung in dem Betrieb entgegenstehen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der Betriebsteil, in dem der Kläger beschäftigt war, stillgelegt worden. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO aF gebunden, da sie nicht durch eine Verfahrensrüge des Beklagten angegriffen wurden. Dabei ist es ohne Bedeutung, inwieweit die Feststellungen im Urteilstatbestand oder in den Entscheidungsgründen getroffen worden sind und ob sie auf freier Überzeugungsbildung des Gerichts oder auf einem Nichtbestreiten beruhen (vgl. Zöller/Gummer ZPO 22. Aufl. § 561 Rn. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 59. Aufl. § 561 Rn. 12) .
Wird ein Betrieb stillgelegt, rechtfertigt dies grundsätzlich eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung. Die aus diesem Anlaß ausgesprochene Kündigung ist indessen nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis “bedingt”, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Dies folgt aus dem “ultima-ratio-Grundsatz”, der in § 1 Abs. 2 KSchG normativ konkretisiert ist. Daß es noch andere freie Arbeitsplätze im Betrieb gab, hat der Kläger nicht geltend gemacht. Auf einen Widerspruch des Betriebsrats kommt es dabei nicht an (vgl. nur BAG 15. Dezember 1994 – 2 AZR 320/94 – BAGE 79, 66, 69 f. = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 66) .
Da der Bereich Großplakate zum Zeitpunkt dieser Kündigung am 29. Juni 1998 bereits übergegangen war, war eine Versetzung des Klägers in diesen Bereich nicht mehr möglich.
- Es kann auch nicht unterstellt werden, daß der Beklagte die Kündigungsgründe wider Treu und Glauben herbeigeführt hat, so daß nach § 162 Abs. 2 BGB von einer unwirksamen Kündigung auszugehen wäre. Dafür, daß die unterlassene Versetzung des Klägers in die Abteilung Großplakate und dessen Belassen in dem später stillgelegten Betriebsteil treuwidrig war, gibt es im Sachverhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die unterbliebene Übernahme des Klägers in den Bereich Großplakate und der spätere Kündigungsentschluß sind in Anbetracht der dazwischen liegenden Zeitspanne nicht auf Grund einer einheitlichen Willensbildung erfolgt. Zudem hätte eine Anwendung des § 162 BGB in Fällen wie dem vorliegenden zur Folge, daß die Parteien gezwungen wären, auf Dauer an einem sinnentleerten Arbeitsverhältnis festzuhalten.
Eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung liegt auch nicht darin, daß der Kläger nicht schon früher – zum Zeitpunkt der Kündigung des Beklagten vom 27. November 1997 oder gar zum Zeitpunkt der Kündigung der Gemeinschuldnerin vom 30. Oktober 1997 – nach § 15 Abs. 5 KSchG in den Bereich Großplakate übernommen worden ist.
Die Ersatzpflicht wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten setzt voraus, daß die verletzte Vertragspflicht das Entstehen von Schäden der eingetretenen Art verhindern soll (BAG 26. März 1981 – 3 AZR 485/78 – BAGE 35, 179, 182 = AP BGB § 276 Vertragsbruch Nr. 7; BGH 4. Juli 1994 – II ZR 126/93 – NJW 1995, 126 ff.) . Vorliegend wird der eingetretene Schaden vom Schutzbereich der vom Landesarbeitsgericht angenommenen Vertragspflicht, der Übernahme des Klägers in den Bereich Großplakate, indessen nicht erfaßt.
Zwar bestimmt § 15 Abs. 5 KSchG, daß eine besonders gegen Kündigungen geschützte Person iSd. Abs. 1 bis 3 des § 15 KSchG in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen ist, wenn der Betrieb stillgelegt wird (BAG 18. Oktober 2000 – 2 AZR 494/99 – BAGE 96, 78 = AP KSchG 1969 § 15 Nr. 49) . Der Beklagte hat den Betrieb der Gemeinschuldnerin am 22. Dezember 1997 stillgelegt. Er hat den Kläger nicht in die Abteilung Großplakate versetzt. Demgemäß ist seine Kündigung vom 27. November 1997 – wie auch die Kündigung der Gemeinschuldnerin vom 30. Oktober 1997 – für unwirksam erklärt worden. Der besondere Kündigungsschutz des Klägers wirkte nämlich bis zum 28. Januar 1998 nach (§ 15 Abs. 3 KSchG).
Der in dem Übernahmegebot zum Ausdruck kommende besondere Kündigungsschutz betriebsverfassungsrechtlicher Mandatsträger dient aber lediglich dem Schutz der Amtsausübung durch diese (KR-Etzel 6. Aufl. § 15 KSchG Rn. 10; HK-KSchG/Dorndorf 4. Aufl. § 15 Rn. 13; ErfK/Ascheid 2. Aufl. § 15 KSchG Rn. 2) ; er besteht nur im Interesse der kontinuierlichen Amtsausübung für die Funktionsträger. Eine unter Verstoß gegen die Übernahmepflicht dennoch erfolgte Kündigung ist nur auf Grund dieses Schutzzwecks unwirksam. Die Zubilligung eines individuellen Schadensersatzanspruchs an einen Amtsträger, dem nach Ablauf des besonderen Kündigungsschutzes wirksam gekündigt worden ist, verträgt sich mit diesem Schutzzweck nicht.
Der Kläger kann seinen Schadensersatzanspruch nicht auf § 628 Abs. 2 BGB stützen.
Es ist unerheblich, daß das Arbeitsverhältnis nicht auf Grund einer außerordentlichen Kündigung des Klägers geendet hat, denn für einen Anspruch aus § 628 Abs. 2 BGB kommt es nicht auf die Art der Beendigung an, sondern nur auf den Anlaß (BAG 10. Mai 1971 – 3 AZR 126/70 – AP BGB § 628 Nr. 6 = EzA BGB § 628 Nr. 1) .
Die Vorschrift setzt ein Auflösungsverschulden mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB voraus (BAG 11. Februar 1981 – 7 AZR 12/79 – AP KSchG 1969 § 4 Nr. 8 = EzA KSchG § 4 n.F. Nr. 20; 22. Juni 1989 – 8 AZR 164/88 – AP BGB § 628 Nr. 11 = EzA BGB § 628 Nr. 17, ständige Rechtsprechung) . Ein solcher Grund liegt aber nicht vor.
Die als unwirksam festgestellten ordentlichen Kündigungen vom 30. Oktober 1997 und vom 27. November 1997 führten für den Kläger nicht zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Eine unberechtigte betriebsbedingte Kündigung und die bloße Fortführung von Kündigungsschutzprozessen genügt nicht zur Begründung eines Auflösungsantrags nach § 9 KSchG (vgl. ErfK/Ascheid 2. Aufl. § 9 KSchG Rn. 14, 15) und damit auch nicht für die Annahme eines wichtigen Grundes iSd. § 626 Abs. 1 BGB, so daß der Kläger hätte kündigen können.
Auch die gesetzlich zulässige und wirksame Kündigung vom 29. Juni 1998 ist keine Vertragsverletzung in diesem Sinne. Eine solche Annahme verbietet sich schon deshalb, weil die Vertragsbeendigung im Wege einer wirksamen ordentlichen Kündigung das von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellte und daher legitime Mittel ist, um ein Arbeitsverhältnis beenden zu können. Die Anwendung dieses Mittels zur Herbeiführung des rechtlichen Endes eines Arbeitsverhältnisses ist somit in der Regel kein Vertragsverstoß desjenigen, der sie anwendet (vgl. BAG 8. Oktober 1959 – 2 AZR 501/56 – BAGE 8, 132, 137 = AP BGB § 620 Schuldrechtliche Kündigungsbeschränkung Nr. 1; 15. Februar 1973 – 2 AZR 16/72 – BAGE 25, 43 = AP KSchG 1969 § 9 Nr. 2, zu II 2b der Gründe) .
Die vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzforderungen ergeben sich auch nicht aus § 823 BGB.
Es kann dahinstehen, ob das “Recht am Arbeitsplatz” im Sinne eines räumlich-gegenständlichen Bereichs oder das “Recht am Arbeitsverhältnis” im Sinne eines alleinigen Verfügungsrechts des Arbeitnehmers als absolutes Recht iSv. § 823 Abs. 1 BGB anzuerkennen ist. Da die Kündigung vom 29. Juni 1998 als betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt iSd. § 1 KSchG ist, liegt eine zu mißbilligende Art der Schädigung nicht vor (BAG 4. Juni 1998 – 8 AZR 786/96 – BAGE 89, 80 = AP BGB § 823 Nr. 7) .
§ 823 Abs. 2 BGB ist nicht einschlägig, weil kein Schutzgesetz verletzt worden ist. Nach der einhelligen in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung stellt § 15 KSchG kein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB dar (BAG 6. November 1959 – 1 AZR 329/58 – BAGE 8, 207 = AP KSchG § 13 Nr. 15, zu II 3 der Gründe, § 13 KSchG aF betreffend; zustimmend KR-Etzel 6. Aufl. § 15 KSchG Rn. 149; ErfK/Ascheid 2. Aufl. § 15 KSchG Rn. 2; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 15 Rn. 1 a; APS/Böck § 15 KSchG Rn. 4; HK-KSchG/Dorndorf KSchG 4. Aufl. § 15 Rn. 13; Fiebig/Gallner/Pfeiffer KSchG § 15 Rn. 5) . § 15 KSchG dient nicht den persönlichen Interessen des erfaßten Personenkreises, sondern den kollektiven Interessen der Arbeitnehmerschaft an der unabhängigen und von willkürlichen Maßnahmen des Arbeitgebers nicht bedrohten Amtsführung des jeweiligen Amtsträgers. Dies gilt auch für Mitglieder des Wahlvorstandes.
- Für die Annahme eines Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten.
- Besteht damit kein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz, kommt es auf die konkurs- bzw. insolvenzrechtliche Einordnung einer solchen Forderung nicht an.
- Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Hauck, Dr. Wittek, Laux, Harnack, Zankl
Fundstellen
Haufe-Index 780496 |
BB 2002, 2024 |
DB 2002, 2000 |
ARST 2002, 142 |
FA 2002, 127 |
FA 2002, 331 |
JR 2003, 132 |
NZA 2002, 1027 |
SAE 2002, 351 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 3 |
EzA-SD 2002, 9 |
EzA |
AUR 2002, 113 |
AUR 2002, 397 |
RdW 2003, 22 |
AuS 2002, 60 |