Leitsatz (amtlich)
1. Arbeiter haben nach § 7 Abs. 1 Satz 1 LohnFG Anspruch auf Lohn für die Dauer einer Vorbeugungskur nur dann, wenn sie sich tatsächlich einer Kur unterziehen; ein Aufenthalt in urlaubsmäßigem Zuschnitt löst keine Lohnfortzahlungsansprüche aus.
Gleiches gilt für Ansprüche nach § 47 a Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31. Januar 1962 (BMT-G II).
2. Eine Kur im Sinne dieser Lohnfortzahlungsbestimmungen setzt voraus, daß die Maßnahme von dem Träger der Sozialversicherung verantwortlich gestaltet und durchgeführt wird. Das erfordert eine sachgerechte medizinische Betreuung und ausreichenden Einfluß auf die Lebensführung der Versicherten während der Kurzeit (im Anschluß an BAG 18, 1 = AP Nr. 6 zu § 50 BAT).
3. Im Regelfall ist davon auszugehen, daß der Sozialversicherungsträger, der eine Vorbeugungskur bewilligt und die vollen Kosten übernimmt, die bewilligten Kuren auch so abwickelt, wie dies im Hinblick auf den erstrebten Heilerfolg notwendig ist. Der Arbeitgeber kann jedoch begründete Zweifel geltend machen.
Normenkette
LohnFG § 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 9; RVO § 182 Abs. 10
Verfahrensgang
LAG Nürnberg (Urteil vom 21.07.1977; Aktenzeichen 1 Sa 217/76) |
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 21. Juli 1977 – 1 Sa 217/76 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht Lohnforderungen – soweit es in der Revisionsinstanz noch interessiert – von 16 bei ihr versicherten und bei der Beklagten beschäftigten Arbeitern geltend. Sie bewilligte diesen 16 namentlich aufgeführten Arbeiterinnen und Arbeitern aufgrund ärztlicher Atteste und vertrauensärztlicher Gutachten in der Zeit von April 1973 bis August 1975 jeweils eine dreiwöchige „Vorbeugungskur” und übernahm dafür die Kosten. Die betroffenen Arbeiter legten der Beklagten, ihrer Arbeitgeberin, diese Bescheide vor und machten Lohnfortzahlungsansprüche geltend. Auf die Arbeitsverhältnisse fand der Bundesmanteltarif für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31. Januar 1962 (BMT-G II) Anwendung. Die Beklagte lehnte die Lohnfortzahlungsansprüche ab, weil es sich nach ihrer Auffassung nicht um eine Vorbeugungskur im Sinne von § 47 a BMT-G II und § 7 Abs. 1 Satz 1 LohnFG handele.
Die Klägerin wies die weiblichen Versicherten in das Müttergenesungsheim der Arbeiterwohlfahrt „B.” in D. ein. Dieses Haus verfügt über einen Gymnastikraum, einen Werkraum und eine Liegehalle. Weitere Kurmittel werden außerhalb des Hauses abgegeben. Die männlichen Versicherten waren bis 1973 in der Kurpension „H.” in F. untergebracht. Ab 1974 wies die Klägerin die Arbeiter in ein Kurheim des gleichen Inhabers in Bad K. ein. Mit den Trägern beider Heime hat die Klägerin Verträge zur Betreuung ihrer Versicherten geschlossen; die Heimleiter bzw. die Heiminhaber sollten darauf sehen, daß Kur- und Hausordnung eingehalten würden.
Nach ihrer Ankunft am Kurort suchten die Versicherten den Vertragsarzt der Klägerin auf. Dieser unterzog sie einer Anfangsuntersuchung und erteilte individuelle Ratschläge zur Gestaltung der Kur. Dazu wurde ihm von der Klägerin jeweils das sozialmedizinische Gutachten zur Verfügung gestellt. In Einzelfällen verordnete der Vertragsarzt auch einzelne Kurmittel (Bewegungsbäder). Während des Kuraufenthalts stand dieser Vertragsarzt den Versicherten bei Bedarf zur Verfügung. In das Heim „B.” kam der Arzt regelmäßig zweimal in der Woche; die in der „Kurpension H.” untergebrachten Versicherten mußten den Arzt jeweils aufsuchen. Die Klägerin verpflichtete ihre Versicherten, die jeweils ausgehändigte Kurordnung zu beachten. Essens- und Ruhezeiten wurden darin vorgeschrieben. Rauchen und Alkoholgenuß war nur beschränkt zulässig, Besuche wurden als unerwünscht bezeichnet. Im Heim „B.” gab es darüber hinaus noch eine Hausordnung, die die Versicherten einzuhalten hatten.
Die Klägerin hat behauptet, die Verordnung einer Vorbeugungskur sei in allen hier streitigen Fällen medizinisch notwendig gewesen. Die verordnete Kur sei auch geeignet, drohenden Erkrankungen der Versicherten vorzubeugen. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Versicherten im Einzelfall Kurmittel verwendet hätten. Im Regelfall hätten Klimawechsel, Ruhe, geregelter Tagesablauf und gute Verpflegung diese vorbeugende Wirkung gehabt. Die Beklagte könne nicht geltend machen, daß diese Kuren medizinisch nicht geeignet gewesen seien; sie sei deshalb zur Lohnfortzahlung verpflichtet.
Die Klägerin macht geltend, in Höhe des gezahlten Krankengeldes seien diese Lohnansprüche auf sie übergegangen. Sie hat diese Ansprüche für die in der Revisionsinstanz noch streitigen Fälle auf insgesamt 12.014,88 DM berechnet. Sie hat von der Beklagten Zahlung dieses Betrages verlangt.
Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt. Sie hat nicht bestritten, daß Vorbeugungskuren in den genannten Einzelfällen medizinisch notwendig gewesen wären. Tatsächlich habe die Klägerin aber keine Vorbeugungskur im Sinne von § 47 a BMT-G II gewährt. Die Klägerin habe keinen Einfluß auf die planvolle Gestaltung des Kurablaufs genommen und habe dieser Kur nicht den Charakter eines geregelten medizinischen Verfahrens gegeben. Ihre Arbeiter hätten die „Kuren” tatsächlich in urlaubsmäßigem Zuschnitt verbringen können. Allenfalls habe es sich um „Kräftigungskuren” oder „allgemeine Erholungskuren” gehandelt, für die keine Lohnfortzahlung bzw. Sonderurlaub im Sinne der Tarifbestimmung verlangt werden könne.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Klage kann mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht abgewiesen werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts könnten Lohnfortzahlungsansprüche der Arbeiter entstanden sein, wenn sich die Versicherten während ihres Aufenthalts in den Kurheimen tatsächlich so verhalten hätten, wie es die Klägerin ihnen in der Kurordnung nahegelegt hatte. Ob dies der Fall war, muß noch aufgeklärt werden.
1. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es sich bei den von der Klägerin bewilligten Kuren nicht um „Vorbeugungskuren” im Sinne von § 47 a BMT-G II gehandelt habe. Nicht jede Kur löse den Anspruch auf Lohnfortzahlung aus sondern nur die in § 7 Abs. 1 Satz 1 LohnFG und im Tarifvertrag erwähnten Vorbeugungs-, Heil- und Genesungskuren. Dagegen könnten Arbeiter für Kuren, die ohne akuten Anlaß nur der Erholung und der allgemeinen Kräftigung der Gesundheit dienen, keine Lohnfortzahlung beanspruchen. Um eine solche Kur habe es sich in allen vorliegenden Fällen gehandelt. Darauf, daß die Klägerin „Vorbeugungskuren” bewilligt habe, könne es nicht ankommen. Es müsse darauf abgestellt werden, wie die Kuren tatsächlich ausgestaltet und durchgeführt wurden. Es habe an einer gezielten medizinischen Betreuung und an der Überwachung des Kurablaufs gefehlt; der urlaubsmäßige Zuschnitt habe den Aufenthalt der Versicherten in den beiden Vertragsheimen gekennzeichnet.
2. Dieser Auffassung kann der Senat weitgehend folgen. Nur die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall gibt zu rechtlichen Bedenken Anlaß.
a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts: Anspruchsgrundlage ist § 47 a BMT-G II. Nach dieser Bestimmung ist dem Arbeiter für die Dauer einer vom Träger der Sozialversicherung verordneten Vorbeugungskur ein Sonderurlaub unter Zahlung des Urlaubslohnes bis zur Höchstdauer von sechs Wochen zu gewähren. In den Anspruchsvoraussetzungen stimmen § 47 a BMT-G II und § 7 Abs. 1 LohnFG trotz des unterschiedlichen Wortlauts überein. Während in § 47 a BMT-G II von „verordneten” Kuren die Rede ist, setzt der Lohnfortzahlungsanspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 1 LohnFG voraus, daß ein Träger der Sozialversicherung die genannten Kuren „bewilligt” hat. Darin liegt kein sachlicher Unterschied (Scheuring-Lang, BMT-G II, § 47 a, Erl. 2). Insbesondere schränkt § 47 a BMT-G II Ansprüche der Arbeiter nicht ein. Das wäre nach § 9 LohnFG, wonach von den Schutzvorschriften dieses Gesetzes nicht zu Ungunsten der Arbeiter abgewichen werden kann, auch nicht möglich. Nur die Höhe des Anspruchs ist in § 47 a BMT-G II anders geregelt als im Lohnfortzahlungsgesetz. Für die Dauer der Kur erhält der Arbeiter, der seine Ansprüche auf diese Bestimmung stützen kann, Urlaubslohn. Die nicht unter die tarifliche Bestimmung fallenden Arbeiter erhalten Krankenlohn nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 und 2 LohnFG. Eine solche abweichende tarifliche Regelung über die Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts läßt das Lohnfortzahlungsgesetz ausdrücklich zu (§ 2 Abs. 3 Satz 1 LohnFG).
b) In Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß die Klägerin, soweit sie anstelle der Beklagten ihren Versicherten Lohn gezahlt hat, Gläubigerin etwaiger Ansprüche dieser Versicherten gegen die Beklagte als Arbeitgeberin geworden ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Lohnforderung kraft Gesetzes auf die Klägerin übergegangen ist (§ 182 Abs. 7 RVO a.F. und § 182 Abs. 10 RVO n.F.) oder kraft Abtretung. Ein gesetzlicher Forderungsübergang käme nur in Betracht, wenn die Klägerin Krankengeld gewährt hätte. Ob sie dazu verpflichtet war, läßt sich ohne Kenntnis der Satzung nicht sagen, da es sich bei der Bewilligung von Vorbeugungskuren um Mehrleistungen im Sinne von § 187 Nr. 4 RVO in der bis zum 30. Juni 1977 geltenden Fassung handelte. Jedenfalls hat die Klägerin die streitigen Zahlungen einstweilen geleistet. Der Senat geht davon aus, daß sie dies nur nach Abtretung der entsprechenden Lohnforderungen getan hat, sofern diese Forderungen nicht schon kraft Gesetzes auf sie übergegangen waren. Die Beklagte hat auch gegen die Gläubigerstellung der Klägerin als solche keine Bedenken erhoben.
3. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt allein davon ab, ob es sich bei den von der Klägerin bewilligten Kuren tatsächlich um Vorbeugungskuren handelt oder – wie die Beklagte meint – um „Urlaub mit medizinischem Beigeschmack”.
a) Nach § 47 a BMT-G II haben die Arbeiter einen Anspruch auf Zahlung des Urlaubslohnes nur, wenn sie sich einer der dort genannten Kuren tatsächlich unterzogen haben; gleiches gilt für den Lohnfortzahlungsanspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 1 LohnFG. Dazu gehören auch die von der Klägerin hier bewilligten Vorbeugungskuren. Darunter sind Kuren zu verstehen, die der Verhütung einer Erkrankung dienen oder der Verschlimmerung einer Krankheit oder einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit vorbeugen sollen (BAG AP Nr. 2 zu § 7 LohnFG [zu 2 der Gründe]). Die Tatsache, daß ein Träger der Sozialversicherung eine solche Vorbeugungskur verordnet – oder im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 LohnFG „bewilligt” – hat, löst für sich allein genommen noch keine Ansprüche auf Lohnfortzahlung aus. Es kommt – wie das Berufungsgericht mit Recht bemerkt – auf die tatsächliche Durchführung des jeweils bewilligten Aufenthalts an. Davon ist auch das Bundesarbeitsgericht bisher ausgegangen, wie insbesondere seine Entscheidungen zu § 50 Abs. 1 BAT, der vergleichbaren Bestimmung für Angestellte des öffentlichen Dienstes, zeigen (BAG 18, 1 [3] = AP Nr. 6 zu § 50 BAT [zu 2 der Gründe]; BAG AP Nr. 5 a.a.O.).
b) Was unter einer Kur zu verstehen ist, ergibt sich unmittelbar weder aus der tariflichen Bestimmung (§ 47 a BMT-G II) noch aus der gesetzlichen Regelung (§ 7 Abs. 1 Satz 1 LohnFG). Doch ist offensichtlich, daß der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 7 LohnFG an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 50 Abs. 1 BAT angeknüpft hat. § 47 a BMT-G II stellt insoweit die Arbeiter den Angestellten gleich. Nach § 50 Abs. 1 BAT erhalten Angestellte einen Sonderurlaub für die Dauer eines von einem Träger der Sozialversicherung „verordneten” Kur- oder Heilverfahrens; § 47 a BMT-G II setzt ebenfalls eine von dem Träger der Sozialversicherung „verordnete” Kur voraus. Davon kann nur die Rede sein, wenn der Sozialversicherungsträger für ein planvoll gestaltetes medizinisches Heilverfahren sorgt, mit dem ein bestimmter Kur- oder Heilzweck erreicht werden kann. Dazu gehören eine ausreichende medizinische Betreuung des Versicherten und ein gewisser Einfluß auf die Lebensführung des Versicherten während der Kurzeit (vgl. BAG AP Nr. 5 zu § 50 BAT [zu 4 der Gründe] und BAG 18, 1 [3 und 6] = AP Nr. 6 zu § 50 BAT [zu 2 und 4 der Gründe]). Es bestehen keine Bedenken, diese Maßstäbe auch an die nach § 47 a BMT-G II oder nach § 7 Abs. 1 Satz 1 LohnFG bewilligten Kuren anzulegen.
c) Ob der Aufenthalt des Versicherten aufgrund einer planvollen Gestaltung des Kurablaufs durch den Sozialversicherungsträger den Charakter eines geregelten medizinischen Verfahrens hatte, kann im Einzelfall – wie hier – streitig sein.
In der Regel wird die erforderliche medizinische Betreuung und die planvolle Gestaltung einschließlich der Einflußnahme auf die Lebensführung des Versicherten schon dadurch gesichert, daß der Versicherte die Kurzeit in einem Kurheim oder in einer entsprechenden Anstalt des Sozialversicherungsträgers verbringt. Dadurch hat es der Sozialversicherungsträger in der Hand, die für den Kurerfolg erforderlichen Kurvorschriften aufzustellen und ihre Einhaltung zu überwachen. Hier bestehen von vornherein kaum Zweifel daran, daß es sich bei diesem Aufenthalt um ein planvoll gestaltetes medizinisches Heilverfahren und deshalb um eine Kur im Sinne der Lohnfortzahlungsbestimmungen handelt.
Anders ist es, wenn der Versicherte eine „freie Badekur” erhält. Hier muß der Sozialversicherungsträger durch andere Maßnahmen sicherstellen, daß auch dieser Aufenthalt den Charakter eines verordneten Kur- oder Heilverfahrens erhält. Aber auch in solchen Fällen kann der Arbeitgeber in der Regel davon ausgehen, daß der Sozialversicherungsträger die bewilligten Kuren so abwickelt, wie dies im Hinblick auf den erstrebten Heilerfolg notwendig ist. Dies gilt schon deshalb, weil der Sozialversicherungsträger erhebliche eigene Mittel einsetzen muß. Wie die Regeln über die Mitteilungspflichten des Arbeitnehmers (§ 7 Abs. 2 LohnFG) zeigen, sollte im Regelfall feststehen, daß eine von einem Sozialversicherungsträger bewilligte Kur auch als Heilverfahren abgewickelt wird. Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber den Bewilligungs- und Einweisungsbescheid vorlegt, können beide Seiten nicht wissen, wie die Kur tatsächlich durchgeführt wird.
Trotzdem kann der Arbeitgeber bei dieser oder einer vergleichbaren Fallgestaltung vernünftige Zweifel daran haben, daß sich sein Arbeitnehmer einer Kur unterzogen hat. Dies muß dann im Einzelfall nachgeprüft werden. Soweit sich der Arbeitgeber von vornherein weigert, den Lohn für die streitige Zeit weiterzuzahlen, weil es sich nach seiner Ansicht um einen Urlaub gehandelt hat, kann er diese Einwendung sowohl seinem Arbeitnehmer wie auch dem an dessen Stelle tretenden neuen Gläubiger, dem Sozialversicherungsträger, entgegenhalten. Solche Zweifel hatte die Beklagte im vorliegenden Fall von Anfang an geltend gemacht. Sie hatte sich auch geweigert, ihren Arbeitern den Lohn weiterzuzahlen.
4. Bei der Prüfung, ob der Aufenthalt der Versicherten den Charakter einer Kur oder eines Zusatzurlaubs hatte, sind dem Berufungsgericht Rechtsfehler unterlaufen.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin habe schon von vornherein keine ausreichenden Anordnungen zur medizinischen Betreuung und zur planvollen Gestaltung des Aufenthalts ihrer Versicherten getroffen. Dem kann der Senat nicht folgen.
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts erschöpfte sich die medizinische Betreuung nicht in einer Eingangs- und Schlußuntersuchung der Versicherten. Der Vertragsarzt gab vielmehr allen Versicherten zu Beginn ihrer Kur besondere Hinweise dazu, wie sie ihre Kur gestalten sollten. Das ist unstreitig, wie der Sachverhalt des arbeitsgerichtlichen Urteils, auf den sich das Berufungsgericht insoweit bezieht, ausweist. Eine solche medizinische Betreuung muß im Hinblick darauf, daß es sich um Vorbeugungskuren handelt, ausreichen. Vorbeugungskuren erfordern in der Regel keinen größeren therapeutischen Aufwand. Unerheblich ist deshalb, ob im Einzelfall Kurmittel wie Bäder u.a. verschrieben wurden. Unschädlich ist auch, daß nicht in allen Fällen Zwischenuntersuchungen stattfanden. Die Klägerin konnte es dem ärztlichen Ermessen ihres Vertragsarztes überlassen, ob er eine weitere Untersuchung für erforderlich hielt.
Durch die Kurordnung und die ergänzende Hausordnung im Haus „B.” hat die Klägerin entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts an sich auch ausreichenden Einfluß auf die Lebensführung der Versicherten während der Kur genommen. Welche Vorkehrungen der Sozialversicherungsträger im Einzelfall treffen muß, hängt wiederum von dem Charakter der Kur ab. Bei Vorbeugungskuren kann der gewünschte medizinische Heilerfolg durch Anregungen, Hinweise und Verhaltensvorschriften gesichert werden, die den Versicherten in seiner Bewegungsfreiheit nicht übermäßig einschränken. Die Klägerin hat mit Recht darauf hingewiesen, daß bei bestimmten medizinischen Indikationen Heilerfolge schon durch Klimawechsel, geregelten Tagesablauf, ausreichende Ruhe und zweckmäßige Verpflegung zu erreichen sind. Solche Vorbeugungskuren wurden den Versicherten der Klägerin hier bewilligt. Die Klägerin brauchte deshalb nur anzuordnen, daß ihre Versicherten die etwa verordneten Kurmittel regelmäßig anwendeten, und daß sie im übrigen den vorgeschriebenen geregelten Tagesablauf einhielten, insbesondere auch die Ruhezeiten. Das ist geschehen. Das Berufungsgericht hat übersehen, daß die Klägerin mit ihrer Kurordnung den Versicherten nicht nur Essenszeiten vorgeschrieben hatte; sie hatte vielmehr auch für einen geregelten Tagesablauf dadurch gesorgt, daß sie Ruhezeiten anordnete. Darüber hinaus gab es für die Versicherten Einschränkungen in bezug auf Alkoholgenuß, Rauchen und dem Empfang von Besuchern. Solange und soweit sich die Versicherten an diese Anordnungen hielten, konnte deshalb von einem urlaubsmäßigem Zuschnitt ihres Aufenthalts in den betreffenden Kurheimen keine Rede sein.
b) Ungeklärt ist danach nur, ob sie dies taten. Die Beklagte hatte u.a. geltend gemacht, daß ihre Arbeitnehmer trotz der Anweisungen der Klägerin ihren Aufenthalt tatsächlich wie einen Urlaub hätten gestalten können. Das wäre dann möglich gewesen, wenn sich die Klägerin nicht darum gekümmert hätte, ob ihre Anweisungen beachtet würden, wenn die Kurordnung also nur „auf dem Papier gestanden” hätte.
Zwar dürfen an die Überwachung keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Die Klägerin mußte aber etwaigem Mißbrauch und allzu großzügiger Handhabung der Kurordnung durch entsprechende Vorkehrungen entgegentreten. Ob und in welcher Weise das geschehen ist, ist nicht aufgeklärt. Der Rechtsstreit muß aus diesem Grund an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Unterschriften
gez.: Dr. Hilger, Dr. Heither, Schaub, Heidenreich, Dr. Florack
Fundstellen