Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflichtigkeit an sich steuerfreier Zulagen bei freigestelltem Personalratsmitglied
Leitsatz (amtlich)
Auch nach dem rheinland-pfälzischen Landespersonalvertretungsgesetz kann ein freigestelltes Personalratsmitglied vom Arbeitgeber nicht verlangen, daß er ihm während der Freistellung zusätzlich zum Bruttoarbeitsentgelt die Nettolohndifferenz zahlt, die sich daraus ergibt, daß Zulagen, die im Falle der Arbeitsleistung steuer- und sozialversicherungsfrei sind, abgabepflichtig sind.
Normenkette
PersVG Rheinland-Pfalz § 39 Abs. 3 S. 1, § 40 Abs. 5 S. 1
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 22.09.1995; Aktenzeichen 3 Sa 191/95) |
ArbG Mainz (Urteil vom 15.12.1994; Aktenzeichen 3 Ca 1261/94) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. September 1995 – 3 Sa 191/95 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger ist in den Entsorgungsbetrieben der beklagten Stadt als Arbeiter beschäftigt und seit Mai 1993 Mitglied des Personalrats. In dieser Eigenschaft ist er wöchentlich für vier Tage von der Arbeit freigestellt. Vor der Freistellung erhielt er eine steuerfreie Schicht- und Bereitschaftszulage in Höhe von monatlich 923,83 DM. Seit seiner Freistellung gewährt ihm die Beklagte diese Zulage als sogenannte Personalratszulage weiter; diese unterliegt jedoch in Höhe von 572,44 DM der Steuerpflicht, woraus sich eine Minderung des dem Kläger verbleibenden Nettobetrages um monatlich 119,75 DM ergibt.
Der Kläger hat gemeint, die Beklagte müsse ihm diesen Differenzbetrag zusätzlich zahlen. Er hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm für die Dauer der Personalratstätigkeit 119,75 DM monatlich zusätzlich zu dem bereits gewährten Betrag von 923,83 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht erkannt, daß die Beklagte auch unter Berücksichtigung der speziellen Vorschriften des Landespersonalvertretungsgesetzes Rheinland-Pfalz nicht verpflichtet ist, dem Kläger während seiner Freistellung für Personalratsaufgaben mehr als sein Bruttoarbeitsentgelt fortzuzahlen. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt der Anspruch weder aus § 39 Abs. 3 noch aus § 40 Abs. 5 LPersVG Rheinland-Pfalz. Diese Bestimmungen gewähren keine Ansprüche weiteren Inhalts als § 37 Abs. 2 BetrVG und § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG.
I. Der Arbeitgeber ist während der Freistellung eines Betriebs- bzw. Personalratsmitglieds weder nach § 37 Abs. 2 BetrVG noch nach § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG verpflichtet, neben der Fortzahlung des Bruttoarbeitsentgelts zusätzlich die Differenz zwischen Brutto- und Nettoarbeitsentgelt zu zahlen, die sich für den Arbeitnehmer daraus ergibt, daß Zulagen, die vor seiner Freistellung steuerfrei waren, infolge der Freistellung nunmehr der Steuer- und Sozialversicherungspflicht unterliegen (vgl. BAG Urteile vom 29. Juli 1980 – 6 AZR 231/78 – BAGE 34, 80 = AP Nr. 37 zu § 37 BetrVG 1972 und vom 22. August 1985 – 6 AZR 504/83 – AP Nr. 50 zu § 37 BetrVG 1972 unter Aufgabe von BAG Urteil vom 10. Juni 1969 – 1 AZR 203/68 – BAGE 22, 57 = AP Nr. 12 zu § 37 BetrVG). Die Revision stellt diese Rechtsprechung nicht in Frage.
II. Zu Unrecht verweist der Kläger darauf, daß das Landespersonalvertretungsgesetz Rheinland-Pfalz seit seiner Novellierung im Jahre 1992 Bestimmungen enthält, die vom Betriebsverfassungsgesetz, dem Bundespersonalvertretungsgesetz und allen anderen Landespersonalvertretungsgesetzen abweichen.
1. Zwar bestimmt § 39 Abs. 3 Satz 1 LPersVG Rheinland-Pfalz in seinem Halbsatz 1 nicht nur, daß Versäumnis der Arbeitszeit durch Personalratstätigkeit keine Minderung der Dienstbezüge oder des Arbeitsentgelts zur Folge hat; sein Halbsatz 2 schreibt darüber hinaus vor, daß den Beschäftigten keine wirtschaftlichen Nachteile entstehen dürfen. Für freigestellte Personalratsmitglieder ist in § 40 Abs. 5 Satz 1 LPersVG Rheinland-Pfalz ferner bestimmt, daß dem Personalratsmitglied durch die Freistellung keine wirtschaftlichen Nachteile entstehen dürfen.
2. Indessen haben die Vorinstanzen auch diese Vorschriften zutreffend dahin ausgelegt, daß sie dem Arbeitnehmer über die Fortzahlung seiner Bruttobezüge hinaus keinen Anspruch auf zusätzliche Zahlung eines Differenzbetrages zwischen Brutto- und Nettobezügen geben.
a) Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich kein konkreter Anhaltspunkt dafür, daß der Landesgesetzgeber mit der Einfügung der zitierten Vorschriften beabsichtigt haben könnte, den Arbeitgeber in Abweichung von der angeführten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gerade zur zusätzlichen Zahlung des Differenzbetrags zwischen Brutto- und Nettobetrag der dem Personalratsmitglied fortzuzahlenden Zuschläge zu verpflichten. Die Kenntnis des Landesgesetzgebers von dieser Rechtsprechung ist ambivalent und spricht eher für das Fehlen einer solchen Absicht. Denn wenn es der Wille des Landesgesetzgebers gewesen sein sollte, durch die neue Regelung gerade von der angeführten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abzuweichen, so hätte es nahegelegen, dies durch eine deutliche Formulierung klarzustellen.
b) Auch aus dem Wortlaut der angezogenen Vorschriften des Landespersonalvertretungsgesetzes Rheinland-Pfalz ergibt sich nichts dafür, daß der Gesetzgeber dem Personalratsmitglied einen zusätzlichen Anspruch über die Fortzahlung des Bruttoarbeitsentgelts hinaus einräumen wollte. Die Vorschrift des § 39 Abs. 3 LPersVG Rheinland-Pfalz bildet keine eigene Anspruchsgrundlage, sondern hält an der Grundkonzeption des Lohnausfallprinzips fest, nach dem der arbeitsvertragliche Anspruch auf das Arbeitsentgelt durch die Versäumnis der Arbeitszeit nicht beeinträchtigt wird. Der Arbeitgeber muß das Personalratsmitglied so stellen, als hätte es gearbeitet (vgl. z.B. Helmes/Jacobi/Küssner, Personalvertretungsgesetz für Rheinland-Pfalz, Stand: Januar 1996, § 39 Rz 26). Auch durch die Neuformulierung der §§ 39 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 und 40 Abs. 5 Satz 1 LPersVG Rheinland-Pfalz wurde keine Anspruchsgrundlage geschaffen. Diese Vorschriften sollen den Arbeitnehmer ersichtlich nur davor schützen, daß der Arbeitgeber wirtschaftliche Leistungen, die er im Fall der Arbeitsleistung erbringt, bei einer Freistellung für die Erledigung von Personalratsaufgaben zu Unrecht verweigert. Einen Anspruch auf Zahlungen, die der Arbeitgeber auch im Fall der Arbeitsleistung nicht zu erbringen hätte, gewährt auch das rheinland-pfälzische Personalvertretungsgesetz nicht.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Ruppert, Olga Berger
Fundstellen
Haufe-Index 884919 |
NZA 1997, 897 |
PersR 1997, 372 |
ZMV 1998, 90 |