Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsfreistellung nach § 637 RVO

 

Normenkette

RVO §§ 636-638; BGB §§ 823, 847

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.11.1993; Aktenzeichen 5 Sa 104/92)

ArbG Stuttgart (Urteil vom 03.06.1992; Aktenzeichen 21 Ca 5487/91)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 19. November 1993 – 5 Sa 104/92 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen der durch einen Arbeitsunfall verursachten Folgen in Anspruch.

Der im Jahre 1939 geborene Kläger ist Maurermeister und seit 1968 bei der Firma B. Bau AG (fortan: Firma B+B) beschäftigt. Seit etwa 1970 wird er als Polier mit der weitgehend selbständigen Leitung von Baustellen betraut. Im März 1990 leitete der Kläger die Baustelle S-Bahn Baulos 61–4 in L. Die dort vorzunehmenden Eisenbiegearbeiten führte die Firma ABX … GmbH (fortan: Firma ABX) als Subunternehmerin der Firma B+B aus.

Der im Jahre 1949 geborene Beklagte steht als Kranwagenführer ebenfalls in einem Arbeitsverhältnis zur Firma B+B. Seit dem 17. Mai 1988 wurde er auf der von einer aus den Finnen B+B, Z. AG und B. AG bestehenden Arbeitsgemeinschaft (fortan: ARGE) betriebenen Baustelle S. Flughafen, Baulos 72, eingesetzt, ohne daß eine Freistellung zu dieser im Sinne von § 9 BRTV-Bau erfolgte. Der vom Beklagten dort weiterhin bediente Autokran Krupp verblieb im Eigentum der Firma B+B, war aber für die Dauer des Einsatzes des Beklagten bei der ARGE an diese vermietet.

Am Morgen des 29. März 1990 wurden mit einem Langladefahrzeug für die Firma ABX bestimmte Baustahlmatten auf der Baustelle Baulos 61–4 angeliefert. Da der dortige stationäre Kran der Firma B+B, mit dem ansonsten die Stahllieferungen abgeladen wurden, infolge schlammigen Untergrundes nicht angefahren werden konnte, wandte sich der Kläger telefonisch an den für ihn zuständigen Bauleiter H. der Firma B+B, der ihn beauftragte, bei der Firma F. einen Autokran anzufordern. Das dahingehende Bemühen des Klägers blieb erfolglos, worauf der hiervon erneut vom Kläger unterrichtete Bauleiter H. die örtliche Bauleitung der Baustelle S. Flughafen, Baulos 72, um die Zurverfügungstellung eines Autokrans bat. Der dort tätige Mitarbeiter B., dessen Stammarbeitgeber ebenfalls die Firma B+B war, wies daraufhin den Beklagten an, mit seinem Autokran zur Baustelle Baulos 61–4 zu fahren, um den dort stehenden, mit Eisen beladenen Lkw abzuladen. Dieser Weisung kam der Beklagte nach. Über diesen Vorgang wurde ein Schriftstück über „Taglohnarbeiten” für die Firma B+B, Baustelle 61–4, gefertigt, das vom Bauleiter H. sowie von dem auf der Baustelle S. Flughafen, Baulos 72, eingesetzten, bei der Firma Z. AG angestellten Oberpolier D. unterschrieben ist. Gemäß diesem Taglohnbericht erteilte die ARGE der Firma B+B eine Rechnung über DM 273,60 für 2,0 Stunden Autokran AMK 25 t.

Am 29. März 1990 traf der Beklagte mit seinem Autokran zu einem Zeitpunkt auf der Baustelle S-Bahn Baulos 61–4 ein, zu dem der Kläger vorübergehend abwesend war. Als der Kläger kurz darauf zurückkehrte, hatte der Beklagte den Autokran bereits in der Nähe der Rampe zur Baustelle aufgestellt und für den Entladevorgang vorbereitet. Die seitlichen Abstützungen waren ausgefahren und die Stützteller dicht über den Boden abgesenkt sowie der Kranausleger aus seiner entgegen der Fahrtrichtung befindlichen Position nach rechts gedreht. Da der zu entladende Lkw sowie der Autokran des Beklagten an der Stelle, an der sie sich befanden, nach Ansicht des Klägers den Baustellenverkehr behinderten, forderte der Kläger beide Fahrer auf, das Ladegeschäft im hinteren Teil der Baustelle vorzunehmen. Er begab sich mit beiden Fahrern zu der von ihm für geeignet gehaltenen Stelle, die nach der Behauptung des Klägers etwa 100 m, nach derjenigen des Beklagten etwa 40 m vom Standort des Autokrans entfernt war. Der Kläger und die beiden Fahrer kehrten sodann zu den Fahrzeugen zurück. Die Fahrer stiegen ein, während sich der Kläger zu einem in Fahrtrichtung gesehen rechts vom Autokran befindlichen, seitlich neben einem Container stehenden Schaltisch begab, und zwar so, daß er sich in dem Raum zwischen Schaltisch und Autokran befand. Der Abstand zwischen Autokran und Schaltisch sowie zwischen Seitenstütze und Schaltisch betrug nach den vom Kläger bestrittenen Angaben des Beklagten etwa 1,5 bzw. 1 m. Der Beklagte setzte den Autokran in dem für den Entladevorgang vorbereiteten Zustand in Richtung auf den hinteren Baustellenbereich in Bewegung. Dabei führte er das Fahrzeug nicht vom Fahrerhaus, sondern von der hohergelegenen Krankabine aus, von wo aus die Sicht auf die rechte Seite durch den Kranausleger verdeckt war. Dabei drückte der Autokran mit der ausgefahrenen seitlichen Abstützung den Kläger gegen den Schaltisch. Der Schaltisch zerbrach. Der Kläger wurde so schwer verletzt, daß er jedenfalls vom 29. März 1990 bis zum 5. Mai 1990 deswegen stationär behandelt werden mußte. Der Unfall wurde von der Tiefbau-Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannt.

Der Kläger hat geltend gemacht, der Beklagte habe den Unfall verschuldet, denn er habe aus Bequemlichkeit die seitlichen Abstützungen nicht wieder eingefahren und den Kranausleger nicht wieder nach hinten gewendet sowie den Autokran von der Krankabine aus geführt. Damit habe er in mehrfacher Hinsicht und in schwerwiegender Weise gegen die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen. § 637 RVO schließe seinen Anspruch nicht aus, weil die Parteien nicht im selben Betrieb tätig gewesen seien. Das Abladen der Stahlmatten habe aufgrund der zwischen der Firma B+B und der Firma ABX geschlossenen Vereinbarung der Firma ABX oblegen. Der Beklagte habe die Abladetätigkeit auf der Baustelle Baulos 61–4 ausschließlich im Rahmen eines zwischen der Firma B+B und der ARGE abgeschlossenen Werkvertrages verrichtet. Die Anweisung, Lkw und Autokran an eine den Baustellenverkehr nicht behindernde Stelle zu fahren, habe der Kläger in seiner Funktion als Beschäftigter der Firma B+B erteilt, um seine ihm gegenüber der Firma B+B obliegende Aufgabe, für einen ungehinderten Zugang zur Baustelle zu sorgen, zu erfüllen. Darin habe im Verhältnis zur ARGE die Ausübung des werkvertraglichen Weisungsrechts gelegen.

Der Kläger hat beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 29.03.1990 auf der Baustelle S-Bahn, Baulos 61–4 in L. für die bis zum letzten Termin zur mündlichen Verhandlung eingetretenen, erkennbaren und absehbaren immateriellen Schäden ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, sowie 4 % Zinsen hieraus seit 03.09.1991 zu zahlen,
  2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle zukünftigen materiellen und zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht erkennbaren und absehbaren immateriellen Schäden wegen der Folgen des Unfalls vom 29.03.1990 zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf einen Sozial- oder Rentenversicherungsträger übergegangen sind oder noch übergehen werden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, der Kläger habe den Unfall selbst verschuldet. Obwohl der Kläger gewußt habe, daß der Kranausleger die Sicht verdeckt habe, habe sich der Kläger in den unmittelbaren Gefahrenbereich des Kranwagens begeben. Wegen der örtlichen Verhältnisse sei es sogar geboten gewesen, den Kranwagen vom erhöhten Führerstand aus mit ausgefahrenen Seitenstützen zu bewegen. Zudem schließe § 637 RVO seine Ersatzpflicht aus. Mit dem Abladen des Lkw auf der Baustelle Baulos 61–4 habe er eine Tätigkeit für die Firma B+B erbracht. Damit sei er in denselben Betrieb eingegliedert gewesen wie der Kläger.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

A. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte sei gemäß § 637 Abs. 1 RVO von jeder Haftung wegen des Unfalls vom 29. März 1990 freigestellt. Der Kläger sei durch die betriebliche Tätigkeit des Beklagten „auftragsgemäßes Entladen des auf der Baustelle Baulos 61–4 befindlichen Lastkraftwagens” verletzt worden. Zum Zeitpunkt des Unfalls seien beide Parteien als Betriebsangehörige desselben Betriebs tätig gewesen. Beide Parteien seien weiterhin Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers, der Firma B+B, gewesen. Der Beklagte habe allein seine der Firma B+B geschuldete Arbeitsleistung erbracht und könne deshalb einen möglichen Freistellungsanspruch nur gegenüber der Firma B+B geltend machen. Auf die Frage der Eingliederung komme es für den Haftungsausschluß des § 637 RVO nur dann maßgeblich an, wenn Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen in einem Betrieb tätig seien und geschädigter und schädigender Arbeitnehmer verschiedenen Unternehmen angehörten. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob die auf die Anforderung des Autokrans zwischen der Firma B+B und der ARGE zustande gekommene Vertragsbeziehung rechtlich als Werkvertrag oder als gemischter Miet- und Dienstverschaffungsvertrag zu qualifizieren sei. Trotz der gegebenen Abordnung zur ARGE sei die Firma B+B dem Beklagten gegenüber zur Fürsorge verpflichtet geblieben.

B. Den Ausführungen des Berufungsurteils kann sich der Senat nicht in allen Punkten anschließen. Wegen des Unfalls vom 29. März 1990 können dem Kläger gegen den Beklagten Ersatzansprüche nach §§ 823 Abs. 1, 847 BGB bzw. §§ 823 Abs. 2, 847 BGB in Verbindung mit § 230 StGB nur zustehen, wenn nicht zugunsten des Beklagten die Haftungsfreistellung gemäß § 637 RVO eingreift.

I. Nach § 637 Abs. 1 in Verbindung mit § 636 Abs. 1 RVO sind Ansprüche eines Versicherten auf Ersatz des Personenschadens aus einem Arbeitsunfall gegen einen in demselben Betrieb tätigen Betriebsangehörigen ausgeschlossen, wenn dieser den Unfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht hat. Ausnahmen gelten nur, wenn der Betriebsangehörige den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist.

II. Da nach den zutreffenden und auch mit der Revision nicht gerügten Feststellungen des Berufungsgerichts der Beklagte den Unfall nicht vorsätzlich herbeigeführt hat und der Arbeitsunfall auch nicht bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist, ist die Haftungsfreistellung des Beklagten wegen des von der Berufsgenossenschaft mit bindender Wirkung (§ 638 RVO) anerkannten Arbeitsunfalls davon abhängig, ob der Kläger „Versicherter” und der Beklagte „in demselben Betrieb tätiger Betriebsangehöriger” im Sinne von § 637 RVO waren und der Arbeitsunfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht wurde.

1. Entscheidend ist dabei auf die betriebliche Tätigkeit abzustellen, durch die der Arbeitsunfall verursacht worden ist, denn allein durch die Bestimmung der betrieblichen Tätigkeit kann ermittelt werden, ob der Geschädigte zum Kreis der Versicherten und der Schädiger zu den in demselben Betrieb tätigen Betriebsangehörigen gehörten. Hierzu ist, wie mit Urteil vom 24. September 1992 (– 8 AZR 572/91 – AP Nr. 22 zu § 637 RVO) entschieden, die betriebliche Tätigkeit unfallversicherungsrechtlich als die einem bestimmten, nicht notwendigerweise wirtschaftlichen Zweck dienende unternehmerische Tätigkeit des in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Unternehmers zu bestimmen. Zu ermitteln ist, in wessen Betriebsinteresse die Tätigkeit ausgeübt wurde, die zum Schadenseintritt führte (vgl. RGRK-Steffen, BGB, 12. Aufl., vor § 823 Rz 96).

2. Aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden, wessen betrieblicher Tätigkeit das die Körperverletzung verursachende „Verfahren des Kranwagens” zuzurechnen ist.

a) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, der Beklagte habe den Kranwagen im Rahmen der seiner Arbeitgeberin, der Firma B+B, zuzurechnenden Ladetätigkeit bewegt und dadurch den Kläger verletzt. Hiervon ausgehend ist das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger sei Versicherter im Sinne von § 637 RVO gewesen, denn er arbeitete als Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers an der Verfolgung derselben unternehmerischen Zwecke – nämlich Erstellung von Bauwerken – mit. Hieraus folgt zugleich, daß der Beklagte als im selben Betrieb Beschäftigter den Schutz des § 637 RVO genießt.

b) Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der als substantiiertes Bestreiten zu wertende Sachvortrag des Klägers zuträfe, das Abladen des mit Baustahl beladenen Lkw habe der Subunternehmerin, der Firma ABX, oblegen. Unter dieser Voraussetzung hätte der Beklagte beim Verfahren des Kranwagens keine betriebliche Tätigkeit der Firma B+B, sondern der Firma ABX ausgeübt, sofern nicht die Firma ABX die ihr an sich obliegende Entladetätigkeit mittels Werkvertrages an die ARGE vergeben hätte.

c) Hätte die ARGE das Entladen des Lastkraftwagens als Werkunternehmerin von der Firma ABX oder von der Firma B+B übernommen, läge eine betriebliche Tätigkeit der ARGE im Sinne von § 637 RVO nur vor, wenn die ARGE als Unternehmerin im unfallversicherungsrechtlichen Sinne anzusehen wäre. Dies ist nicht festgestellt. Eine Arbeitsgemeinschaft als Zusammenschluß mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen kann bei entsprechender organisatorischer Gestaltung einen eigenen unternehmerischen Zweck verfolgen, der von den in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbundenen einzelnen Unternehmen abweicht, so daß die Arbeitsgemeinschaft ein selbständiges Unternehmen im Sinne der §§ 636, 637 RVO bildet (vgl. BGH Urteil vom 5. Juli 1988 – VI ZR 299/87 – VersR 1988, 1166, 1167; RGRK-Steffen, BGB, 12. Aufl., vor § 823 Rz 83). War die ARGE organisatorisch derartig verselbständigt, daß sie selbst ein Unternehmen im unfallversicherungsrechtlichen Sinne bildete, und gehörte das Entladen des Lastkraftwagens zu ihrer betrieblichen Tätigkeit, würde der Beklagte als Betriebsangehöriger der ARGE durch § 637 RVO geschützt. Es bliebe allerdings festzustellen, ob der Kläger zu den Versicherten einer betrieblichen Tätigkeit der ARGE gehörte.

Im Verhältnis zur Firma ABX wäre der Kläger kein Versicherter im Sinne von § 637 RVO gewesen, wenn er nicht für diese Subunternehmerin, sondern für seine Arbeitgeberin die Firma B+B tätig wurde, als er den Auftrag an die ARGE vergab, die Ordnung auf der Baustelle Baulos 61–4 regelte und den LKW-Fahrer sowie den Beklagten anwies, den Entladevorgang an anderer Stelle durchzuführen. Allein die gegebene Arbeitsberührung des Klägers mit der betrieblichen Tätigkeit der Firma ABX machte aus dem Kläger noch keinen Versicherten einer betrieblichen Tätigkeit der Firma ABX. Andererseits könnte die Zurechnung des Klägers zum Betrieb der Firma ABX daraus herzuleiten sein, daß der Kläger namens und im Interesse dieser Firma den Ladevorgang organisierte und dazu einen Kranwagen bestellte.

d) Sollte das Entladen des Lkw als betriebliche Tätigkeit der Firma B+B zuzurechnen sein, lägen die Voraussetzungen des § 637 RVO vor, denn der Kläger gehörte zu den Versicherten und der Beklagte hätte trotz der mit der Arbeitnehmerüberlassung verbundenen Weisungsbefugnis der ARGE weiterhin (auch) dem Direktionsrecht der Firma B+B unterstanden (vgl. BAG Beschluß vom 15. Dezember 1992 – 1 ABR 38/92 – AP Nr. 7 zu § 14 AÜG; Schwab, AR-Blattei – Baugewerbe VI – Arbeitsgemeinschaft 370.6 Rz 62), also demselben Betrieb im unfallversicherungsrechtlichen Sinne angehört wie der Kläger.

III. Welche der dargestellten tatsächlichen Konstellationen gegeben ist, kann nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beantwortet werden. Insbesondere erlauben allein die eingereichten Schriftstücke keine sichere Beurteilung der getroffenen Vereinbarungen. Die Frage, wem das Verfahren des Kranwagens als betriebliche Tätigkeit zuzurechnen ist, bedarf deshalb einer tatsächlichen Feststellung durch das Berufungsgericht.

C. Kommt das Berufungsgericht aufgrund der anderweiten Verhandlung zu dem Ergebnis, daß die Voraussetzungen des § 637 RVO vorliegen und der Beklagte aus diesem Grunde keinen Schadensersatz schuldet, umfaßt dieser Haftungsausschluß auch etwaige Schmerzensgeldansprüche des Klägers. Gegen die Regelung in §§ 636, 637 RVO bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Insofern sind die Begründung und das Ergebnis der verfassungsrechtlichen Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. Beschluß vom 7. November 1972 – I BvL 4/71 pp. – AP Nr. 6 zu § 636 RVO) nach wie vor gültig. Die wirtschaftliche Bedeutung der durch die Gerichte zugesprochenen Ersatzansprüche wegen immaterieller Schäden sind in den vergangenen 22 Jahren nicht in solchem Maße gestiegen, als daß ihr Ausschluß nicht mehr durch die Gewährleistung des Betriebsfriedens und die wirtschaftliche Freistellung des die Kosten der gesetzlichen Unfallversicherung allein tragenden Arbeitgebers gerechtfertigt wäre.

 

Unterschriften

Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, Dr. Pühler, Hennecke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093305

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