Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtkosten zum Arbeitsplatz bei Rufbereitschaft
Leitsatz (redaktionell)
Bei dienstplanmäßiger Rufbereitschaft entstandene Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle sind keine Fahrten aus besonderem dienstlichen Anlaß im Sinne der Reisekostengesetze des Bundes und der Länder und können daher nicht erstattet werden.
Normenkette
RKG BW § 23 Abs. 3; BAT § 42 Abs. 1 Buchst. e
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 11.02.1987; Aktenzeichen 3 Sa 91/86) |
ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 29.09.1986; Aktenzeichen 3 Ca 384/86) |
Tatbestand
Die Parteien streiten, wer bei Rufbereitschaft die anfallenden Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu tragen hat.
Der Kläger ist bei dem beklagten Landkreis als Assistenzarzt in der Anästhesie-Abteilung des Krankenhauses R beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft Tarifbindung und aufgrund vertraglicher Vereinbarung der BAT (VkA) sowie die ihn ergänzenden und ändernden Tarifverträge Anwendung.
Der Kläger leistet Rufbereitschaft gemäß der SR 2 c Nr. 8 Abs. 6 zum BAT. Während der Rufbereitschaftsdienste in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April 1986 ist er insgesamt zehnmal von seinem Wohnort K zum Krankenhaus und zurück gefahren. Die Strecke für Hin- und Rückfahrt beträgt 36 Kilometer.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der beklagte Landkreis sei nach § 42 Abs. 1 Buchst. e BAT i.V.m. § 23 Abs. 3 Landesreisekostengesetz (= § 23 Abs. 3 Bundesreisekostengesetz) verpflichtet, die ihm durch diese Fahrten entstandenen Kosten mit 0,42 DM je gefahrenen Kilometer zu erstatten.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger
151,20 DM netto Fahrtkostenerstattung
nebst 4 % Zinsen seit Klagerhebung zu
bezahlen,
2. festzustellen, daß dem Kläger bei Rufbe-
reitschaft Fahrtkosten zu erstatten sind.
Der beklagte Landkreis hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die Fahrten des Klägers während der Rufbereitschaft seien keine Fahrten aus besonderem dienstlichen Anlaß im Sinne von § 23 Abs. 3 LRKG BW, da die Rufbereitschaft zum regelmäßigen Dienst eines angestellten Krankenhausarztes gehörte.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Der beklagte Landkreis beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der beklagte Landkreis ist nicht verpflichtet, dem Kläger die durch Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte während der Rufbereitschaft entstandenen Kosten zu ersetzen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe weder einen einzelvertraglichen noch einen tarifvertraglichen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Fahrtkosten. § 42 Abs. 1 e BAT verweise zulässigerweise auf die für die Beamten des Landes Baden-Württemberg geltenden Bestimmungen, hier auf das Landesreisekostengesetz i.d.F. vom 2. Januar 1984 (GBl BW S. 25). Nach § 23 Abs. 3 LRKG BW könnten die notwendigen Fahrtkosten zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienststätte erstattet werden, die aus besonderem dienstlichen Anlaß entstanden seien. Nach der hierzu ergangenen Verwaltungsvorschrift (VV-LRKG) vom 20. Dezember 1983 (GABl BW 1984 S. 1) liege ein besonderer dienstlicher Anlaß für die Fahrt zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienststätte vor, wenn der Beamte Dienstaufgaben wahrzunehmen habe, die nach Anlaß und Zeitpunkt über den regelmäßigen Aufgabenbereich hinausgehen, den er im Rahmen seiner allgemeinen Dienstleistungspflicht zu erfüllen habe. Ein solcher Anlaß sei dann nicht gegeben, wenn die dienstliche Inanspruchnahme sich zwangsläufig und regelmäßig aus der Aufgabenstellung ergebe. Diese Verwaltungsvorschriften seien aufgrund der Verweisung in § 42 Abs. 1 e BAT auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien anzuwenden. Zu den regelmäßigen Aufgaben des Klägers gehöre es, Rufbereitschaftsdienst zu leisten und innerhalb dieses Dienstes seine Arbeit jeweils auf Abruf aufzunehmen. Seine Fahrten zum Krankenhaus während der dienstplanmäßigen Rufbereitschaft erfolgten mithin in Erfüllung eines Teils seiner allgemeinen und regelmäßigen Vertragspflichten. Die Regelung sei auch nicht unverhältnismäßig, da solche Arbeitsleistungen lediglich in Ausnahmefällen anfielen und auch die Wegstrecke dadurch begrenzt werde, daß der Kläger sich während der Rufbereitschaft in räumlicher Nähe zum Krankenhaus aufhalten müsse, um in angemessener Zeit dort erscheinen zu können.
Diese Ausführungen halten den Revisionsangriffen stand.
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Fahrtkosten gemäß § 42 Abs. 1 Buchst. e BAT i. V. mit § 23 Abs. 3 LRKG BW.
1. Nach § 42 Abs. 1 Buchst. e BAT sind für die Erstattung von Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle aus besonderem dienstlichen oder betrieblichen Anlaß die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen entsprechend anzuwenden. Damit soll der Angestellte hinsichtlich der Voraussetzungen, des Umfangs und der Dauer der zu gewährenden Leistungen nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden als der vergleichbare Beamte. Ein Gefälle sozialer Leistungen zwischen Beamten und Angestellten soll vermieden werden (BAGE 41, 47, 50 = AP Nr. 7 zu § 44 BAT, zu II 1 a der Gründe; BAG Urteil vom 3. Juli 1974 - 4 AZR 491/73 - AP Nr. 3 zu § 42 BAT; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Dezember 1988, § 44 Erl. 1, 6 a; Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Stand Januar 1989, § 42 Erläuterungen S. 208.1/208.2; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Januar 1989, § 42 Anm. 1).
Die Verweisung in § 42 Abs. 1 Buchst. e BAT umfaßt nicht nur die maßgebenden Reisekostengesetze, sondern auch die hierzu ergangenen Erlasse und Rechtsverordnungen, was sich aus der Verwendung des Wortes "Bestimmungen" in der Tarifnorm ergibt (BAGE 41, 47, 50 = AP, aaO; BAGE 36, 218, 223 = AP Nr. 19 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, aaO; Uttlinger/Breier/Kiefer, aaO).
Eine solche Verweisung auf das Dienstrecht der Beamten ist auch zulässig, wenn sie eindeutig ist und das in Bezug genommene Recht mit der tariflichen Regelung in einem engen sachlichen Zusammenhang steht. Sie ist insbesondere keine unzulässige Delegation der Normsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien (BAGE 39, 138, 143 f. = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Durchführungspflicht; BAGE 36, 218, 223 = AP, aaO). Die Tarifvertragsparteien haben es jederzeit in der Hand, die Verweisung aufzuheben oder in ihrem Umfang zu beschränken. Daher geht die Revision auch zu Unrecht davon aus, eine Verweisung auf Erlasse als einseitig vom öffentlichen Arbeitgeber geschaffene Verwaltungsanordnungen sei nicht möglich. Auch insoweit hängt ihre Rechtsgeltung für die dem BAT unterworfenen Arbeitnehmer allein von dem Willen der Tarifvertragsparteien ab. Darüber hinaus ist der Dienstherr bei Erlassen an das gesetzlich festgelegte Dienstrecht der Beamten gebunden. Deshalb entspricht es dem Willen der Tarifvertragsparteien, Angestellte durch die Verweisung einzubeziehen. Sie gehen davon aus, daß insoweit sachgerechte Regelungen getroffen werden und die angestrebte Gleichstellung erreicht wird.
Schließlich steht der Verweisung auf die für Beamte geltenden Gesetze, Rechtsverordnungen und Erlasse nicht entgegen, daß Tarifverträge gemäß § 1 Abs. 2 TVG schriftlich abgeschlossen werden müssen. Diese Vorschrift dient nur dazu, den Tarifinhalt eindeutig festzulegen. Die notwendige Klarheit wird aber auch durch die Verweisung auf andere schriftliche Bestimmungen erreicht, gleichgültig ob es sich dabei um einen anderen Tarifvertrag oder Vorschriften des Beamtenrechts handelt (BAGE 34, 42, 46 = AP Nr. 7 zu § 1 TVG Form; BAGE 39, 138, 143 = AP, aaO; BAGE 40, 327, 333 = AP Nr. 8 zu § 1 TVG Form, m.w.N.; vgl. auch BVerfG Beschluß vom 23. April 1986 - 2 BvR 487/80 - AP Nr. 28 zu Art. 2 GG, zu III 1 b und 2 der Gründe).
2. Wie das Landesarbeitsgericht weiter zutreffend angenommen hat, haben die Tarifvertragsparteien in § 42 Abs. 1 Buchst. e BAT keine eigenständige Regelung getroffen, sondern eine sog. Rechtsgrundverweisung vorgenommen. Ob die Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Krankenhaus während der dienstplanmäßigen Rufbereitschaft zu erstatten sind, richtet sich somit allein nach den in Bezug genommenen beamtenrechtlichen Bestimmungen.
a) Nach der danach anzuwendenden Vorschrift des § 23 Abs. 3 LRKG BW i.d.F. vom 2. Januar 1984 (GBl BW S. 25) können die für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienststätte aus besonderem dienstlichen Anlaß entstandenen notwendigen Fahrtkosten erstattet werden (vgl. auch § 23 Abs. 3 BRKG). Die dazu erlassene "Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Finanzministers" vom 20. Dezember 1983 (GABl 1984 S. 1) hat in Ziffer 4 folgenden Wortlaut:
"Ein besonderer dienstlicher Anlaß für die
Fahrt zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienststätte liegt vor, wenn der Beamte Dienstaufgaben wahrnimmt, die nach Anlaß und Zeitpunkt über den regelmäßigen Aufgabenbereich hinausgehen, den er im Rahmen seiner allgemeinen Dienstleistungspflicht zu erfüllen hat] Dabei ist es unbeachtlich, ob die wahrgenommene dienstliche Tätigkeit plötzlich und unvorhergesehen erfolgt oder auf einer bereits festgelegten Diensteinteilung (z.B. Dienst- und Einsatzplan) beruht. § 23 Abs. 3 ist daher nicht anzuwenden, wenn sich die dienstliche Inanspruchnahme zwangsläufig und regelmäßig aus der Aufgabenstellung des Beamten ergibt, und zwar auch dann, wenn die Fahrt zu ungewöhnlicher oder unregelmäßiger Zeit erfolgt.
Eine Fahrt zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienststätte aus besonderem dienstlichen Anlaß setzt weiterhin voraus, daß diese Strecke ein zusätzliches Mal zurückgelegt werden muß (z.B. wenn die dienstliche Verrichtung nicht im Anschluß an die festgelegte oder von dem Beamten frei bestimmbare Dienstzeit wahrgenommen werden kann), ohne daß dafür an anderen Tagen ein Ausgleich gewährt wird." Dieser Erlaß des Finanzministers ist rechtswirksam. Der Minister war zum Erlaß einer derartigen Verwaltungsvorschrift ausdrücklich und inhaltlich ausreichend bestimmt durch die gesetzliche Ermächtigungsnorm in § 24 Abs. 2 LRKG BW ermächtigt (vgl. auch BAG Urteil vom 3. Juli 1974 - 4 AZR 491/73 - AP Nr. 3 zu § 42 BAT, zu IV der Gründe; BAG Urteil vom 8. März 1978 - 4 AZR 604/76 - AP Nr. 6 zu § 42 BAT).
b) Eine Erstattung der notwendigen Fahrtkosten zwischen Wohnung und Krankenhaus bei dienstplanmäßiger Rufbereitschaft kommt nach alledem nur dann in Betracht, wenn der Kläger Dienstaufgaben wahrgenommen hat, die nach Anlaß und Zeitpunkt über den regelmäßigen Aufgabenbereich hinausgehen, den er im Rahmen seiner allgemeinen Dienstleistungspflicht zu erfüllen hat. Wann diese Voraussetzungen gegeben sind muß im Einzelfall anhand des regelmäßigen Aufgabenbereichs und der durch ihn gekennzeichneten Funktion des Beamten sowie der für ihn geltenden Dienstzeitregelung beurteilt werden (BVerwG Urteil vom 26. Juni 1981 zu § 23 Abs. 3 LRKG NW - 6 C 85.79 - in Buchholz, 238.90 Nr. 86 zu Reise- und Umzugskosten; Kopicki/Irlenbusch, Reisekostenrecht des Bundes, Stand März 1988, § 1 BRKG Anm. 29). Der regelmäßige Aufgabenbereich des Klägers wird aber, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, durch die Leistungsbestimmung des Arbeitgebers im Rahmen des Arbeitsvertrages des geltenden Tarifrechts festgelegt.
c) Nach der gemäß § 2 c BAT auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwendenden Vorschrift der Nr. 8 Abs. 6 Unterabs. 1 SR 2 c BAT ist der Kläger als Arzt verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufzuhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen (Rufbereitschaft). Der Arbeitgeber darf Rufbereitschaft nur anordnen, wenn erfahrungsgemäß lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Dementsprechend gehört es zu der Hauptpflicht eines Arztes, nach seinem Arbeitsvertrag neben seinem täglichen Dienst auch Rufbereitschaft zu leisten. Die Wahrnehmung des Rufbereitschaftsdienstes gehört deshalb zu dem regelmäßigen Aufgabenbereich eines Arztes. Fahrten zur Erfüllung dieser Verpflichtung sind aber Teil der Arbeitsvertragspflicht. Es gehört zur Rufbereitschaft, daß der Arzt im Ausnahmefall auch tatsächlich zur Arbeitsleistung herangezogen werden kann. Solche Fahrten werden daher nicht aus "besonderem dienstlichen Anlaß" unternommen. Ein solcher Anlaß ist nur gegeben, wenn ein Angestellter außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeitszeit zur Dienstleistung herangezogen wird (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, aaO, § 42 BAT Anm. 10; BVerwG, aaO; Kopicki/Irlenbusch, Reisekostenrecht des Bundes, Stand März 1988, § 1 BRKG Anm. 29). Der Kläger hat seine Leistungen aber nicht aus besonderem dienstlichen Anlaß, sondern innerhalb seiner dienstplanmäßigen Rufbereitschaft erbracht. Der Zahlungs- und Feststellungsantrag des Klägers ist daher nicht begründet.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Jobs Dörner Schneider
Wendlandt Carl
Fundstellen
Haufe-Index 440693 |
BB 1989, 1897-1898 (LT1) |
DB 1989, 1827 (L1) |
RdA 1989, 198 |
USK, 8976 (ST1) |
ZAP, EN-Nr 198/89 (S) |
ZTR 1989, 309-311 (LT1) |
AP § 42 BAT (LT1), Nr 9 |
AR-Blattei, Öffentlicher Dienst Entsch 356 (LT1) |
EzBAT, Rufbereitschaft Nr 1 (LT1) |
PersR 1990, 86 (L1) |
ZfPR 1989, 146 (L) |