Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb
Normenkette
BRKG § 23 Abs. 3; LRKG NW § 23 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 11.08.1988; Aktenzeichen 17 Sa 2317/87) |
ArbG Hagen (Westfalen) (Urteil vom 04.11.1987; Aktenzeichen 1 Ca 380/87) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. August 1988 – 17 Sa 2317/87 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um Fahrtkosten.
Die Klägerin ist bei dem Beklagten seit dem 1. Januar 1972 als Kinderpflegerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden der Bundes-Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (BMT-AW II) sowie die dazu ergangenen und noch ergehenden Zusatzbestimmungen Anwendung. In § 34 BMT-AW II heißt es unter der Überschrift Reisekostenvergütung:
„Als Reisekostenvergütung für die Erstattung von
- Auslagen für Dienstreisen und Dienstgänge (Reisekostenvergütung),
- Auslagen für Ausbildungs- und Fortbildungsreisen, die teilweise oder ganz im dienstlichen oder betrieblichen Interesse liegen, und
- Fahrkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle aus besonderem dienstlichen oder betrieblichen Anlaß
- sind die für den jeweiligen Organisationsbereich festgelegten Regelungen in Anlehnung an die öffentlichen Reisekostenbestimmungen des Bundes, der Länder und Gemeinden anzuwenden.”
Bei allen Untergliederungen der Arbeiterwohlfahrt wird eine Reisekostenordnung vom 1. Oktober 1978 in der Fassung vom 1. Januar 1986 angewendet, in der es u.a. heißt:
„1. Geltungsbereich
1.1. Diese Reisekostenordnung regelt die Erstattung von Auslagen für Dienstreisen und Dienstgänge (Reisekostenvergütung) der Mitglieder von Organen und berufenen Gremien der AW sowie von Mitarbeitern der Arbeiterwohlfahrt.
1.2. Die Reisekostenordnung findet ferner Anwendung bei der Regelung von:
…
1.2.4. Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Dienststätte aus besonderem Anlaß.
In den Kindergärten des Beklagten finden entsprechend den Bestimmungen des Zweiten Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes für Jugendwohlfahrt NW (Kindergartengesetz) vom 21. Dezember 1971 in der Fassung vom 21. Dezember 1982 regelmäßig Elternabende statt. Die Teilnahme an diesen Veranstaltungen war für die Beschäftigten arbeitsvertragliche Pflicht, wie der Klägerin bereits bei ihrer Einstellung bekannt war. Die Elternabende wurden dienstplanmäßig festgesetzt. Die dadurch anfallenden Arbeitszeiten wurden innerhalb eines Zeitraums von acht Wochen nach Freistellung innerhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit entsprechend den Bestimmungen des § 11 BMT-AW II ausgeglichen.
Der Beklagte erstattete in der Vergangenheit der Klägerin die bei der Teilnahme an den Elternabenden anfallenden Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle nach § 34 Buchst. c BMT-AW II in Verb. mit Nr. 1.2.4. Reisekostenordnung. Im März 1987 teilte er seinen Mitarbeitern mit, künftig die Fahrtkosten anläßlich der Teilnahme an Elternabenden nicht mehr zu erstatten. Die Teilnahme an diesen Veranstaltungen sei als normale, regelmäßig wiederkehrende Pflichtaufgabe der Beschäftigten anzusehen.
Die Klägerin hat gemeint, der Beklagte sei verpflichtet, ihr die Fahrtkosten weiterhin zu erstatten, und hat diese für einen am 14. April 1987 dienstplanmäßig angesetzten Elternabend in unstreitiger Höhe von 6,30 DM erfolglos geltend gemacht.
Sie hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
an sie 6,30 DM netto zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Teilnahme an den Elternabenden gehöre zu den Hauptleistungspflichten der Klägerin. Die dafür aufgewendeten Fahrtkosten entständen nicht aus besonderem dienstlichen Anlaß.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter, während der Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz der von ihr geltend gemachten Fahrtkosten.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe nach § 34 Buchst. c BMT-AW II nur Anspruch auf Ersatz solcher Fahrtkosten, die aus besonderem dienstlichen oder beruflichen Anlaß entstanden seien. Da die Reisekostenvergütunssregelung in Anlehnung an die Reisekostenbestimmungen des Bundes, der Länder und der Gemeinden gelten solle, sei der Begriff „aus besonderem dienstlichen oder betrieblichen Anlaß” mangels einer Definition entsprechend den beamtenrechtlichen Regelungen in § 23 Abs. 3 BRKG, § 23 Abs. 3 LRKG NW auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu diesen Vorschriften komme eine Fahrtkostenerstattung nur in Betracht, wenn die Fahrt zwischen Wohnung und Dienststelle dem Bereich des Dienstherrn zuzurechnen sei. Das sei dann der Fall, wenn der Dienstherr den Beamten zu einer Zeit in Anspruch nehme, zu der dieser sich nach der für ihn geltenden Arbeitszeitregelung zu Recht nicht in der Dienststelle, sondern in seiner Wohnung befinde und folglich von dort ein zusätzliches Mal zur Dienststelle fahren müsse, um den angeordneten Dienst aufzunehmen. Entscheidend sei, daß die zusätzliche Fahrt nach Zeltpunkt und Anlaß zu der üblichen Dienstzeit des Beamten hinzutrete. Wann diese Voraussetzungen erfüllt seien, müsse im Einzelfall anhand des regelmäßigen Aufgabenbereichs und der durch ihn gekennzeichneten Funktion des Beamten sowie der für ihn geltenden Dienstzeitregelung beurteilt werden. Die Teilnahme an Elternabenden stelle eine Hauptpflicht der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis dar. Dadurch erforderliche Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle fänden daher nicht aus besonderem dienstlichen oder betrieblichen Anlaß statt. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch aus einzelvertraglicher Vereinbarung, aus betrieblicher Übung und aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Die Klägerin hat keinen tarifvertraglichen Anspruch auf Ersatz der Fahrtkosten nach § 34 Buchst. c BMT-AW II.
a) Nach dieser Vorschrift sind für die Erstattung von Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle aus besonderem dienstlichen oder betrieblichen Anlaß die für den jeweiligen Organisationsbereich festgelegten Regelungen in Anlehnung an die öffentlichen Reisekostenbestimmungen des Bundes, der Länder und Gemeinden anzuwenden. Danach ist zunächst die Reisekostenordnung der Arbeiterwohlfahrt maßgebend, nach deren Nr. 1.2.4. Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Dienststätte aus besonderem Anlaß erstattet werden. Der besondere Anlaß ist in dieser Vorschrift ebensowenig definiert wie in den wortgleichen Bestimmungen des § 23 Abs. 3 BRKG und des § 23 Abs. 3 LRKG NW, wonach für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienststelle aus besonderem dienstlichen Anlaß die entstandenen notwendigen Fahrtkosten erstattet werden können. Diese Normen sind daher auszulegen.
b) Nach der Rechtsprechung des Senats zu § 42 Abs. 1 BAT und zu § 38 Abs. 1 MTB II, wonach für die Erstattung von Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle aus besonderem dienstlichen oder betrieblichen Anlaß die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen entsprechend anzuwenden sind, kommt eine Erstattung nur in Betracht, wenn Dienstaufgaben wahrgenommen werden, die nach Anlaß und Zeitpunkt über den regelmäßigen Aufgabenbereich hinausgehen, der im Rahmen der allgemeinen Dienstleistungspflicht zu erfüllen ist. Wann diese Voraussetzungen gegeben sind, muß im Einzelfall anhand des arbeitsvertraglich bestimmten regelmäßigen Aufgabenbereichs und der durch ihn gekennzeichneten Funktion des Arbeitnehmers sowie der für ihn geltenden Dienstzeitregelung beurteilt werden (Senatsurteile vom 16. Februar 1989 – 6 AZR 289/87 – AP Nr. 9 zu § 42 BAT und vom 6. Juli 1989 – 6 AZR 712/87 – ZTR 1990, 20). Infolgedessen hat der Senat die Fahrtkosten eines Arztes, der in seiner Wohnung Rufbereitschaftsdienst nach Nr. 8 Abs. 6 Unterabs. 1 SR 2 c BAT hatte und ins Krankenhaus gerufen wurde, ebensowenig für erstattungsfähig gehalten (Urteil vom 16. Februar 1989 – 6 AZR 289/87 –, a.a.O.) wie die Fahrtkosten eines Betriebsschlossers, zu dessen vertraglichen Aufgaben es gehörte, sich für die Beseitigung von Störfällen in Rufbereitschaft arbeitsbereit zu halten und nach Aufforderung der Betrieb aufzusuchen (Urteil vom 6. Juli 1989 – 6 AZR 712/87 –, a.a.O.).
c) Die Fahrtkosten, die die Klägerin für die Teilnahme an Elternabenden aufzuwenden hat, sind ebenso wie die aus Anlaß der Dienstaufnahme aus einer Rufbereitschaft entstandenen Kosten nicht erstattungsfähig. Sie sind nicht aus besonderem dienstlichen Anlaß entstanden, sondern aus Anlaß der Aufnahme des arbeitsvertraglichen Dienstes. Das folgt aus den nachstehenden Umständen des Einzelfalles, die das Landesarbeitsgericht zutreffend gewürdigt hat. Entsprechend der Vorgabe in § 3 Kindergartengesetz NW, wonach die Elternversammlung vom Träger des Kindergartens und den im Kindergarten pädagogisch tätigen Kräften Auskunft über alle den Kindergarten betreffenden Fragen verlangen kann, hat der Beklagte die Klägerin bei Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht nur auf ihre Pflicht zur Teilnahme an den Elternversammlungen hingewiesen. Die Klägerin wurde zur Teilnahme auch vertraglich verpflichtet. Die Elternabende wurden dienstplanmäßig festgesetzt. Die dadurch anfallenden Arbeitszeiten wurden innerhalb eines Zeitraums von acht Wochen durch Freistellung innerhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszelt ausgeglichen. Somit hat die Klägerin an diesen Abenden keine Dienstaufgaben wahrgenommen, die nach Anlaß und Zeitpunkt über den regelmäßigen Aufgabenbereich hinausgingen.
d) Die Rüge der Revision, die Zahlung der Fahrtkosten in der Vergangenheit stelle eine Regelung im Sinne des § 34 Buchst. c BMT-AW II dar, ist unbegründet. Denn das Landesarbeitsgericht hat ungerügt festgestellt, auch im Bereich des Beklagten werde die Reisekostenordnung der Arbeiterwohlfahrt angewendet. Angesichts dessen kann eine andere tatsächliche Handhabung nicht als Regelung im Sinne dieser Vorschriften gesehen werden. Im übrigen ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang, daß mit den dort genannten Regelungen nur allgemeine Bestimmungen und nicht die tatsächliche Handhabung der Vorschriften gemeint sind.
2. Die Klägerin hat auch keinen vertraglichen Anspruch. Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Erstattung der Fahrtkosten liegt nicht vor. Ein Anspruch aufgrund konkludenter Einzelzusage bzw. aus betrieblicher Übung entfällt schon deshalb, weil für die Fahrtkosten für Fahrten aus besonderem dienstlichen oder betrieblichen Anlaß eine tarifliche Regelung besteht (BAGE 49, 151, 159 = AP Nr. 14 zu § 77 BetrVG 1972).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Jobs, Dr. Freitag, Dörner, Mergenthaler, Stenzel
Fundstellen