Entscheidungsstichwort (Thema)

Maschinist an Stromerzeugungsanlagen

 

Orientierungssatz

Maschinistentätigkeit umfaßt auch Wartungs- und Reparaturarbeiten. Der Begriff des Maschinisten setzt nicht voraus, daß nur die Arbeiten an der laufenden Maschine als Maschinistentätigkeit anerkannt werden können.

 

Normenkette

MTB 2 Anl SV; MTB § 21; MTB 2 § 21

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 13.07.1987; Aktenzeichen 6 Sa 363/87)

ArbG Köln (Entscheidung vom 21.01.1987; Aktenzeichen 9 Ca 5309/86)

 

Tatbestand

Der Kläger, der der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) angehört, ist seit dem 2. November 1982 bei der Beklagten in der Standortverwaltung K beschäftigt. Er hat aufgrund einer dreijährigen Ausbildung die Gesellenprüfung als Kraftfahrzeugmechaniker abgelegt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Arbeiter des Bundes (MTB II) in Verbindung mit dem Sonderverzeichnis (SV) 2 a des Lohngruppenverzeichnisses zum MTB II Anwendung. Der Kläger erhält Lohn nach Lohngruppe III.

Der Kläger ist zu etwa 80 v.H. seiner Gesamtarbeitszeit mit der Wartung, Reparatur und Überwachung von neun Notstromaggregaten (Dieselmotoren) befaßt, die mindestens insgesamt 588 Kw (800 PS) leisten. Bei jeder Maschine wird im Monat ein Probelauf von mindestens vier Stunden durchgeführt. Im übrigen führt der Kläger allgemeine Schlosserarbeiten aus.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Tätigkeit entspreche der Tätigkeit eines Maschinisten an Stromerzeugungsanlagen mit mindestens insgesamt 800 PS im Sinne der Lohngruppe II Fallgruppe 5.4 SV 2 a des Lohngruppenverzeichnisses zum MTB II. Seine gesamte Tätigkeit bei der Wartung, Reparatur und Überwachung der Notstromaggregate sei die eines Maschinisten. Es komme nicht darauf an, daß die Maschinen nur während der Probeläufe in Betrieb seien.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß die Bundesrepublik Deutschland

verpflichtet ist, ihn seit dem 1. März 1985

nach Lohngruppe II, Fallgruppe 5.4 des Sonderverzeichnisses

2 a des Lohngruppenverzeichnisses

zum MTB für die Arbeiter des Bundes (MTB II) zu

vergüten und die Nachzahlungsbeträge seit dem

18. Juli 1986 mit 4 % zu verzinsen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß dem Kläger der geltend gemachte Lohnanspruch nicht zustehe. Soweit er die Notstromaggregate warte und repariere, sei seine Tätigkeit diejenige eines Betriebsschlossers, dem Lohn nach Lohngruppe IV zustehe. Diese Tätigkeit nehme 60 v.H. seiner Gesamtarbeitszeit in Anspruch und sei deshalb als die überwiegende Tätigkeit für seine Einreihung in die Lohngruppen maßgebend. Maschinist könne nach allgemeinem Sprachgebrauch nur derjenige sein, der eine Maschine bediene und überwache. Dies setze den laufenden Betrieb der Maschine voraus. Eine solche Aufgabe nehme der Kläger nur bei der Durchführung der Probeläufe und damit nur zu 20 v.H. seiner Gesamtarbeitszeit wahr.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision. Dabei hat er klargestellt, daß sich sein Klageantrag nicht nur auf die Fallgruppe 5.4 der Lohngruppe II bezieht und Zinsen nur noch aus den Nettobeträgen geltend gemacht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht erkannt, daß dem Kläger Lohn nach Lohngruppe II SV 2 a zum MTB II zusteht.

Zwischen den Parteien gelten die Vorschriften des MTB II einschließlich des Lohngruppenverzeichnisses kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend. Danach kommt es für die vom Kläger erstrebte Bezahlung nach Lohngruppe II lediglich darauf an, ob seine überwiegende Tätigkeit das Tätigkeitsmerkmal der Lohngruppe II Fallgruppe 5.4 erfüllt. Dies hat folgenden Wortlaut:

5.4 Arbeiter mit einschlägiger Ausbildung nach

Lohngruppe IV Fallgruppe 1 oder 2 des Allgemeinen

Teils, die als Maschinisten an Stromerzeugungsanlagen

mit mindestens insgesamt 588 Kw (800 PS)

tätig sind.

Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß die Tätigkeit des Klägers dieses Tätigkeitsmerkmal erfülle. Der Kläger sei Maschinist im Sinne der Tarifnorm. Der Begriff des Maschinisten bestimme sich nach der Verkehrsanschauung unter Heranziehung des allgemeinen Sprachgebrauchs. Danach sei unter einem Maschinisten ein Facharbeiter zu verstehen, der Kraftmaschinen bediene und überwache. Diese Tätigkeit werde in der Regel an laufenden Maschinen ausgeführt. Nach der Verkehrsanschauung sei aber nicht ausgeschlossen, daß die Tätigkeit eines Maschinisten auch die Wartung und Reparatur sowie die Überwachung von Maschinen bei Probeläufen umfasse. Maßgebend sei, daß der Maschinist für die Funktionsfähigkeit der Maschinen zuständig sei und sie im Bedarfsfalle in Betrieb halte. Demgemäß übe der Kläger auch dann, wenn die Notstromaggregate nicht in Betrieb seien, die Tätigkeit eines Maschinisten an Maschinen im Sinne der Tarifnorm aus. Diese Tätigkeit umfasse etwa 80 v.H. seiner Gesamtarbeitszeit und sei deshalb für die Einreihung in die Lohngruppe II maßgeblich. Entgegen der Auffassung der Beklagten müsse der Kläger nicht nur bei der Durchführung der Probeläufe, sondern auch bei Wartungs- und Reparaturarbeiten Kenntnisse im Sinne der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe II Fallgruppe 1.1 vorhalten.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist weitgehend und jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen. Die Lohngruppen sind im Lohngruppenverzeichnis zum MTB II im Allgemeinen Teil und auch im Sonderverzeichnis 2 a, das auf die Tätigkeit des Klägers anzuwenden ist, weil er als Arbeiter im Bereich des Bundesministers der Verteidigung beschäftigt ist, dadurch bestimmt, daß die Tarifvertragsparteien jeweils in Beispielen einzelne Tätigkeiten genannt haben. Daraus folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß dem Arbeiter, dessen überwiegende Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale der beispielhaft genannten Tätigkeit erfüllt, der Lohn nach der entsprechenden Lohngruppe zusteht (BAG Urteil vom 11. Juni 1986 - 4 AZR 176/85 - AP Nr. 7 zu § 21 MTB II mit weiteren Nachweisen). Liegt diese Voraussetzung vor, bedarf es entgegen der Auffassung der Beklagten keiner Überprüfung mehr, ob die Tätigkeit auch die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der betreffenden Lohngruppe erfüllt.

Die überwiegende Tätigkeit des Klägers entspricht dem Tätigkeitsbeispiel der Lohngruppe II Fallgruppe 5.4. Der Kläger hat als gelernter Kraftfahrzeugmechaniker die geforderte Ausbildung und ist unstreitig an Stromerzeugungsanlagen mit mindestens insgesamt 800 PS tätig. Demgemäß kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits allein darauf an, ob er als "Maschinist" im Sinne der Tarifnorm anzusehen ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht bejaht.

Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff des Maschinisten nicht gesondert erläutert. Auch lassen sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang keine Anhaltspunkte zur Begriffsbestimmung entnehmen. Es handelt sich auch nicht um die Bezeichnung eines anerkannten Ausbildungsberufes, so daß es an einer entsprechenden Ausbildungsordnung, mit der die Tätigkeit des Klägers verglichen werden könnte, fehlt. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht demgemäß den allgemeinen Sprachgebrauch herangezogen (vgl. BAG Urteil vom 28. Mai 1986 - 4 AZR 558/84 - AP Nr. 12 zu § 611 BGB Musiker m.w.N.). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist ein Maschinist ein Facharbeiter, der Kraftmaschinen bedient und überwacht (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Stichwort: Maschinist). Diese Begriffsbestimmung mag durchaus auf den Betrieb laufender Maschinen abgestellt sein. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, daß die Tätigkeit eines Maschinisten auch Wartungs- und Reparaturarbeiten umfaßt. Diese können notwendig sein, um die Funktionstüchtigkeit der Maschine und damit ihren bestimmungsmäßigen Gebrauch zu gewährleisten. Je nach Art der Maschine und ihrem bestimmungsgemäßen Einsatz können diese Arbeiten auch einen größeren Zeitaufwand erfordern als ihre Bedienung während des Betriebes. So rechnet auch das berufskundliche Schrifttum neben der Bedienung und Überwachung die Wartung und Reparatur zu den Aufgaben eines Maschinisten (Molle, Wörterbuch der Berufe und Berufstätigkeitsbezeichnungen, Stichwort: Maschinist). Insbesondere bei Maschinen - die wie vorliegend die Notstromaggregate - nur im Bedarfsfalle ihre Funktion erfüllen sollen, kommt der Wartung und Instandsetzung sowie der Durchführung von Probeläufen mindestens die gleiche Bedeutung zu wie der Bedienung bei Maschinen, die in Betrieb sind. Demgemäß hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, daß der Kläger bei der Wartung und Reparatur der Notstromaggregate und bei der Durchführung der Probeläufe die Tätigkeit eines Maschinisten im Tarifsinne ausübt. Diese Tätigkeit, die insgesamt nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts 80 v.H. seiner Gesamtarbeitszeit in Anspruch nimmt, entspricht somit dem Tätigkeitsbeispiel der Lohngruppe II Fallgruppe 5.4, so daß dem Kläger Lohn nach Lohngruppe II SV 2 a zum MTB zusteht. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es für diese Einreihung der Tätigkeit des Klägers nicht darauf an, welches Wissen er bei dieser Tätigkeit vorzuhalten hat, da die maßgebliche Tätigkeit überwiegend die eines Maschinisten ist.

Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Freitag

Koerner Dr. Reinfeld

 

Fundstellen

Dokument-Index HI439552

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