Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Verwaltungsangestellten der ÖTV. Zur tätigkeitsbezogenen Auslegung von Eingruppierungsmerkmalen vgl. das Urteil des Senats vom 23. November 1994 – 4 AZR 885/93 – AP Nr. 12 zu § 21 MTB II, m.w.N.
Leitsatz (amtlich)
In einer Bezirksverwaltung, die ausnahmsweise satzungsgemäß eine Doppelfunktion als Bezirks- und Kreisverwaltung hat, erfüllt ein Sachbearbeiter, der dort kreisverwaltungsspezifische Tätigkeiten ausübt, nicht das Tatbestandsmerkmal Sachbearbeiter in “Bezirksverwaltungen” der VergGr. 6 Fallgr. 1 KVVR.
Normenkette
Kollektiver Vertrag über die Vergütungsregelung für die Beschäftigten der Gewerkschaft ÖTV vom 15. April 1983 und 27. Juni 1983 (KV-VR) § 1 Abs. 1, § 2 VergGr. 6 Fallgr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die zutreffende Vergütung des Klägers. Der am 6. Oktober 1949 geborene Kläger trat am 1. April 1976 als Verwaltungsangestellter in die Dienste der Beklagten. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 25. Mai 1976 ist u. a. bestimmt, daß sich alle weiteren Arbeitsbedingungen nach den “Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr” – nachfolgend kurz: KV-AAB – und den Betriebsvereinbarungen in den jeweils gültigen Passungen richten. Weiter ist in diesem vereinbart, daß die Bezahlung des Klägers “im Rahmen der jeweils gültigen Vergütungsregelung” erfolgt und er in VergGr. 5 Stufe 1 eingruppiert wird. Nach dieser wird er noch immer von der Beklagten vergütet.
Bei der im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Vergütungsregelung handelt es sich um den “Kollektiven Vertrag über die Vergütungsregelung für die Beschäftigten der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr vom 15. April 1983 und 27. Juni 1983” – nachfolgend kurz: KV-VR –.
Entsprechend ihrer Satzung (in der ab 21. September 1994 geltenden Fassung) ist die Beklagte in Kreisverwaltungen und Bezirke gegliedert (§ 20 Abs. 1 der Satzung). Der Kreisvorstand nimmt die Interessen der Beklagten in seinem Bereich war; zu seinen Aufgaben gehört u. a. auch die Mitgliederwerbung und -betreuung sowie die Mitgliederbestandsverwaltung (vgl. § 21 der Satzung). Die Bezirke sind für die kreisverwaltungsübergreifenden Aufgaben der Beklagten zuständig. In B… und H… bestehen keine Kreisverwaltungen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 der Satzung der Beklagten haben “die Bezirke Berlin und Hamburg … eine Doppelfunktion als Bezirks- und Kreisverwaltung”, erledigen daher auch die Mitgliederbestandsverwaltung.
Der seit Beginn des Arbeitsverhältnisses der Parteien in der Bezirksverwaltung H… beschäftigte Kläger war zunächst von 1976 bis Ende 1987 ausschließlich mit der Erstellung und Bearbeitung von Mahnungen verschiedener Stufen nach Buchstabenzuständigkeit beschäftigt. Seit Anfang des Jahres 1988 sind ihm Aufgaben in der Mitgliederbestandsverwaltung übertragen, die zu diesem Zeitpunkt in der Bezirksverwaltung H… neu organisiert worden ist. Seitdem ist die dortige Mitgliederbestandsverwaltung wie folgt gegliedert: Die Mitglieder der Wirtschaftszweige Luftverkehrsgesellschaften/Flughäfen und Seeschiffahrt werden von den für diese gebildeten Abteilungen verwaltet. Der in der Abteilung Seeschiffahrt eingesetzte Kläger hat einen Bestand von rund 6.000 Mitgliedern zu betreuen. Die Mitglieder der Beklagten in den übrigen Wirtschaftszweigen werden von der sog. gemeinsamen Mitgliederbestandsverwaltung verwaltet, die in drei Abteilungen gegliedert ist, und zwar in die Mitgliederabteilung mit drei Mitarbeiterinnen der VergGr. 5, die Mahnabteilung mit vier Mitarbeiterinnen der VergGr. 5 und die Austrittsbearbeitung, die von einer Mitarbeiterin der VergGr. 4 erledigt wird. In den kleineren Kreisverwaltungen wird die gesamte verwaltungsmäßige Mitgliederbetreuung von einer/einem Verwaltungsangestellten erledigt.
Die Unterschiede zwischen der Tätigkeit des Klägers und der übrigen Bestandsverwaltungsbearbeiter ergeben sich aus den Besonderheiten der Seeschiffahrt. Die Mitglieder aus diesem Wirtschaftszweig sind oft monatelang auf See und erteilen selten Abbuchungsermächtigungen für den Mitgliedsbeitrag. Dadurch entstehen häufiger als bei anderen Mitgliedern erhebliche Beitragsrückstände. Im Unterschied zu der allgemeinen Mitgliederbestandsverwaltung ist der Kläger überregional tätig. Ihm sind folgende Einzelaufgaben übertragen:
- die Überwachung und Abstimmung der Beitragskonten,
- die datentechnische Erfassung neuer Mitglieder und deren schriftliche Benachrichtigung über die Höhe des Beitrags sowie der Versand von Tarifverträgen, die Erstellung von sog. ITF-Ausweisen und von Ersatzbeitragsquittungen,
- die Bearbeitung von Austritten,
- die Überwachung und Bestätigung von Zahlungen,
- die Überwachung des Zeitpunkts der Beendigung der Ausbildung (Lehre/Studium) und die entsprechende Anpassung der Beiträge,
- das Führen und Bereinigen der EDV-gestützten Mitglieder- und Funktionärslisten,
- Beitragskorrekturen/Neuberechnungen, die zum Teil kompliziert sind und über viele Jahre gehende Beitragskorrekturen und Neuberechnungen der Mitgliederbeiträge erfordern, was hinsichtlich der Häufigkeit eine Besonderheit in der Abteilung Seeschiffahrt darstellt (Diese Tätigkeit wurde zuvor ausschließlich durch nach den VergGr. 10 oder 11 vergütete Abteilungssekretäre ausgeführt),
- die Prüfung der sich durch tarifvertragliche Bestimmungen ergebenden Beitragshöhen, unter Umständen Beitragsrückzahlungen, Saldokorrekturbuchungen, Vorbereitung der Berechnung von Treuegeldern und Leistungen bei Freizeitunfällen,
Aufgaben der zentralen Koordinierungsstelle Seeschiffahrt als Nachfolgeeinrichtung der zentralen Seeleutekartei (ZKS),
(Die ZKS wurde zuvor zunächst durch einen Abteilungssekretär geleitet und später durch eine Verwaltungsangestellte mit der VergGr. 6),
- Mitwirkung/Organisation von betrieblichen Beitragsaktionen,
- die Vorbereitung der gerichtlichen Mahnverfahren, über deren Einleitung er allein entscheidet, sowie selbständiger Schriftwechsel mit der Hauptverwaltung in Stuttgart,
- die Formulierung von gerichtsverwertbaren Mitgliederbescheinigungen auf Anforderung der Rechtsabteilung,
- die Zuordnung von Mitgliedern/Abgaben usw.,
- Schriftverkehr.
In den von der Beklagten gefertigten Briefköpfen wird der Kläger, der seinen täglichen Arbeitsablauf im wesentlichen selbst gestaltet und von seinem Dienstvorgesetzten nur begrenzt beaufsichtigt wird, als Sachbearbeiter bezeichnet. Diese Bezeichnung wird auch in den Briefköpfen der Rechtssekretäre und in denen der Verwaltungsangestellten verwandt, wenn diese die Mitglieder der Beklagten in Fragen der Mitgliederbestandsverwaltung anschreiben.
Sie dient der Angabe des Ansprechpartners für die Adressaten der Schreiben.
Der Kläger ist der Ansicht, seine Tätigkeit entspreche den tatbestandlichen Voraussetzungen der VergGr. 6 Fallgr. 1 KV-VR, denn er sei Sachbearbeiter in einer Bezirksverwaltung. Mit Schreiben vom 26. Juli 1991 hat er den Anspruch auf Vergütung nach dieser Vergütungsgruppe ab dem 1. Januar 1989 geltend gemacht. Die Beklagte hat den Anspruch mit Schreiben vom 16. September 1991 zurückgewiesen. Mit seiner Feststellungsklage verfolgt der Kläger diesen Anspruch weiter.
Die in § 31 KV-AAB grundsätzlich vorgesehene Schlichtung haben die Parteien einvernehmlich nicht durchgeführt.
Der Kläger hat behauptet, die Organisation der in der Abteilung “Seeschiffahrt” erledigten Mitgliederbestandsverwaltung habe er nach seinen freien Vorstellungen zu gestalten gehabt. Formschreiben habe er selbst entworfen und den Bedürfnissen seiner Abteilung angepaßt. Er bearbeite das ihm übertragene Aufgabengebiet einschließlich der komplizierten Beitragsberechnung völlig flexibel, eigenständig und abschließend ohne fachliche Kontrolle durch einen Vorgesetzten. Die Broschüre “MIBEV” enthalte lediglich gewissen Leitlinien; sie löse nicht den Einzelfall.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, es handele sich bei seiner Tätigkeit um die eines Sachbearbeiters in einer Bezirksverwaltung im Sinne der VergGr. 6 Fallgr. 1 KV-VR. Er betreue ein bestimmtes Sachgebiet. Bei einem Sachgebiet handele es sich um einen Aufgabenkreis, der in seinem Umfang je nach Komplexität unterschiedlich sein könne. Die im einzelnen Sachgebiet zu erfüllenden Aufgaben könnten sich dabei sowohl auf Dienstleistungen als auch auf Verwaltungsaufgaben bestimmten Inhalts beziehen. Die Aufnahme des Tätigkeitsbilds Sachbearbeiter” sei gerade auf Initiative der damaligen Vertragsparteien und gerade auch in Anlehnung an die bereits existierende Beschreibung u. a. seines Arbeitsplatzes erfolgt.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm mit Wirkung ab dem 1. Januar 1989 Vergütung nach der Vergütungsgruppe 6 des Kollektiven Vertrages über die Vergütungsregelung für die Beschäftigten der Gewerkschaft ÖTV vom 15. April und 27. Juni 1983 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat eine flexible und selbständige Tätigkeit des Klägers in Abrede gestellt und behauptet, die Dienstaufsicht durch seinen Vorgesetzten sei zwar stark begrenzt, die Tätigkeit sei jedoch durch konkrete Regelungen (Dienstanweisungen/MIBEV) bestimmt. Für das Rechnungswesen und Mahnverfahren gebe es Musterschreiben. Es handele sich bei dem Aufgabengebiet des Klägers im wesentlichen um die Kumulierung von Routineaufgaben, die er auch nicht abschließend bearbeite. Der Schriftverkehr sei in Absprache mit dem Referatsleiter zu führen mit Ausnahme standardisierter Texte. Beitragsaktionen führe der Kläger nicht selbständig, sondern in Absprache mit dem Geschäftsführer der Abteilung Seeschiffahrt durch. Hinsichtlich der Ausübung seiner Tätigkeit sei der Kläger an detaillierte Vorgaben durch die zentrale Mitgliederverwaltung der Hauptverwaltung in Stuttgart gebunden. Die Beitragsberechnung sei in der Seeschiffahrt erheblich leichter als in den übrigen Wirtschaftszweigen, da der Beitrag im Heuertarifvertrag ausgewiesen sei.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, bei der Erledigung der Mitgliederbestandsverwaltung für einen bestimmten Wirtschaftszweig handele es sich nicht um ein Sachgebiet. In der Abteilung Seeschiffahrt gebe es keine Sachgebiete. Bei der Bezeichnung Sachbearbeiter handele es sich um eine Funktion, die dem Kläger nicht übertragen sei. In der gesamten Bezirksverwaltung gebe es nur eine Sachbearbeiterin, nämlich die Personalsachbearbeiterin.
Zudem betreffe die VergGr. 6 Fallgr. 1 den Sachbearbeiter in Bezirksverwaltungen oder der Hauptverwaltung; die Aufgaben des Klägers seien aber solche der Kreisverwaltung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Mit Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen.
I. Die Klage ist zulässig.
Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch außerhalb des öffentlichen Dienstes allgemein üblich ist und nach ständiger Rechtsprechung des Senats keinen prozeßrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. Senatsurteil vom 25. September 1991 – 4 AZR 87/91 – AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, zu I der Gründe, m.w.N.; Senatsurteile vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 –, – 4 AZR 382/92 –, – 4 AZR 383/92 – AP Nr. 2, 3, 4 zu § 12 AVR Caritasverband).
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. 6 KVVR zu. Er erfüllt nicht das Tatbestandsmerkmal des Sachbearbeiters in einer “Bezirksverwaltung” im Sinne der Fallgr. 1 dieser Vergütungsgruppe.
1. Die Vergütung des Klägers richtet sich nach dem KV-VR, der als Betriebsvereinbarung für das Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend gilt und den KV-AAB hinsichtlich der Vergütung der Beschäftigten der Beklagten ergänzt. Nach der Kündigung des KV-VR durch die Beklagte wirkte die Vergütungsregelung des § 2 – bis zu ihrer mittlerweile vereinbarten Wiederinkraftsetzung – gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nach (BAG Beschluß vom 28. April 1992 – 1 ABR 68/91 – AP Nr. 11 zu § 50 BetrVG 1972). Im übrigen haben die Parteien im Arbeitsvertrag die Geltung des KV-AAB und “der jeweils gültigen Vergütungsregelung” vereinbart.
2. Gemäß § 5 Abs. 1 KV-AAB richtet sich die Vergütung nach der Vergütungsregelung für Beschäftigte der Gewerkschaft ÖTV, also nach dem KV-VR. Dieser hat, soweit für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung, folgenden Wortlaut:
§ 1 Allgemeine Bestimmungen
(l) Die unter diese Vergütungsregelung fallenden Beschäftigten werden in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die den von ihnen ausgeübten Tätigkeiten oder Funktionen entspricht.
…
§ Tätigkeits- oder Funktionsmerkmale
…
Vergütungsgruppe 4
1) Beschäftigte mit selbständiger Tätigkeit,
zum Beispiel : |
Verwaltungsangestellte, Beschäftigte in Kantine, Vervielfältigung; |
Koch, Hausmeister in Bildungsstätten; |
2) Beschäftigte in der Datenerfassung oder Belegprüfung nach mindestens sechsjähriger Tätigkeit in der Vergütungsgruppe 3.
Vergütungsgruppe 5
1) Beschäftigte mit selbständiger Tätigkeit, die sich durch Vielseitigkeit und Schwierigkeit ihrer Aufgaben aus der Vergütungsgruppe 4 herausheben(*)
* Protokollnotiz
Selbständige organisatorische Vorbereitungen von Sitzungen, Versammlungen und anderen Veranstaltungen sowie selbständige Protokollführung entsprechen diesem Tätigkeitsmerkmal.
Vergütungsgruppe 6
1) Sachbearbeiter/in in Bezirksverwaltungen oder der Hauptverwaltung;
…
3. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. 6 KV-VR. Von den in dieser Vergütungsgruppe aufgeführten Tätigkeiten komme lediglich die in Ziff. 1 genannte eines “Sachbearbeiters in Bezirksverwaltungen oder der Hauptverwaltung” in Betracht; die in den weiteren Ziffern 2 bis 8 aufgezählten Tätigkeiten übe der Kläger unstreitig nicht aus. Das Merkmal einer Tätigkeit in der Bezirksverwaltung werde vom Kläger erfüllt. Der Umstand, daß es in H… keine Kreisverwaltung gebe, sei dafür ohne Bedeutung. Insofern sei der Wortlaut in VergGr. 6 KV-VR eindeutig. Diese organisatorische Besonderheit sei dem Normgeber bekannt gewesen. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, daß der Kläger als Sachbearbeiter im Sinne des KV-VR beschäftigt sei. Aus dem Wortlaut des Eingruppierungsmerkmals lasse sich kein eindeutiges Ergebnis gewinnen. Sachbearbeiter sei jemand, der ein bestimmtes Sachgebiet bearbeite. Der Begriff des Sachgebiets wiederum werde mit “Aufgabenbereich” oder “Stoff, den man zu bearbeiten hat”, definiert. Hierunter lasse sich letztlich jede Tätigkeit eines Angestellten fassen. Aus diesem Grund habe die Kammer eine Auskunft der Parteien des Kollektiven Vertrages eingeholt. Diese habe jedoch zu keinem Ergebnis im Sinne einer möglichen übereinstimmenden Vorstellung der Parteien von dem in VergGr. 6 Fallgr. 1 KV-VR zugrunde gelegten Begriff des Sachbearbeiters geführt. Eine Auslegung nach der Systematik des Kollektiven Vertrages führe jedenfalls nicht zu einem dem Kläger günstigen Ergebnis. Eine bestimmte Systematik, aus der sich für die Auslegung des Begriffs “Sachbearbeiter” entscheidend etwas gewinnen ließe, sei nicht erkennbar. Das gleiche gelte für den Zusammenhang der Vorschriften des KV-VR untereinander. Das Fehlen wenigstens im Wege der Auslegung festzustellender Kriterien müsse im Ergebnis dazu führen, daß die Klage abzuweisen sei.
4. Mit dieser Begründung hätte die Klage nicht abgewiesen werden dürfen. Der Sache nach belastet das Landesarbeitsgericht den Kläger mit der Beweislast für die Beantwortung einer Rechtsfrage, nämlich der Auslegung des Tatbestandsmerkmals “Sachbearbeiter”.
5. Die Abweisung der Klage erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig. Denn der Kläger erfüllt nicht die Anspruchsvoraussetzung des Sachbearbeiters in einer “Bezirksverwaltung” im Sinne des Eingruppierungsmerkmals der Fallgr. 1 der VergGr. 6 KV-VR. Es kann daher unentschieden bleiben, ob der Kläger “Sachbearbeiter” im Sinne dieses Eingruppierungsmerkmals ist.
5.1 Zwar führt die Organisationseinheit der Beklagten, in der der Kläger tätig ist, die Bezeichnung “Bezirksverwaltung”. Dies entspricht sowohl dem übereinstimmenden Parteivortrag als auch dem Inhalt der von ihnen vorgelegten Unterlagen und ist vom Landesarbeitsgericht zutreffend und für den Senat bindend (§ 561 ZPO) festgestellt.
5.2 Gleichwohl übt der Kläger bei zutreffender Auslegung des Eingruppierungsmerkmals nicht die Tätigkeit oder Funktion eines Sachbearbeiters in einer “Bezirksverwaltung” aus. Denn die Bezirksverwaltung H… hat nach § 22 Abs. 1 Satz 3 der Satzung der Beklagten in der auf dem Gewerkschaftstag vom 19. bis 21. September 1994 in Bremen beschlossenen Fassung, gültig ab 21. September 1994, “eine Doppelfunktion als Bezirks- und Kreisverwaltung”, und der Kläger ist in dieser Verwaltung mit Doppelfunktion mit Tätigkeiten befaßt, die in Verwaltungen der Beklagten mit nur einer Funktion in diesem Sinne satzungsgemäß den Kreisverwaltungen zugewiesen sind.
5.2.1 Nach § 21 Abs. l und 2 der Satzung ist die gesamte Mitgliederbetreuung bei der Beklagten Aufgabe der Kreisverwaltung. In H…- und B…- wird diese Aufgabe jeweils nur deshalb in der Bezirksverwaltung erledigt, weil es dort keine Kreisverwaltung(en) gibt.
Diesen tatsächlichen Verhältnissen, die – jedenfalls in H… – nach dem Vortrag der Parteien während des gesamten streitigen Anspruchszeitraums bestanden haben, trägt die auf dem Gewerkschaftstag der Beklagten vom l9. bis 21. September 1994 beschlossene Satzungsänderung Rechnung. Auf diesem ist in § 22 Abs. 1, der die “Bezirke” betrifft, folgender Satz neu eingefügt worden: “Die Bezirke B… und H… haben eine Doppelfunktion als Bezirks- und Kreisverwaltung. “Diese Bezirke weisen hinsichtlich Zuständigkeit und Organisation somit eine Besonderheit auf, die sie von denen der übrigen 14 Bezirke der Beklagten unterscheidet und die dem Gewerkschaftstag als in der Satzung klarstellungsbedürftig erschien. Der Kläger hat selbst nicht behauptet, in einem der – von B… abgesehen – übrigen 14 Bezirke werde die Mitgliederbestandsverwaltung in einer Bezirksverwaltung erledigt.
5.2.2 Für die Auslegung der Eingruppierungsmerkmale des KV-VR ist die Satzung der beklagten heranzuziehen. Diese regelt ihre Gliederung in Verwaltungseinheiten. Soweit sie den verschiedenen Hierarchieebenen unterschiedliche Aufgaben zuweist, ist es sachlich geboten, daß die Betriebspartner dem bei der Vergütungsregelung für die Beschäftigten Rechnung tragen. Dies ist auch geschehen. Die Betriebspartner haben sich in zahlreichen Eingruppierungsmerkmalen an dem satzungsgemäßen Aufbau der Verwaltung der Beklagten orientiert, indem sie in der für die in der Satzung geregelten Hierarchieebenen Kreisverwaltung, Bezirksverwaltung und Hauptverwaltung spezielle Eingruppierungsmerkmale vereinbart haben. Sie haben in der Protokollnotiz zur VergGr. 9 Fallgr. 1 des § 2 KV-VR ausdrücklich auf die Satzung verwiesen. Darüber hinaus haben sie besondere Eingruppierungsmerkmale für Funktionen vereinbart, die in der Satzung behandelt sind, etwa in VergGr. 14 Fallgr. 2 für den Sekretär des in § 23 der Satzung behandelten “geschäftsführenden Hauptvorstandes”.
5.2.3 Es würde dem Sinn des Eingruppierungsmerkmals der VergGr. 6 Fallgr. 1 KV-VR nicht gerecht, bei einer Verwaltungseinheit der Beklagten, die zwar die Bezeichnung “Bezirksverwaltung” führt, tatsächlich aber satzungsgemäß sowohl die Funktion einer Kreisverwaltung als auch die einer Bezirksverwaltung hat, alle Sachbearbeiter als “Sachbearbeiter” in Bezirksverwaltungen zu bewerten, unabhängig davon, ob sie kreis- oder bezirksverwaltungsspezifische Tätigkeiten ausüben.
5.2.4 Als Eingruppierungsmerkmal, ist die Begriffskombination “Sachbearbeiter/in in Bezirksverwaltungen” so auszulegen, daß sie als Merkmal für den Wert der Tätigkeit des Beschäftigten als Bemessungsgröße für seine Vergütung geeignet ist. Die Betriebspartner wollen – ebenso wie Tarifvertragsparteien – mit Eingruppierungsregelungen die Tätigkeit des Arbeitnehmers bewerten und für sie die der jeweiligen Bewertung entsprechende Vergütung bestimmen. Auch wenn sie dies mit Hilfe der Dienststelle tun, in der die Tätigkeit ausgeübt wird, haben sie damit doch die sich bei der Arbeit in dieser Dienststelle gestellten besonderen Anforderungen oder eine hierfür benötigte besondere Qualifikation im Auge. Es erscheint ausgeschlossen, daß die Betriebspartner eine rein räumliche oder organisatorische Zuordnung eines Arbeitsplatzes zu einer bestimmten Dienststelle oder Abteilung zu einem tariflichen Eingruppierungsmerkmal erheben wollen, welches zu einem höheren Entgelt führt (Urteil des Senats vom 10. Februar 1982 – 4 AZR 464/79 – AP Nr. 3 zu § 22 MTB II SV 2a; vgl. auch Urteil des Senats vom 25. August 1993 – 4 AZR 566/92 – AP Nr. 10 zu § 21 MTB II = ZTR 1994, 242; Urteil des Senats vom 23. November 1994 – 4 AZR 885/93 – AP Nr. 12 zu § 21 MTB II). Die Auslegung des Eingruppierungsmerkmals “Sachbearbeiter/in in Bezirksverwaltungen oder der Hauptverwaltung” muß daher verständlich machen, weshalb der Sachtbearbeiter in einer Bezirksverwaltung und der jenige in der Hauptverwaltung anders, und zwar höher vergütet werden als der in dem Eingruppierungsmerkmal nicht aufgeführte Sachbearbeiter in einer Kreisverwaltung.
5.2.5 Tätigkeitsbezogen ist die höhere Vergütung der Sachbearbeiter in Bezirksverwaltungen und in der Hauptverwaltung im Vergleich zu derjenigen in der Kreisverwaltung nur damit zu begründen, daß die Betriebspartner die in einer Bezirksverwaltung oder der Hauptverwaltung ausgeübte Sachbearbeitertätigkeit für höherwertig halten als die des Sachbearbeiters in einer Kreisverwaltung. Dies setzt voraus, daß in den verschiedenen Verwaltungsstufen der Organisation der Beklagten unterschiedliche Sachbearbeitertätigkeiten anfallen, es also kreisverwaltungs-, bezirksverwaltungs- und hauptverwaltungsspezifische Tätigkeiten gibt. Dies ist der Fall, wie sich aus den Vorschriften der §§ 21, 22 und 23 der Satzung, die die Verteilung der Aufgaben auf Kreise, Bezirke und Hauptvorstand regeln, ergibt.
5.2.6 Übt ein Beschäftigter in einer Bezirksverwaltung eine Sachbearbeitertätigkeit aus, entspricht diese nach dem Willen der Betriebspartner grundsätzlich den Anforderungen des Eingruppierungsmerkmals der VergGr. 6 Fallgr. 1 KV-VR. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn der Beschäftigte in einer “Bezirksverwaltung” mit Doppelfunktion – Bezirks- und Kreisverwaltung – tätig ist und dort eine Tätigkeit ausübt, die nach der vorgegebenen und auch praktizierten Organisationsstruktur der Beklagten in Verwaltungen ohne Doppelfunktion eindeutig der Kreisverwaltung zugewiesen ist. Eingruppierungsrechtlich ist er in diesem Fall kein Sachbearbeiter in einer “Bezirksverwaltung” im Sinne des Eingruppierungsmerkmals der VergGr. 6 Fallgr. 1 KV-VR.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schaub, Schneider, Bott, Konow, J. Ratayczak
Fundstellen