Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergangsregelung zur Eingruppierung von Rettungsassistenten. Zur Eingruppierung eines Rettungsassistenten in einer Zentralen Leitstelle i.S. des § 6 des Hessischen Rettungsdienstgesetzes vgl. Urteil des Senats vom 12. Juni 1996 – 4 AZR 1025/94 – AP Nr. 212 zu §§ 22, 23 BAT 1975 = ZTR 1997, 29

 

Leitsatz (amtlich)

Rettungssanitäter im Sinne der Übergangsvorschrift des § 3 Ziff. 3 Unterabs. 2 des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1a zum BAT (Rettungssanitäter, Rettungsassistenten) vom 30. September 1992 sind nur diejenigen Personen, die die Ausbildungsvoraussetzungen des § 13 RettAssG – in Kraft getreten am 1. September 1989 – erfüllen, also vor Inkrafttreten des RettAssG entweder eine Ausbildung als Rettungssanitäter nach dem 520-Stunden-Programm erfolgreich abgeschlossen haben oder nach landesrechtlichen Vorschriften den Absolventen einer Ausbildung nach diesem Programm gleichgestellt worden sind.

 

Normenkette

Tarifvertrag zur Änderung der Anl. 1a zum BAT (Rettungssanitäter, Rettungsassistenten) vom 30. September 1992 VergGr. VIb Fallgr. 3 BAT/VKA sowie § 3 Ziff. 3 Unterabs. 2 (Übergangsvorschriften) dieses Tarifvertrages; Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten (Rettungsassistentengesetz-RettAssG) vom 10. Juli 1989 (BGBl I S. 1384) § 13

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 29.03.1995; Aktenzeichen 7 Sa 1253/94)

ArbG Aachen (Urteil vom 14.06.1994; Aktenzeichen 1 Ca 126/94)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die tarifgerichte Vergütung des Klägers.

Der am 28. September 1952 geborene Kläger trat am 1. November 1980 als “Sanitäter und Krankenwagenfahrer beim Rettungsdienst” in die Dienste des Beklagten und war von Beginn des Arbeitsverhältnisses an bei diesem als Rettungssanitäter tätig. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtete sich zunächst nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 15. Januar 1981, nach dessen § 2 die Geltung der Arbeitsbedingungen des Beklagten vereinbart war. Seit dem 1. Januar 1986 steht der Kläger beim Beklagten im Angestelltenverhältnis, für das die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vereinbart ist, wobei die Parteien von der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung ausgehen. Seit diesem Zeitpunkt erhielt der Kläger Vergütung nach der VergGr. VII BAT. Ab dem 1. März 1997 wird er nach der VergGr. VIb BAT vergütet.

Bis zum 31. August 1989 gab es keine gesetzliche Regelung für das Berufsbild des nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals. Der Bund/Länder-Ausschuß “Rettungswesen” hat am 20. September 1977 “Grundsätze zur Ausbildung des Personals im Rettungsdienst” (520-Stunden-Programm) beschlossen. Danach waren für den staatlich nicht anerkannten Beruf des Rettungssanitäters eine 520-Stunden umfassende Ausbildung und eine Abschlußprüfung vorgesehen. Über diese erfolgreich abgeschlossene Ausbildung verfügt der Kläger seit dem 15. Dezember 1989, nachdem er vorher eine “260-Stunden-Sanitäterausbildung” erhalten hat.

Am 1. September 1989 trat das Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten (Rettungsassistentengesetz-RettAssG) vom 10. Juli 1989 (BGBl I S. 1384) in Kraft. Seit diesem Zeitpunkt ist der Beruf “Rettungsassistentin/Rettungsassistent” ein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf. Dem Kläger ist am 10. Juni 1992 die Erlaubnis erteilt worden, die Berufsbezeichnung “Rettungsassistent” zu führen.

Am 1. Oktober 1992 trat der Tarifvertrag zur Änderung der Anl. 1a zum BAT (Rettungssanitäter, Rettungsassistenten) vom 30. September 1992 in Kraft, durch den besondere Tätigkeitsmerkmale für Rettungssanitäter und Rettungsassistenten eingeführt wurden. Im März 1993 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten geltend, ihm stehe ein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. VIb BAT zu. Der Beklagte fand sich zur Zahlung der geforderten Vergütung an den Kläger nicht bereit. Mit seiner am 17. Februar 1994 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangenen Klage hat der Kläger die Feststellung erstrebt, daß er ab 1. Oktober 1992 nach der VergGr. VIb BAT zu vergüten ist. Diesen Antrag hat er im Revisionsverfahren auf die Zeit bis zum 28. Februar 1997 beschränkt, da er ab 1. März 1997 Vergütung nach der VergGr. VIb BAT erhält.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Übergangsvorschrift des § 3 Ziff. 3 Unterabs. 2 des Tarifvertrages vom 30. September 1992 unterscheide bezüglich der vor der Anerkennung als Rettungsassistent in derselben Tätigkeit als Rettungssanitäter zurückgelegten Zeit nicht zwischen Rettungssanitätern mit einer Ausbildung nach dem sog. 520-Stunden-Programm und solchen mit geringerer Ausbildungsdauer. Im Tarifwortlaut finde sich keinerlei Hinweis auf das sog. 520-Stunden-Programm. Es habe Länder gegeben, die zur Anerkennung der Berufsbezeichnung “Rettungssanitäter” gerade nicht die 520-Stunden-Ausbildung verlangt hätten. Wenn zwischen den unterschiedlichen Ausbildungen hätte differenziert werden sollen, hätte dies im Tarifvertrag eindeutig zum Ausdruck gebracht werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, seien alle Rettungssanitäter betroffen. Im übrigen habe er gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen besessen und in der Praxis exakt das leisten müssen und auch geleistet, was heute von einem Rettungsassistenten verlangt werde.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihn rückwirkend zum 1. Oktober 1992 nach der Vergütungsgruppe VIb BAT einzugruppieren und zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und geltend gemacht, unter Rettungssanitätern im Sinne der tariflichen Regelungen seien nur Angestellte zu verstehen, die nach den vom Bund/Länder-Ausschuß “Rettungswesen” am 20. September 1977 beschlossenen “Grundsätzen zur Ausbildung des Personals im Rettungsdienst” (520-Stunden-Programm) ausgebildet oder die vor dem 1. September 1989 nach landesrechtlichen Vorschriften den Absolventen einer Rettungssanitäterausbildung nach dem 520-Stunden-Programm gleichgestellt worden seien. Dies ergebe sich aus der Bekanntmachung des Bundesministers des Inneren vom 25. Juni 1993 (GMBl 1993 S. 453). Der Kläger habe aber – unstreitig – zunächst nur eine 260-Stunden-Sanitäterausbildung gehabt und die 520-Stunden-Ausbildung erst am 15. Dezember 1989 absolviert.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und den Beklagten verpflichtet, den Kläger ab 1. Oktober 1992 nach der VergGr. VIb BAT zu vergüten. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte – der Sache nach – die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision für die Zeit bis zum 28. Februar 1997.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils. Dem Kläger steht bis zum 28. Februar 1997 gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. VIb BAT/VKA zu.

I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich bei ihr nach der zutreffenden Auslegung des Landesarbeitsgerichts um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch außerhalb des öffentlichen Dienstes allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (z. B. Senatsurteile vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 –, – 4 AZR 382/92 – und – 4 AZR 383/92 – AP Nr. 2, 3, 4 zu § 12 AVR Caritasverband; vgl. auch Urteil des Senats vom 28. März 1990 – 4 AZR 619/89 – AP Nr. 26 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer). Dies gilt auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall der Feststellungsantrag auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beschränkt ist. Mit dem begehrten Feststellungsurteil wird nämlich für die Vergangenheit der Status des Klägers bestimmt, der über die für den streitbefangenen Zeitraum zu leistende Vergütung hinaus auch für die Zukunft Bedeutung haben kann, etwa bei der Anrechnung von Beschäftigungszeiten (Senatsurteile vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 10. März 1993 – 4 AZR 204/92 –, n.v., zu II 1 der Gründe; Urteil vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 47/93 – AP Nr. 173 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

II. Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat bis zum 28. Februar 1997 nicht die Voraussetzung der in VergGr. VIb Fallgr. 3 BAT/VKA geforderten sechsjährigen Bewährung in VergGr. VII Fallgr. 1 BAT/VKA nach der nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des § 3 Ziff. 3 Unterabs. 2 erfüllt.

1. Es kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß dem Arbeitsverhältnis der Parteien ab 1. Januar 1986 einer der im öffentlichen Dienst üblichen Formulararbeitsverträge zugrunde liegt, in dem zwar die Eingruppierung des Angestellten in eine bestimmte Vergütungsgruppe geregelt, andererseits aber umfassend auf den BAT und den diesen ändernden und ergänzenden Tarifverträgen verwiesen worden ist. Dann steht die Nennung der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag dem Anspruch des Angestellten auf Vergütung nach einer höheren Vergütungsgruppe bei Erfüllung der dafür vom Tarifvertrag aufgestellten Anspruchsvoraussetzungen nicht im Wege. Denn einer solchen Vertragsbestimmung kommt nur die Bedeutung zu, festzulegen, welche Vergütungsgruppe die Parteien einmal als zutreffend angesehen haben (BAG Urteile vom 12. Dezember 1990 – 4 AZR 306/90 – AP Nr. 1 zu § 12 AVR Diakonisches Werk = EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 4 = ZTR 1991, 199; vom 25. Oktober 1995 – 4 AZR 495/94 – AP Nr. 21 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter). Auch der Beklagte verteidigt sich gegenüber dem Klageanspruch nicht damit, dieser sei schon kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung ausgeschlossen.

2. Auf das Arbeitsverhältnis finden, wovon die Parteien übereinstimmend ausgehen, kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) mit den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung, und zwar nach den von den Parteien vorgelegten Texten die für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände geltende Fassung.

3. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt damit davon ab, ob mindestens die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihm für sich in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe VIb BAT/VKA “Rettungssanitäter, Rettungsassistenten” entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT/VKA).

Weder das Arbeitsgericht noch das Landesarbeitsgericht haben Arbeitsvorgänge gebildet. Außer dem unstreitigen Umstand, daß der Kläger seit Beginn des Arbeitsverhältnisses beim Beklagten als “Rettungssanitäter”, seit dem 10. Juni 1992 als “Rettungsassistent” tätig ist, haben die Parteien zur Tätigkeit des Klägers keine weiteren Tatsachen vorgetragen. Der Senat, der in seinem Urteil vom 12. Juni 1996 (– 4 AZR 1025/94 – AP Nr. 212 zu §§ 22, 23 BAT 1975 = ZTR 1997, 29) angenommen hat, die Tätigkeit als Rettungsassistent in einer Zentralen Leitstelle im Sinne des § 6 des Hessischen Rettungsdienstgesetzes sei als ein großer Arbeitsvorgang anzusehen, vermag angesichts des Fehlens jeglicher Feststellungen der Vorinstanzen zu der Tätigkeit des Klägers dessen Arbeitsvorgänge nicht selbst zu bestimmen.

Auf diese kommt es aber letztlich nicht an. Denn die Klage ist bei jedem denkbaren Zuschnitt der Arbeitsvorgänge des Klägers unbegründet.

4. Für die Eingruppierung des Klägers sind die speziellen Tätigkeitsmerkmale für Rettungssanitäter, Rettungsassistenten des Tarifvertrages zur Änderung der Anl. 1a zum BAT vom 30. September 1992 maßgebend. Diese haben, soweit sie für den Rechtsstreit von Bedeutung sind, folgenden Wortlaut:

Rettungssanitäter, Rettungsassistenten

Vergütungsgruppe VIII

Rettungssanitäter mit entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

Vergütungsgruppe VII

  • Rettungsassistenten mit entsprechender Tätigkeit.
  • Rettungssanitäter mit entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, nach dreijähriger Bewährung in Vergütungsgruppe VIII.

Vergütungsgruppe VIb

3. Rettungsassistenten mit entsprechender Tätigkeit nach sechsjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1.1

(Hierzu Protokollerklärung Nr. 1)

Protokollerklärungen:

1. Zeiten einer entsprechenden Tätigkeit außerhalb des Geltungsbereichs dieses Tarifvertrages können auf die Bewährungszeit und auf die Zeit der Tätigkeit ganz oder teilweise angerechnet werden, sofern sie anzurechnen wären, wenn sie im Geltungsbereich dieses Tarifvertrages zurückgelegt worden wären.

§ 3

Übergangsvorschriften

Für die Angestellten, die am 30. September 1992 in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, das am 1. Oktober 1992 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat, gilt für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses folgendes:

3. Auf die in diesem Tarifvertrag

a) in den Tätigkeitsmerkmalen für Rettungsassistenten der Vergütungsgruppen VIb Fallgruppe 3, Vc Fallgruppen 2 und 3, Vb Fallgruppe 2 und IVb geforderte Zeit einer Bewährung und

b) in der Fußnote zu der Vergütungsgruppe VIb geforderte Zeit einer Tätigkeit

wird die vor dem 1. Oktober 1992 als Rettungsassistent zurückgelegte Zeit so angerechnet, wie sie anzurechnen wäre, wenn dieser Tarifvertrag bereits seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses gegolten hätte.

Unterabsatz 1 gilt für die vor der Anerkennung als Rettungsassistent in derselben Tätigkeit als Rettungssanitäter zurückgelegte Zeit mit der Maßgabe entsprechend, daß die sich ergebende Zeit zur Hälfte angerechnet wird.

Die Fußnote 1 zur Vergütungsgruppe VIb Fallgr. 3 BAT/VKA ist für den Streitfall nicht von Bedeutung.

5. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Übergangsvorschrift des § 3 Ziff. 3 Unterabs. 2 sei nicht zu entnehmen, daß zum Begriff des Rettungssanitäters eine Ausbildung von 520 Stunden gehöre. Dies könne daher nicht als Regelungsinhalt angenommen werden. In der Praxis, die den Tarifvertragsparteien am 30. September 1992 vorgelegen habe, seien, wie das Beispiel des Klägers zeige, Angestellte auch nach kürzerer Ausbildung als Rettungssanitäter angesehen und eingesetzt worden. Die vom Kläger vom 1. November 1980 bis 9. Juni 1992 zurückgelegte Zeit sei damit nach der Übergangsvorschrift des § 3 Ziff. 3 Unterabs. 2 zur Hälfte auf die Bewährungszeit anzurechnen. Zusammen mit der Zeit der Tätigkeit des Klägers als Rettungsassistent ab 10. Juni 1992 habe der Kläger am 1. Oktober 1992 die Voraussetzung der sechsjährigen Bewährung erfüllt.

6. Dem folgt der Senat nicht. Aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages vom 30. September 1992 ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, daß die Tarifvertragsparteien unter “Rettungssanitäter” im Sinne der zum 1. Oktober 1992 neu eingefügten speziellen Eingruppierungsmerkmale den Personenkreis des § 13 RettAssG verstehen, also Rettungssanitäter mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung nach dem 520-Stunden-Programm (Abs. 1) oder ihnen vor Inkrafttreten des RettAssG nach landesrechtlichen Vorschriften gleichgestellte Personen (Abs. 2).

6.1 Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut jedoch nicht eindeutig ist, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. z. B. Senatsurteil vom 21. Juli 1993 – 4 AZR 468/92 – BAGE 73, 364 = AP Nr. 144 zu § 1 TVG Auslegung).

6.2 Die Übergangsregelung des § 3 Ziff. 3 Unterabs. 2 gilt nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur für “Rettungssanitäter”, also nicht für sonstige Angestellte in der Tätigkeit von Rettungssanitätern. Sie erfordert daher die Ausbildung des Angestellten zum Rettungssanitäter und deren erfolgreichen Abschluß. Darüber besteht zwischen den Parteien auch kein Streit. Unterschiedlicher Auffassung hingegen sind die Parteien darüber, wie diese Ausbildung beschaffen sein muß.

6.3 Unter Rettungssanitäter verstehen die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften regelmäßig im Rettungsdienst tätige Personen mit der Ausbildung nach dem 520-Stunden-Programm, die sich inhaltlich orientiert an den “Grundsätzen zur Ausbildung des Personals” im Rettungsdienst (Bund/Länder-Ausschuß “Rettungswesen” vom 20. September 1977).

6.3.1 Zwar heißt es in diesen einleitend, da die Ausbildung nach dem 520-Stunden-Programm noch nicht die Gesamtanforderungen erfülle, die an Rettungssanitäter gestellt würden, solle zunächst der Begriff “Personal im Rettungsdienst” gewählt werden. Gleichwohl werden in den gesetzlichen Vorschriften nach dem 520-Stunden-Programm ausgebildete, im Rettungsdienst arbeitende Personen als “Rettungssanitäter” bezeichnet. In den Blättern zur Berufskunde ist der Begriff “Rettungssanitäter” in einer Fußnote wie folgt erläutert (Blätter zur Berufskunde, Rettungsassistent/Rettungsassistentin, Bd. 2-II A 34, 2. Aufl. 1993, S. 6):

Die Ausbildung zum Rettungssanitäter ist eine auf der Basis landesrechtlicher Vorschriften geregelter Kurzausbildung (520 Stunden), die sich inhaltlich orientiert an den “Grundsätzen zur Ausbildung des Personals im Rettungsdienst” (Bund-Länder-Ausschuß Rettungswesen vom 20. September 1977). Die Ausbildung wird seit Bestehen des Berufs “Rettungsassistent” insbesondere für den ehrenamtlichen Bereich durchgeführt ….

Der Begriff Rettungsassistent wird in den Blättern zur Berufskunde (aaO) abgegrenzt von dem des Rettungshelfers/Rettungsdiensthelfers. Dies ist die

Tätigkeitsbezeichnung für Fachkräfte mit einer festgelegten Teilausbildung (240 Stunden), insbesondere für ehrenamtliche Mitarbeiter vorgesehene Qualifizierungsmöglichkeit unterhalb der Ausbildung zum “Rettungssanitäter”.

6.3.2 Die einschlägigen landesgesetzlichen Regelungen bestätigen, daß für die Tätigkeit des Rettungssanitäters regelmäßig der erfolgreiche Abschluß einer Ausbildung nach dem 520-Stunden-Programm gefordert wurde und wird. Nach der Verordnung über die Tätigkeit als Rettungssanitäter (RSanV) des Landes Bayern vom 26. Oktober 1978 (GVBl S. 780) umfaßt die Ausbildung zum Rettungssanitäter eine Mindestdauer von 520 Stunden (§ 2 Abs. 3 RSanV). Dieselbe Ausbildungsdauer wurde – vor Inkrafttreten des RettAssG – in Hessen nach Ziff. 1 der Vorschriften über die Ausbildung und Prüfung von Rettungssanitätern (Erlaß des Hess. Sozialministeriums vom 11. Februar 1988, StAnz S. 574) gefordert; an ihr wird auch nach Inkrafttreten des RettAssG in § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitätern vom 27. Januar 1992 (StAnz 7/1992 S. 448) festgehalten. Diese Ausbildungsdauer ergibt sich auch, um ein letztes Beispiel zu nennen, aus § 4 Abs. 1 der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter (APVO-RettSan) des Landes Niedersachsen vom 7. Dezember 1993 (Nds GVBl S. 591), wenn man die für die vier darin genannten Ausbildungsabschnitte jeweils einzeln genannten Ausbildungszeiten addiert. Alle diese Regelungen lassen von der erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung nach dem 520-Stunden-Programm unter unterschiedlichen Voraussetzungen Ausnahmen bei Gleichwertigkeit einer anderen Ausbildung zu (vgl. z.B. § 19 APVO-RettSan, § 5 RSanV).

6.3.3 Auf diesen Regelungen basiert die Übergangsvorschrift des § 13 RettAssG. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 erhalten Antragsteller, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Ausbildung als Rettungssanitäter nach dem 520-Stunden-Programm erfolgreich abgeschlossen oder mit einer solchen Ausbildung begonnen und diese nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erfolgreich abgeschlossen haben, eine Erlaubnis nach § 1, wenn sie eine mindestens 2000 Stunden umfassende Tätigkeit im Rettungsdienst abgeleistet haben und die in der Vorschrift weiter genannten Voraussetzungen vorliegen. Diese Regelung gilt nach § 13 Abs. 2 RettAssG entsprechend für Antragsteller, die vor Inkraftreten dieses Gesetzes nach landesrechtlichen Vorschriften den Absolventen einer Ausbildung nach dem 520-Stunden-Programm gleichgestellt worden sind. Nach dem Erlaß des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. November 1990 – V C 6 – 0717.1 – ist “im Lande Nordrhein-Westfalen … eine entsprechende landesrechtliche Vorschrift nicht erlassen worden”.

6.4 Der Anerkennung des Ausbildungsberufs der Rettungsassistentin/des Rettungsassistenten durch das RettAssG ab 1. September 1989 haben die Tarifvertragsparteien durch den Tarifvertrag zur Änderung der Anl. 1a zum BAT (Rettungssanitäter, Rettungsassistenten) vom 30. September 1992 Rechnung getragen. Es kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, daß sie unter dem Begriff des “Rettungsassistenten” Angestellte verstehen, die über die Erlaubnis zur Führung dieser Berufsbezeichnung nach § 1 RettAssG verfügen. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, daß die Tarifvertragsparteien gesetzlich geschützte Berufsbezeichnungen im gesetzlichen Bedeutungsumfang verwenden (Urteil vom 20. April 1983 – 4 AZR 416/80 – AP Nr. 72 zu §§ 22, 23 BAT 1975; jüngst Urteil des Senats vom 5. März 1997 – 4 AZR 392/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Wenn im Zusammenhang damit die Tarifvertragsparteien den Begriff des Rettungssanitäters – neben dem des gesetzlich geschützten des “Rettungsassistenten” – erstmals in ihr Eingruppierungsrecht einfügen, den der Bundesgesetzgeber in den Übergangsvorschriften des § 13 RettAssG ebenfalls nennt und dessen Ausbildung, soll diese für die Führung der Berufsbezeichnung Rettungsassistentin oder Rettungsassistent anerkannt werden, dahin beschreibt, er müsse nach dem 520-Stunden-Programm ausgebildet oder bei anderer Ausbildung den Absolventen dieser Ausbildung gleichgestellt sein, spricht dies ebenfalls dafür, daß sie – mangels davon abweichender ausdrücklicher Bestimmung – unter Rettungssanitäter denjenigen Personenkreis verstehen, der die Voraussetzungen dieser Norm erfüllt (ebenso Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Dezember 1996, Teil II VKA, Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Anm. 1 D; Hofmann, Das Tarifrecht im öffentlichen Dienst – Eingruppierung von A – Z. Stand Dezember 1996, R 80 IV, S. 8).

7. Folglich kann erst die Tätigkeit des Klägers nach dem erfolgreichen Abschluß der 520-Stunden-Ausbildung am 15. Dezember 1989 gemäß der Übergangsvorschrift des § 3 Ziff. 3 Unterabs. 2 zur Hälfte auf die sechsjährige Bewährungszeit der VergGr. VIb Fallgr. 3 BAT/VKA angerechnet werden.

Bis zum 9. Juni 1992 – dem Tag vor Erteilung der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung “Rettungsassistent” – sind dies 29 Monate und 25 Tage. Die Hälfte davon ergibt 14 Monate und 27 (volle) Tage. Die sechsjährige Bewährungszeit des Klägers ist daher nach weiteren 57 Monaten und 3 Tagen abgelaufen. Damit endet sie am 12. März 1997. Nach § 27 B Abs. 2 BAT erhält er die Vergütung nach dieser Vergütungsgruppe vom Beginn des Monats, in dem die Höhergruppierung wirksam wird, mithin ab 1. März 1997. Die Berechnung des Beklagten ist folglich zutreffend. Die auf die Zeit bis zum 28. Februar 1997 beschränkte Klage ist damit unbegründet.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Schneider, Bott, Konow, J. Ratayczak

 

Fundstellen

Dokument-Index HI884901

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