Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf tariflichen Zusatzurlaub im Öffentlicher Dienst
Orientierungssatz
Nach § 48a Abs 3 MTB 2 werden nur die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit in der Zeit zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr dienstplanmäßig bzw betriebsüblich geleisteten Arbeitsstunden berücksichtigt (§ 48a Abs 6 Satz 1 MTB 2). Damit bleiben dienstplanmäßig außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleistete Arbeitsstunden für die Ermittlung des Zusatzurlaubs außer Betracht.
Normenkette
MTB § 15; BUrlG § 13; MTB 2 § 15; MTB § 48a; MTB 2 § 48a
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 14.03.1989; Aktenzeichen 3 Sa 1229/88) |
ArbG Bonn (Entscheidung vom 15.09.1988; Aktenzeichen 5 Ca 1075/88) |
Tatbestand
Der 1933 geborene Kläger ist seit August 1959 im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung als Kraftfahrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis sind kraft Vereinbarung der "Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes vom 27. Februar 1964" (MTB II) und der "Tarifvertrag für die Kraftfahrer des Bundes vom 5. April 1965" (Kraftfahrer-TV) in ihrer jeweiligen Fassung anzuwenden.
Die Arbeitszeit in der Dienststelle des Klägers ist von Montag bis Donnerstag einer Woche jeweils auf 8.00 Uhr bis 16.45 Uhr und freitags von 8.00 Uhr bis 15.30 Uhr festgelegt. Diese Arbeitszeit des Klägers wurde im Jahre 1987 regelmäßig überschritten, wobei insgesamt sechs Stunden und 30 Minuten in der Zeit von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr anfielen. Nach dem Dienstplan für Kraftfahrer wurde der Kläger darüber hinaus an sechs Wochen und zwei Tagen zu Spätdiensten herangezogen, die um die Mittagszeit beginnen und mit Erledigung der Fahraufträge enden. Während dieser Dienste entfielen 48 Stunden und 15 Minuten auf die Zeit zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr. Schließlich leistete der Kläger drei Nachtdienste als Fahrer für den Offizier vom Bereitschaftsdienst (OvB), die jeweils sieben Tage lang um 19.30 Uhr begannen und um 7.30 Uhr endeten. In dieser Zeit fielen 189 Arbeitsstunden in der Zeit zwischen 21.00 und 6.00 Uhr an, von denen montags bis freitags 97,5 Stunden abgeleistet wurden.
Der Kläger meint, aufgrund im Jahre 1987 insgesamt geleisteter 243 3/4 Nachtarbeitsstunden zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr stehe ihm ein Anspruch auf zwei Tage Zusatzurlaub zu. Dieser werde den Kraftfahrern im Geschäftsbereich anderer Bundesministerien gewährt.
Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß die Beklagte ihm für das Jahr 1987 im Jahre 1988 zwei Tage Zusatzurlaub nach § 48 a MTB II zu gewähren hat. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält nur 97 1/2 Nachtarbeitsstunden des Klägers für berücksichtigungsfähig zur Ermittlung des Zusatzurlaubs und somit die Anspruchsvoraussetzungen des § 48 a MTB II für nicht gegeben.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet, da das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen hat. Der Kläger hat für das Jahr 1987 keinen Anspruch auf Zusatzurlaub.
I. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß dem Kläger Zusatzurlaub wegen im Jahre 1987 geleisteter Wechselschichtarbeit nicht zusteht (§ 48 a Abs. 1 Unterabs. 1 MTB II).
1. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger nicht in Wechselschicht gearbeitet. Der Klammerzusatz in § 48 a Abs. 1 Unterabs. 1 MTB II stellt klar, daß der Begriff "Wechselschicht" im Sinne des § 15 Abs. 8 Unterabs. 6 Satz 2 MTB II zu verstehen ist. Wechselschichten sind demnach wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Zwar sind in der Dienststelle des Klägers ersichtlich Wechselschichten eingerichtet, denn durch die Aufnahme von allgemeinem Dienst, Spätdienst und OvB-Nachtdienst in den Dienstplan soll sichergestellt werden, daß rund um die Uhr Kraftfahrer zur Verfügung stehen. Allerdings führt die Einrichtung dieser Schichten nicht zu Wechselschichtarbeit für den Kläger. Diese setzt vielmehr einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit voraus. Daran mangelt es, da der Kläger lediglich in den Monaten Februar, März, Juni, Juli, September und Oktober 1987 Spätdienst an wenigstens fünf Tagen und im Januar, März und September/Oktober je siebentägigen Nachtdienst verrichtet hat. Es ist somit nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht den regelmäßigen Wechsel der Arbeitszeit im Dienstplan verneint hat.
2. Überdies hat der Kläger unstreitig nicht im Urlaubsjahr in je fünf Wochen durchschnittlich mindestens vierzig Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen Nachtschicht geleistet. Als dienstplanmäßige Nachtschicht kommen nur die drei OvB-Nachtdienste in Betracht. Somit scheidet § 48 a Abs. 1 MTB II als Anspruchsgrundlage aus.
II. Auch nach § 48 a Abs. 3 MTB II ist ein Anspruch des Klägers nicht gegeben.
1. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger leiste weder Schichtarbeit noch beginne oder beende er seine Arbeit zu erheblich unterschiedlichen Zeiten. Letzteres ergebe sich daraus, daß ein häufiger unregelmäßiger Wechsel mit Abweichungen von mindestens drei Stunden schon deshalb nicht anzunehmen sei, weil die zeitliche Lage des Spät- und OvB-Nachtdienstes bei der Beklagten im Dienstplan geregelt sei.
2. a) Das Landesarbeitsgericht mißversteht zwar damit die Bedeutung des Erfordernisses unregelmäßigen Wechsels im Klammerzusatz des § 48 a Abs. 3 MTB II. Die Vorschrift erfaßt nicht etwa einen ungeregelten, also im Dienstplan nicht vorgesehenen Wechsel der Arbeitszeit, sondern erweitert den Kreis der Anspruchsberechtigten auf solche Personen, bei denen der Dienstplan den Schichtwechsel nicht in einem Rhythmus von längstens einem Monat vorsieht (§ 15 Abs. 8 Unterabs. 7 MTB II). Hierauf kommt es aber nicht an.
b) Nach § 48 a Abs. 3 MTB II werden nämlich nur die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit in der Zeit zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich geleisteten Arbeitsstunden berücksichtigt (§ 48 a Abs. 6 Satz 1 MTB II). Damit bleiben dienstplanmäßig außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleistete Arbeitsstunden für die Ermittlung des Zusatzurlaubs außer Betracht.
3. a) Die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers betrug im Jahre 1987 40 Stunden pro Woche (§ 15 Abs. 1 Satz 1 MTB II). Diese Arbeitszeit wurde, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, auch nicht gemäß § 15 Abs. 2 MTB II verlängert. Der Kläger hat keine Tatsache vorgetragen, wann die Beklagte die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers in welchem Umfang verlängert hat.
b) Der Kläger hat nicht dargelegt, in welchem Umfang die regelmäßige Arbeitszeit verlängert worden sein soll. Soweit die Revision je nach der jeweiligen Dauer der tatsächlichen Arbeitszeit eine Verlängerung auf bis zu zehn bzw. zwölf Stunden pro Tag durch die Dienstplangestaltung annimmt, verkennt sie, daß die Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit nur bei Vorliegen bestimmter in § 15 Abs. 2 MTB II geregelter Voraussetzungen zulässig ist. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Kläger nichts vorgetragen. Soweit er im Einzelfall gar eine Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit auf zwölf Stunden täglich annehmen will und sich insoweit auf § 15 Abs. 2 Buchst. c MTB II bezieht, verkennt er, daß ihm in diesem Falle ein Zusatzurlaub auf der Grundlage von § 48 a Abs. 3 und 4 MTB II schon deshalb nicht zusteht, weil § 48 a Abs. 6 Satz 2 MTB II dies ausdrücklich ausschließt.
c) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß kein Verhalten der Beklagten erkennbar ist, dem ein rechtserheblicher Wille zur Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit entnommen werden kann. Daß es sich bei der insoweit allein in Betracht kommenden tatsächlichen Inanspruchnahme des Klägers von mehr als 40 Arbeitsstunden pro Woche nicht um eine Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit handelt, ergibt sich aus der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 2 Kraftfahrer-TV. Dort ist bestimmt, daß die regelmäßige Arbeitszeit des Fahrers nach § 15 Abs. 1 MTB II durch Ausschöpfen der höchstzulässigen Arbeitszeit von inzwischen 267 Stunden im Monat gerade nicht berührt wird. Diese Protokollnotiz ist durch Aufnahme in den Kraftfahrer-TV in der Fassung vom 5. April 1965 Tarifbestandteil geworden. Sie stellt damit klar, daß eine dienstliche Inanspruchnahme des Kraftfahrers von bis zu 267 Stunden im Monat nicht zu einer Veränderung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 15 Abs. 1 MTB II führt (so schon BAGE 25, 426, 429 = AP Nr. 2 zu § 19 MTB II; BAG Urteil vom 21. Mai 1987 - 6 AZR 13/86 - AP Nr. 5 zu § 19 MTB II). Die über 40 Stunden pro Woche hinausgehenden Arbeitsstunden sind mithin Überstunden im Sinne von § 19 Abs. 2 und nicht Mehrarbeitsstunden im Sinne von Abs. 1 dieser Vorschrift. Anderes ergibt sich auch nicht aus den Erwägungen der Revision zur Rechtmäßigkeit dienstplanmäßiger Überstundenanordnung. Insoweit geht nämlich der Kraftfahrer-TV vor, der für eine Berufsgruppe geschaffen worden ist, die regelmäßig und in erheblichem Umfang Überstunden leistet.
4. Unstreitig hat die Arbeitszeit des Klägers an fünf Tagen pro Woche in Normalschicht um 8.00 Uhr begonnen, im Spätdienst um die Mittagszeit. Dabei kann dahinstehen, ob sie bereits um 10.00 Uhr vormittags oder erst um 12.00 Uhr mittags begann und während des OvB-Dienstes um 19.30 Uhr. Dies bedeutet, daß Arbeitsstunden, die im Rahmen des Normal- oder Spätdienstes in der Zeit von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr anfielen (§ 15 Abs. 8 Unterabs. 5 MTB II) nicht zur Ermittlung des Zusatzurlaubs gem. § 48 a Abs. 3 MTB II heranzuziehen sind. Um 21.00 Uhr war nämlich die regelmäßige Arbeitszeit jeweils bereits verstrichen. Somit sind berücksichtigungsfähig nur die unstreitigen 97,5 Nachtarbeitsstunden während der OvB-Nachtdienste. Mit diesen Arbeitsstunden kann ein Zusatzurlaub indes nicht begründet werden, da sie den erforderlichen Umfang von 110 Nachtarbeitsstunden für einen Tag Zusatzurlaub nicht erreicht haben. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Kläger, wie die Revision meint, die Arbeit nach einem Schichtplan zu erheblich unterschiedlichen Zeiten beginnt oder beendet.
III. Der Kläger kann Zusatzurlaub weiter auch nicht gemäß § 48 a Abs. 4 MTB II begehren. Auch bei den nach dieser Vorschrift mindestens erforderlichen 150 Nachtarbeitsstunden sind nur die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden zu berücksichtigen (§ 48 a Abs. 4 und 6 Satz 1 MTB II).
IV. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht schließlich den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als Anspruchsgrundlage verneint. Zwar verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz die sachliche ungerechtfertigte Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer (BAG Urteil vom 11. September 1974 - 5 AZR 567/73 - AP Nr. 39 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Der Kläger hat jedoch keine Umstände vorgetragen, die eine solche Benachteiligung erkennen lassen. Weder hat er vorgetragen, daß Kraftfahrer, die in seiner Dienststelle beschäftigt sind, Zusatzurlaub erhalten, noch hat er dargelegt, daß diese in gleichem Umfang wie der Kläger im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr zur Arbeitsleistung herangezogen werden. Soweit die Revision darauf hinweist, daß Kraftfahrer bei anderen Dienststellen für 243,45 Nachtarbeitsstunden Zusatzurlaub erhalten, weil die regelmäßige Arbeitszeit von diesen Dienststellen verlängert worden sei, berührt dies den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht. Die Revision räumt damit ein, daß diese Kraftfahrer im Gegensatz zum Kläger die tariflichen Voraussetzungen des § 48 a MTB II erfüllen.
V. Auch das Lebensalter des Klägers, der im maßgeblichen Zeitpunkt am 31. Dezember 1988 55 Jahre alt war, begründet keinen Anspruch auf Zusatzurlaub. § 48 a Abs. 5 MTB II stellt lediglich eine Erhöhungsvorschrift dar, die voraussetzt, daß der Anspruch als solcher gemäß den Absätzen 1, 3 oder 4 der Vorschrift besteht. Aus der Regelung ergibt sich kein eigenständiger, von weiteren Voraussetzungen unabhängiger Zusatzurlaubsanspruch, der nur auf ein bestimmtes Lebensalter abstellt.
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer
Heinz Rheinberger Dr. Pühler
Fundstellen
Haufe-Index 441580 |
ZTR 1991, 114-115 (ST1) |
EzBAT § 48a BAT, Nr 2 (ST1-2) |