Entscheidungsstichwort (Thema)
Funktionszulage für teilzeitbeschäftigte Schreibkräfte
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache im Verfahren – 10 AZR 617/95 –, Urteil vom 17. April 1996
Normenkette
BAT §§ 22-23; BeschFG § 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. Dezember 1994 – 5 Sa 1058/94 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Revision trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob eine Zulage für Angestellte mit Tätigkeiten an Textverarbeitungsautomaten auch an Teilzeitkräfte in voller Höhe zu zahlen ist.
Die Klägerin ist seit Juli 1976 beim beklagten Land als Justizangestellte beschäftigt und beim Landgericht B. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,25 Stunden als Schreibkraft tätig. Sie ist eingruppiert in die VergGr. VII BAT. Seit November 1992 arbeitet sie an einem Textverarbeitungsautomaten und erhielt dafür lediglich die Hälfte der tariflich vorgesehenen Funktionszulage.
Die entsprechende tarifliche Regelung findet sich in der Protokollnotiz Nr. 3 zu Abschn. N, Teilabschn. I, auf die die VergGr. VII Bezug nimmt. Darin heißt es:
„Vollbeschäftigte Angestellte, die mit mindestens einem Drittel der regelmäßigen Arbeitszeit im Sinne des § 15 Abs. 1 … Textverarbeitungsautomaten bedienen und hierbei vollwertige Leistungen erbringen, erhalten für die Dauer dieser Tätigkeit eine monatliche Funktionszulage in Höhe von 8 v.H. der Anfangsgrundvergütung der VergGr. VII. … Die Funktionszulage gilt bei der Bemessung des Sterbegeldes (§ 41) und des Übergangsgeldes (§ 63) als Bestandteil der Grundvergütung und wird nur neben der Vergütung nach VergGr. VII gezahlt. Sie ist nur für Zeiträume zu zahlen, für die Vergütung, Urlaubsvergütung oder Krankenbezüge zustehen; § 36 Abs. 2 gilt entsprechend.”
Die Tarifgemeinschaft der Länder hat die Arbeitgeber ermächtigt, diese tarifliche Regelung auch auf Teilzeitkräfte anzuwenden. Von dieser Ermächtigung hat das beklagte Land durch gemeinsamen Runderlaß seines Finanz- und seines Innenministers vom 11. März 1994 Gebrauch gemacht und dabei bestimmt, daß diese Funktionszulage an Teilzeitkräfte gem. § 34 BAT nur in einer der vereinbarten Arbeitszeit entsprechenden anteiligen Höhe gezahlt wird.
Die Klägerin ist der Ansicht, bei der Funktionszulage handele es sich um eine Erschwerniszulage, die auch an Teilzeitkräfte in voller Höhe zu zahlen sei. Sie hat beantragt, eine entsprechende Zahlungsverpflichtung des beklagten Landes festzustellen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es vertritt die Ansicht, daß die Funktionszulage keine Erschwerniszulage sei, so daß sie – wie in dem Erlaß geregelt – an Teilzeitkräfte nur anteilig zu zahlen sei.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter, während das beklagte Land um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Klägerin kann nicht verlangen, daß ihr die Funktionszulage in voller Höhe gewährt wird.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, daß die strittige Zulage nicht für eine Erschwernis, sondern für eine besondere Funktion der an Textverarbeitungsautomaten beschäftigten Mitarbeiter gezahlt wird. Sie stelle eine Vergütung für eine höherwertige Tätigkeit dar, die als solche entsprechend der vereinbarten Arbeitszeit nur anteilig zu zahlen sei.
Diese Begründung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
II. Die Funktionszulage nach der Protokollnotiz Nr. 3 stellt eine zusätzliche Vergütung für die Arbeit an Textverarbeitungsautomaten dar und ist keine Erschwerniszulage. Sie ist daher – ebenso wie die Grundvergütung – an Teilzeitkräfte nur in einer der vereinbarten Arbeitszeit entsprechenden Höhe zu zahlen. Die Zahlung von Arbeitsentgelt, dessen Höhe sich nach der Dauer der vereinbarten Arbeitszeit bemißt, verstößt – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – weder gegen § 2 BeschFG noch gegen § 612 Abs. 3 BGB, selbst wenn die an den Textverarbeitungsautomaten beschäftigten Teilzeitangestellten überwiegend Frauen sein sollten.
1. Die Protokollnotiz bezeichnet die strittige Zulage ausdrücklich als Funktionszulage. Schon nach allgemeinem Sprachgebrauch und auch nach dem der Tarifvertragsparteien wird jedoch eine Zulage, die eine besondere Erschwernis abgelten soll, regelmäßig nicht als Funktionszulage bezeichnet. Zwar kann eine bestimmte Funktion auch beinhalten, daß die dabei zu verrichtende Arbeit „schwerer” i.S. von schwieriger ist; das stellt jedoch keine Erschwernis der Arbeit dar, für die eine Erschwerniszulage in Betracht käme. Eine Erschwernis, die eine Erschwerniszulage begründen kann, wird vielmehr durch die äußeren Umstände begründet, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Eine Funktionszulage ist danach Arbeitsentgelt für die Verrichtung von Arbeit in einer bestimmten Funktion.
2. Daß der in Nr. 3 der Protokollnotiz verwendete Begriff der Funktionszulage in diesem Sinne als Arbeitsentgelt zu verstehen ist, ergibt sich auch aus dem Gesamt Zusammenhang der tariflichen Regelung. Danach ist die Funktionszulage auch bei der Berechnung des Sterbe- und Übergangsgeldes mitzuberücksichtigen und wird die Zulage auch für Zeiten des Urlaubs und der Arbeitsunfähigkeit gewährt, wenn und solange für diese Zeiten die Grundvergütung fortzuzahlen ist. Erschwerniszulagen sind hingegen regelmäßig nur für die Zeiten zu zahlen, in denen die entsprechende Erschwernis tatsächlich gegeben war. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Zulage pauschaliert ist. Der Senat hat daher in seiner Entscheidung vom 7. Februar 1996 (– 10 AZR 203/94 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) auch darauf hingewiesen, daß Bedenken dahin bestehen, die Wechselschichtzulage nach § 33 a BAT als eine Zulage anzusehen, die für Zeiten des Urlaubs und der Arbeitsunfähigkeit fortzuzahlen ist.
Die Funktionszulage nach Nr. 3 der Protokollnotiz wird weiter nur neben der Vergütung der VergGr. VII gezahlt, nicht aber an Angestellte in einer höheren Vergütungsgruppe, auch wenn sie in gleichem Umfang an Textverarbeitungsautomaten arbeiten. Das entspricht auch der Entscheidung des Senats vom 13. Oktober 1993 (– 10 AZR 357/92 – AP Nr. 8 zu §§ 22, 23 BAT Zulagen) nach der die Zulage entfällt, wenn der Angestellte im Wege des Bewährungsaufstiegs in eine höhere Vergütungsgruppe aufrückt, obwohl er nach wie vor in gleichem Umfang an Textverarbeitungsautomaten arbeitet. Aus alldem wird deutlich, daß die Funktionszulage eine Vergütung darstellt für eine herausgehobene Tätigkeit, die den Tätigkeitsmerkmalen der nächst höheren Vergütungsgruppe noch nicht entspricht, mit der Grundvergütung der innegehabten Vergütungsgruppe jedoch nicht angemessen bezahlt ist.
3. Das Landesarbeitsgericht hat auch darauf verwiesen, daß die Höhe der Funktionszulage sich nicht an der Dauer der Arbeit an Textverarbeitungsautomaten orientiert, vielmehr nur eine Mindestdauer voraussetzt. Wäre eine Erschwerniszulage gewollt gewesen, hätte diese nach der Dauer der Tätigkeit, mit der auch die Beschwer wächst, gestaffelt sein müssen. Als zusätzliches Indiz für den Entgeltcharakter der Funktionszulage kann diese Überlegung gewertet werden, auch wenn es den Tarifvertragsparteien freisteht, echte Erschwerniszulagen zu pauschalieren und nur an eine Mindesterschwernis zu knüpfen.
4. Das Landesarbeitsgericht hat Auskünfte der Tarifvertragsparteien über den Sinn und Zweck der Funktionszulage der Nr. 3 der Protokollnotiz eingeholt. Der Bundesminister des Inneren hat darauf u.a. geantwortet, daß seinerzeit – 1969 – die Tätigkeit an Textverarbeitungsautomaten auch als zusätzliche Belastung hinsichtlich Konzentration und technischen Sachverstandes und in ergonomischer Hinsicht angesehen worden sei, die mit der Zulage abgegolten werden sollte. Eine solche etwa damals bei allen Tarifvertragsparteien bestehende Absicht kann jedoch bei der Auslegung eines Tarifvertrages nur dann berücksichtigt werden, wenn diese Vorstellung im Tarifwortlaut und im Zusammenhang der tariflichen Regelung noch einen Niederschlag gefunden hat (BAG Urteile vom 30. September 1971 – 5 AZR 123/71 – AP Nr. 121 zu § 1 TVG Auslegung; vom 25. November 1987 – 4 AZR 403/87 – AP Nr. 18 zu § 1 TVG Auslösung; vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 224/93 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Kirchen). Das aber ist – wie dargelegt – nicht der Fall.
5. Die Klägerin hat geltend gemacht, es spreche viel dafür, daß mit der Zulage nach Nr. 3 der Protokollnotiz insbesondere die Schulungswilligkeit und Schulungsbereitschaft der Mitarbeiter für eine Arbeit an Textautomaten habe gefördert werden sollen. Der effektive Einsatz der damals neuen Textverarbeitungsautomaten habe wesentlich von der Akzeptanz der Mitarbeiter abgehangen. Welche Gründe letztlich maßgebend gewesen seien, könne heute nicht mehr festgestellt werden. Das aber gehe zu Lasten des beklagten Landes, das darlegungs- und beweispflichtig dafür sei, daß solche Gründe maßgebend gewesen seien, die eine unterschiedliche Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräften rechtfertigen könnten.
Dieser Einwand der Revision ist nicht begründet. Zutreffend ist, daß die sachliche Rechtfertigung einer Differenzierung sich u.a. aus dem Zweck einer Leistung ergibt. Der Senat hat jedoch wiederholt ausgesprochen, daß der Zweck einer Leistung sich nicht aus der Motivation des Leistenden ergibt, sondern aus den in der Regelung selbst normierten Voraussetzungen (Ausschluß- und Kürzungstatbeständen). Liegt eine solche Regelung – wie hier die Protokollnotiz Nr. 3 – vor, ist dieser – ggfs. im Wege der Auslegung –, der Zweck der Leistung zu entnehmen. Eines Beweises bedarf der Zweck nicht (Urteile des Senats vom 5. August 1992 – 10 AZR 88/90 –; vom 24. März 1993 – 10 AZR 160/92 – und vom 16. März 1994 – 10 AZR 669/92 – AP Nr. 143, 152 und 162 zu § 611 BGB Gratifikation).
Im übrigen kann gerade die Schulungswilligkeit und Schulungsbereitschaft der Mitarbeiter und die Akzeptanz neuer technischer Einrichtungen ebensogut durch die Erhöhung der Vergütung durch eine Funktionszulage wie durch eine Erschwerniszulage gefördert werden.
6. Soweit die Klägerin schließlich geltend macht, sie arbeite länger an einem Textverarbeitungsautomaten als manche vollzeitbeschäftigten Angestellten, die die volle Zulage schon dann erhielten, wenn sie nur 1/3 der regelmäßigen Wochenarbeitszeit an Textverarbeitungsautomaten beschäftigt seien, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Es entspricht der in dem Aufbau der einzelnen Vergütungsgruppen zum Ausdruck gekommenen Vergütungsstruktur des öffentlichen Dienstes, daß die eine Eingruppierung begründende Tätigkeit nur während eines bestimmten Anteils der regelmäßigen Arbeitszeit ausgeführt werden muß. Wird dieser Anteil erreicht, ist die Vergütung dieser Vergütungsgruppe zu zahlen, unabhängig davon, in welchem Umfang diese Arbeit über den erforderlichen Anteil hinaus geleistet wird. Es kann daher durchaus der Fall sein, daß ein teilzeitbeschäftigter Angestellter während seiner reduzierten Arbeitszeit insgesamt mehr der seine Eingruppierung begründenden Tätigkeiten ausübt als ein vollzeitbeschäftigter Angestellter in derselben Vergütungsgruppe. Gleichwohl erhält er für seine Teilzeittätigkeit nur die anteilige Grundvergütung dieser Vergütungsgruppe.
Nach allem steht der Klägerin die Funktionszulage nur anteilig entsprechend ihrer reduzierten Arbeitszeit zu. Die Vorinstanzen haben daher die Klage zu Recht abgewiesen. Die Revision der Klägerin war zurückzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Unterschriften
Der Vorsitzende Richter Dr.h.c. Matthes ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert Hauck, Hauck, Böck, Walther, Staedtler
Fundstellen