Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen Nichtübernahme als Professorin
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 20 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1; Hochschulrahmengesetz §§ 75, 75a; Sächsisches Hochschulgesetz § 50 Abs. 1; KSchG § 1; BGB §§ 242, 315; GG Art. 5 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 21. Juni 1995 – 10 (1) Sa 1394/93 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier ordentlicher Kündigungen, die der Beklagte auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 und 3 der Anlage I zum Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 2 und 3 EV) stützt.
Die im Jahre 1943 geborene Klägerin war seit 1968 an der Technischen Universität (TU) C. bzw. bei deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Sie war seit 1984 Hochschuldozentin für Analysis mit dem Spezialgebiet „Inverse Probleme bei Differentialgleichungen”.
Der Beklagte nahm im Jahre 1992 Umstrukturierungen an der Hochschule vor. Von 2.700 Stellen verblieben ca. 1.600 Stellen. Diese wurden sämtlich ausgeschrieben und in einem Auswahlverfahren besetzt. U.a. wurde am Fachbereich Mathematik zum Wintersemester 1992/93 eine „Professur (C 3) – Analysis” ausgeschrieben. In der Ausschreibung heißt es:
„Durch die Stelle ist das Gebiet der Analysis in Lehre und Forschung zu vertreten. Vorzugsweise ist an Bewerberinnen/Bewerber gedacht, die sich auf dem Gebiet der Behandlung von inversen Problemen bei Differentialgleichungen wissenschaftlich besonders ausgewiesen haben. Interessen, die auch auf Untersuchungen mit dem Blick auf Anwendungen in Naturwissenschaften und Technik gerichtet sind, wären sehr willkommen.
Von den Bewerberinnen/Bewerbern wird erwartet, daß sie/er sich angemessen an der Grundausbildung für die zum Fachbereich gehörenden Studiengänge sowie an den Mathematikvorlesungen, die vom Fachbereich als Dienstleistungen im Rahmen der Universität zu erbringen sind, beteiligt.”
Die Klägerin bewarb sich um diese Stelle. Die Berufungskommission der TU erstellte einen Berufungsvorschlag. Den ersten Platz erhielt Prof. Dr. H., der an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Z. tätig war; den zweiten Platz erhielt die Klägerin. Am 7. und 8. September 1992 bestätigten der Fachbereich Mathematik und der Senat der TU den Berufungsvorschlag. Prof. Dr. H. nahm den am 2. Oktober 1992 erteilten Ruf auf die Professur an. Allerdings war er vom 1. Oktober 1992 bis 31. März 1993 Gastprofessor an der Freien Universität Berlin, ohne der TU C. in dieser Zeit zur Verfügung zu stehen. Eine Hochschuldozentur bestand am Lehrstuhl für Analysis ab dem Wintersemester 1992/93 nicht mehr.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25. September 1992, der Klägerin zugegangen am 30. September 1992, ordentlich zum 31. Dezember 1992.
Mitte Oktober 1992 wurde der Klägerin ein befristeter Arbeitsvertrag zur Aufrechterhaltung des Lehrbetriebs angeboten. Die Klägerin bewarb sich dann auf eine Oberassistentenstelle für habilitierte Mitarbeiter. Ihre Bewerbung blieb unter Hinweis auf eine Überqualifizierung erfolglos; die Stelle wurde zum 1. Dezember 1992 anderweitig (mit Herrn Dr. T.) besetzt.
Der Beklagte kündigte „höchstvorsorglich” das Arbeitsverhältnis nochmals mit Schreiben vom 30. März 1993, der Klägerin zugegangen am 31. März 1993, ordentlich zum 30. Juni 1993, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
Mit ihren am 16. Oktober 1992 und 13. April 1993 beim Arbeitsgericht eingereichten Klagen, welche das Arbeitsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat die Klägerin geltend gemacht, beide Kündigungen seien rechtsunwirksam. Ihre Stelle sei nicht ersatzlos weggefallen, vielmehr als Professur (C 3) neu ausgeschrieben worden. Die formale Änderung in eine C 3-Professur vermöge einen Stellenfortfall nicht zu begründen. Beide Stellen hätten das gleiche Aufgabengebiet in Forschung und Lehre und seien identisch. Der Bedarf sei auch nicht durch die Berufung eines Externen entfallen. Schon wegen der Deckungsgleichheit beider Stellen sei sie, die Klägerin, ausreichend qualifiziert. Sie sei zudem sozial schutzwürdiger als der erheblich jüngere Prof. Dr. H. Der Personalrat sei vor beiden Kündigungen nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Ihm seien nicht alle wesentlichen Kündigungsgründe mitgeteilt worden.
Die Klägerin hat beantragt
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 25. September 1992 noch durch die Kündigung vom 30. März 1993 aufgelöst worden sei,
- den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin über den 30. Juni 1993 hinaus zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, die Hochschuldozentenstelle der Klägerin sei weggefallen. Diese Stelle sei nicht etwa als Professorenstelle ausgeschrieben worden. Da zwischen Hochschuldozenten und Professoren ein erheblicher Statusunterschied bestehe, handele es sich um verschiedene Stellen. Ein Bedarf an der Klägerin habe deshalb nicht mehr bestanden. Prof. Dr. H. habe wegen seiner höheren fachlichen Qualifikation den Vorzug für die C 3-Professur erhalten. Einen Anspruch auf Verbeamtung besitze die Klägerin nicht. Der Personalrat sei jeweils ordnungsgemäß beteiligt worden. Er sei über die Stellenbesetzungspläne, das Auswahlverfahren und die Auswahlkriterien sowie über die Einzelheiten der Kündigungen einschließlich aller Sozialdaten unterrichtet gewesen. Bei den Beratungen der Auswahlkommissionen sei der Personalrat durch zwei Mitglieder vertreten gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben und die Revision zugelassen. Der Beklagte begehrt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, daß beide Kündigungen nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam sind. Die Voraussetzungen für eine zulässige Kündigung nach Abs. 4 Ziff. 2 oder 3 EV liegen nicht vor. Andere Kündigungsgründe hat der Beklagte nicht dargelegt.
I. Die Klägerin ist aufgrund ihrer durchgehenden Beschäftigung als Hochschuldozentin Angehörige des öffentlichen Dienstes im Sinne von Art. 20 Abs. 1 EV. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend unterstellt hat, findet auf das Arbeitsverhältnis Abs. 4 EV Anwendung. Dieses Sonderkündigungsrecht bleibt von der Überleitungsregelung des Hochschulrahmengesetzes und von darauf beruhendem Landesrecht unberührt (vgl. § 75 a Satz 2 Halbs. 2 HRG). Zwar sollte es nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Wirksamwerden des Beitritts außer Kraft treten (Abs. 4 Satz 6 EV). Jedoch ist es durch das Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20. August 1992 (BGBl. I S. 1546) wirksam bis zum 31. Dezember 1993 verlängert worden (Senatsurteil vom 27. Juni 1996 – 8 AZR 1024/94 – AP Nr. 61 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1 der Gründe). Der Beklagte konnte deshalb auch die Kündigung vom 30. März 1993 noch auf Abs. 4 EV stützen.
II. Gemäß Abs. 4 Ziff. 2 und 3 EV ist eine ordentliche Kündigung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist oder die bisherige Beschäftigungsstelle ersatzlos aufgelöst wird oder bei Verschmelzung, Eingliederung oder wesentlicher Änderung des Aufbaues der Beschäftigungsstelle die bisherige oder eine anderweitige Verwendung nicht mehr möglich ist.
1. Diese Regelung verdrängt den allgemeinen Kündigungsschutz des § 1 KSchG, soweit ihr Regelungsgehalt reicht (vgl. BAGE 71, 221 = AP Nr. 3 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX). Bei Vorliegen der angeführten gesetzlichen Tatbestände ist eine darüber hinausgehende Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung gem. § 1 KSchG entbehrlich. Anwendbar bleiben sonstige Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes wie auch die Regelungen des Personalvertretungsrechts, die die Wirksamkeit einer Kündigung von der ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung abhängig machen (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 262/92 – AP Nr. 9 zu Art. 20 Einigungsvertrag, m.w.N.).
2. Abs. 4 Ziff. 2 und 3 EV stellt auf die weitere „Verwendbarkeit” des Arbeitnehmers ab. Bei einem wegen Personalüberhang mangelnden Bedarf ist zur Beantwortung der Frage, welcher von mehreren an sich geeigneten Arbeitnehmern nicht mehr verwendbar ist, eine Auswahlentscheidung zu treffen (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 914/93 – BAGE 79, 128 = AP Nr. 12 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu B III 1 der Gründe). Entsprechendes gilt bei Verschmelzung, Eingliederung oder wesentlicher Änderung des Aufbaues der Beschäftigungsstelle, solange ein Arbeitsplatz für eine mögliche Verwendung der an sich geeigneten Arbeitnehmer zur Verfügung steht.
3. Der Arbeitgeber ist im Falle einer Bedarfskündigung nach dem Einigungsvertrag nicht an die Grundsätze der sozialen Auswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG gebunden. Die Auswahlentscheidung darf jedoch nicht willkürlich erfolgen, sondern ist gem. § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu treffen und muß, um nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verstoßen, ohne Vorrang der dienstlichen Interessen soziale Belange angemessen berücksichtigen (Senatsurteil vom 19. Januar 1995, a.a.O., zu B III 2 der Gründe; dem folgend BAG Urteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1019/94 – AP Nr. 55 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX und BAG Urteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 1026/94 – AP Nr. 35 zu Art. 20 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
III. Für die Kündigung von Hochschullehrern im Zuge der Erneuerung des Hochschulwesens hat der Senat folgende Grundsätze entwickelt (vgl. insbesondere Senatsurteile vom 29. August 1996 – 8 AZR 505/95 – AP Nr. 63 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; vom 20. März 1997 – 8 AZR 829/95 – und vom 24. April 1997 – 8 AZR 117/95 –, jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen):
1. Es ist zulässig, im Zuge der Erneuerung des Hochschulwesens keine Stellen fortzuführen, sondern alle nach dem Haushalt vorgesehenen Stellen aus dem Kreis der bisher Beschäftigten neu zu besetzen. Waren die nach der Organisationsentscheidung des Landes vorgesehenen Stellen besetzt und verlief das im Zuge der Besetzung der vorhandenen Stellen erforderliche Auswahlverfahren rechtmäßig, so bestand für die weitere Verwendung der nicht zum Zuge gekommenen Arbeitnehmer kein Bedarf mehr. Seiner Verantwortung für eine willkürfreie, mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbare Auswahlentscheidung im Besetzungsverfahren kann sich das Land nicht dadurch entziehen, daß es Besetzungsvorschläge der zuständigen Kommissionen ungeprüft übernimmt. Die jeweilige Auswahlentscheidung ist gleichwohl daraufhin gerichtlich überprüfbar, ob objektiv die Grenzen der §§ 315 Abs. 1, 242 BGB gewahrt wurden.
2. § 75 a in Verbindung mit § 75 Abs. 3 Satz 2 HRG, wonach das Hochschulpersonal, das nicht in ein Amt der neuen Personalstruktur übernommen wird, in seinem bisherigen Dienstverhältnis verbleibt, schafft keinen arbeitsrechtlichen Bestandsschutz zugunsten des vorhandenen Personals. Durch die §§ 75, 75 a HRG und die darauf beruhenden Gesetze der Länder ist eine Änderung der nach dem Einigungsvertrag bestehenden kündigungsrechtlichen Situation nicht eingetreten. Die Überleitungsvorschriften stellen insofern lediglich klar, daß bei den weiterbeschäftigten Professoren eine dienstrechtliche Alternative besteht: zum einen Übernahme in die Personalstruktur nach dem Hochschulrahmengesetz und damit verbunden die Einstufung in die Besoldungsgruppe C, zum anderen Verbleiben im bisherigen Dienstverhältnis eines Angestellten. Ob dagegen das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden muß oder wegen fehlender Verwendungsmöglichkeit gekündigt werden kann, richtet sich allein nach den kündigungsrechtlichen Bestimmungen.
3. Der Landesgesetzgeber und die Hochschulen im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsautonomie sind vor dem Hintergrund der erforderlichen und verfassungsrechtlich gerechtfertigten Erneuerung der Hochschulen (Art. 5 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1 EV) frei, Fächer und Fachbereiche neu zu strukturieren und zu organisieren und in diesem Zusammenhang auch festzulegen, welche fachlichen Anforderungen an die Besetzung der neu strukturierten Stellen zu knüpfen sind. Welches konkrete Anforderungsprofil eine zu besetzende Stelle kennzeichnet und welche Anforderungen hierfür entsprechend an einen Bewerber hinsichtlich fachlicher Qualifikation und Eignung zu stellen sind, ist arbeitsgerichtlich allenfalls im Rahmen einer Mißbrauchskontrolle überprüfbar.
4.a) Eine fehlende Verwendungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer ist nicht stets erst dann anzunehmen, wenn die Stelle eines Hochschullehrers, für die er sich beworben hat, anderweitig besetzt ist. Für die Annahme einer fehlenden Verwendungsmöglichkeit genügt vielmehr, daß mit hinreichender Sicherheit feststeht, der Arbeitnehmer werde mit seiner Bewerbung nicht zum Zuge kommen können. Dies kann etwa auf seiner bereits feststehenden nicht ausreichenden Eignung im Hinblick auf das Anforderungsprofil der Stelle beruhen oder darauf, daß für die Stelle besser qualifizierte Bewerber zur Verfügung stehen, die den Vorrang verdienen. Im letzteren Falle muß freilich mit hinreichender Sicherheit feststehen, die betreffende Stelle werde auch mit einem solchen Bewerber besetzt werden; das kann z.B. bei Mehrfachbewerbungen fraglich sein.
b) Der öffentliche Arbeitgeber darf ausgeschriebene Stellen auch mit externen Bewerbern besetzen. Er kann aber gerade hieraus eine fehlende Verwendungsmöglichkeit für einen Bewerber aus der Hochschule (Beschäftigungsstelle), der dem Anforderungsprofil der Stelle genügt, nicht herleiten. Werden bei einer Verringerung der Zahl der Arbeitsplätze und/oder Änderung der Anforderungen auf Arbeitsstellen Kündigungen notwendig, so erlaubt Abs. 4 Ziff. 2, 3 EV eine Auswahl der zu Kündigenden ohne den strengen Maßstab des § 1 Abs. 3 KSchG. Er ermöglicht dem Arbeitgeber jedoch nicht, über den mangelnden Bedarf hinaus oder ohne Rücksicht auf die Strukturänderung zusätzliche Kündigungen auszusprechen, die allein auf Neueinstellungen beruhen. Das liefe auf eine unzulässige Austauschkündigung hinaus, die einzig dem Zweck diente, vorhandene geeignete Arbeitnehmer durch etwa noch besser Geeignete zu ersetzen. Eine Auswahl danach, wer am besten für die Stelle qualifiziert ist, ist allein unter den Bewerbern aus der Beschäftigungsstelle zulässig.
c) Die anderweitige Verwendung setzt danach nicht notwendig einen freien geeigneten Arbeitsplatz voraus. Werden alle Stellen für das wissenschaftliche Personal einschließlich der besetzten Stellen ausgeschrieben, so ist der Arbeitnehmer auf die Bewerbung auf diese Stellen, für die er sich geeignet hält, angewiesen. Eine Kündigung ist unzulässig, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Bewerbungen für eine ausgeschriebene Stelle berücksichtigt werden mußte.
d) Die aufgezeigten Maßstäbe für die Stellenbesetzung bestehen unabhängig davon, ob die ausgeschriebene Stelle mit einer bisherigen Stelle identisch ist oder ob es sich um eine „neue” Stelle mit einem bisher nicht vorhandenen Anforderungsprofil handelt. Allerdings wird die grundsätzliche Eignung anzunehmen sein, wenn sich der Inhaber einer Stelle wieder auf diese bewirbt. Bei der neu strukturierten Stelle eines Wissenschaftlers hat die für die Besetzung zuständige Person oder Kommission einen gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum, ob der Bewerber dem Anforderungsprofil entspricht.
5.a) Eine anderweitige Verwendung kommt auch auf einem höherwertigen Arbeitsplatz in Betracht, sofern der Arbeitnehmer für diesen geeignet ist, d.h. dem Anforderungsprofil der Stelle gerecht wird. Das Fehlen eines Beförderungsanspruchs steht dem nicht entgegen. Der Arbeitnehmer ist auch dann verwendbar, wenn ein geeigneter höherwertiger Arbeitsplatz für ihn zur Verfügung steht, sofern nicht bei der zu treffenden Auswahlentscheidung ein anderer Arbeitnehmer unter Berücksichtigung von Treu und Glauben den Vorzug verdient. Angesichts des Wegfalls vieler Stellen im öffentlichen Dienst sollten die vorhandenen Stellen nach Möglichkeit mit geeigneten Bewerbern aus der Beschäftigungsstelle besetzt werden. Zudem hatten sich die Anforderungen bei vielen Stellen im öffentlichen Dienst mehr oder weniger grundlegend geändert, weshalb eine anderweitige Verwendung in den verschiedensten Formen erforderlich wurde und nach Möglichkeit auch erfolgen sollte. Im Hochschulbereich wird das besonders deutlich. Die Habilitation zielt gerade auf eine Beschäftigung als Professor ab. Sie ist die wesentliche Eignungsvoraussetzung hierfür. Die Tätigkeit als Hochschuldozent stellt demgegenüber regelmäßig nur ein Durchgangsstadium dar zur Erlangung einer Professur mit höherem Anforderungsprofil. Der Zweck des Einigungsvertrages, notwendige betriebsbedingte Kündigungen zu erleichtern, wird durch diese Auslegung nicht verfehlt. Die Möglichkeit der Ausschreibung aller wissenschaftlichen Stellen und die Auswahl nach Leistungsgesichtspunkten innerhalb der Hochschule geben der Erneuerung des Hochschulwesens hinreichenden Raum.
b) Dieselben Grundsätze gelten, wenn es um die Besetzung einer geeigneten, auch höherwertigen Beamtenstelle geht. Das Fehlen der weiteren Verwendbarkeit ist Kündigungsvoraussetzung und demgemäß von den Arbeitsgerichten umfassend zu prüfen. Der Arbeitnehmer kann hier nicht auf die Entscheidung der Verwaltungsgerichte verwiesen werden. Damit entscheiden die Arbeitsgerichte aber nicht etwa über die Besetzung einer Beamtenstelle, sondern nur über die Wirksamkeit der Kündigung. Der öffentliche Arbeitgeber kann sich arbeitsrechtlich auch zu einer Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen entscheiden.
IV. Bei Anwendung dieser Grundsätze erweisen sich die Kündigungen des Beklagten vom 25. September 1992 und vom 30. März 1993 als rechtsunwirksam. Eine fehlende Verwendbarkeit der Klägerin ist nicht feststellbar.
1. Beiden Kündigungen lag ein mangelnder Bedarf im Sinne von Abs. 4 Ziff. 2 EV zugrunde. Der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, eine Dozentenstelle habe nach dem neuen Stellenplan ab dem Wintersemester 1992/93 am Lehrstuhl für Analysis nicht mehr bestanden. Hiervon geht erkennbar auch das Landesarbeitsgericht aus, ohne daß die Klägerin dies gerügt hätte. Damit ist der Arbeitsplatz der Klägerin im Zuge der Hochschulerneuerung durch Stellenstreichung weggefallen. Das genügt bereits zur Annahme eines mangelnden Bedarfs.
2. Aus dem Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin und dem Fehlen eines entsprechenden Arbeitsplatzes folgt, daß die Klägerin nicht mehr wie bisher verwendbar war. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, die ausgeschriebene C 3-Professur habe nicht der bisherigen Verwendung der Klägerin als Hochschuldozentin entsprochen. Schon wegen der statusrechtlichen Unterschiede handelte es sich um Stellen mit verschiedenen Anforderungsprofilen (vgl. Senatsurteil vom 24. April 1997 – 8 AZR 907/94 – n.v., zu II 4 b der Gründe, m.w.N.). Inwieweit die Aufgaben in Forschung und Lehre gleichgeblieben sind, ist hier unerheblich.
3. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin sei anderweitig, nämlich auf der C 3-Professur, verwendbar gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Der Beklagte durfte die Stelle ausschreiben. Die Klägerin war auf eine erfolgreiche Bewerbung angewiesen. Da sie sich um die Stelle beworben hat, war zu prüfen, ob sie berücksichtigt werden mußte. Einer anderweitigen Verwendung stand entgegen der Auffassung der Revision nicht von vornherein entgegen, daß es sich um eine höherwertige Stelle handelte und ein Anspruch auf Beförderung nicht bestand (vgl. oben III 5). Die wiederholte Rüge der Revision, die Stelle der Klägerin sei mit der ausgeschriebenen Stelle nicht identisch gewesen, geht ins Leere. Denn auf diese Frage kommt es nicht an. Davon abgesehen hat das Landesarbeitsgericht keine Identität der Stellen angenommen. Erheblich ist vielmehr die Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung, insbesondere die fachliche und ggf. sonstige Eignung hierfür sowie die Rechtmäßigkeit einer Auswahl unter verschiedenen in Betracht kommenden Bewerbern.
b) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, die Klägerin sei für die C 3-Professur „Analysis” nach dem Anforderungsprofil der Stelle fachlich qualifiziert gewesen. Es hat zutreffend darauf hingewiesen, dies ergebe sich schon aus ihrer Aufnahme in den Berufungsvorschlag an zweiter Stelle durch die Berufungskommission; die Aufnahme einer fachlich ungeeigneten Bewerberin wäre widersinnig. In der Tat steht der Eignung nicht entgegen, daß die Klägerin nicht den Listenplatz 1 erreicht hat. Der Angriff der Revision hiergegen bleibt erfolglos. Die Revisionsbegründung legt mit keinem Wort dar, aus welchen Gründen die Klägerin trotz ihrer Berücksichtigung durch die Berufungskommission etwa fachlich ungeeignet sei. Die Klägerin war nach den unangefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts seit 1984 Hochschuldozentin für Analysis mit dem Spezialgebiet „Inverse Probleme bei Differentialgleichungen”. Die Stellenausschreibung der C 3-Professur „Analysis” hebt gerade auf dieses Spezialgebiet ab. Schon das Arbeitsgericht hatte festgestellt, die Klägerin verfüge unstreitig über eine ausgezeichnete fachliche Qualifikation und persönliche Eignung. Hiergegen hat der Beklagte im gesamten Berufungsverfahren nichts Wesentliches vorgebracht. Soweit die Revision nunmehr vorträgt, die Klägerin sei zu DDR-Zeiten „aufgrund parteilicher Günstigkeiten” Hochschuldozentin geworden, handelt es sich um neuen Vortrag, den der Senat nicht berücksichtigen kann (§ 561 Abs. 1 ZPO).
c) Die Revision rügt ferner, die am 27. Juli 1943 geborene Klägerin komme nach dem SächsBeamtG für eine Beamtenernennung aus Altersgründen nicht mehr in Frage. Entsprechende beamtenrechtliche oder hochschulrechtliche Regelungen werden von der Revision aber nicht genannt, sind auch nicht ersichtlich (vgl. z.B. §§ 5 ff. SächsBeamtG, §§ 50 ff. SächsHochschulG). Abgesehen davon war die Klägerin selbst bei Ablauf der zweiten Kündigungsfrist noch nicht 50 Jahre alt. Nach § 50 Abs. 1 SächsHochschulG können im übrigen Professoren nicht nur als Beamte, sondern auch als Angestellte in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis beschäftigt werden.
d) Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, der auf Listenplatz 1 gesetzte Professor Dr. H. sei besser qualifiziert; denn es handelte sich um einen externen, an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Z. tätigen Bewerber. Die Kündigung eines an sich geeigneten Bewerbers im Hinblick auf die bessere Qualifikation eines anderen Bewerbers kommt nur in Betracht, wenn beide Bewerber bereits an der Hochschule tätig sind und deswegen eine Auswahl unter ihnen zur Besetzung der Stelle erforderlich wird (siehe oben III 4 b). Die Auswahl unter Einbeziehung externer Bewerber ist keine Auswahl im Rahmen einer Bedarfskündigung nach Abs. 4 Ziff. 2 EV. Die weitere Verwendbarkeit des Arbeitnehmers darf deshalb nicht allein im Hinblick auf einen externen Bewerber verneint werden.
e) Die anderweitige Verwendbarkeit der Klägerin war zum Zeitpunkt der zweiten Kündigung nicht etwa wegen zwischenzeitlicher Besetzung der Stelle entfallen. Nach dem Vortrag des Beklagten ist die Stelle am 1. April 1993 mit Prof. Dr. H. besetzt worden, während die Kündigung der Klägerin bereits am 31. März 1993 zuging. Wie sich aus dem vom Beklagten zur Senatsakte gereichten Beschluß des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 12. März 1996 (6K 648/95) ergibt, war Prof. Dr. H. bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Beamten ernannt worden. Davon abgesehen setzt eine wirksame Kündigung gegenüber einem an sich geeigneten Bewerber eine rechtmäßige Auswahlentscheidung voraus. Der Beklagte kann sich zur Rechtfertigung der Kündigung nicht darauf berufen, bei Ablauf der Kündigungsfrist werde die eine anderweitige Verwendung bietende Stelle mit einem anderen Bewerber besetzt sein, wenn dieser dem Gekündigten nicht vorgezogen werden durfte. Entsprechend kann der Beklagte die Kündigung nicht damit rechtfertigen, die Stelle sei bereits mit einem solchen Bewerber besetzt.
f) Der Beklagte hat sachliche Auswahlgesichtspunkte zu Lasten der Klägerin im übrigen nicht vorgetragen. Die Klägerin kam demnach bei Ausspruch der beiden Kündigungen für die C 3-Professur „Analysis” noch in Frage. Sie hätte berücksichtigt werden müssen. Dagegen kann dahingestellt bleiben, ob sie auch auf der am 1. Dezember 1992 mit Dr. T. besetzten Oberassistentenstelle anderweitig verwendbar war. Diese Stellenbesetzung stellt jedenfalls keinen selbständigen Kündigungsgrund dar.
V. Sind beide Kündigungen demnach mangels eines rechtfertigenden Grundes rechtsunwirksam, so wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigungen nicht aufgelöst. Das Landesarbeitsgericht hat die von der Klägerin geltend gemachten weiteren Unwirksamkeitsgründe zu Recht dahinstehen lassen. Über den – auch vom Landesarbeitsgericht so verstandenen – Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist nicht mehr zu entscheiden, da der Kündigungsrechtsstreit durch das vorliegende Urteil rechtskräftig abgeschlossen wird.
VI. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Harnack, Rosendahl
Fundstellen