Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungszeit nach § 19 BAT-O - Bürgermeister

 

Leitsatz (amtlich)

  • Die in einem Arbeitsrechtsverhältnis als Bürgermeister einer Gemeinde der ehemaligen DDR zurückgelegte Zeit ist nicht Beschäftigungszeit bei dem Landkreis i.S.v. § 19 Abs. 1 BAT-O.
  • War der Angestellte vor seiner Tätigkeit als Bürgermeister beim Rat des Kreises beschäftigt, ist auch diese Zeit jedenfalls dann nicht als Beschäftigungszeit i.S.v. § 19 Abs. 1 BAT-O anzusehen, wenn das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Angestellten mit seiner Wahl zum Bürgermeister beendet wurde (§ 19 Abs. 1 Unterabs. 3 BAT-O).
 

Normenkette

BAT-O § 19; AGB-DDR §§ 38, 51-52; Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990 (GBl. I S. 255); Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der DDR vom 12. Juli 1973 (GBl. I S. 313) § 18

 

Verfahrensgang

Thüringer LAG (Urteil vom 20.02.1995; Aktenzeichen 8 Sa 495/94)

ArbG Suhl (Urteil vom 25.05.1993; Aktenzeichen 6 Ca 1002/92)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger aufgrund einer längeren Beschäftigungszeit i.S.v. § 19 BAT-O ein Anspruch auf eine höhere Abfindung nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung (TV soziale Absicherung) zusteht.

Der Kläger besuchte im Jahre 1973 die Bezirksparteischule “Wilhelm Pieck”. Im Jahre 1974 wurde er als “Nachwuchskader” nominiert und ehrenamtlich als stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde S… tätig. Seit dem Jahre 1975 studierte er das Fach Staatswissenschaften an der örtlichen Abteilung der Fachschule für Staat und Recht Weimar.

Am 6. Januar 1976 schloß der Kläger mit Wirkung zum 1. Januar 1976 einen Arbeitsvertrag mit dem Rat des Kreises N…. Danach wurde er als “Kaderreserve” nach “Durchlaufplan” beschäftigt und auf die Übernahme des Amtes als Bürgermeister in der Gemeinde S… vorbereitet. Ziffer 6 des Arbeitsvertrages enthielt folgende Vereinbarung:

“Änderungen der in diesem Arbeitsvertrag vereinbarten Bedingungen können nur im beiderseitigen Einvernehmen der Vertragspartner erfolgen. Sie bedürfen der Schriftform. Soweit arbeitsrechtliche Bestimmungen andere Regelungen treffen, sind entgegenstehende Vereinbarungen dieses Arbeitsvertrages gegenstandslos. In diesen Fällen gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Dieser Arbeitsvertrag kann nur nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen (§§ 31 ff. des Gesetzbuches der Arbeit, geltende Disziplinarordnung für die Mitarbeiter des Staatsapparates) aufgelöst werden.”

Mit Wirkung zum 1. Juli 1978 wurde der Kläger zum Bürgermeister der Gemeinde S… gewählt. Mit Schreiben vom 20. Juni 1978 teilte ihm der Vorsitzende des Rates des Kreises N… u.a. mit, daß durch die Wahl sein Arbeitsrechtsverhältnis begründet werde und dieses nur auf der Grundlage der §§ 62 – 64 GBA gelöst werden könne. Gleichlautende Schreiben erhielt der Kläger nach seiner Wiederwahl im Jahre 1979 und im Jahre 1984. Im Jahre 1980 bestand er die Prüfung als “Staatswissenschaftler”.

Am 13. Februar 1989 schloß der Kläger mit dem Vorsitzenden des Rates des Kreises N… einen Arbeitsvertrag. Danach wurde der Kläger ab 1. März 1989 als Diensthabender beim Rat des Kreises beschäftigt. Mit Schreiben vom 14. Februar 1989 teilte der Vorsitzende des Rates des Kreises dem Kläger mit, daß sein Arbeitsrechtsverhältnis in der Wahlfunktion als Bürgermeister mit Wirkung vom gleichen Tage beendet sei. Mit Wirkung zum 1. September 1990 wurde dem Kläger durch Änderungsvertrag die Leitung des Arbeitsbereichs Diensthabender übertragen.

Durch einen weiteren Änderungsvertrag, der zwischen dem Kläger und dem Landkreis N… abgeschlossen und am 1. Juli 1991 und 7. Februar 1992 unterzeichnet wurde, wurde vereinbart, daß auf das Arbeitsverhältnis der BAT-O Anwendung finde. Dem Änderungsvertrag wurde seitens des Landkreises eine Beschäftigungszeit seit dem 1. März 1989 zugrunde gelegt. Die Vergütung bestimmte sich nach VergGr. VIII. Mit Wirkung vom 1. April 1992 erhielt der Kläger Vergütung nach VergGr. Vc.

Das Arbeitsverhältnis wurde durch einen Auflösungsvertrag auf die Initiative des Landkreises zum 30. Juni 1992 wegen mangelnden Bedarfs beendet. Der Kläger erhielt nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 (TV soziale Absicherung) unter Berücksichtigung einer Beschäftigungszeit seit dem 1. März 1989 eine Abfindung in Höhe von 2.056,14 DM.

§ 2 des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 (TV soziale Absicherung) lautet:

§ 2

Abfindung

  • Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis gekündigt wird, weil

    • er wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist oder

      erhält eine Abfindung. Das Gleiche gilt, wenn ein Arbeitnehmer bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Kündigung nach Satz 1 aufgrund eines Auflösungsvertrages ausscheidet.

  • Die Abfindung beträgt für jedes volle Jahr der Beschäftigungszeit (§ 19 BAT-O ohne die nach der Übergangsvorschrift Nr. 3 hierzu berücksichtigten Zeiten bzw. die vergleichbaren, für die Arbeiter geltenden Bestimmungen) ein Viertel der letzten Monatsvergütung (§ 26 BAT-O zuzüglich der allgemeinen Zulage) bzw. des letzten Monatstabellenlohnes (§ 21 Abs. 3 MTArb-O, § 20 Abs. 2 BMT-G-O ggf. zuzüglich des Sozialzuschlags), mindestens aber die Hälfte und höchstens das Fünffache dieser Vergütung bzw. dieses Lohnes. Sie darf den Betrag von 10.000 DM nicht übersteigen. War der Arbeitnehmer im letzten Kalendermonat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nicht vollbeschäftigt, vermindert sich der Betrag von 10.000 DM entsprechend § 34 BAT-O bzw. der vergleichbaren, für den Arbeiter geltenden Bestimmung.

In § 19 des Tarifvertrages zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den Übergangsvorschriften dazu heißt es:

  • Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist.

    Zeiten einer Tätigkeit im Sinne des § 3 Buchst. n werden nicht berücksichtigt.

    Ist der Angestellte aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, so gilt die vor dem Ausscheiden liegende Zeit nicht als Beschäftigungszeit, es sei denn, daß er das Arbeitsverhältnis wegen eines mit Sicherheit erwarteten Personalabbaues oder wegen Unfähigkeit zur Fortsetzung der Arbeit infolge einer Körperbeschädigung oder einer in Ausübung oder infolge seiner Arbeit erlittenen Gesundheitsschädigung aufgelöst hat oder die Nichtanrechnung der Beschäftigungszeit aus sonstigen Gründen eine unbillige Härte darstellen würde.

  • Übernimmt ein Arbeitgeber eine Dienststelle oder geschlossene Teile einer solchen von einem Arbeitgeber, der von diesem Tarifvertrag erfaßt wird oder diesen oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwendet, so werden die bei der Dienststelle bis zur Übernahme zurückgelegten Zeiten nach Maßgabe des Absatzes 1 als Beschäftigungszeit angerechnet.
  • Die Absätze 1 und 2 gelten sinngemäß für ehemalige Beamte, jedoch nicht für Ehrenbeamte und für Beamte, die nur nebenbei beschäftigt wurden.
  • Andere als die vorgenannten Zeiten dürfen bei Bund und Ländern nur durch die Entscheidung der obersten Dienstbehörde im Einvernehmen mit der für das Personalwesen (Tarifrecht) zuständigen obersten Dienstbehörde als Beschäftigungszeiten angerechnet werden.

    Bei den Mitgliedern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände soll die Anrechnung anderer als der vorgenannten Zeiten als Beschäftigungszeiten bei einem Wechsel zwischen der Gemeinde und ihrem in privater Rechtsform geführten Betrieb erfolgen. Satz 1 dieses Unterabsatzes gilt entsprechend bei einem Wechsel zwischen dem in privater Rechtsform geführten Betrieb und der Gemeinde.

    • Übergangsvorschriften für Zeiten vor dem 1. Januar 1991:
    • Als Übernahme im Sinne des Absatzes 2 gilt auch die Überführung von Einrichtungen nach Artikel 13 des Einigungsvertrages.
    • Ist infolge des Beitritts der DDR der frühere Arbeitgeber weggefallen, ohne daß eine Überführung nach Artikel 13 des Einigungsvertrages erfolgt ist, gelten als Beschäftigungszeiten nach Maßgabe des Absatzes 1

      • für Angestellte und Mitglieder der Mitgliederverbände der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände

        Zeiten der Tätigkeit bei zentralen oder örtlichen Staatsorganen und ihren nachgeordneten Einrichtungen oder sonstigen Einrichtungen oder Betrieben, soweit der Arbeitgeber deren Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche derselben ganz oder überwiegend übernommen hat.

    • Von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit sind ausgeschlossen

      • Zeiten jeglicher Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (einschließlich der Verpflichtung zu informeller/inoffizieller Mitarbeit),
      • Zeiten einer Tätigkeit als Angehöriger der Grenztruppen der DDR,
      • Zeiten einer Tätigkeit, die aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war.

        Die Übertragung der Tätigkeit aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe wird insbesondere vermutet, wenn der Angestellte

        • vor oder bei Übertragung der Tätigkeit eine hauptamtliche oder hervorgehobene ehrenamtliche Funktion in der SED, dem FDGB, der FDJ oder einer vergleichbar systemunterstützenden Partei oder Organisation innehatte,
        • als mittlere oder obere Führungskraft in zentralen Staatsorganen, als obere Führungskraft beim Rat eines Bezirkes, als Vorsitzender des Rates eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt (Oberbürgermeister) oder in einer vergleichbaren Funktion tätig war.
        • hauptamtlich Lehrender an den Bildungseinrichtungen der staatstragenden Partei oder einer Massen- oder gesellschaftlichen Organisation war oder
        • Absolvent der Akademie für Staat und Recht oder einer vergleichbaren Bildungseinrichtung war.

        Der Angestellte kann die Vermutung widerlegen.

      Von einer Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen sind auch die Zeiten, die vor einer Tätigkeit im Sinne der Buchstaben a bis c zurückgelegt worden sind.

Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stehe der Höchstbetrag der Abfindung in Höhe von 10.000,-- DM zu, da sowohl die Zeit seiner Tätigkeit als Kaderreserve beim Rat des Kreises vom 1. Januar 1976 bis 30. Juni 1978 als auch die Zeit seiner Tätigkeit als Bürgermeister der Gemeinde S… vom 1. Juli 1978 bis 14. Februar 1989 als Beschäftigungszeit i.S.v. § 19 BAT-O bei der Berechnung der Abfindung zu berücksichtigen sei.

Er sei durchgehend seit dem 1. Januar 1976 beim Rat des Kreises N…, dessen Rechtsnachfolger der Landkreis N… sei, beschäftigt gewesen. Sein Arbeitsvertrag mit dem Rat des Kreises sei mit seiner Wahl zum Bürgermeister nicht beendet worden, da es dazu einer schriftlichen Vereinbarung bedurft hätte, die nicht getroffen worden sei. Das Arbeitsverhältnis habe deshalb während seiner Tätigkeit als Bürgermeister geruht. Dies folge auch aus § 18 des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der DDR vom 12. Juli 1973 (GöV, GBl. I S. 313). Die Zeit des Ruhens des Arbeitsverhältnisses sei als Beschäftigungszeit i.S.v. § 19 BAT-O anzusehen, da es an einem entsprechenden tariflichen Ausschlußtatbestand fehle. Seine Tätigkeit beim Rat des Kreises bzw. als Bürgermeister sei ihm auch nicht aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe i.S.v. Ziff. 4 der Übergangsvorschriften übertragen worden.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.943,86 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juli 1992 zu zahlen.

Der Beklagte, der nach der Gebietsreform der Landkreis So… ist, hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er vertritt die Auffassung, die Zeit der Beschäftigung des Klägers als Bürgermeister der Gemeinde S… könne nach § 19 Abs. 1 BAT-O nicht als Beschäftigungszeit anerkannt werden, da sie nicht bei demselben Arbeitgeber im Sinne der tariflichen Bestimmung zurückgelegt worden sei. Während dieser Zeit habe ausschließlich ein Arbeitsverhältnis zur Gemeinde und nicht mehr mit dem Rat des Kreises bestanden. Das zum 1. Januar 1976 begründete Arbeitsverhältnis mit dem Rat des Kreises sei mit der Wahl des Klägers zum Bürgermeister der Gemeinde beendet worden. Es habe während seiner Tätigkeit als Bürgermeister auch nicht geruht. Weder sei das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden noch habe eine entsprechende gesetzliche Regelung bestanden. Das Arbeitsverhältnis mit dem Rat des Kreises sei erst durch den Arbeitsvertrag vom 13. Februar 1989 zum 1. März 1989 wieder begründet worden.

Die Zeit der Beschäftigung des Klägers beim Rat des Kreises vom 1. Januar 1976 bis zum 30. Juni 1978 könne ebenfalls nicht als Beschäftigungszeit i.S.v. § 19 BAT-O anerkannt werden. Der Kläger sei durch die Annahme seiner Wahl zum Bürgermeister auf eigenen Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Rat des Kreises ausgeschieden. Deshalb gelte die vor seinem Ausscheiden und der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses liegende Zeit nach § 19 Abs. 1 Unterabs. 3 BAT-O nicht als Beschäftigungszeit.

Eine Anerkennung der Beschäftigungszeiten seit dem 1. Januar 1976 sei im übrigen nach Ziff. 4 der Übergangsvorschriften ausgeschlossen, da ihm die ausgeübten Tätigkeiten aufgrund besonderer persönlicher Systemnähe übertragen worden seien.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf eine höhere Abfindung nach § 2 TV soziale Absicherung nicht zu. Die Zeiten seiner Tätigkeit beim Rat des Kreises N… vom 1. Januar 1976 bis zum 30. Juni 1978 und als Bürgermeister der Gemeinde S… vom 1. Juli 1978 bis 14. Februar 1989 sind nicht als Beschäftigungszeit i.S.v. § 19 BAT-O in Verbindung mit den Übergangsvorschriften anzusehen.

I. Der Kläger hat nach § 2 Abs. 1 TV soziale Absicherung einen Anspruch auf eine Abfindung, da er aufgrund eines Auflösungsvertrages wegen mangelnden Bedarfs zum 30. Juni 1992 aus dem Arbeitsverhältnis beim Beklagten ausgeschieden ist. Diesen Anspruch hat der Beklagte unter Berücksichtigung einer Beschäftigungszeit seit dem 1. März 1989 nach § 2 Abs. 2 TV soziale Absicherung in Höhe von 2.056,14 DM erfüllt. Ein höherer Abfindungsanspruch steht dem Kläger nicht zu, da der Zeitraum seit dem 1. Januar 1976 keine Beschäftigungszeit i.S.v. § 19 BAT-O i.V.m. den Übergangsvorschriften ist.

1. Die Zeit der Tätigkeit des Klägers als Bürgermeister der Gemeinde S… vom 1. Juli 1978 bis 14. Februar 1989 ist keine bei demselben Arbeitgeber i.S.v. § 19 Abs. 1 BAT-O zurückgelegte Zeit.

Arbeitgeber des Klägers war zum Zeitpunkt seines Ausscheidens der Landkreis N…. Während seiner Tätigkeit als Bürgermeister stand er in einem Arbeitsrechtsverhältnis zur Gemeinde S…. Es handelt sich deshalb nicht um denselben Arbeitgeber i.S.v. § 19 Abs. 1 BAT-O.

Die Landkreise in der ehemaligen DDR wurden durch das Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990 (GBl. I S. 255) neu errichtet. Sie sind nach der Rechtsprechung des Achten Senats weder Rechtsnachfolger der früheren Räte der Kreise noch mit diesen identisch. Der Achte Senat hat die Anerkennung einer Beschäftigungszeit als stellvertretende Bürgermeisterin einer Gemeinde auf die Beschäftigungszeit beim Landkreis nach § 19 Abs. 1 BAT-O deshalb auch für den Fall verneint, daß während der Bürgermeistertätigkeit ein Arbeitsverhältnis zum Rat des Kreises bestanden haben sollte. Die Landkreise hätten auch keine Aufgaben der Gemeindeverwaltungen übernommen, so daß auch eine Anerkennung der Zeit einer Bürgermeister-Tätigkeit nach Ziff. 2 der Übergangsvorschriften oder § 19 Abs. 2 BAT-O nicht in Betracht komme (BAG Urteil vom 14. Dezember 1995 – 8 AZR 380/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).

2. Die Zeit der Tätigkeit des Klägers als Bürgermeister ist aber auch dann nicht als Beschäftigungszeit beim Landkreis anzusehen, wenn zugunsten des Klägers – im Hinblick auf die Anerkennung seiner Beschäftigungszeit beim Rat des Kreises seit dem 1. März 1989 – unterstellt wird, daß der Landkreis Beschäftigungszeiten beim Rat des Kreises im Rahmen des § 19 BAT-O i.V.m. den Übergangsvorschriften anerkennt.

a) Mit der Wahl des Klägers zum Bürgermeister wurde zum 1. Juli 1978 nach § 38 Abs. 2 AGB ein Arbeitsrechtsverhältnis zur örtlichen Volksvertretung begründet, die den Kläger als Bürgermeister und damit Vorsitzenden des Rates der Gemeinde gewählt hatte. Dies wurde dem Kläger auch mit Schreiben des Vorsitzenden des Rates des Kreises vom 20. Juni 1978 und bei seiner jeweiligen Wiederwahl mitgeteilt.

Eine Anerkennung der Beschäftigungszeit aufgrund des Arbeitsrechtsverhältnisses als Bürgermeister der Gemeinde nach § 19 Abs. 1 BAT-O scheidet deshalb aus. Die in § 19 Abs. 1 BAT-O mit “demselben Arbeitgeber” geforderte Identität der Arbeitgebereigenschaft liegt im Verhältnis zwischen der örtlichen Volksvertretung der Gemeinde S… und dem Landkreis N… nicht vor.

Da der Landkreis N… keine Aufgaben der Gemeinde S… übernommen hat, kommt auch eine Anerkennung der Beschäftigungszeit als Bürgermeister nach Ziff. 2c der Übergangsvorschriften oder § 19 Abs. 2 BAT-O nicht in Betracht.

b) Während der Beschäftigungszeit des Klägers als Bürgermeister der Gemeinde bestand auch das zum Rat des Kreises am 1. Januar 1976 begründete Arbeitsverhältnis nicht als ruhendes Arbeitsverhältnis fort. Weder ist eine Vereinbarung über das Ruhen des Arbeitsverhältnisses geschlossen worden noch lag ein Ruhen kraft Gesetzes vor. Deshalb kann dahinstehen, ob Zeiten eines ruhenden Arbeitsverhältnisses überhaupt als Beschäftigungszeiten i.S.v. § 19 BAT-O anzusehen sind.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers zum Rat des Kreises mit seiner Wahl zum Bürgermeister einvernehmlich aufgelöst und erst durch den am 13. Februar 1989 geschlossenen Arbeitsvertrag zum 1. März 1989 neu begründet.

Die dagegen gerichteten Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.

aa) Entgegen der Auffassung des Klägers war eine schriftliche Vereinbarung nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Aufhebungsvertrag. Der Kläger beruft sich insoweit auf Ziff. 6 des Arbeitsvertrages vom 6. Januar 1976. Diese sieht ein Schriftformerfordernis ausdrücklich jedoch nur für Änderungen der im Arbeitsvertrag vereinbarten Bedingungen vor. Hinsichtlich der Auflösung des Arbeitsvertrages wird demgegenüber auf die geltenden gesetzlichen Bestimmungen verwiesen. Zwar sahen diese zum damaligen Zeitpunkt für einen Aufhebungsvertrag die Schriftform unter gleichzeitiger Angabe der Gründe als Wirksamkeitsvoraussetzung vor (§ 33 GBA). Die Vorschriften des Gesetzbuches der Arbeit traten jedoch mit Inkrafttreten des Arbeitsgesetzbuches am 1. Januar 1978 außer Kraft. Die danach zum Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsvertrages zum 1. Juli 1978 geltenden Vorschriften des Arbeitsgesetzbuches sahen für eine Vereinbarung eines Aufhebungsvertrages (§ 51 AGB) die Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung nicht mehr vor. Der dem Betrieb auferlegten Verpflichtung zur schriftlichen Ausfertigung eines Aufhebungsvertrages (§ 52 Abs. 2 Satz 2 AGB) kommt nur eine Beurkundungsfunktion zu.

bb) Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit dem Rat des Kreises während seiner Tätigkeit als Bürgermeister folgt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus § 18 GöV. Diese gesetzliche Vorschrift sah u.a. vor, daß die Abgeordneten der örtlichen Volksvertretung wegen ihrer Tätigkeit keine beruflichen Nachteile erleiden dürfen, von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen sind und eine einseitige Beendingung des Arbeitsverhältnisses durch den Betrieb der Zustimmung der örtlichen Volksvertretung bedarf.

Mit dieser gesetzlichen Vorschrift vermag der Kläger jedoch schon deshalb nicht das Ruhen seines Arbeitsverhältnisses zum Rat des Kreises während seiner Bürgermeister-Tätigkeit zu begründen, weil sie nur die Rechtsstellung der Abgeordneten der örtlichen Volksvertretung (Gemeindevertretung) betrifft, nicht aber die des von der Gemeindevertretung gewählten und in einem besonderen Arbeitsverhältnis zu dieser stehenden Bürgermeisters.

3. Die Zeit der Tätigkeit des Klägers beim Rat des Kreises vom 1. Januar 1976 bis 30. Juni 1978 ist ebenfalls nicht als Beschäftigungszeit i.S.v. § 19 BAT-O i.V.m. den Übergangsvorschriften anzusehen, selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, daß der Landkreis derartige Beschäftigungszeiten im Rahmen der tariflichen Bestimmungen anerkennt.

a) Nach § 19 Abs. 1 BAT-O ist Beschäftigungszeit die bei demselben Arbeitgeber zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist. Die vor dem Ausscheiden des Angestellten zurückgelegte Zeit gilt nach § 19 Abs. 1 Unterabs. 3 BAT-O jedoch nicht als Beschäftigungszeit, wenn der Angestellte auf eigenen Wunsch ausgeschieden ist.

Diese Voraussetzung lag beim Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis beim Rat des Kreises zum 30. Juni 1978 im Hinblick auf die Aufnahme seiner Tätigkeit als Bürgermeister zum 1. Juli 1978 vor.

Ein Ausscheiden auf eigenen Wunsch erfolgt, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Veranlassung des Arbeitnehmers erfolgt. Dies ist der Fall, wenn er den Beendigungstatbestand unmittelbar verursacht und herbeiführt (BAG Urteil vom 29. September 1992 – 10 AZR 157/91 – n.v. zu einem Aufhebungsvertrag auf Veranlassung des Arbeitnehmers zum Zwecke der Wahrnehmung eines Mandats als Kreisrat – unter Bezugnahme auf BAG Urteile vom 31. Januar 1979 – 5 AZR 551/77 – AP Nr. 101 zu § 611 BGB Gratifikation; vom 21. Februar 1991 – 6 AZR 617/89 – n.v. und BAGE 69, 251 = AP Nr. 1 zu BMT-G II Zuwendungs-TV).

In diesem Sinne schied der Kläger auf eigenen Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Rat des Kreises aus.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 30. Juni 1978 beendet, damit der Kläger seine hauptamtliche Tätigkeit als Bürgermeister der Gemeinde wahrnehmen konnte. Die Übernahme dieser Wahlfunktion und die dadurch bedingte Beendigung seiner Tätigkeit beim Rat des Kreises beruhte auf seiner Initiative und entsprach seiner berufsbegleitenden Vorbereitung auf dieses Amt seit dem Jahre 1973. Da der Kläger nicht gleichzeitig die Tätigkeit als “Kaderreserve” beim Rat des Kreises und als hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde ausüben konnte, mußte mit der Übernahme des Amtes als Bürgermeister unter Begründung eines entsprechenden Arbeitsrechtsverhältnisses die Tätigkeit beim Rat des Kreises beendet werden. Die Beendigung wurde damit auf Veranlassung des Klägers herbeigeführt. Umstände, die dem entgegenstehen könnten, lagen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vor.

b) Die Zeit der Tätigkeit des Klägers beim Rat des Kreises kann auch nicht nach § 19 Abs. 2 BAT-O oder Ziff. 2c der Übergangsvorschriften als Beschäftigungszeit angesehen werden.

Abgesehen von den sonstigen Voraussetzungen (Übernahme von Dienststellen oder Aufgaben) ist eine Anrechnung als Beschäftigungszeit im Rahmen dieser tariflichen Bestimmungen nur nach Maßgabe des § 19 Abs. 1 BAT-O zulässig. Eine Anrechnung von Beschäftigungszeiten kommt damit nicht in Betracht, wenn diese vor einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses lagen und die Unterbrechung auf einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Wunsch des Angestellten beruhte.

4. Umstände, die eine Anrechnung der Zeiten vom 1. Januar 1976 bis 14. Februar 1989 als Beschäftigungszeit nach § 19 Abs. 4 BAT-O rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

Damit kommt es auch nicht darauf an, ob diese Zeiten von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit nach Ziff. 4 der Übergangsvorschriften ausgeschlossen sind.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Karl-Heinz Reimann, Matiaske

 

Fundstellen

Haufe-Index 872486

NZA 1996, 888

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