Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Kündigungsbefugnis. Vollmacht
Leitsatz (redaktionell)
Hinweise des Senats:
Bestätigung des Senatsurteils vom 18. Dezember 1980 (– 2 AZR 980/78 – AP Nr. 4 zu § 174 BGB)
Normenkette
BGB §§ 174, 626
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 10. August 1992 – 7 Sa 18/92 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger war seit Mai 1991 bei der Beklagten als Maschinenführer tätig. Am 8. Juli 1991 wies ihn der örtliche Bauleiter H, der ihn auch eingestellt hatte, an, künftig als Maschinenführer auf einer Baustelle in Eisenach tätig zu werden. Das lehnte der Kläger mit der Begründung ab, er sei für die Dauer von mindestens 2 Jahren für Abraumarbeiten in S /Donau eingestellt. Daraufhin erklärte der Bauleiter H sinngemäß, der Kläger brauche nicht mehr zu kommen, wobei der genaue Wortlaut der Erklärungen zwischen den Parteien streitig ist.
Mit der am 12. Juli 1991 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 16. Juli 1991 zugestellten Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß die Kündigung der Beklagten vom 8. Juli 1991 weder als fristlose noch als ordentliche Kündigung wirksam sei; dabei hat er unter anderem bestritten, der örtliche Bauleiter sei befugt gewesen, eine Kündigung auszusprechen.
Wie aufgrund des übereinstimmenden Parteivorbringens in der Revisionsinstanz weiter unstreitig ist, schrieb die Beklagte unter dem 8. Juli 1991 mit dem Betreff „fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses” an den Kläger, die von ihm ausgesprochene Arbeitsverweigerung werde bestätigt; im Auftrag des Geschäftsführers H werde mitgeteilt, daß für ihn keine Einsatzmöglichkeit mehr bestehe, da der Kläger einen Einsatz auf der Baustelle Eisenach verweigert habe; die Arbeitspapiere würden nach der üblichen Abrechnungszeit übermittelt. Unstreitig ist ferner, daß der Kläger persönlich am 18. Juli 1991 bei der Beklagten anrief und der Mitarbeiterin E mitteilte, er akzeptiere das Schreiben vom 8. Juli 1991 bezüglich der seinerseits ausgesprochenen fristlosen Kündigung nicht; seiner Meinung nach sei ihm durch Herrn H gekündigt worden.
Der Kläger hat geltend gemacht, im Hinblick auf die befristete Beschäftigung in S /Donau sei er nicht bereit gewesen, für mehrere Monate in Eisenach zu arbeiten. Auf seine Weigerung habe der Bauleiter H unmittelbar erklärt, dann könne er gleich nach Hause gehen und brauche sich nicht mehr blicken zu lassen. Diese Kündigung sei sowohl als ordentliche wie auch als außerordentliche unwirksam, zumal die Beklagte einen unverzüglichen Bevollmächtigungsnachweis für den Bauleiter H nicht vorgelegt habe. Im übrigen fehle es an einem wichtigen Kündigungsgrund. Das Schreiben vom 8. Juli 1991 könne nicht die These der Beklagten über eine Bestätigung der vom Bauleiter H ausgesprochenen Kündigung begründen, weil es nur die Mitteilung enthalte, daß eine Arbeitseinsatzmöglichkeit nicht bestehe; das Schreiben selbst enthalte auch keine Kündigung. Mit Nichtwissen werde bestritten, daß die Unterschrift auf dem Schreiben vom 8. Juli 1991 die eines zeichnungsberechtigten Geschäftsführers sei.
Der Kläger hat – soweit für die Revisionsinstanz von Belang – beantragt
festzustellen, daß die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien vom 8. Juli 1991 weder als fristlose, noch als ordentliche Kündigung wirksam sei.
Die Beklagte hat mit ihrem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, der Bauleiter H sei bevollmächtigt gewesen, den Kläger einzustellen und zu entlassen; diese Vollmacht habe er generell von Herrn H erhalten. Im übrigen sei sie, die Beklagte, mit dem Vorgehen H einverstanden gewesen. Der Kläger verkenne, daß mit ihm eine Probezeit von drei Monaten vereinbart gewesen sei, innerhalb derer eine Kündigung von einem Tag auf den anderen möglich gewesen sei. Auf die Konsequenzen seiner Arbeitsverweigerung am 8. Juli 1991 hingewiesen, sei er bei seiner Ablehnung verblieben, so daß Herr H dann gesagt habe, der Kläger brauche überhaupt nicht mehr zu kommen; der Kläger sei dann auch gegangen. Bei der Einstellung sei ihm durch den Bauleiter gesagt worden, daß er im ganzen Bundesgebiet eingesetzt werden solle, dazu habe auch ein Einsatz in Eisenach gehört. Der Kläger habe weder auf der Baustelle, noch bei dem Telefonat vom 18. Juli 1991 die angeblich fehlende Vollmacht H gerügt.
Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung der Zeugen H und H die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Zeugen H erneut vernommen und alsdann die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision hält der Kläger an seinem Klagebegehren fest.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Erklärung des Zeugen H vom 8. Juli 1991 sei als außerordentliche Kündigung auszulegen und vom Kläger auch so verstanden worden. H habe nicht die Stellung eines Personalabteilungsleiters im Sinne des § 174 Satz 2 BGB gehabt, der Kläger habe jedoch die Kündigung nicht unverzüglich wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde durch Herrn H zurückgewiesen (§ 174 Satz 1 BGB). Zwar könne sein Bestreiten der Kündigungsbefugnis H gegebenenfalls als unverzüglich, nämlich ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) gelten; im Bestreiten der Berechtigung des Herrn H zum Ausspruch der Kündigung sei jedoch nicht zugleich die Beanstandung wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde zu sehen. Daß Herr H – Kündigungsbefugnis gehabt habe, sei auf Grund seiner Einvernahme bewiesen. Die ausgesprochene außerordentliche Kündigung sei auch materiell berechtigt, weil der Kläger sich nachhaltig und bestimmt geweigert habe, die Arbeit in Eisenach zu übernehmen, obwohl auch ein Einsatz in der ehemaligen DDR Gegenstand der Vertragsabsprache gewesen sei. Auch dies ergebe sich aus der Aussage des Zeugen Hartung. Angesichts des erst relativ kurze Zeit bestehenden Arbeitsverhältnisses überwögen die Interessen der Beklagten die des Klägers an der Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist nach § 12 des allgemeinverbindlichen BRTV-Bau.
II. Die Revision beschränkt sich auf die Rüge der fehlerhaften Anwendung des § 174 BGB, während die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Anwendung des § 626 BGB nicht angegriffen werden.
1. Die Rüge der Verletzung des § 174 BGB ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat keine zusätzlichen Umstände festgestellt, aus denen auf eine Zurückweisung der Kündigung wegen fehlender Vollmachtsvorlage zu schließen ist. Auch die Revision hat solche nicht aufgezeigt.
a) Das Gesetz fordert in § 174 Satz 1 BGB, daß „aus diesem Grund”, also wegen der fehlenden Vollmacht, die Kündigung zurückgewiesen wird. Fehlt es bereits an der Kündigungsbefugnis, dann ist die Kündigung schon nach § 180 Satz 1 BGB unwirksam.
Dazu hat der Senat bereits im Urteil vom 18. Dezember 1980 (– 2 AZR 980/78 – AP Nr. 4 zu § 174 BGB, zu II 3 d der Gründe) entschieden, wie § 174 Satz 1 BGB verlange, müsse die einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gerade wegen der fehlenden Vorlage der Vollmachtsurkunde zurückgewiesen werden, was auch in jenem Fall nicht geschehen sei. Zwar hat der Senat in der angegebenen Entscheidung angemerkt, es sei jeweils durch Auslegung zu ermitteln, ob eine Beanstandung der Kündigung durch den Arbeitnehmer als Zurückweisung nach § 174 BGB ausgelegt werden könne; die fehlende Vollmachtsvorlage brauche zwar nicht ausdrücklich beanstandet zu werden, sondern es reiche aus, wenn sich der Grund der Zurückweisung aus den Umständen eindeutig ergebe und für den Vertragspartner erkennbar sei (ebenso auch das Schrifttum: vgl. Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 174 Rz 8; Erman/Brox, BGB, 7. Aufl., § 174 Rz 2; Soergel/Leptien, BGB, 12. Aufl., § 174 Rz 3). Der Senat hat dann für den Fall einer Gesamtvertretung mehrerer GmbH-Geschäftsführer entschieden, die Erklärung, es fehle an der rechtsverbindlichen Unterzeichnung, enthalte keine sicheren Anhaltspunkte für den Grund der Zurückweisung: Möglicherweise habe der dortige Kläger rügen wollen, daß nicht beide Gesamtvertreter die Kündigung unterschrieben hätten, vielleicht aber auch, daß einer der Geschäftsführer nicht ermächtigt gewesen sei.
b) Auch vorliegend gibt sich aus den Umständen nicht, daß die Kündigung Hartungs vom Kläger wegen dessen fehlender Vollmacht zurückgewiesen worden ist. Gerade die Tatsache, daß die Zurückweisung durch einen Rechtsanwalt in der Klageschrift erfolgte, bei dem zu erwarten ist, daß er den Unterschied zwischen § 174 Satz 1 und § 180 Satz 1 BGB kennt, verwehrt den Rückschluß, hier habe nicht – wie ausdrücklich erklärt – nur die Kündigungsbefugnis des örtlichen Bauleiters bestritten (§ 180 Satz 1 BGB), sondern auch die fehlende Vollmachtsvorlage (§ 174 Satz 1 BGB) gerügt werden sollen. Erstmals in der Berufungsinstanz, also nicht mehr unverzüglich (§ 121 BGB), wird klar formuliert, es fehle am Bevollmächtigungsnachweis, während in der Klageschrift nur bestritten wurde, daß der örtliche Bauleiter zur Kündigung befugt war. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, die Beanstandung der behaupteten Vertretungsmacht nach § 180 BGB beinhalte nicht zugleich auch eine Zurückweisung wegen des fehlenden Nachweises der Vertretungsmacht (Senatsurteil vom 18. Dezember 1980 – 2 AZR 980/78 – AP, aaO, zu II 3 d der Gründe). Zumindest wurde für die Beklagte nicht deutlich, die Zurückweisung solle etwa auch wegen der Nichtvorlage einer Vollmacht erfolgen. Eine Zurückweisung aus anderen Gründen reicht aber für § 174 Satz 1 BGB nicht aus (so auch Erman/Brox, aaO, § 174 Rz 2, Soergel/Leptien, aaO, § 174 Rz 3), denn dessen Sinn ist es, klare Verhältnisse zu schaffen. Die Beklagte konnte demnach davon ausgehen, es genüge, für die Kündigungsbefugnis H Beweis anzutreten, wie dies auch geschehen ist.
c) Deshalb kann auch dahingestellt bleiben, ob nicht im Schreiben der Beklagten vom 8. Juli 1991 an den Kläger, das ihm wohl noch vor Abfassung der Klageschrift und damit vor seinem „Widerspruch” zugegangen ist, ohnehin eine Bestätigung der durch H – ausgesprochenen Kündigung zu sehen ist, so daß dessen Kündigungsbefugnis gar nicht mehr wirksam bestritten werden konnte, § 174 Satz 2 BGB.
2. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu § 626 BGB, nämlich zur Beurteilung des wichtigen Grundes, der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist und zur Interessenabwägung sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Sie werden auch von der Revision nicht angegriffen.
Unterschriften
Hillebrecht, Bitter, Kremhelmer, Engel, Dr. Fischer
Fundstellen