Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang bei Auftragsnachfolge
Normenkette
BGB § 613a
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 27. Mai 1997 – 9 Sa 1458/96 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Die 1970 geborene Klägerin war seit Januar 1987 für die L… GmbH als Innenreinigerin im M… hospital in B… beschäftigt. Die L… GmbH führte neben dem Reinigungsdienst im M… hospital die Spülküche sowie den Hol- und Bringdienst des Krankenhauses. Insgesamt stellte sie ca. 40 – 45 Arbeitnehmer ein.
Das M… hospital kündigte den Auftrag der L… GmbH zum 31. Dezember 1995 und vergab diesen Auftrag an die Beklagte neu. Die Beklagte stellte einen Teil der früheren Beschäftigten der L… GmbH ein. Aus dem Hol- und Bringdienst der L… GmbH waren dies sechs Arbeitnehmer. Die Gesamtzahl der von der Beklagten eingestellten früheren Beschäftigten der L… GmbH ist vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden. Die Klägerin hat behauptet, es habe sich um einen wesentlichen Teil gehandelt. Die Beklagte hat in der Revisionsinstanz vorgetragen, sie habe 17 von den 77 bei der L… GmbH beschäftigten Arbeitnehmer übernommen.
Mit der Klägerin vereinbarte die Beklagte die Neueinstellung zum 1. Januar 1996. Die Klägerin wurde seither im Spülküchenbereich im M… hospital eingesetzt.
Die Beklagte übernahm die Organisations- und Ablaufplanung nicht von der L… GmbH, sondern führte eine eigene ein. Die Beklagte übernahm von der L… GmbH keinerlei Materialien, Reinigungsgeräte oder sonstige Betriebsmittel.
Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 29. April 1996 das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. Mai 1996.
Mit der am 15. Mai 1996 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die sechsmonatige Wartezeit für das Eingreifen des Kündigungsschutzgesetzes sei erfüllt, denn ihre frühere Beschäftigungsdauer bei der L… GmbH sei wegen Betriebsübergangs anzurechnen. Der Betriebsübergang folge aus der Übernahme der Hauptbelegschaft der L… GmbH.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten durch die Kündigung vom 29. April 1996 nicht beendet wurde, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei ordentlich mit der innerhalb der Probezeit maßgeblichen Kündigungsfrist zum Ablauf des 31. Mai 1996 aufgelöst worden. Die Beschäftigungsdauer der Klägerin bei der L… GmbH sei auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht anzurechnen. Ein Betriebsübergang oder ein Übergang eines Betriebsteiles nach § 613a BGB von der L… GmbH auf die Beklagte habe nicht stattgefunden. Insofern habe es sich lediglich um eine Funktionsnachfolge gehandelt. Die Beklagte habe keine Betriebsmittel übernommen und die Arbeitsabläufe neu organisiert. Damit habe sie keine organisierte Gesamtheit übernommen. Die Beklagte führe vielmehr die für den Auftrag erforderliche Organisations- und Ablaufplanung mit eigenem Personal durch, das sie nicht von der L… GmbH übernommen habe.
II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Kündigung vom 29. April 1996 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 31. Mai 1996 aufgelöst.
1. Das Kündigungsschutzgesetz findet keine Anwendung auf das gekündigte Arbeitsverhältnis. Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch keine sechs Monate im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Ihre frühere Beschäftigungsdauer bei der L… GmbH ist auf die Wartezeit nach § 1 KSchG nicht anzurechnen. Die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs von der L… GmbH auf die Beklagte sind nicht dargelegt worden.
a) Ein Betriebsübergang setzt die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Eine Einheit darf allerdings nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus den anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln (ständige Rechtsprechung des Senats im Anschluß an das Urteil des EuGH vom 11. März 1997 – Rs C-13/95 – EuGHE I 1997, 1259 = AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187 [Ayse Süzen]; vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 1997 – 8 AZR 426/94 – AP Nr. 171 zu § 613a BGB, zu B I der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
In Branchen, in denen es im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann die Übernahme einer organisierten Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang darstellen. Die Wahrung der Identität ist anzunehmen, wenn der neue Auftragnehmer nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern aufgrund eigenen Willensentschlusses einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, weil die Arbeitnehmer in der Lage sind, den Neuauftrag wie bisher auszuführen (Senatsurteil vom 13. November 1997 – 8 AZR 295/95 – AP Nr. 169 zu § 613a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) keinen Betriebsübergang dar. Es hängt von der Struktur eines Betriebs oder Betriebsteiles ab, welcher nach Zahl und Sachkunde zu bestimmende Teil der Belegschaft übernommen werden muß, um von der Übernahme einer bestehenden Arbeitsorganisation ausgehen zu können. Haben die Arbeitnehmer einen geringen Qualifikationsgrad, muß eine hohe Anzahl von ihnen beschäftigt werden, um auf einen Fortbestand der vom Konkurrenten geschaffenen Arbeitsorganisation schließen zu können. Ist ein Betrieb stärker durch das Spezialwissen und die Qualifikation der Arbeitnehmer geprägt, kann neben anderen Kriterien ausreichen, daß wegen ihrer Sachkunde wesentliche Teile der Belegschaft übernommen werden (BAG Urteil vom 11. Dezember 1997 – 8 AZR 729/96 – AP Nr. 172 zu § 613a BGB, zu B I 2b der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze kann im Streitfall ein Betriebsübergang nicht angenommen werden. Es liegt lediglich eine Funktionsnachfolge vor.
aa) Die Beklagte hat weder materielle noch immaterielle Betriebsmittel der L… GmbH übernommen.
bb) Ebenso fehlt es an der Ähnlichkeit der vor und nach dem Übergang zu verrichtenden Tätigkeiten. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Beklagte eine neue Ablauf- und Arbeitsorganisation eingeführt hat. Abweichenden Sachvortrag hat die Klägerin nicht gehalten. Allein ihr Hinweis, der beim M… hospital angestellte ehemalige Objektleiter der L… GmbH N… habe die Beklagte auf die Kenntnisse des Mitarbeiters M… verwiesen, berechtigt nicht zu der Annahme, die Beklagte habe sich tatsächlich das Ablauf- und Organisationswissen dieses Mitarbeiters zu eigen gemacht und danach ihre Arbeitsabläufe organisiert.
cc) Eine willentliche Übernahme der Hauptbelegschaft zur Fortführung der Auftragserledigung ist gleichfalls nicht festzustellen.
Soweit die Klägerin vorträgt, die Beklagte habe sechs von acht Mitarbeitern der L… GmbH übernommen, bezieht sich dieser Vortrag lediglich auf den Bring- und Holdienst. Zu diesem Dienst gehörte die Klägerin nicht. Sie war bei der L… GmbH als Innenreinigerin und bei der Beklagten in der Spülküche eingesetzt.
Hinsichtlich des gesamten Auftrags “M… hospital” hat die Klägerin die Übernahme einer organisierten Hauptbelegschaft nicht dargelegt. Ohne Zahlenangaben ist die Behauptung, es sei ein wesentlicher Teil der Belegschaft übernommen worden, nicht ausreichend. In den Parallelprozessen haben die dortigen Kläger vorgetragen, die Beklagte habe etwa 50 % der bei der L… GmbH im M… hospital Beschäftigten übernommen. Dieser Anteil reicht bei Reinigungskräften, die keine besondere Sachkunde haben, nicht aus. Hält der neue Auftragnehmer die frühere Arbeitsorganisation nicht aufrecht und stellen die Arbeitsplätze keine hohen Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitnehmer, genügt auch ein Anteil von 75 % der früheren Beschäftigten nicht, um die Übernahme der Hauptbelegschaft feststellen zu können (Urteil des Senats vom 10. Dezember 1998 – 8 AZR 676/97 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
2. Die gemäß § 622 Abs. 3 BGB maßgebliche Kündigungsfrist ist eingehalten worden.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Müller-Glöge, Noack, Brückmann
Fundstellen
Haufe-Index 2629004 |
ZInsO 1999, 420 |