Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang bei Auftragsnachfolge

 

Normenkette

BGB § 613a

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 27.05.1997; Aktenzeichen 9 (10) Sa 1459/96)

ArbG Bonn (Urteil vom 10.10.1996; Aktenzeichen 1 Ca 1386/96)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 27. Mai 1997 – 9 (10) Sa 1459/96 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der am … 1941 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1989 für die L… GmbH im M… hospital in B… tätig. Er führte für die L… GmbH Arbeiten im Hol- und Bringdienst des Krankenhauses aus. Einschließlich des Klägers beschäftigte die L… GmbH acht Arbeitnehmer im Hol- und Bringdienst. Zu den Aufgaben dieses Dienstes gehörte das Abholen von Müll, das Wechseln von Betten, das Auswechseln von Mülltonnen sowie der Transport von Essen, Getränken und Medikamenten. Darüber hinaus führte die L… GmbH den Betrieb der Spülküche und des Reinigungsdienstes im M… hospital durch. Insgesamt setzte sie ca. 40 – 45 Arbeitnehmer ein.

Das M… hospital kündigte den Auftrag der L… GmbH zum 31. Dezember 1995 und vergab diesen Auftrag an die Beklagte neu. Die Beklagte stellte einen Teil der früheren Beschäftigten der L… GmbH ein. Aus dem Hol- und Bringdienst der L… GmbH waren dies sechs Arbeitnehmer. Die Gesamtzahl der von der Beklagten eingestellten früheren Beschäftigten der L… GmbH ist vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden. Der Kläger hat behauptet, es habe sich um einen wesentlichen Teil gehandelt. Die Beklagte hat in der Revisionsinstanz vorgetragen, sie habe 17 von den 77 bei der L… GmbH beschäftigten Arbeitnehmer übernommen.

Mit dem Kläger vereinbarte die Beklagte die Neueinstellung zum 1. Januar 1996.

Die Beklagte übernahm die Organisations- und Ablaufplanung nicht von der L… GmbH, sondern führte eine eigene ein. Die Beklagte übernahm von der L… GmbH keinerlei Materialien, Reinigungsgeräte oder sonstige Betriebsmittel.

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 14. Mai 1996 das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. Juni 1996.

Mit der am 30. Mai 1996 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die sechsmonatige Wartezeit für das Eingreifen des Kündigungsschutzgesetzes sei erfüllt, denn seine frühere Beschäftigungsdauer bei der L… GmbH sei wegen Betriebsübergangs anzurechnen. Der Betriebsübergang folge aus der Übernahme der Hauptbelegschaft der L… GmbH.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten durch die Kündigung vom 14. Mai 1996 nicht beendet wurde, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei ordentlich mit der innerhalb der Probezeit maßgeblichen Kündigungsfrist zum Ablauf des 30. Juni 1996 aufgelöst worden. Die Beschäftigungsdauer des Klägers bei der L… GmbH sei auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht anzurechnen. Ein Betriebsübergang oder ein Übergang eines Betriebsteiles nach § 613a BGB von der L… GmbH auf die Beklagte habe nicht stattgefunden. Insofern habe es sich lediglich um eine Funktionsnachfolge gehandelt. Die Beklagte habe keine Betriebsmittel übernommen und die Arbeitsabläufe neu organisiert. Damit habe sie keine organisierte Gesamtheit übernommen. Die Beklagte führe vielmehr die für den Auftrag erforderliche Organisations- und Ablaufplanung mit eigenem Personal durch, das sie nicht von der L… GmbH übernommen habe.

II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Kündigung vom 14. Mai 1996 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 30. Juni 1996 aufgelöst.

1. Das Kündigungsschutzgesetz findet keine Anwendung auf das gekündigte Arbeitsverhältnis. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch keine sechs Monate im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Seine frühere Beschäftigungsdauer bei der L… GmbH ist auf die Wartezeit nach § 1 KSchG nicht anzurechnen. Die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs von der L… GmbH auf die Beklagte sind nicht dargelegt worden.

a) Ein Betriebsübergang setzt die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Eine Einheit darf allerdings nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus den anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln (ständige Rechtsprechung des Senats im Anschluß an das Urteil des EuGH vom 11. März 1997 – Rs C-13/95 – EuGHE I 1997, 1259 = AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187 [Ayse Süzen]; vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 1997 – 8 AZR 426/94 – AP Nr. 171 zu § 613a BGB, zu B I der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

In Branchen, in denen es im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann die Übernahme einer organisierten Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang darstellen. Die Wahrung der Identität ist anzunehmen, wenn der neue Auftragnehmer nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern aufgrund eigenen Willensentschlusses einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, weil die Arbeitnehmer in der Lage sind, den Neuauftrag wie bisher auszuführen (Senatsurteil vom 13. November 1997 – 8 AZR 295/95 – AP Nr. 169 zu § 613a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) keinen Betriebsübergang dar. Es hängt von der Struktur eines Betriebs oder Betriebsteiles ab, welcher nach Zahl und Sachkunde zu bestimmende Teil der Belegschaft übernommen werden muß, um von der Übernahme einer bestehenden Arbeitsorganisation ausgehen zu können. Haben die Arbeitnehmer einen geringen Qualifikationsgrad, muß eine hohe Anzahl von ihnen beschäftigt werden, um auf einen Fortbestand der vom Konkurrenten geschaffenen Arbeitsorganisation schließen zu können. Ist ein Betrieb stärker durch das Spezialwissen und die Qualifikation der Arbeitnehmer geprägt, kann neben anderen Kriterien ausreichen, daß wegen ihrer Sachkunde wesentliche Teile der Belegschaft übernommen werden (BAG Urteil vom 11. Dezember 1997 – 8 AZR 729/96 – AP Nr. 172 zu § 613a BGB, zu B I 2b der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze kann im Streitfall ein Betriebsübergang nicht angenommen werden. Es liegt lediglich eine Funktionsnachfolge vor.

aa) Die Beklagte hat weder materielle noch immaterielle Betriebsmittel der L… GmbH übernommen.

bb) Ebenso fehlt es an der Ähnlichkeit der vor und nach dem Übergang zu verrichtenden Tätigkeiten. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Beklagte eine neue Ablauf- und Arbeitsorganisation eingeführt hat. Abweichenden Sachvortrag hat der Kläger nicht gehalten. Allein sein Hinweis, der beim M… hospital angestellte ehemalige Objektleiter der L… GmbH N… habe die Beklagte auf die Kenntnisse des Mitarbeiters M… verwiesen, berechtigt nicht zu der Annahme, die Beklagte habe sich tatsächlich das Ablauf- und Organisationswissen dieses Mitarbeiters zu eigen gemacht und danach ihre Arbeitsabläufe organisiert.

cc) Eine willentliche Übernahme der Hauptbelegschaft zur Fortführung der Auftragserledigung ist gleichfalls nicht festzustellen. Wird zugunsten des Klägers unterstellt, bei dem sogenannten Hol- und Bringdienst habe es sich um einen organisatorisch abgrenzbaren Teil der unstreitig als Betrieb organisierten Erledigung des Auftrags “M… hospital” der L… GmbH gehandelt, begründet dies nicht die Annahme, die Beklagte habe einen Betriebsteil der L… GmbH im Sinne von § 613a Abs. 1 BGB übernommen. Allein die Einstellung von sechs der ehemals acht im Hol- und Bringdienst der L… GmbH beschäftigten Arbeitnehmer begründet nicht die Annahme, damit sei die Hauptbelegschaft übernommen worden. Da es sich um keine Arbeitsplätze handelt, die hohe Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitnehmer stellen, genügt ein Anteil von 75 % der früheren Beschäftigten nicht, um die Übernahme der Hauptbelegschaft feststellen zu können. Dies gilt umsomehr, weil mit ihr keine Bewahrung der früheren Arbeitsorganisation einhergegangen ist (vgl. Urteil des Senats vom 10. Dezember 1998 – 8 AZR 676/97 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

dd) Wird davon ausgegangen, daß allein die Erfüllung des Auftrags “M… hospital” organisatorisch verselbständigt war und allein eine Übernahme dieses Betriebs durch die Beklagte in Betracht käme, hat der Kläger die Übernahme der organisierten Hauptbelegschaft ebensowenig dargelegt.

2. Die gemäß § 622 Abs. 3 BGB maßgebliche Kündigungsfrist ist eingehalten worden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Ascheid, Dr. Wittek, Müller-Glöge, Noack, Brückmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2629005

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge