Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsantrag unter Vorbehalt
Normenkette
BGB § 284 Abs. 1, § 362 Abs. 1; BUrlG § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. August 1995 – 11 Sa 470/95 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger fünf Tage Urlaub aus dem Jahre 1992 nachzugewähren sind.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1971 als Angestellter in der Zahlstelle des Arbeitsamtes I. beschäftigt. Er ist Mitglied des Rates der Stadt H. Im Dezember 1991 beschloß der Rat der Stadt H., mit der russischen Stadt Schelkowo eine Städtefreundschaft abzuschließen. Im Februar 1992 wurden Rat und Verwaltung der Stadt H. vom Bürgermeister der Stadt Schelkowo zur Begründung der Städtepartnerschaft nach Schelkowo eingeladen. Der Rat der Gemeinde beschloß den Besuch einer Delegation unter Beteiligung der Mitglieder aller Ratsfraktionen als „Dienstreise” für die Zeit vom 25. Juni bis einschließlich 1. Juli 1992. Der Kläger ist zum Delegationsmitglied bestimmt worden. Am 5. Juni 1992 hat er für diese Dienstreise bezahlte Arbeitsbefreiung bei der Beklagten unter Bezugnahme auf § 52 des Manteltarifvertrags für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit (MTA) vom 21. April 1961 in der Fassung vom 24. April 1991 beantragt. In diesem kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren MTA war bis zum Inkrafttreten des 62. Änderungstarifvertrages am 1. Juli 1996 bestimmt:
§ 52
Arbeitsbefreiung
(1) Der Angestellte wird in den nachstehenden Fällen, soweit nicht die Angelegenheit außerhalb der Arbeitszeit, gegebenenfalls nach ihrer Verlegung, erledigt werden kann, unter Fortzahlung der Vergütung (§ 26) für die Dauer der unumgänglich notwendigen Abwesenheit von der Arbeit freigestellt:
1. Zur Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten nach deutschem Recht
…
b) zur Ausübung öffentlicher Ehrenämter,
…
In den Fällen der Nr. 1 sowie der Nr. 2 Buchst. a, b und f besteht Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung nur insoweit, als der Angestellte nicht Ansprüche auf Ersatz der Vergütung geltend machen kann. Die fortgezahlten Beträge gelten in Höhe des Ersatzanspruchs als Vorschuß auf die Leistungen der Kostenträger. Der Angestellte hat den Ersatzanspruch geltend zu machen und die erhaltenen Beträge an die BA abzuführen.
Die Beklagte hat die Arbeitsbefreiung wegen des ihrer Ansicht nach repräsentativen Charakters von Besuchsreisen zu Partnerstädten abgelehnt. Der Kläger hat am 16. Juni 1992 „unter Vorbehalt” Jahresurlaub beantragt, der von der Beklagten „unter Anrechnung auf den Jahresurlaub” genehmigt worden ist. Vom 25. Juni bis 1. Juli 1992 nahm der Kläger an der Reise der Delegation teil. Am 22. Dezember 1992 hat er von der Beklagten erfolglos verlangt, die in Anspruch genommenen fünf Urlaubstage seinem Urlaubskonto gutzuschreiben.
Mit der am 7. Juni 1993 erhobenen Klage hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere fünf Tage unverbrauchten Resturlaubs aus dem Jahre 1992 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten ist das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen worden. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag weiter. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Nachgewährung von fünf Urlaubstagen aus dem Jahr 1992.
1. Der geltend gemachte Anspruch auf Erholungsurlaub ist – wie das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt hat – nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Die Beklagte hat den Anspruch durch Gewährung erfüllt.
Der vom Kläger bei seinem Urlaubsverlangen geäußerte Vorbehalt ist rechtlich ohne Bedeutung (BAGE 73, 225, 229 = AP Nr. 4 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW, zu III der Gründe).
2. Die von der Revision gegen das Erlöschen des Urlaubsanspruchs vorgebrachten Argumente führen zu keinem anderen Ergebnis.
War die Beklagte – wie die Revision geltend macht – gehindert, die Freistellung vom 25. Juni bis 1. Juli 1992 auf die Erfüllung des Urlaubsanspruchs anzurechnen, so ist der im Klageantrag als „unverbraucht” bezeichnete Resturlaubsanspruch spätestens mit dem Ablauf des tariflichen Übertragungszeitraums erloschen, ohne daß ein Ersatzurlaubsanspruch entstanden ist.
Der Arbeitgeber schuldet einen Ersatz für den verfallenen Urlaubsanspruch nur dann, wenn er mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug geraten ist und aus diesem Grund die durch den Zeitablauf eingetretene Unmöglichkeit des Urlaubsanspruchs nach § 280 Abs. 1, § 287 Satz 2 BGB zu verantworten hat (vgl. ständige Senatsrechtsprechung zuletzt Senatsurteil vom 5. Dezember 1995 – 9 AZR 666/94 – AP Nr. 22 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Nach § 284 Abs. 1 BGB bedarf es zu der Herbeiführung des Verzugs einer Mahnung des Gläubigers. Zwar hat der Kläger am 22. Dezember 1992 verlangt, ihm fünf Tage Erholungsurlaub gutzuschreiben. Darin liegt aber noch keine Mahnung im Sinne eines bestimmten und eindeutigen Leistungsverlangens (vgl. Senatsurteil vom 24. August 1993 – 9 AZR 409/90 –, n.v.; BAGE 52, 254 und 258 = AP Nr. 5 und Nr. 6 zu § 44 SchwbG). Mit der Mahnung muß deutlich die Aufforderung zum Ausdruck kommen, daß die geschuldete Leistung unverzüglich zu bewirken ist. Für die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen bedeutet das, der Arbeitnehmer muß vom Arbeitgeber eine zeitlich festgelegte Befreiung von der Arbeitspflicht im Sinne von § 7 Abs. 1 BUrlG verlangen. Das ist nicht geschehen.
3. Die Beklagte hat sich auch nicht verpflichtet, dem Kläger zunächst durch die Gewährung von Urlaub die Teilnahme an der „Dienstreise des Stadtrates” zu ermöglichen und nach einer gerichtlichen Klärung des Streits über das Bestehen eines Freistellungsanspruches nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 MTA den in Anspruch genommenen Urlaub nachzugewähren (vgl. BAGE 72, 200, 203 f. = AP Nr. 1 zu § 9 BildungsurlaubsG Hessen, zu A III 2 der Gründe; BAGE 75, 99, 104 = AP Nr. 9 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW, zu II 2 a der Gründe).
4. Ob der Kläger einen Anspruch auf Ersatzfreistellung zum Ausgleich eines Schadens hat, den die Beklagte zu vertreten hat, bedarf hier keiner Entscheidung. Der Kläger hat in beiden Tatsacheninstanzen lediglich den Anspruch auf „unverbrauchten Resturlaub” verfolgt. Der Anspruch auf Erholungsurlaub nach § 47 MTA und der Freistellungsanspruch nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 MTA unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Entstehungsvoraussetzungen und ihrer Rechtsfolgen. Die Entscheidung über diesen anderen Streitgegenstand ist dem Revisionsgericht verwehrt; denn Klageänderungen und Klageerweiterungen sind in der Revisionsinstanz im allgemeinen unzulässig (BAGE 50, 85, 92 = AP Nr. 2 zu § 98 BetrVG 1972, zu B III der Gründe; Senatsurteil vom 7. November 1995 – 9 AZR 645/94 – AP Nr. 38 zu § 59 KO).
II. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Unterschriften
Leinemann, Reinecke, Düwell, Dr. Weiss, Busch
Fundstellen