Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung
Normenkette
Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 12.05.1993; Aktenzeichen 2 Sa 28/93) |
ArbG Bautzen (Urteil vom 01.12.1992; Aktenzeichen 5 Ca 340/92) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 12. Mai 1993 – 2 Sa 28/93 – aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 1. Dezember 1992 – 5 Ca 340/92 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.
Die im Jahre 1946 geborene Klägerin stand seit dem 1. August 1966 im Schuldienst der ehemaligen DDR. Sie unterrichtete an der Polytechnischen Oberschule B. als Lehrerin für untere Klassen mit dem Nebenfach Musik, 1974/75 besuchte sie die Kreisparteischule der SED. Ab dem Herbst 1981 bis zum Herbst 1986 und vom Frühjahr 1988 bis zum Herbst 1989 war sie ehrenamtliche Parteisekretärin an ihrer Schule. Von den etwa 20 Lehrern der Schule gehörten regelmäßig 5 bis 7 der SED an.
Nachdem der Beklagte die Klägerin persönlich angehört hatte, kündigte er das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. März 1992, der Klägerin zugegangen am 24. März 1992, zum 30. Juni 1992 wegen mangelnder persönlicher Eignung.
Mit ihrer am 27. März 1992 beim Kreisgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam. Aus ihrer früheren Funktion könne nicht auf mangelnde Eignung geschlossen werden. Bei der anstehenden Wahl zum Parteisekretär im Jahre 1981 seien nur fünf SED-Mitglieder an der Schule beschäftigt gewesen. Von diesen seien vier aus Altersgründen oder wegen anderer Funktionen in der Schule (Direktor) für eine Wahl nicht in Frage gekommen. Erst im Herbst 1986 sei es ihr gelungen, das Parteisekretärsamt, u.a. aus gesundheitlichen Gründen, wieder abzugeben. Im Frühjahr 1988 sei ihr Nachfolger durch die Übernahme der Funktion als Hauptsportlehrer ausgefallen. Deshalb sei sie von der Kreisleitung der SED bis zur Neuwahl im Herbst 1989 wieder mit der Funktion eines Parteisekretärs betraut worden. In dienstlichen Beurteilungen aus dem Jahre 1984 sei ihr vorgeworfen worden, ihre Ausstrahlung als Leitungsmitglied der Parteigruppe sei zu gering, um die Parteigruppe als führende Kraft an der Schule überzeugend zu dokumentieren. Nach der dienstlichen Beurteilung sei es ihr selten gelungen, die gemeinsame Sache überzeugend vorzutragen und die erforderliche Begeisterung davon auf die Kollegen und Genossen zu übertragen. Trotz dieser Kritik habe sie in ihrer Funktion verbleiben müssen, weil kein Ersatz zur Verfügung gestanden habe.
Die Klägerin hat weiter vorgetragen, als ehrenamtliche Parteisekretärin sei sie Vorsitzende der Betriebsparteiorganisation der SED innerhalb des Betriebes „Schule” gewesen. Die Betriebsparteiorganisationen hätten als kleinste Einheiten im Rahmen der Gesamtparteiorganisation selbst keinen Einfluß und keine Entscheidungskompetenz gehabt. Jeder Parteisekretär habe auch unter Berücksichtigung der politischen Vorgaben der SED erheblichen Handlungsspielraum besessen. Sie, die Klägerin, sei nicht Mitglied der Schulleitung gewesen und habe den Direktor ihrer Schule nicht kontrolliert und nicht auf die Einhaltung der Parteilinie überwacht. Ebensowenig sei sie für die politische Bildung der Schüler und Lehrer verantwortlich gewesen. Sie habe kein Mitspracherecht bei Entscheidungen über Besuchsreisen in die damalige Bundesrepublik Deutschland und kein Vorschlagsrecht bei Prämierungen, Auszeichnungen und Beförderungen gehabt, auch habe ihr nicht die Werbung für den militärischen Nachwuchs und für die Jugendweiheteilnahme oblegen. Das politische Klima an der Schule sei in den Parteisitzungen nicht besprochen worden. In ihren Berichten an die SED-Kreisleitung habe sie nur allgemein über das politische Klima innerhalb der Parteigruppe, über die Themen der Sitzungen und Fragen der Parteigruppe berichtet. Einzelne Namen, insbesondere von Nichtmitgliedern, seien nicht genannt worden. Insgesamt habe Übernahme und Ausführung des Amtes ihrer zurückhaltenden Art entsprochen. Der Besuch der Kreisparteischule sei von ihr als Mitglied der SED erwartet worden, den Besuch der Bezirksparteischule habe sie mehrfach erfolgreich abgelehnt. Ihr Unterricht seit dem 1. Januar 1990 sei, was politische Äußerungen angehe, im Schüler- und Kollegenkreis unbeanstandet geblieben. Im übrigen sei die Kündigung auch nicht fristgerecht erfolgt.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 20. März 1992 nicht beendet worden sei,
- für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, die mangelnde persönliche Eignung der Klägerin ergebe sich aus ihrem individuellen beruflichen Werdegang. Der Besuch der Kreisparteischule habe dazu gedient, sie mit einer gründlichen marxistisch-leninistischen Bildung zur Festigung ihres Klassenstandpunktes und ihrer sozialistischen Denk- und Verhaltensweise zu versehen. Als Schulparteisekretär sei sie Mitglied der Schulleitung gewesen und habe bei jeder politischen Entscheidung des Direktors ein Mitspracherecht besessen. Der Parteisekretär habe den Direktor auf die Einhaltung der Parteilinie an der Schule kontrolliert und die Verantwortung für die politische Bildung der Kinder, Jugendlichen und Lehrer getragen. In diesem Sinne habe er die Parteiversammlungen geleitet, in denen ständig das politische Klima an der Schule besprochen worden sei. Er habe hierüber und über politische Auffälligkeiten monatlich schriftlich an die SED-Kreisleitung berichten müssen. Er sei an der Bescheidung der Anträge für Besuchsreisen in die Bundesrepublik Deutschland beteiligt gewesen und habe ein Mitspracherecht bei Entscheidungen über Prämierungen, Auszeichnungen und Beförderungen besessen. Ihm habe die Werbung für militärischen Berufsnachwuchs und für die Teilnahme an der Jugendweihe oblegen. Er sei verpflichtet gewesen, sich regelmäßigen Schulungen durch hauptamtliche Funktionäre der SED-Kreisleitung zu unterziehen. Wer – wie die Klägerin – das Bildungsziel der SED so aus voller Überzeugung vertreten und dessen Umsetzung an solch herausgehobener Stelle unterstützt habe, könne nicht plötzlich eine innere Wende vollziehen und die Werte des Grundgesetzes glaubwürdig vermitteln. Selbst wenn sich die Klägerin vom politischen Leitbild der SED gelöst und von deren Bildungsziel losgesagt habe, bestehe wegen der verbleibenden großen Zweifel bei Eltern und Schülern ein nachhaltiger Vertrauensverlust, der die Klägerin als ungeeignet für den Schuldienst erscheinen lasse.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin fehle für eine Tätigkeit als Lehrerin die persönliche Eignung. Sie sei 6 1/2 Jahre, zuletzt sogar bis zum Herbst 1989, ehrenamtliche Parteisekretärin an ihrer Schule gewesen. Auch wenn ein Parteisekretär nur auf der untersten Ebene für den SED-Staat tätig geworden sei, habe er doch in besonderem Maße an dessen Zielen, vor allem der Bekämpfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, mitgewirkt. Als Vorsitzender der Schulparteileitung habe er der Kreisleitung der SED monatlich über das politische Klima an der Schule berichten und Parteiversammlungen leiten müssen, in denen das politische Klima der Schule besprochen werden sollte. Ausreichend sei, daß dies von der Klägerin jedenfalls erwartet worden sei. Auch wenn die Klägerin wegen ihrer fehlenden Ausstrahlung als Leitungsmitglied der Parteigruppe kritisiert worden sei, habe sie doch als Vorsitzende der Schulparteileitung eine hervorgehobene Position besessen. Von ihr sei die Verbreitung der SED-Ideologie erwartet worden. Damit habe die Übernahme des Amtes eine besondere Identifikation mit der SED und dem SED-Unrechts Staat bedeutet.
Die Klägerin habe diese besondere Identifikation nicht entkräftet. Ihre fehlende Ausstrahlung habe nach ihrem eigenen Vortrag auf ihrer zurückhaltenden Art beruht und damit keine Distanzierung von dem SED-Staat bedeutet. Dasselbe gelte im Ergebnis für ihre Gutgläubigkeit. Die Klägerin habe nicht konkretisiert, warum bestimmte weitere SED-Mitglieder für die Übernahme des Amtes eines Parteisekretärs nicht in Frage gekommen seien. Wenn sie sich letztlich habe überreden lassen, das Amt zu übernehmen, habe sie damit bewußt in Kauf genommen, den SED-Staat zu repräsentieren. Die erneute Übernahme des Amtes im Frühjahr 1988 habe zumindest bedeutet, daß die SED-Kreisleitung sie für das Amt eines Parteisekretärs noch als geeignet angesehen habe. Insgesamt sei es nicht vorstellbar, daß die Klägerin ihr Amt 6 1/2 Jahre ohne Bewährung im Sinne der SED hätte führen können. Deshalb wirke die Klägerin unglaubwürdig, wenn sie sich jetzt für die Werte einsetzen solle, die sie lange Zeit in ihrem Amt habe bekämpfen müssen. Es seien keine Umstände ersichtlich, daß sich das Bekenntnis der Klägerin zum Grundgesetz zum Zeitpunkt der Kündigung zweifelsfrei manifestiert habe. Die beanstandungsfreie Erteilung des Unterrichts seit dem 1. Januar 1990 genüge nicht angesichts der 6 1/2jährigen Tätigkeit als Parteisekretär. Ein besonderes Engagement der Klägerin für demokratische Institutionen sei nicht dargetan.
B. Diese Ausführungen halten der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 20. März 1992 nicht aufgelöst worden.
1. Die Unwirksamkeit der Kündigung folgt nicht schon aus personalvertretungsrechtlichen Gründen. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats werde von der Klägerin nicht mehr gerügt. An diese Feststellung ist der Senat gebunden, da weder ein Tatbestandsberichtigungsantrag noch eine entsprechende Verfahrensrüge vorliegt. Die Revision geht auf die Frage der Beteiligung des Personalrats nicht ein.
2. Die Kündigung ist nicht nach Abs. 4 Ziff. 1 EV gerechtfertigt und demgemäß nach § 1 Abs. 1 des anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes unwirksam. Der Kündigungsgrund der mangelnden persönlichen Eignung liegt nicht vor.
a) Nach Art. 20 Abs. 1 EV gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts der neuen Länder die in der Anlage I zum Einigungsvertrag vereinbarten Regelungen. Die Klägerin unterrichtete zum Zeitpunkt des Beitritts an einer öffentlichen Schule, gehörte daher dem öffentlichen Dienst an.
b) Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Der Senat hat in seinen Entscheidungen vom 18. März 1993 und 4. November 1993 (– 8 AZR 356/92 – BAGE 72, 361 = AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX und – 8 AZR 127/93 – BAGE 75, 46 = AP Nr. 18, a.a.O., m.w.N.) die Wirksamkeit der Kündigung nach einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung beurteilt und hierzu im einzelnen folgende Grundsätze entwickelt:
Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht.
Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen; denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und ggf. zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweislast findet nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – AP Nr. 22, a.a.O., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 3 b der Gründe).
c) Bei der Auslegung und Anwendung des Abs. 4 Ziff. 1 EV ist der Bedeutung und Tragweite von Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen. Danach begründet die für Verbleib und Aufstieg im öffentlichen Dienst der DDR notwendige und übliche Loyalität und Kooperation für sich allein keine mangelnde Eignung. Die Kündigung erfordert – auf der Grundlage des Parteivortrags – eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers nach seinem gesamten Verhalten vor und nach dem Beitritt. Abs. 4 Ziff. 1 EV eröffnet nicht die Möglichkeit, die Tragbarkeit eines Arbeitnehmers für den öffentlichen Dienst allein nach seiner Stellung in der Hierarchie der DDR und seiner früheren Identifikation mit dem SED-Regime pauschal zu beurteilen. Die innere Einstellung eines Menschen kann sich ändern, und die Erfahrungen und Einsichten, die gerade Bürger der DDR nach 1989 gemacht haben, können eine solche Änderung herbeigeführt haben (BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 – AP Nr. 44 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu C I 3 b aa der Gründe). Der besondere Kündigungstatbestand des Abs. 4 Ziff. 1 EV ist in dieser – der dargestellten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechenden – Auslegung verfassungsgemäß (BVerfG, a.a.O., zu C I der Gründe).
d) Danach kann die persönliche Eignung der Klägerin nicht verneint werden.
aa) Der Besuch der Kreisparteischule war eine aus der SED-Mitgliedschaft erwachsene allgemein übliche, zudem kurzfristige Betätigung für die Partei, aus der ein besonderes Engagement für den SED-Staat nicht hergeleitet werden kann (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 23. Juni 1994 – 8 AZR 320/93 – n.v., zu B 2 c der Gründe).
bb) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die insgesamt mehr als drei Wahlperioden lang andauernde Tätigkeit der Klägerin als ehrenamtlicher Parteisekretär für ihre Ungeeignetheit spricht, weiterhin als Lehrerin tätig zu sein. Immerhin übte die Klägerin das Amt des ehrenamtlichen Parteisekretärs von 1981 bis 1986 und vom Frühjahr 1988 bis zur Wende aus. Die Parteisekretäre hatten als Repräsentanten der staatstragenden Partei in den Schulen der DDR in einer herausgehobenen Funktion an der ideologischen Umsetzung der grundgesetzfeindlichen Ziele der SED mitzuwirken. Wer wiederholt in ein solch wichtiges Parteiamt gewählt wurde, bei dem kann davon ausgegangen werden, daß er sich mit den Zielen des SED-Staates besonders identifiziert hat, was ihn für eine Tätigkeit als Lehrer ungeeignet macht (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. nur Senatsurteile vom 16. Dezember 1993 – 8 AZR 15/93 – n.v., zu B II 2 der Gründe; vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 24/93 – n.v., zu B III 2 c aa der Gründe; vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 128/93 – n.v., zu B III 3 a der Gründe; vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – a.a.O., zu B II 3 a der Gründe; vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – n.v., zu B II 2 c aa der Gründe).
cc) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch übersehen, daß die Klägerin die sich aus der ausgeübten Funktion ergebende Indizwirkung entkräftet hat.
Der Schulparteisekretär besaß unstreitig einen erheblichen Handlungsspielraum. Wenn er diesen dahingehend genutzt hat, wesentliche Aufgaben nicht oder nicht im Sinne der SED durchzuführen, ist das Indiz der Ungeeignetheit ausgeräumt. Ein solcher Schulparteisekretär hat sich nicht durch die bloße Amtsausübung mit den Zielen des SED-Staates besonders identifiziert. Er entsprach nicht dem politischen Leitbild der SED und hat deren Bildungsziele nicht nachhaltig gefördert. Die bloße Repräsentation nach außen kann hier nicht genügen.
Die Klägerin hat im einzelnen vorgetragen, sie habe die mit der Funktion des Parteisekretärs regelmäßig verbundenen Aufgaben im wesentlichen nicht wahrgenommen. Es erscheint denkbar, daß sie das Amt in der von ihr beschriebenen Art und Weise ausgeübt, insbesondere Kontroll- und Mitspracherechte nicht wahrgenommen hat und Berichtspflichten nur in allgemeiner Form nachgekommen ist. Der Beklagte hat sich zu diesen tatsächlichen Behauptungen nicht geäußert, so daß sie als unstreitig anzusehen sind (§ 138 Abs. 3 ZPO). Zumindest hat er keinen Beweis für eine den Vorgaben des Amtes entsprechende Amtsausübung angetreten.
Es kommt hinzu, daß die Klägerin den Besuch der Bezirksparteischule abgelehnt hat und wegen ihrer fehlenden Ausstrahlung kritisiert worden ist. Insgesamt ergibt sich, daß sie das Amt zurückhaltend ausgeübt hat. Das trägt zur Entkräftung der Indizwirkung bei. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bedurfte es keiner besonderen Distanzierung von dem SED-Staat. Auch eine Zurückhaltung aufgrund persönlicher Veranlagung zeigt auf, daß die konsequente Verfolgung der Zielsetzungen der SED keineswegs im Vordergrund stand.
Die Klägerin hat keine Parteilaufbahn hinter sich gebracht. Sie war Parteisekretärin an einer Dorfschule, die Parteigruppe bestand nur aus 5 bis 7 Mitgliedern. Andere herausgehobene Ämter hat die Klägerin nicht ausgeübt. Es kann demnach dahingestellt bleiben, ob auch ihr Vortrag zur Übernahme des Amtes und zu den Abgabebemühungen eine Entkräftung der Indizwirkung bewirken könnte.
II. Über den Weiterbeschäftigungsantrag ist nicht mehr zu entscheiden, da der Streit über die Wirksamkeit der Kündigung rechtskräftig abgeschlossen ist. Die Klägerin hat zwar nicht ausdrücklich Weiterbeschäftigung (nur) bis zur Rechtskraft des Feststellungsurteils begehrt. In diesem Sinne ist ihr Antrag aber schon vom Arbeitsgericht ausgelegt worden, ohne daß die Klägerin dem widersprochen hätte.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Rödder, Hennecke
Fundstellen