Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfall von Übergangsgeldansprüchen

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch auf Zahlung von Übergangsgeld ist ein einheitlicher Kapitalanspruch. Er wird aber in monatlichen Teilbeträgen erstmalig am 15. des auf das Ausscheiden folgenden Monats fällig.

2. Der Ablauf tariflicher Ausschlußfristen ist von Amts wegen zu beachten (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts).

3. Den öffentlichen Arbeitgeber trifft keine allgemeine Fürsorgepflicht, seine Arbeitnehmer über etwaige Ansprüche zu belehren, wenn darüber rechtlich verschiedene Ansichten möglich sind. Das gilt zu mindest dann, wenn es um Ansprüche geht, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzuwickeln waren.

 

Normenkette

BAT § 70; ALTVBAT § 62

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 13.07.1984; Aktenzeichen 4 Sa 357/84)

ArbG Bonn (Entscheidung vom 29.02.1984; Aktenzeichen 4 (3) Ca 3031/83)

 

Tatbestand

Der am 2. November 1921 geborene, schwerbehinderte Kläger war seit dem 16. Juni 1952 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellter beschäftigt und zuletzt in der Dienststelle des Bundesvermögensamtes in Bonn tätig. Das Arbeitsverhältnis wurde aufgrund des Auflösungsvertrages vom 13. August 1981 mit Ablauf des 31. Dezember 1981 einverständlich aufgelöst. Der Kläger bezieht als Schwerbehinderter ab 1. Januar 1982 vorgezogenes Altersruhegeld und eine Zusatzrente der Zusatzversorgungseinrichtung des Bundes und der Länder (VBL).

Die Beklagte übersandte dem Kläger die Durchschrift eines mit "endgültige Kassenanweisung" bezeichneten Schreibens an die Bundeskasse in Bonn vom 6. Oktober 1981, in der der Kläger als Empfänger eines als Übergangsgeld gemäß §§ 62 - 64 BAT bezeichneten Auszahlungsbetrages von 13.826,84 DM benannt ist und die Zahlungsmodalitäten in vier Teilbeträgen zu je 3.456,71 DM jeweils am 15. eines Monats, erstmalig am 15. Januar 1982 festgelegt sind. Die Kassenanweisung enthielt ferner den Vermerk: "Das Übergangsgeld wird endgültig gezahlt".

Am 5. Januar 1982 teilte die Mitarbeiterin der Beklagten G dem Kläger mit, aufgrund der durch das 2. HStruktG erfolgten Gesetzesänderung könne das Übergangsgeld nicht ungekürzt gezahlt werden, vielmehr seien die als Schwerbehinderter bezogenen Leistungen anzurechnen. Mit Schreiben vom 6. Januar 1982 übersandte die Beklagte ein mit "vorläufige Kassenanweisung" bezeichnetes Schreiben an die Bundeskasse in Bonn und merkte an, daß sie die bereits ausgezahlten Renten der BfA aus Vereinfachungsgründen schon mindernd berücksichtigt habe. Den Anspruch auf die ebenfalls anzurechnende VBL-Rente werde sie dort geltend machen. Die "vorläufige Kassenanweisung" vom 6. Januar 1982 weist einen in vier Teilbeträgen zu je 1.688,81 DM erstmals am 15. Januar 1982 zu zahlenden Auszahlungsbetrag von 6.755,24 DM aus. Sie enthält den Vermerk, daß das Übergangsgeld vorläufig gezahlt und auf das mit 13.826,84 DM ermittelte Übergangsgeld das von der BfA ab 1. Januar 1982 für vier Monate gezahlte Altersruhegeld (4 x 1.767,90 DM = 7.071,60 DM) angerechnet wird und demnach 6.755,24 DM vorläufig auszuzahlen sind. Zugleich wurde die Kassenanweisung vom 6. Oktober 1981 aufgehoben. Im weiteren Verlauf übersandte die Beklagte dem Kläger die Durchschrift einer "endgültigen Kassenanweisung" vom 4. Februar 1982 an die Bundeskasse Bonn, die ein endgültiges Übergangsgeld des Klägers auf 2.753,24 DM festsetzte. Diesen Betrag zahlte sie insgesamt an den Kläger als Übergangsgeld.

Mit Schreiben vom 23. August 1983 forderte der Kläger die Auszahlung des ungekürzten Übergangsgeldes. Den Hinweis der Beklagten auf den Ablauf der Verfallfrist des § 70 BAT hält er für treuwidrig, zumal er bei der telefonischen Unterredung mit der Zollinspektorin G diese gebeten habe "seine Rechte nach § 70 BAT wahrzunehmen".

Der Kläger hat mit der am 30. Dezember 1983 erhobenen Klage beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen

Betrag in Höhe von 11.073,60 DM nebst 4 % Zinsen

seit dem 1. Januar 1982 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und geltend gemacht, die Ansprüche des Klägers seien gemäß § 70 BAT verfallen. Eine rechtzeitige schriftliche Geltendmachung durch den Kläger sei nicht erfolgt. Der "endgültigen Kassenanweisung" vom 6. Oktober 1981 komme zudem nur die Bedeutung einer innerdienstlichen Anweisung zu. Rechtswirkungen im Verhältnis zum Kläger habe sie nicht.

Das Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der durch Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 30. November 1984 - 7 AZN 544/84 - zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen und zur Klagabweisung.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Anspruch des Klägers auf Zahlung des ungekürzten Übergangsgeldes gemäß §§ 62 ff. BAT habe keiner schriftlichen Geltendmachung gemäß § 70 BAT bedurft, da die Beklagte nach ihrer eigenen Berechnung die dem Kläger zustehenden Übergangsgeldbeträge im Oktober 1981 streitlos gestellt habe. Nach dem Sinn und Zweck der tariflichen Ausschlußfrist des § 70 BAT sei vorliegend keine schriftliche Geltendmachung notwendig gewesen, weil sich ein ausdrückliches Verlangen des Klägers auf Zahlung als reiner Formalismus dargestellt hätte. Daran ändere auch die am 5. und 6. Januar 1982 mitgeteilte Anrechnung der Renten nichts. Durch die im Oktober 1981 erfolgte Errechnung des Übergangsgeldes habe die Beklagte den Anspruch praktisch anerkannt. Das so erhalten gebliebene Recht des Klägers habe daher durch Ablauf der Verfallfrist nicht untergehen können.

II. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld gemäß §§ 62 ff. BAT entstanden war. Der Kläger schied zum Ablauf des 31. Dezember 1981 durch Aufhebungsvertrag aus dem Arbeitsverhältnis aus, um als Schwerbehinderter ab dem 1. Januar 1982 das vorgezogene Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen.

1. Zwar sieht § 63 Abs. 5 Satz 1 BAT die Anrechnung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und laufenden Versorgungsbezügen auf das zu zahlende Übergangsgeld und dessen Auszahlung nur insoweit vor, als es die Summe der anrechenbaren Leistungen für den gleichen Zeitraum übersteigt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG Urteil vom 11. Dezember 1985 - 7 AZR 351/84 - nicht veröffentlicht, m.w.N.; BAG Urteil vom 13. Juli 1982 - 3 AZR 576/80 - AP Nr. 3 zu § 42 SchwbG) hat aber in ständiger Rechtsprechung die Vorschrift insoweit für rechtsunwirksam gehalten, als sie sich auf das vorgezogene Altersruhegeld von Schwerbehinderten und die Anrechnung der VBL-Rente bezieht.

2. Daran hat die durch Art. 6 des 2. HStruktG vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1523) erfolgte Neufassung des § 42 SchwbG nichts geändert. Zwar gilt seit dem 1. Januar 1982 das Anrechnungsverbot nicht mehr (BAG Urteile vom 11. Dezember 1985 - 7 AZR 351/84 - und - 7 AZR 254/84 - nicht veröffentlicht; BAG Urteil vom 16. November 1982 - 3 AZR 177/82 - BAGE 40, 355 = AP Nr. 8 zu § 42 SchwbG; BAG Urteil vom 21. August 1984 - 3 AZR 565/83 - BAGE 46, 245, 248 = AP Nr. 13 zu § 42 SchwbG; vgl. zuletzt erkennender Senat, Urteil vom 27. November 1986 - 6 AZR 558/84 - zur Veröffentlichung bestimmt). Die Neuregelung gilt aber noch nicht für Angestellte, deren Arbeitsverhältnis vor dem 1. Januar 1982 geendet hat (vgl. BAG Urteil vom 16. November 1982 - 3 AZR 177/82 - aa0; BAG Urteil vom 11. Dezember 1985 - 7 AZR 351/84 -; BAG Urteil vom 27. November 1986 - 6 AZR 558/84 - zur Veröffentlichung bestimmt).

III. Der entstandene Anspruch des Klägers auf Zahlung des ungekürzten, anrechnungsfreien Übergangsgeldes ist aber verfallen. Der Kläger hat seinen Anspruch - obwohl erforderlich - nicht innerhalb der sechsmonatigen Ausschlußfrist des § 70 BAT schriftlich geltend gemacht.

1. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung des Übergangsgeldes ist zwar ein einheitlicher Kapitalanspruch (vgl. BAG Urteil vom 16. November 1982 - 3 AZR 177/82 - aa0). Er wird aber in monatlichen Teilbeträgen erstmalig am 15. des auf das Ausscheiden folgenden Monats fällig (§ 64 Abs. 1 Satz 1 BAT), vorliegend also monatlich erstmals mit dem 15. Januar 1982. Da § 70 BAT den Beginn des Laufs der Ausschlußfrist an die Fälligkeit knüpft, hätte der Anspruch des Klägers auf den ersten Teilbetrag spätestens bis zum 15. Juli 1982 einschließlich und für die folgenden Raten bis zum jeweils 15. des Folgemonats, insgesamt jedenfalls bis zum 15. Oktober 1982 schriftlich geltend gemacht werden müssen. Das ist nicht geschehen.

2. Der Ablauf tariflicher Ausschlußfristen ist von Amts wegen zu beachten (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vgl. Urteil vom 8. März 1976 - 5 AZR 361/75 - AP Nr. 4 zu § 496 ZPO; Urteil vom 27. Februar 1968 - 1 AZR 369/67 - AP Nr. 2 zu § 37 BAT; Urteil vom 25. November 1970 - 4 AZR 69/69 - BAGE 23, 83 = AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; Böhm/Spiertz/Spohner/Steinherr, BAT, Stand März 1987, § 70 Rz 4; Crisolli/Ramdohr, Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, 156. Ergänzungslieferung, Stand August 1986, Erl. 1 zu § 70; Leser, AR-Blattei "Ausschlußfristen I" unter K I m.w.N.), ohne daß sich eine Partei darauf zu berufen braucht. Ihr Ablauf bewirkt das Erlöschen des Rechts (vgl. BAG Urteil vom 5. November 1963 - 5 AZR 136/63 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag). An den Begriff des Geltendmachens sind dabei keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Es genügt jeder ernstliche Hinweis auf den Anspruch (vgl. BAG Urteil vom 7. Dezember 1962 - 1 AZR 128/59 - AP Nr. 23 zu § 1 HausarbeitsTagsG Nordrh.-Westfalen; Crisolli/Ramdohr, aa0, Erl. 10 zu § 70).

3. Gleichwohl kann dem Landesarbeitsgericht nicht darin gefolgt werden, daß die "endgültige Kassenanweisung" vom 6. Oktober 1981 als Geltendmachung des Übergangsgeldanspruchs durch den Kläger anzusehen ist.

a) Es ergeben sich bereits Bedenken, ob Ansprüche vor ihrem Entstehen i.S. des Tarifvertrages geltend gemacht werden können (vgl. BAG Urteil vom 18. Januar 1969 - 3 AZR 451/67 - AP Nr. 41 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG Urteil vom 22. Februar 1978 - 5 AZR 805/76 - BAGE 30, 135 = AP Nr. 63 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Einer abschließenden Klärung dieser Rechtsfrage bedarf es aber nicht, weil § 70 BAT eine Geltendmachung jedenfalls durch den Inhaber des vermeintlichen Anspruchs nicht aber durch den Erklärungsgegner voraussetzt, wie die ausdrückliche Erwähnung des Angestellten bzw. des Arbeitgebers in § 70 Satz 1 BAT zeigt. Die Kassenanweisung stammt jedoch von der Beklagten. Schon aus diesem Grund kann darin keine Geltendmachung durch den Kläger gesehen werden.

b) Die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs war im vorliegenden Fall auch nicht entbehrlich. Davon könnte nur dann ausgegangen werden, wenn nach den Erklärungen und Zusicherungen sowie dem sonstigen Verhalten der Partei, die sich auf die mangelnde Geltendmachung beruft, der Eindruck erzeugt worden wäre, als wolle sie auch ohne Einhaltung der schriftlichen Geltendmachung erfüllen oder von der Einhaltung der schriftlichen Geltendmachung überhaupt absehen (BAG Urteil vom 23. Juni 1961 - 1 AZR 239/59 - BAGE 11, 150 = AP Nr. 27 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG Urteil vom 7. Dezember 1962 - 1 AZR 128/59 - AP Nr. 23 zu § 1 HausarbTagsG Nordrh.-Westfalen; BAG Urteil vom 3. August 1971 - 1 AZR 327/70 - AP Nr. 66 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; BAG Urteil vom 8. August 1979 - 5 AZR 660/77 - AP Nr. 67 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG Urteil vom 20. Oktober 1982 - 5 AZR 110/82 - BAGE 40, 258 = AP Nr. 76 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Abgesehen davon, daß auch unstreitige Ansprüche rechtzeitig in der durch den Tarifvertrag vorgesehenen, gehörigen Form geltend gemacht werden müssen, wenn sie nicht erlöschen sollen (BAG Urteil vom 24. Mai 1973 - 5 AZR 21/73 - AP Nr. 52 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG Urteil vom 28. Februar 1979 - 5 AZR 728/77 - AP Nr. 6 zu § 70 BAT) sind diese Voraussetzungen hier jedoch nicht gegeben.

Zwar hat die Beklagte durch die Übersendung einer Durchschrift des als "endgültige Kassenanweisung" bezeichneten Schreibens vom 6. Oktober 1981 an den Kläger zunächst ein ihr zurechenbares Vertrauen des Klägers dahin, er werde das dort ermittelte Übergangsgeld anrechnungsfrei und ungeschmälert erhalten, begründet. Noch vor der Fälligkeit des in monatlichen Teilbeträgen erstmals am 15. Januar 1982 zu zahlenden Übergangsgeldes hat die Beklagte aber durch das zwischen ihrer Mitarbeiterin, der Zollinspektorin G und dem Kläger am 5. Januar 1982 geführte Telefongespräch und der Übersendung einer mit "vorläufige Kassenanweisung" vom 6. Januar 1982 bezeichneten Durchschrift einer Anweisung an die Bundeskasse, mit der sie zugleich die "endgültige Kassenanweisung" vom 6. Oktober 1981 aufhob, das zunächst schützenswerte, weil berechtigte Vertrauen des Klägers darauf, sie werde ohne Geltendmachung das Übergangsgeld voll umfänglich zahlen, zerstört. Sie hat damit gerade unmißverständlich und für den Kläger ohne weiteres erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß sie ihre ursprünglich angekündigte, vorbehaltlose und uneingeschränkte Zahlungsbereitschaft nicht aufrechterhält und damit das zunächst begründete Vertrauen des Klägers zunichte gemacht.

c) Zu Unrecht meint der Revisionsbeklagte, hier käme der Gesichtspunkt der Leistungsverweigerung gemäß §§ 284, 326 BGB entsprechend zur Anwendung. Tarifliche Ausschlußfristen dienen den Interessen b e i d e r Arbeitsvertragsparteien (BAG Urteil vom 8. März 1976 - 5 AZR 361/75 - AP Nr. 4 zu § 496 ZPO). Sie sollen über die Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien innerhalb eines Zeitraums, in dem alles noch überschaubar und deshalb ohne besondere Schwierigkeiten zu bereinigen ist, endgültige Klarheit schaffen, ob und mit welchen Ansprüchen die jeweilige Gegenseite noch zu rechnen hat (vgl. BAG Urteil vom 10. August 1967 - 3 AZR 221/66 - BAGE 20, 30 = AP Nr. 37 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG Urteil vom 6. Mai 1969 - 1 AZR 303/68 - AP Nr. 42 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Ausschlußfristen enthalten demnach auch ein Vertrauensmoment zugunsten des Schuldners. Ebenso wie sich der mutmaßliche Gläubiger darüber klar werden soll, ob er noch offenstehende vermeintliche oder tatsächliche Forderungen weiterverfolgt oder diese fallen läßt und damit gleichsam einen Schwebezustand beendet, soll für den möglichen Schuldner möglichst bald Gewißheit eintreten, auf welche Ansprüche er sich einzurichten hat.

Auch die in der ursprünglichen Kassenanweisung vom 6. Oktober 1981 enthaltene Formulierung "das Übergangsgeld wird endgültig gezahlt" ändert daran nichts. Es kann schon zweifelhaft sein, ob dem im Verhältnis zum Kläger ein Erklärungsgehalt überhaupt beigemessen werden kann. Diese Erklärung findet sich nämlich in einer als innerdienstliche Anweisung bezeichneten Anweisung an die Bundeskasse, und kann selbst im Verbund mit dem Umstand, daß dem Kläger aus Vereinfachungsgründen eine Durchschrift dieser Anweisung übersandt wurde, nicht als durch den Kläger annahmefähiges Vertragsangebot gewertet werden, weil - für den Kläger erkennbar - der Beklagte insoweit der Rechtsbindungswille fehlte. Der Erklärung kann daher nicht die Bedeutung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses oder eines konstitutiven Zahlungsversprechens beigelegt werden.

d) Vertrauensschutz verdient der Kläger auch nicht deshalb, weil die bei der Beklagten beschäftigte Zollinspektorin G am 5. Januar 1982 eine objektiv unzulässige Anrechnung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung für möglich gehalten und dementsprechend die Beklagte in Verkennung des für die bis zum 31. Dezember 1981 ausgeschiedenen schwerbehinderten Arbeitnehmer bestehenden Anrechnungsverbotes die Leistungen des vorgezogenen Altersruhegeldes und der VBL-Rente auf das Übergangsgeld angerechnet hat. Der Hinweis auf den Ablauf der tarifvertraglichen Verfallfrist ohne formwirksame Geltendmachung stellt sich nicht als unzulässige, gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßende (§ 242 BGB) Rechtsausübung dar.

Eine objektiv unzutreffende Rechtsauskunft des anderen Vertragsteils allein hindert den Verfall von Ansprüchen nicht. Die Ungewißheit des Gläubigers über Umfang und Grenzen seiner Forderung steht der Geltendmachung nicht entgegen, da er bei besserer Rechtskenntnis die Forderung erheben und notfalls auch einklagen kann (BAG Urteil vom 13. Dezember 1983 - 3 AZR 264/80 - nicht veröffentlicht). Erst am 16. November 1982 (- 3 AZR 177/82 - BAGE 40, 355 = AP Nr. 8 zu § 42 SchwbG) hat das Bundesarbeitsgericht erstmals entschieden, daß die Neufassung des § 42 SchwbG mit Wirkung ab 1. Januar 1982 der Anrechnung von Renten auf das Übergangsgeld nicht mehr entgegenstehe, diese Neuregelung aber nicht für bis zum 31. Dezember 1981 einschließlich beendete Arbeitsverhältnisse von Schwerbehinderten gilt. Wenn daher die Beklagte in einer am 5. Januar 1982 höchstrichterlich noch ungeklärten Rechtsfrage einen sich später als irrig erweisenden Rechtsstandpunkt einnahm, so ändert dies nichts daran, daß es Sache des Klägers gewesen wäre, darauf bedacht zu sein, sich selbst unabhängig von der Beklagten ein Urteil über die Berechtigung seiner Ansprüche zu bilden. Der Angestellte kann nicht ohne weiteres darauf vertrauen, daß ein für ihn ungünstiger Rechtsstandpunkt des Arbeitgebers auch zutreffend ist. Wenn er gleichwohl der ihm nicht günstigen Rechtsansicht seines Vertragspartners glaubt folgen zu müssen und es unterläßt, den Anspruch rechtzeitig geltend zu machen, ist das sein Risiko und kann nicht zu Lasten der Beklagten gehen (vgl. BAG Urteil vom 14. Juli 1965 - 4 AZR 358/64 - BAGE 17, 248 = AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: BAVAV).

e) Auch der Hinweis des Klägers auf eine Verpflichtung der Beklagten zur Wahrung seiner - des Klägers - Interessen geht fehl. Den öffentlichen Arbeitgeber trifft keine allgemeine Fürsorgepflicht, seine Arbeitnehmer über etwaige Ansprüche zu belehren, wenn darüber rechtlich verschiedene Ansichten möglich sind (BAG Urteil vom 16. Dezember 1959 - 4 AZR 392/57 - BAGE 8, 279 = AP Nr. 25 zu § 256 ZPO; Urteil vom 16. November 1982 - 3 AZR 454/80 - AP Nr. 6 zu § 42 SchwbG). Das gilt zumindest dann, wenn es um Ansprüche geht, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzuwickeln waren. Kein Arbeitnehmer kann darauf vertrauen, daß sein Arbeitgeber bei Bekanntwerden neuer Entscheidungen oberster Bundesgerichte bereits abgewickelte Ansprüche aus beendeten Arbeitsverhältnissen erneut aufnimmt und ausgeschiedene Arbeitnehmer auf mögliche Ansprüche hinweist. Da die Beklagte beim Kläger nicht den Eindruck erweckt hat, er werde weitere Rechtsbelehrungen erhalten, liegen weitergehende Anhaltspunkte für eine Wertung der der Beklagten infolge des Verfalls der zunächst begründeten, weitergehenden Übergangsgeldansprüche des Klägers zugewachsenen Rechtsposition als rechtsmißbräuchlich nicht vor.

Endlich geht auch der Vergleich des Klägers mit einem unveränderten Verhalten der Beklagten auch bei rechtzeitigem Geltendmachen der Forderung, der fehlenden Kausalität der unterbliebenen Geltendmachung also, ins Leere. Dies würde dem Zweck tariflicher Verfallklauseln, völlige Rechtsklarheit und damit Rechtsfrieden nach Ablauf der von ihr normierten Zeitspanne herzustellen, widersprechen. Mit dieser Erwägung kann die von Amts wegen zu beachtende Regelung des § 70 BAT nicht beiseite geschoben werden. Sie begründet insbesondere nicht den Vorwurf der Arglist und des Rechtsmißbrauchs (BAG Urteil vom 27. Februar 1968 - 1 AZR 369/67 - AP Nr. 2 zu § 37 BAT).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Röhsler Dr. Jobs Dörner

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Fundstellen

Dokument-Index HI440631

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