Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Lohnerhöhung aus Gleichbehandlung
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 19.02.1986, 5 AZR 14/85 (nicht zur Veröffentlichung vorgesehen).
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 07.09.1984; Aktenzeichen 14/9 Sa 1751/83) |
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 22.09.1983; Aktenzeichen 10 Sa 49/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf eine Gehaltserhöhung hat.
Die Beklagte, eine staatliche türkische Fluggesellschaft, unterhält in Frankfurt am Main eine Niederlassung, in der sie 18 Arbeitnehmer beschäftigt. Hiervon sind acht Mitarbeiter aus der Türkei für einen in der Regel vierjährigen Arbeitseinsatz in die Bundesrepublik Deutschland entsandt, zehn Mitarbeiter sind für einen dauernden Einsatz in der Niederlassung lokal eingestellt worden. Der Kläger, der seit dem 19. Februar 1973 in der Niederlassung tätig ist, gehört zu der Gruppe der lokal eingestellten Mitarbeiter und ist im Bereich "Verkauf/Verkehr" tätig. Auf das Arbeitsverhältnis ist nach übereinstimmender Auffassung der Parteien deutsches Recht anzuwenden.
Die Beklagte entlohnt die Mitarbeiter nach einem Gehaltssystem, das in vier Vergütungsgruppen von D 1 nach D 4 gegliedert ist und Unter- und Obergrenzen für die einzelnen Vergütungsgruppen festsetzt. Die Vergütungsgruppen sind wie folgt bezeichnet:
D 1 Planstelle für den Direktor
D 2 Planstelle für den Verkaufsdirektor,
Leiter und Aquisiteur
D 3 Planstelle für Leiter, Buchhaltung
und Vizebuchhaltung
D 4 Planstelle für weiteres Büropersonal.
Die Beklagte bezahlte bis zum 30. Juni 1982 von den aus der Türkei entsandten Arbeitnehmern fünf nach den Obergrenzen der Vergütungsgruppe D 1 bis D 3 und die drei im Bereich Verkauf/-Verkehr tätigen Mitarbeiter C, K und Ki nach der Obergrenze der Vergütungsgruppe D 4. Bei der Entlohnung des örtlich eingestellten Personals, die - mit Ausnahme eines Arbeitnehmers - in der Vergütungsgruppe D 4 eingruppiert sind, wurden Abschläge in unterschiedlicher Höhe vorgenommen. Das Bruttomonatsgehalt des Klägers betrug 2.500,-- DM.
Am 1. Juli 1982 wurden gemäß einem zentralen Finanzplan die Obergrenzen der Vergütungsgruppen angehoben und die Gehälter der entsandten Arbeitnehmer entsprechend erhöht. Die Anhebung der Gehaltsobergrenzen gestaltete sich wie folgt:
bis 30. Juni 1982 ab 1. Juli 1982
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D 1 4.950,-- DM 5.540,-- DM
D 2 4.190,-- DM 4.730,-- DM
D 3 3.430,-- DM 4.065,-- DM
D 4 2.860,-- DM 3.575,-- DM.
Ab dem 1. Juli 1982 wurden die drei bisher nach der Gehaltsgruppe D 4 entlohnten Mitarbeiter des entsandten Personals in die Gehaltsgruppe D 3 eingruppiert und nach der Obergrenze dieser Gehaltsgruppe vergütet; ihr Gehaltsanspruch erhöhte sich damit von 2.860,-- auf 4.065,-- DM. An ihrer Tätigkeit in der Niederlassung änderte sich nichts. Zwischenzeitlich sind die Mitarbeiter C und K in die Türkei zurückversetzt worden.
Ab dem 1. Februar 1983 erhielten die lokal eingestellten Arbeitnehmer - mit Ausnahme eines Mitarbeiters - eine 10 %ige Gehaltserhöhung; das Bruttomonatsgehalt des Klägers erhöhte sich von 2.500,-- auf 2.750,-- DM.
Mit der Klage macht der Kläger geltend, die Beklagte verletze den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn sie den aus der Türkei entsandten Arbeitnehmern eine Gehaltserhöhung gewähre, die örtlich angestellten Arbeitnehmer von dieser Erhöhung ausnehme und sodann das Gehalt in wesentlich geringerem Maße erhöhe, als dies bei den von der Tätigkeit her vergleichbaren Mitarbeitern der Fall sei. Durch die ab dem 1. Juli 1982 allgemein vorgenommene Gehaltserhöhung habe der zwischenzeitlich eingetretene Preisverfall ausgeglichen werden sollen, einzelne Arbeitnehmer dürften daher von dieser Erhöhung nicht ausgenommen werden. Den sachlichen Unterschieden zwischen beiden Arbeitnehmergruppen sei dadurch Rechnung getragen, daß die entsandten Mitarbeiter ohnehin immer eine wesentlich höhere Vergütung erhalten hätten. Dieser Abstand bleibe auch bei einer prozentualen Erhöhung der Gehälter erhalten. Da seine Tätigkeit mit der der Mitarbeiter C, K und Ki vergleichbar sei, sei sein Gehalt auch entsprechend der diesen Mitarbeitern gewährten Gehaltserhöhung in Höhe von 41,96 % anzuheben.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem
1. Juli 1982 über das gezahlte Gehalt von
2.500,-- DM brutto hinaus weitere 1.049,-- DM
brutto, ab dem 1. Februar 1983 über das ge-
zahlte Gehalt von 2.750,-- DM brutto hinaus
weitere 799,-- DM brutto nebst 4 % Zinsen
aus den Nettobeträgen seit den jeweiligen
Fälligkeitszeitpunkten am Monatsende zu
zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt. Sie hat hierzu vorgetragen, die unterschiedliche Behandlung der entsandten und der vor Ort eingestellten Mitarbeiter habe ihren Grund darin, daß die erstere Gruppe einem höheren Mobilitätsrisiko unterworfen sei. Die Versetzung der Mitarbeiter in die Bundesrepublik Deutschland sei stets mit erheblichen Schwierigkeiten und Kosten, z.B. bei der Anmietung von Wohnungen, der Beschaffung von Haushaltsgegenständen, der Bereitstellung von Kautionen etc. verbunden. Die Gruppe der entsandten Mitarbeiter sei zudem regelmäßig wegen der doppelten Haushaltsführung den höheren Teuerungsraten in der Türkei ausgesetzt, die im Jahre 1981 34,1 % und im Jahre 1982 27,4 % betragen habe; die Inflationsrate in der Bundesrepublik Deutschland habe sich dagegen im gleichen Zeitraum nur auf 5 bis 5,5 % pro Jahr belaufen. Auch wenn - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - keiner der Mitarbeiter in der Niederlassung einer doppelten Haushaltsführung in der Türkei und in der Bundesrepublik unterworfen sei, sei es doch zulässig, dies als Regelfall zu unterstellen, da diese Mitarbeiter jederzeit mit einer Rückversetzung in die Türkei rechnen müßten.
Im übrigen handele es sich bei dem entsandten Personal um Arbeitnehmer mit wertvollen und mehrseitigen Erfahrungen; dies wirke sich auf die Qualität der Arbeit aus. Die leitenden und mittleren Positionen in den im Ausland befindlichen Betriebsstätten würden durch entsandte Mitarbeiter besetzt, während das örtliche Personal grundsätzlich normale Büroarbeiten verrichte. Der Eindruck, daß das Gehalt der entsandten Mitarbeiter um fast 42 % erhöht worden sei, ergebe sich lediglich daraus, daß bei drei dieser Mitarbeiter die allgemeine Erhöhung der Gehaltsobergrenzen mit einer neuen Eingruppierung zusammengefallen sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht der Klage stattgegeben hat, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Der Kläger kann seinen Anspruch auf Lohnerhöhung nicht mit Erfolg darauf stützen, er sei mit den drei Kollegen K, C und Ki gleichzubehandeln, ihm stehe daher ebenfalls eine Gehaltserhöhung von ca. 42 % zu.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte sei nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet, dem Kläger eine Gehaltserhöhung zum gleichen Prozentsatz wie den Mitarbeitern C, K und Ki zu gewähren, die von ihrer Tätigkeit her mit dem Kläger vergleichbar seien. Bei der Lohnanhebung am 1. Juni 1982 habe es sich um eine allgemeine Regelung gehandelt. Dabei habe die Beklagte jedoch eine doppelte Differenzierung vorgenommen, indem sie den örtlichen Mitarbeitern zum einen erst zeitlich später und zum anderen eine geringere Gehaltserhöhung gewährt habe als den vergleichbaren Kollegen des entsandten Personals. Für beide Differenzierungen fehle es jedoch an einem sachlichen Grund.
2. Nach dem arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung ist es dem Arbeitgeber verwehrt, in seinem Betrieb einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen auszunehmen und schlechter zu stellen. Das gilt auch im Bereich der Entlohnung, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche einheitliche Regelung nach allgemeinen Grundsätzen angehoben werden. Wenn der Arbeitgeber jedoch aufgrund einzelvertraglicher Abreden einzelne Arbeitnehmer besserstellt, kann er nicht unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet werden, die gleichen Leistungen an alle Arbeitnehmer zu erbringen (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. zuletzt BAG 45, 76, 81 = AP Nr. 67 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II 3 b der Gründe). Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn ein Arbeitgeber z.B. mit einzelnen Arbeitnehmern arbeitsvertraglich höhere Gehaltserhöhungen vereinbart, als sie üblicherweise im Betrieb gewährt werden. Zulässig ist es auch, wenn ein Arbeitgeber durch Arbeitsvertrag einzelne Arbeitnehmer - etwa wenn diese besonderen Aufwendungen ausgesetzt sind - aus der betriebsüblichen Gehaltsbemessung ausnimmt und sie besser als vergleichbare Arbeitnehmer vergütet werden.
3. Im Streitfall ist davon auszugehen, daß die Beklagte den von dem Kläger angeführten drei entsandten Arbeitnehmern durch einzelvertragliche Abmachungen eine weitere Gehaltserhöhung gewährte, ohne daß hierbei eine abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern entstanden ist.
Dafür spricht bereits, daß allein diesen Mitarbeitern die außergewöhnlich hohe Gehaltserhöhung von annähernd 42 % gezahlt wurde und sie damit in der Gehaltshöhe mit - ebenfalls entsandten - Arbeitnehmern gleichzogen, die bisher besser als sie vergütet worden sind. Die Beklagte hat damit diese Mitarbeiter auch gegenüber den übrigen entsandten Arbeitnehmern bevorzugt behandelt. Sie hat hierzu vorgetragen, sie habe diese Mitarbeiter im Unterschied zu allen anderen in eine höhere Gehaltsstufe befördert und hat auch insoweit auf individuelle Vereinbarungen hingewiesen. Der Kläger, dem die Darlegungs- und Beweislast für eine nach abstrakten Merkmalen vorgenommene Gruppenbildung obliegt, hat dagegen seinerseits nichts dafür vorgetragen, was eine jeweils individuelle Behandlung der Mitarbeiter C, K und Ki in Zweifel ziehen könnte. Insoweit kann der Kläger die begehrte Lohnerhöhung nicht darauf stützen, in bezug auf die Gruppe dieser drei entsandten Mitarbeiter habe die Beklagte den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt.
II. Das Urteil des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO); es ist deshalb aufzuheben.
III. Eine abschließende Entscheidung zu Gunsten der Beklagten ist nicht möglich. Es steht noch nicht fest, ob der Kläger seinen Anspruch auf Lohnerhöhung nicht aufgrund anderer Erwägungen aus einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes herleiten kann.
1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist, wie schon zuvor dargelegt, im Bereich der Entlohnung dann anwendbar, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden. Wenn der Arbeitgeber die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer im Rahmen einer allgemeinen Lohnbewegung erhöht, dürfen einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern nicht ohne sachlichen Grund von der Lohnerhöhung ausgenommen werden (Urteil vom 17. Mai 1978 - 5 AZR 132/77 - AP Nr. 42 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
2. Nach diesen Grundsätzen könnte der Kläger eine Erhöhung seiner Vergütung dann beanspruchen, wenn die Beklagte die Gehaltsobergrenzen des Vergütungssystems allgemein angehoben und damit eine Erhöhung der Gehälter bewirkt hätte.
Die Beklagte hat zwar die Gehälter mit Wirkung vom 1. Juli 1982 allgemein angehoben, dabei aber nur die entsandten Mitarbeiter berücksichtigt; die am Ort eingestellten Mitarbeiter hat sie hiervon ausgenommen. Die Beklagte müßte darlegen, daß für die unterschiedliche Behandlung des entsandten und des ortsansässigen Personals sachliche Gründe vorgelegen haben. Die Beklagte hat sich hierzu darauf berufen, bei den entsandten Mitarbeitern bestünden Bindungen zur Türkei und die Teuerungsrate in der Türkei sei wesentlich höher als in der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger hat demgegenüber darauf hingewiesen, daß eine eventuelle höhere Teuerungsrate in der Türkei durch den Wechselkurs der türkischen Währung gegenüber der Deutschen Mark ausgeglichen werde.
Ob und inwieweit dies alles zutrifft, ist in dem angefochtenen Urteil nicht aufgeklärt. Deshalb läßt sich nicht beurteilen, ob sachliche Gründe dafür vorlagen, nur die Bezüge der entsandten Mitarbeiter ab 1. Juli 1982 um etwa 10 - 25 % anzuheben und die ortsansässigen Angestellten als andere Gruppe hiervon auszunehmen. Bei der weiteren Sachaufklärung ist auf die Währungsentwicklung in dem hier in Frage stehenden Zeitraum abzustellen. Es kommt darauf an, inwieweit die türkische Lira gegenüber der Deutschen Mark an Wert verloren hat und ob die in der Türkei festzustellenden Inflationsraten durch den Kursverfall der türkischen Lira gegenüber der Deutschen Mark ausgeglichen worden sind. Sollten die entsandten Mitarbeiter durch die höheren Inflationsraten in der Türkei finanziell mehr belastet worden sein, könnte mit der Lohnanhebung für diese Mitarbeiter ein Teuerungsausgleich bezweckt worden sein. Dies wäre dann ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung des entsandten und des ortsansässigen Personals.
Um diese rechtliche Würdigung vornehmen zu können, wird das Berufungsgericht die notwendigen tatsächlichen Feststellungen noch treffen müssen.
Dr. Thomas Michels-Holl Schneider
Dr. Florack Arntzen
Fundstellen