Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Beamtenversorgung. Höhe der Betriebsrente. Auslegung der Versorgungszusage. Anrechnung von Unfallrenten. Bestätigung und Fortführung der Senatsrechtsprechung zur Anrechnung von Unfallrenten. Auslegung einer an die Beamtenversorgung angelehnten Versorgungszusage
Leitsatz (amtlich)
- Sieht die Versorgungszusage eine Versorgung wie für Landesbeamte vor, so schließt dies die Anrechnung einer gesetzlichen Unfallrente auf die Gesamtversorgung auch dann nicht aus, wenn die einschlägigen Beamtengesetze eine solche Anrechnung (noch) nicht vorsehen.
- Der in jedem Fall anrechnungsfreie Teil einer Unfallrente (§ 31 BVersG, BAG 6. Juni 1989 – 3 AZR 668/87 – AP BetrAVG § 5 Nr. 30, zu 2a der Gründe) muß dem Versorgungsempfänger im wirtschaftlichen Wert zukommen. Wird vorab ein gesonderter Unfallausgleich zum Ausgleich immaterieller Schäden gewährt, kann in dessen Höhe auch der an sich anrechnungsfreie Teil der Unfallrente angerechnet werden.
Orientierungssatz
- Sind nach der Versorgungszusage auf die Betriebsrente die Leistungen der Sozialversicherungsträger anzurechnen, so zählt dazu auch eine berufsgenossenschaftliche Unfallrente.
- Dem steht nicht entgegen, daß arbeitsvertraglich eine Versorgung nach den für Beamte auf Lebenszeit geltenden Vorschriften gewährleistet wurde. Soweit die Beamtenversorgungsgesetze die Anrechnung von Unfallrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf Beamtenversorgungsleistungen nicht erwähnten (zB § 55 BeamtVG aF), liegt dem ersichtlich die gesetzgeberische Überlegung zugrunde, daß Beamte nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert sind (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).
- Da die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung ausschließlich vom Arbeitgeber zu erbringen sind (§ 150 Abs. 1 Satz 1 SGB VII), greift das Anrechnungsverbot des § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG nicht.
- Allerdings kann nur der Teil der Unfallrente angerechnet werden, der dazu dient, den Verdienstausfall des Geschädigten auszugleichen. Anrechnungsfrei bleibt hingegen die Unfallrente, soweit sie die immateriellen Schäden an Körper und Gesundheit des Verletzten ausgleichen soll. Vorbehaltlich anderer, billiger Regelungen in der Versorgungszusage ist dies der Teil der Unfallrente, der der Höhe nach der Grundrente nach § 31 Bundesversorgungsgesetz entspricht (vgl. die Regelungen in § 18a Abs. 3 Nr. 4 SGB IV und § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI).
- Leistet der Versorgungsschuldner neben dem Ruhegehalt einen besonderen Unfallausgleich, dessen Höhe mindestens der Grundrente nach § 31 BVersG entspricht, darf er die gesamte Unfallrente des Versorgungsempfängers anrechnen. Wirtschaftlich soll der Verletzte nur einmal einen Ausgleich für die immateriellen Schäden erhalten.
Normenkette
BetrAVG § 5 Abs. 2 Sätze 1-2, § 1 Beamtenversorgung; BVersG §§ 1, 31 Abs. 1, § 35; SGB VI § 93 Abs. 2 Nr. 2a; NBG § 97; BeamtVG § 55 a.F.
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anrechnung einer gesetzlichen Unfallrente auf die Betriebsrente des Klägers.
Das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und dem am 4. September 1945 geborenen Kläger bestand seit dem 1. Januar 1978. Seit dem 1. Januar 1983 wurde der Kläger als Verwaltungsdirektor des von der Beklagten betriebenen Krankenhauses beschäftigt. Im dafür maßgeblichen Arbeitsvertrag vom 19. Oktober 1982 heißt es unter § 4 Ziff. 1:
“Herrn U… wird Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung, Hinterbliebenenversorgung und Unfallfürsorge nach den für niedersächsische Landesbeamte auf Lebenszeit geltenden Vorschriften gewährleistet. Den Versorgungsbezügen wird die Besoldungsgruppe A 15 zugrundegelegt. Das Besoldungsdienstalter wird durch besonderen Bescheid der Niedersächsischen Versorgungskasse festgesetzt.
Auf das Ruhegehalt, die Hinterbliebenenversorgung und die Unfallfürsorge sind die Leistungen der Sozialversicherungsträger und der Zusatzversicherung der Landeshauptstadt Hannover anzurechnen.”
Ebenfalls zum 1. Januar 1983 wurde der Kläger zur Niedersächsischen Versorgungskasse angemeldet. Bis dahin hatte die Beklagte für den Kläger Beiträge zur Zusatzversicherung der Stadt Hannover geleistet.
Am 20. November 1995 erlitt der Kläger einen Dienstunfall, der zur Minderung seiner Erwerbsfähigkeit um 30 vH führte. Infolgedessen bezieht er von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege Hamburg seit dem 1. April 1996 eine Unfallrente in Höhe von zuletzt 1.863,18 DM. Seine Dienstbezüge erhielt der Kläger bis zum Eintritt in den Ruhestand daneben ungekürzt weiter.
Mit Wirkung vom 1. Juli 1999 bewilligte die Niedersächsische Versorgungskasse dem Kläger ein Unfallruhegehalt. Unter Anwendung von § 36 Abs. 3 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) in der Fassung von 1991 berechnete sie dieses mit dem Ruhegehaltshöchstsatz von 75 vH der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 15 Stufe 12. Weiter bewilligte sie einen steuerfreien Unfallausgleich in Höhe von 220,00 DM (§ 35 BeamtVG aF iVm. § 31 Abs. 1 BVersG). Auf den Gesamtanspruch in Höhe von 6.995,20 DM rechnete die Niedersächsische Versorgungskasse die BfA-Rente des Klägers in Höhe von 1.934,85 DM, die Rente aus der Zusatzversicherung bei der Stadt Hannover in Höhe von 107,30 DM sowie die Unfallrente der Berufsgenossenschaft in Höhe von 1.863,18 DM an, was zu einer monatlichen Bruttoversorgung des Klägers durch die Niedersächsische Versorgungskasse in Höhe von 3.089,87 DM führte.
Der Kläger hält die Anrechnung der berufsgenossenschaftlichen Unfallrente auf sein Unfallruhegehalt für vertragswidrig. Er hat behauptet, zwischen den Parteien habe bei Abschluß des Arbeitsvertrages vom 19. Oktober 1982 Einigkeit darüber bestanden, daß auf die Versorgungsleistungen ausschließlich die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zusatzversorgungskasse der Landeshauptstadt Hannover angerechnet werden sollten. Dies ergebe sich aus der zunächst beibehaltenen Anmeldung bei der Zusatzversorgungskasse der Landeshauptstadt Hannover sowie aus der arbeitsvertraglichen Verweisung auf § 55 BeamtVG aF, der einen Abzug der Unfallrente nicht vorsehe. Zudem verstoße ihre vollständige Anrechnung gegen § 5 Abs. 2 BetrAVG. Bei einer Gesamtversorgung müßte der Arbeitgeber mindestens den Teil einer Unfallrente unberücksichtigt lassen, der der Grundrente eines Versorgungsberechtigten nach dem Bundesversorgungsgesetz entspreche.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.042,26 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab Februar 2000 über freiwillig monatlich gezahlte 3.089,87 DM brutto hinaus monatlich weitere 1.863,18 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zwischen den Parteien habe immer Einigkeit bestanden, daß im Rahmen der Gesamtversorgung des Klägers die Beklagte nur begrenzte Aufwendungen erbringen sollte. Daher sehe der Arbeitsvertrag eine Anrechnung der Leistungen von Sozialversicherungsträgern vor, zu denen auch die berufsgenossenschaftliche Unfallrente gehöre. Auf § 55 BeamtVG aF könne sich der Kläger schon deswegen nicht berufen, weil für Beamte eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung neben der Unfallfürsorge nach den §§ 3 ff. BeamtVG nicht denkbar sei.
Das Arbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Anrechnung der Unfallrente im Rahmen der Gesamtversorgung des Klägers entspricht dem Arbeitsvertrag und verstößt auch nicht gegen ein Anrechnungsverbot.
Unterschriften
Reinecke, Bepler, Breinlinger, Auerbach
Die Amtszeit des ehrenamtlichen Richters Goebel ist beendet. Er ist daher an der Unterschrift gehindert.
Reinecke
Fundstellen
BB 2003, 160 |
DB 2003, 346 |
DB 2003, 399 |
ARST 2003, 115 |
FA 2003, 26 |
ZTR 2003, 97 |
AP, 0 |
EzA |
PERSONAL 2003, 57 |
AUR 2002, 476 |