Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsgeld im öffentlichen Dienst bei Verringerung der Arbeitszeit während des Erziehungsurlaubs
Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung in § 2 Abs. 1 TV Urlaubsgeld, die auf eine Vollbeschäftigung des Angestellten am 1. Juli eines jeden Jahres abstellt, verfolgt nicht das Ziel, das tarifliche Urlaubsgeld für vollbeschäftigte Angestellte zu kürzen, die am 1. Juli wegen Erziehungsurlaub vorübergehend ihre Arbeitszeit verringert haben.
Orientierungssatz
1. § 2 Abs. 1 Unterabs. 2 TV Urlaubsgeld für Angestellte des öffentlichen Dienstes sieht vor, daß nicht vollbeschäftigte Angestellte nur den Anteil des Urlaubsgelds erhalten, der dem Maß der mit ihnen vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. Eine Ausnahme für Angestellte, die ihre Arbeitszeit während des Erziehungsurlaubs auf das gesetzlich zulässige Maß verringern, ist nicht vorgesehen. Erziehungsurlauber, die keine Arbeitsleistung erbringen, aber ansonsten vollbeschäftigt werden, haben nach § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 des genannten Tarifvertrages Anspruch auf das volle Urlaubsgeld, wenn sie mindestens drei volle Kalendermonate des ersten Kalenderhalbjahres Anspruch auf Bezüge hatten. Darin liegt ein Widerspruch. Er ist dahingehend zu lösen, daß ein Angestellter, der während des Erziehungsurlaubs im Rahmen des gesetzlich Zulässigen mit verringerter Arbeitszeit weiter arbeitet, so zu behandeln ist, als hätte er keine Arbeitsleistung zu erbringen.
2. Es bleibt dahingestellt, ob dieses Ergebnis auch auf die Anrechnungsvorschrift des § 3 Satz 2 TV Urlaubsgeld gestützt werden kann, der die Anrechnung von Einkünften während einer zulässigen Teilzeittätigkeit während des Erziehungsurlaubs ausdrücklich anordnet.
3. Mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 8 zum Zuwendungstarifvertrag für Angestellte des öffentlichen Dienstes vom 15. März 1999 ist ein vergleichbarer Widerspruch hinsichtlich der Sonderzuwendung für den Zeitraum der ersten zwölf Lebensmonate eines Kindes gelöst worden. Der Umstand, daß eine Änderung des Urlaubsgeldtarifvertrages unterblieben ist, rechtfertigt keinen Schluß auf einen bestimmten Regelungswillen der Tarifvertragsparteien für das Urlaubsgeld.
Normenkette
Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16. März 1977 zuletzt geändert durch den 7. ÄndTV vom 26. Mai 1992 (TV Urlaubsgeld) § 1 Abs. 1 Unterabs. 1, § 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 18. Oktober 2000 – 4 Sa 398/00 – insoweit aufgehoben, als es über die Berufung des beklagten Landes gegen seine Verurteilung zu 370,13 DM brutto Urlaubsgeld nebst 4 % Zinsen auf den sich darauf ergebenden Nettobetrag seit dem 16. Juli 1998 entschieden hat.
Insoweit wird die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. Januar 2000 – 19 Ca 36681/98 – zurückgewiesen.
Das beklagte Land hat insoweit die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger volles oder anteiliges Urlaubsgeld zusteht.
Der Kläger ist seit Mitte März 1993 Verwaltungsangestellter des beklagten Landes. Er ist in die VergGr. IV a BAT eingruppiert und grundsätzlich mit der regelmäßigen tariflichen Wochenarbeitszeit 38,5 Stunden tätig. Auf das Arbeitsverhältnis sind kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes anzuwenden. Der im öffentlichen Dienst geltende „Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte” vom 16. März 1977 zuletzt geändert durch den 7. ÄndTV vom 26. Mai 1992 (TV Urlaubsgeld) lautet für den hier fraglichen Zeitraum auszugsweise wie folgt:
„Zwischen (…) wird für die unter den Geltungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) fallenden Angestellten folgendes vereinbart:
§ 1 Anspruchsvoraussetzungen.
(1) Der Angestellte erhält in jedem Kalenderjahr ein Urlaubsgeld, wenn er
am 1. Juli im Arbeitsverhältnis steht
und
seit dem 1. Januar ununterbrochen als Angestellter, Arbeiter, Beamter (…) im öffentlichen Dienst gestanden hat
und
- mindestens für einen Teil des Monats Juli Anspruch auf Vergütung, Urlaubsvergütung oder Krankenbezüge hat.
Ist die Voraussetzung des Unterabsatzes 1 Nr. 3 (…) wegen der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs nach dem Bundeserziehungsurlaubsgesetz nicht erfüllt, genügt es, wenn ein Anspruch auf Bezüge für mindestens drei volle Kalendermonate des ersten Kalenderhalbjahres bestanden hat.
Ist nur (…) wegen der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz auch die Voraussetzung des Unterabsatzes 2 nicht erfüllt, ist dies unschädlich, wenn die Arbeit in unmittelbaren Anschluß (…) an den Erziehungsurlaub – oder lediglich wegen Arbeitsunfähigkeit oder Erziehungsurlaubs später als am ersten Arbeitstag nach Ablauf (…) des Erziehungsurlaubs – in diesem Kalenderjahr wieder aufgenommen wird.
(…)
§ 2 Höhe des Urlaubsgeldes.
(1) Das Urlaubsgeld beträgt für den am 1. Juli vollbeschäftigten Angestellten 500 DM (…)
Der am 1. Juli nicht vollbeschäftigte Angestellte erhält von dem Urlaubsgeld den Teil, der dem Maß der mit ihm vereinbarten – am 1. Juli geltenden – durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht.
(…)
§ 3 Anrechnung von Leistungen.
Wird dem Arbeitnehmer aufgrund örtlicher oder betrieblicher Regelung, aufgrund betrieblicher Übung nach dem Arbeitsvertrag oder aus einem sonstigen Grunde ein Urlaubsgeld oder eine ihrer Art nach entsprechende Leistung vom Arbeitgeber oder aus Mitteln des Arbeitgebers gewährt, ist der dem Arbeitnehmer zustehende Betrag auf das Urlaubsgeld nach diesem Tarifvertrag anzurechnen. Satz 1 gilt auch für ein Urlaubsgeld aus einer Beschäftigung während des Erziehungsurlaubs nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz.
§ 4 Auszahlung.
(1) Das Urlaubsgeld wird mit den Bezügen für den Monat Juli ausgezahlt.
In den Fällen des § 1 Abs. 1 Unterabs. 3 wird das Urlaubsgeld mit den ersten Bezügen nach Wiederaufnahme der Arbeit ausgezahlt.
(…)”
Im April 1996 wurde der Kläger Vater eines Kindes; vom 4. Mai 1998 bis zum 31. Oktober 1998 nahm er Erziehungsurlaub in Anspruch. Während dieser Zeit arbeitete er mit Einverständnis des beklagten Landes weiterhin zehn Stunden wöchentlich auf seinem Arbeitsplatz.
Im Juli 1998 zahlte das beklagte Land dem Kläger ein Urlaubsgeld von 129,87 DM brutto. Mit Schreiben vom 8. September 1998 verlangte der Kläger die Differenz zu dem vollen Urlaubsgeld von 500,00 DM brutto.
Der Kläger hat im gerichtlichen Verfahren ua. diesen Anspruch weiterverfolgt. Er hat die Ansicht vertreten, während des Erziehungsurlaubs habe sein Vollzeitarbeitsverhältnis geruht, so daß ihm das Urlaubsgeld ungekürzt zustehe.
Der Kläger hat – soweit hier von Interesse – zuletzt beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 370,13 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 16. Juli 1998 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe als nicht vollbeschäftigter Angestellter lediglich Anspruch auf anteiliges Urlaubsgeld.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Das beklagte Land begehrt die Zurückweisung der Revision. Die Verhandlung und Entscheidung über den vom Kläger anhängig gemachten Anspruch auf Zuwendung hat der Senat abgetrennt und das weitere Verfahren an den zuständigen Zehnten Senat abgegeben.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist begründet. Der Kläger hat nach dem auf das Arbeitsverhältnis nach § 3 Abs. 1 TVG anwendbaren Urlaubsgeldtarifvertrag Anspruch auf volles Urlaubsgeld in Höhe von 500,00 DM brutto unter Berücksichtigung der vom beklagten Land bereits geleisteten Zahlung in Höhe von 129,87 DM brutto. Ihm stehen damit noch 370,13 DM brutto zu, was 189,24 Euro brutto entspricht.
1. Der Kläger unterfällt dem persönlichen Geltungsbereich des Urlaubsgeldtarifvertrages. Dieser gilt – wie sich aus seiner Präambel ergibt – für Angestellte, die dem Geltungsbereich des BAT unterfallen. Dazu gehört auch der Kläger. Die Vorschrift des § 3 q BAT, wonach Teilzeitarbeitsverhältnisse während des Erziehungsurlaubs vom Geltungsbereich des BAT ausgenommen waren, ist mit Wirkung vom 1. September 1994 durch den 69. Änderungsvertrag zum BAT vom 25. April 1994 aufgehoben worden.
2. Der Kläger erfüllt die in § 1 Abs. 1 TV Urlaubsgeld niedergelegten Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Urlaubsgeld.
Der Kläger stand am 1. Juli 1998 auf Grund seiner Teilzeittätigkeit in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 TV Urlaubsgeld).
Er war auch (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 TV Urlaubsgeld) seit dem 1. Januar ununterbrochen als Angestellter für das beklagte Land und damit im öffentlichen Dienst tätig. Dem steht nicht entgegen, daß diese Tätigkeit bis 3. Mai 1998 auf der Basis eines Vollzeitarbeitsverhältnisses und ab dem 4. Mai 1998 nur noch auf Teilzeitbasis geleistet wurde. Selbst wenn man annimmt, daß die ununterbrochene Tätigkeit im selben Arbeitsverhältnis geleistet sein muß (verneinend für eine vergleichbare Regelung im Zuwendungstarifvertrag für Angestellte des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe BAG 28. Juni 1995 – 10 AZR 948/94 – AP MTAng-LV § 3 h Nr. 1 = EzA BErzGG § 15 Nr. 8; bejahend für die Berechnungsvorschrift hinsichtlich der Höhe der Zuwendung in § 2 Abs. 1 Unterabs. 2 des Zuwendungstarifvertrages: BAG 20. Dezember 1995 – 10 AZR 968/94 – AP BAT §§ 22, 23 Zuwendungs-TV Nr. 13 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 138) läge ein einheitliches Arbeitsverhältnis vor. Ein solches einheitliches Arbeitsverhältnis ist nämlich gegeben, wenn – wie hier – die Rechtsbeziehung der Parteien nicht völlig neu geordnet wird, sondern die Grundlagen der Entgeltzahlung und der Arbeitsleistung unverändert bleiben und lediglich die Arbeitszeit während des Erziehungsurlaubs reduziert wird (Senat 23. April 1996 – 9 AZR 696/94 – AP BErzGG § 17 Nr. 7 = EzA BeschFG 1985 § 2 Nr. 46; BAG 31. Oktober 1975 – 5 AZR 482/74 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 87 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 48; Ramrath DB 1987, 1785, 1786).
Der Kläger hatte auf Grund seiner Teilzeittätigkeit während des Monats Juli 1998 auch Anspruch auf Vergütung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 TV Urlaubsgeld).
3. Die Höhe des Urlaubsgeldes richtet sich nach der Regelung für vollbeschäftigte (§ 2 Abs. 1 Unterabs. 1 TV Urlaubsgeld) und nicht nach der für nicht vollbeschäftigte (§ 2 Abs. 1 Unterabs. 2 TV Urlaubsgeld) Angestellte. Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger während des Erziehungsurlaubs im Juli 1998 vorübergehend teilzeitbeschäftigt war. Das ergibt sich aus der Systematik des TV Urlaubsgeld.
a) § 2 Abs. 1 Unterabs. 2 TV Urlaubsgeld sieht vor, daß nicht vollbeschäftigte Angestellte nur den Anteil des Urlaubsgelds erhalten, der dem Maß der mit ihnen vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. Der Wortlaut dieser Bestimmung sieht keine Ausnahme für den Fall vor, daß die Teilzeittätigkeit auf eine Verringerung der Arbeitszeit während des Erziehungsurlaubs beruht. Allerdings haben Erziehungsurlauber, die keine Arbeitsleistung erbringen, aber ansonsten vollbeschäftigt werden, nach § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 TV Urlaubsgeld Anspruch auf das volle Urlaubsgeld, wenn sie – wie der Kläger – mindestens drei volle Kalendermonate des ersten Kalenderhalbjahres Anspruch auf Bezüge hatten.
Darin liegt ein Widerspruch (ebenso für den insoweit vergleichbaren Anspruch auf Zuwendung: BAG 12. Januar 2000 – 10 AZR 930/98 – AP BAT §§ 22, 23 Zuwendungs-TV Nr. 23; 24. Februar 1999 – 10 AZR 5/98 – AP BAT §§ 22, 23 Zuwendungs-TV Nr. 21; 28. Juni 1995 – 10 AZR 948/94 – aaO zu gleichlautenden Formulierungen in der früheren Fassung des Zuwendungstarifvertrages). Aus der Formulierung der Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Urlaubsgeld im Zusammenhang mit Erziehungsurlaub in § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 TV Urlaubsgeld ergibt sich, daß die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub in den dort genannten Fällen urlaubsgeldunschädlich sein soll. Ohne Minderung des Urlaubsgeldes soll der Angestellte im Rahmen des Erziehungsurlaubs sich der Kindererziehung widmen können. Diese Zielsetzung trifft für Angestellte, die ihre Arbeitszeit nicht auf Null, sondern nur im Rahmen des nach dem BErzGG Zulässigen verringern, ebenso zu. Oft wird eine solche Teilzeittätigkeit Voraussetzung der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub sein. Sie verhindert nämlich, daß der Angestellte trotz der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub seinen Kontakt zur Arbeitswelt und damit die Möglichkeit, auf der Höhe weiterer Entwicklungen zu bleiben, behält. Zudem wird in vielen Fällen die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub nur dann möglich sein, wenn ein regelmäßiges, wenngleich verringertes Einkommen zur Verfügung steht (zu diesem Aspekt zB BAG 28. April 1998 – 1 ABR 63/97 – AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 22 = EzA BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 5). Daran ändert sich auch dadurch nichts, daß der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer im Gegensatz zu solchen Arbeitnehmern, die während des Erziehungsurlaubs keine Teilzeitättigkeit leisten, Arbeitsentgelt bezieht. Dafür erbringt er seine Arbeitsleistung. Diese wird oft auch im Interesse des öffentlichen Arbeitgebers sein, weil weiterhin ein auf dem Arbeitsplatz erfahrener Arbeitnehmer zur Verfügung steht.
Aus der allgemeinen Regelung über das geringere Urlaubsgeld bei Teilzeitarbeit, die unabhängig von der hier zur Entscheidung stehenden Fallgestaltung eingreift, kann nicht auf eine Entscheidung der Tarifvertragsparteien geschlossen werden, nur bestimmte Formen der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs zu fördern (aA im Ergebnis Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Februar 2001 Teil VI – Urlaubsgeld Erläuterung 6; Ramdohr-Müll Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst Stand November 2001 Teil V a TV Urlaubsgeld § 2 Rn. 7). Ob eine dahingehende tarifliche Regelung rechtlich zulässig wäre, kann dahinstehen.
Der Widerspruch wird aufgelöst, wenn die Auslegung nicht am Wortlaut „vollbeschäftigt” in § 2 Abs. 1 TV Urlaubsgeld haftet, sondern die oben dargestellte Systematik berücksichtigt. Danach ist das Tatbestandsmerkmal „vollbeschäftigt” auf die vertraglich vereinbarte Arbeitspflicht, nicht aber auf die während des Erziehungsurlaubs nur vorübergehend verringerte Arbeitspflicht zu beziehen. Dann wird ein Angestellter, der während des Erziehungsurlaubs im Rahmen des gesetzlich Zulässigen mit verringerter Arbeitszeit weiter arbeitet, nicht schlechter gestellt, als wenn er die vollständige Befreiung von der Arbeitsleistung in Anspruch genommen hätte. Das BErzGG hatte in der damals maßgeblichen Fassung des § 15 Abs. 4 Satz 1 eine Teilzeittätigkeit von bis zu 19 Stunden während des Erziehungsurlaubs zugelassen. Diese Grenze hat der Kläger eingehalten.
b) Es kann dahingestellt bleiben, ob das hier gefundene Ergebnis auch auf § 3 Satz 2 TV Urlaubsgeld gestützt werden kann, der die Anrechnung von Einkünften während einer zulässigen Teilzeittätigkeit während des Erziehungsurlaubs ausdrücklich anordnet. Für die vergleichbare Vorschrift des Zuwendungstarifvertrages wird die Ansicht vertreten, daß die Tarifvertragsparteien mit dieser Bestimmung die Anrechnung von Sonderleistungen für solche Arbeitnehmer sicherstellen wollten, die weder dem BAT noch dem Zuwendungstarifvertrag unterfallen (BAG 24. Februar 1999 – 10 AZR 5/98 – aaO mit Hinweisen auf die Kommentarliteratur). Ist der Zuwendungstarifvertrag so auszulegen, spricht viel dafür, dies auf den Urlaubsgeldtarifvertrag zu übertragen.
c) Dem hier gefundenen Ergebnis steht schließlich nicht die neuere Rechtsentwicklung im Bereich des Zuwendungstarifvertrages entgegen.
Dort ergab sich zunächst durch die Neuregelungen im Änderungstarifvertrag Nr. 3 zum Zuwendungstarifvertrag vom 9. Januar 1987 ein gleicher Widerspruch wie im gleichzeitig geänderten Urlaubsgeldtarifvertrag. Einerseits wurde die volle Zuwendung – entgegen der allgemein im Tarifvertrag gefundenen Regelung – nicht nach dem Zwölftelungsprinzip für Monate gekürzt, während derer der Angestellte Erziehungsurlaub nach dem BErzGG genommen hatte, soweit dies bis zur Vollendung des 12. Lebensmonats des Kindes geschah (Einfügung der nunmehr in § 2 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a) cc) des Zuwendungstarifvertrages zu findenden Regelung). Andererseits war Grundlage der Zuwendung die fiktive Urlaubsvergütung nach § 47 Abs. 2 BAT für den September (§ 2 Abs. 1 Zuwendungstarifvertrag). Die Urlaubsvergütung besteht nach der genannten Vorschrift des BAT aber in der Weiterzahlung von Bezügen, die ihrerseits von der tatsächlich fiktiv im September angefallenen Tätigkeit abhängen. Auch danach stand sich in den ersten zwölf Monaten des Lebens eines Kindes ein Erziehungsurlauber besser, der keinerlei Tätigkeit für den Arbeitgeber entfaltete, als ein solcher, der seine Arbeitszeit auf eine erziehungsurlaubsunschädliche Tätigkeit verringerte (zur Lösung des sich daraus ergebenden Wertungswiderspruchs BAG 12. Januar 2000 – 10 AZR 930/98 – aaO; 24. Februar 1999 – 10 AZR 5/98 – aaO).
Vor diesem Hintergrund haben die Tarifvertragsparteien durch den Änderungstarifvertrag Nr. 8 zum Zuwendungstarifvertrag vom 15. März 1999 eine Regelung dahingehend gefunden, daß während der ersten zwölf Lebensmonate eines Kindes bei einer erziehungsgeldunschädlichen Teilzeitbeschäftigung die vorherige Beschäftigungsdauer für die Bemessung der Zuwendung maßgeblich ist. Sie haben in den § 2 Abs. 1 des Zuwendungstarifvertrages einen entsprechenden neuen Unterabs. 5 angefügt. Daraus hat das Bundesarbeitsgericht (12. Januar 2000 – 10 AZR 930/98 – aaO) ein Indiz für den Willen der Tarifvertragsparteien hergeleitet, dies habe während der ersten zwölf Lebensmonate eines Kindes auch bereits vorher gegolten.
Eine entsprechende Änderung des TV Urlaubsgeld ist zwar unterblieben. Die besondere Systematik des Zuwendungstarifvertrages, der bestimmte Leistungen nur während der ersten zwölf Lebensmonate des Kindes vorsieht, läßt aber keinen Rückschluß auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien für das Urlaubsgeld zu. Die genannte Tarifänderung wirkt sich nur auf das Recht der Zuwendung aus.
4. Dem Kläger steht damit das volle Urlaubsgeld in Höhe von 500,00 DM zu. Darauf hat das beklagte Land bislang lediglich 129,87 DM brutto gezahlt, so daß noch 370,13 DM verbleiben. Das entspricht 189,24 Euro.
Das Urlaubsgeld war gem. § 4 Abs. 1 TV Urlaubsgeld mit dem Juli-Gehalt des Klägers fällig, also am 15. Juli 1998 (§ 36 Abs. 1 Satz 1 BAT). Die ab der Fälligkeit zu berechnende sechsmonatige Ausschlußfrist gem. § 70 BAT hat der Kläger durch seine schriftliche Geltendmachung vom 8. September 1998 eingehalten.
Der Zinsanspruch folgt aus § 284 Abs. 2, § 288 Abs. 1 BGB aF.
II. Einer Umformulierung des Tenors des Arbeitsgerichts bedarf es nicht, obwohl dieser noch in DM formuliert worden ist. Aus DM-Titeln kann ohne weiteres in Euro vollstreckt werden (Küttner/Reinecke Personalbuch 2001 Stichwort Euro Rn. 16).
III. Das beklagte Land hat gem. § 97 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung und Revision zu tragen.
Unterschriften
Düwell, Reinecke, Zwanziger, Hintloglou, Benrath
Fundstellen
Haufe-Index 762756 |
BAGE, 362 |
BB 2002, 1762 |
DB 2002, 2495 |
NWB 2002, 1686 |
NWB 2002, 2778 |
EBE/BAG 2002, 126 |
ARST 2002, 165 |
ARST 2002, 267 |
FA 2002, 157 |
FA 2002, 256 |
FA 2002, 363 |
ZTR 2002, 484 |
AP, 0 |
AuA 2002, 230 |
EzA-SD 2002, 14 |
EzA-SD 2002, 3 |
NJ 2002, 555 |
PersV 2002, 462 |
RiA 2003, 107 |
AUR 2002, 184 |
AUR 2002, 317 |
AuS 2002, 60 |
BAGReport 2002, 355 |
GK/Bay 2003, 58 |