Entscheidungsstichwort (Thema)
Direktionsrecht. Oberarzt
Normenkette
BGB § 611; BAT SR 2c Nr. 8
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 09.05.1989; Aktenzeichen 12 Sa 138/88) |
ArbG Karlsruhe (Urteil vom 11.08.1988; Aktenzeichen 3 Ca 183/87) |
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. Mai 1989 – 12 Sa 138/88 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten, ob die Klägerin als Oberärztin verpflichtet ist, aufgrund einer Anordnung der Beklagten Bereitschafts- und Stationsdienst mit den Tätigkeiten eines Assistenzarztes zu verrichten.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 11. August 1978 mit, daß ihr „der Gemeinderat der Stadt Baden-Baden die Stelle einer Oberärztin auf der Kinderabteilung … übertragen hat”. Die Klägerin war seit dem 15. September 1978 auch entsprechend bei der Beklagten tätig. Im Arbeitsvertrag vom 2. Oktober 1978 wurde u.a. vereinbart:
„§ 1
Frau Dr. H. T., Oberärztin, wird ab 15. September 1978 als Angestellte eingestellt.
§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Außerdem finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.
…”
Mit Schreiben vom 28. August 1986 ordnete die Beklagte u.a. an, daß die Klägerin am Bereitschafts- und Stationsdienst der Assistenzärzte teilzunehmen habe.
Die Klägerin meint, sie sei weder zur Teilnahme am Bereitschafts- noch am Stationsdienst der Assistenzärzte verpflichtet, weil damit ein Entzug der vertraglich zugesicherten Oberarzttätigkeit verbunden sei.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß die Klägerin nicht verpflichtet ist, Assistenzarzttätigkeit im Rahmen des Dienstplanes zu verrichten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, die Klägerin sei gemäß der Sonderregelung (SR) 2 c Nr. 8 BAT zur Leistung von Bereitschaftsdienst verpflichtet. Dies gelte auch, soweit dieser die Tätigkeit eines Assistenzarztes betreffe. Wie beim angeordneten Stationsdienst der Assistenzärzte bestehe die vertraglich auszuübende Tätigkeit in der Behandlung von Patienten auf der Station. Die Stellung der Klägerin als Oberärztin werde durch den Einsatz im Stationsdienst nicht berührt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat gegenteilig entschieden und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwischen den Parteien sei die Beschäftigung der Klägerin als Oberärztin vereinbart. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag sei zwar der Begriff Oberarzt nur als Apposition verwendet worden. Im Einstellungsschreiben vom 11. August 1978 sei der Klägerin aber die Stelle einer Oberärztin übertragen worden. Da nach der Organisation im Krankenhaus der Beklagten zwischen der Tätigkeit eines Oberarztes und eines Assistenzarztes unterschieden werde, sei diese Tätigkeitsbeschreibung und die tatsächlich praktizierte Aufgabentrennung Inhalt des Arbeitsvertrags. Das werde auch durch die Tatsache bestätigt, daß bis zur Anordnung vom 28. August 1986 kein Oberarzt Bereitschaftsdienst geleistet habe. Diese Aufgabenverteilung könne die Beklagte nicht durch Ausübung des Direktionsrechts dahin ändern, daß die Klägerin nunmehr den Bereitschafts- und Stationsdienst der Assistenzärzte zu übernehmen habe.
Diese Auslegung des Arbeitsvertrags ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, den von der Beklagten angeordneten Bereitschafts- und Stationsdienst mit Assistenzarzttätigkeiten zu verrichten. Das ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags, der als sogenannter typischer Vertrag hinsichtlich der Auslegung durch die Vorinstanz der unbeschränkten inhaltlichen Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. BAG Urteil vom 11. Oktober 1967 – 4 AZR 451/66 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk).
a) Das Landesarbeitsgericht hat den Arbeitsvertrag der Parteien zutreffend dahin ausgelegt, daß eine Beschäftigung der Klägerin als Oberärztin vereinbart worden ist. In § 1 des Arbeitsvertrags befindet sich hinter dem Namen der Klägerin die Apposition „Oberärztin”. Durch das Schreiben der Beklagten vom 11. August 1978 wird diese Bezeichnung konkretisiert und die Tätigkeit der Klägerin im Krankenhaus dahingehend beschrieben, daß ihr die Stelle einer Oberärztin auf der Kinderabteilung übertragen wird. Diese Tätigkeit übte die Klägerin in der Folgezeit auch aus. Daraus ergibt sich, daß die Klägerin vertraglich nur verpflichtet ist, die Tätigkeiten einer Oberärztin auszuüben.
b) Bei dieser Rechtslage kann die Beklagte kraft Direktionsrechts keinen Bereitschafts- und Stationsdienst anordnen, bei dem die Klägerin Assistenzarzttätigkeiten zu verrichten hat. Denn nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts unterscheidet sich im Krankenhaus der Beklagten die Tätigkeit eines Oberarztes von der eines Assistenzarztes. Die Teilnahme am Bereitschaftsdienst der Assistenzärzte entspricht daher nicht der vertraglich von der Klägerin geschuldeten Tätigkeit als Oberärztin.
Zu Unrecht meint die Revision, die Klägerin sei gemäß § 2 des Arbeitsvertrags in Verbindung mit Nr. 8 Abs. 1 SR 2 c BAT zum Bereitschaftsdienst der Assistenzärzte verpflichtet. Nach dieser Tarifvorschrift ist der Arzt verpflichtet, Bereitschaftsdienst zu leisten. Weder aus dem Begriff Arzt noch dem Begriff Bereitschaftsdienst läßt sich eine derartige Verpflichtung der Klägerin herleiten. Die Beschäftigung eines Arztes wird in dieser Tarifvorschrift nicht inhaltlich geregelt, sondern bestimmt sich nach dem Arbeitsvertrag. Durch diesen wird das Direktionsrecht des Arbeitgebers begrenzt (vgl. BAGE 37, 145, 150 = AP Nr. 6 zu § 75 BPersVG). Angesichts der vertraglichen und tatsächlichen Beschäftigung der Klägerin als Oberärztin und der bei der Beklagten praktizierten Trennung zwischen Oberarzt- und Assistenzarzttätigkeit ist die Klägerin arbeitsvertraglich daher nur zu einem Bereitschaftsdienst mit Oberarzttätigkeit verpflichtet. Aus den gleichen rechtlichen Gründen kann die Beklagte die Klägerin im Stationsdienst nur mit Oberarzt-, nicht jedoch mit Assistenzarzttätigkeiten beschäftigen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Freitag, Ziegenhagen, Marx
Fundstellen