Rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifkonkurrenz-Tarifpluralität bei Haustarifvertrag
Normenkette
TVG § 4 Tarifkonkurrenz
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 14.06.1990; Aktenzeichen 14 (2) Sa 1789/89) |
ArbG Stade (Urteil vom 06.11.1989; Aktenzeichen 2/1 Ca 362/89) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 14. Juni 1990 – 14 (2) Sa 1789/89 – in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als es der Klage stattgegeben hat.
In diesem Umfang wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Stade vom 6. November 1989 – 2/1 Ca 362/89 – abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, welche Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden.
Die Klägerin ist seit dem 1. August 1983 als Telefonistin bei der Beklagten beschäftigt. Im Anstellungsvertrag vom 17. Oktober 1984 haben die Parteien unter Ziff. 8 die Geltung der Bestimmungen des Rahmentarifvertrages für Angestellte im niedersächsischen Einzelhandel vereinbart.
Die Klägerin war früher Mitglied der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV). Diese Gewerkschaft und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) haben für alle Betriebe des Einzelhandels in Niedersachsen mit dem Einzelhandelsverband Niedersachsen e.V. einen Manteltarifvertrag (MTV Einzelhandel) vom 19. Juli 1989 abgeschlossen, der zum 1. Januar 1989 in Kraft getreten und am 4. Dezember 1989 mit Wirkung vom 1. Januar 1989 für allgemeinverbindlich erklärt worden ist (Bundesanzeiger Nr. 233 vom 13. Dezember 1989). Derzeit ist die Klägerin Mitglied der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG).
Die Beklagte ist nicht Mitglied des Einzelhandelsverbandes Niedersachsen e.V., sondern Mitglied der AHD Unternehmervereinigung für Arbeitsbedingungen in Handel und Dienstleistungsgewerbe e.V. Diese hat am 21. April 1989 mit der DAG für die Beschäftigten der Beklagten mit Wirkung ab 1. April 1989 einen Manteltarifvertrag, einen Entgelttarifvertrag und einen Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen sowie mit Wirkung ab 1. Januar 1989 Tarifverträge über Sonderzahlungen und Urlaubsgeld abgeschlossen. Die Beklagte wendet seither nicht mehr den jeweiligen Manteltarifvertrag für den niedersächsischen Einzelhandel an, sondern meint, nunmehr seien für alle Arbeitsverhältnisse die Haustarifverträge maßgeblich.
Die Beklagte beschäftigte im Jahre 1989 bundesweit insgesamt 5328 Arbeitnehmer, von denen 3555 der DAG sowie 697 der HBV angehörten. Diese Relation verschob sich zum Jahresende 1989 weiter zugunsten der DAG.
Die Klägerin hat in den Vorinstanzen die Auffassung vertreten, auf ihr Arbeitsverhältnis finde weiterhin der MTV Einzelhandel Anwendung. Da sie selbst nicht an die Haustarifverträge gebunden sei, komme deren Geltung nicht in Betracht. Die Anwendung der Haustarifverträge ergebe sich auch nicht aus dem bei Tarifkonkurrenz anzuwendenden Grundsatz der Spezialität. Wegen der fehlenden Tarifbindung an die Haustarifverträge liege eine Tarifkonkurrenz gerade nicht vor. Da die konkurrierenden Tarifverträge von verschiedenen Gewerkschaften abgeschlossen worden seien, handele es sich vielmehr um einen Fall der Tarifpluralität, auf den der Grundsatz der Spezialität keine Anwendung finden könne. Die Geltung nur eines Tarifvertrages für den gesamten Betrieb und damit auch für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer lasse sich insbesondere nicht mit dem Grundsatz der Tarifeinheit begründen, da dieser gesetzlich nicht normiert sei. Darüber hinaus verstoße dies gegen die in Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit. Deshalb seien im Betrieb der Beklagten der MTV Einzelhandel sowie die Haustarifverträge nebeneinander anzuwenden.
Die Klägerin hat in den Vorinstanzen beantragt
festzustellen, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten des Einzelhandels in Niedersachsen Anwendung findet.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Klage sei bereits unzulässig, da die Klägerin die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage begehre. Im übrigen seien die Haustarifverträge als speziellere Tarifverträge gegenüber dem MTV Einzelhandel vorrangig und deshalb auf alle Arbeitsverhältnisse des Betriebes anzuwenden. Dies folge aus dem Grundsatz der Tarifeinheit, der auch dann gelte, wenn die in Betracht kommenden Tarifverträge von verschiedenen Gewerkschaften abgeschlossen worden seien und der jeweilige Arbeitnehmer deshalb nur an einen Tarifvertrag gebunden sei. Im Interesse der Rechtssicherheit genüge es, daß aus der Sicht des an zwei verschiedene Tarifverträge gebundenen Arbeitgebers eine Tarifkonkurrenz bestehe. Die Haustarifverträge seien auch deshalb auf alle Arbeitsverhältnisse des Betriebes vorrangig anzuwenden, weil die überwiegende Mehrzahl aller Arbeitnehmer aufgrund Mitgliedschaft in der DAG an die Haustarifverträge gebunden sei.
Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsbegehren der Klägerin stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht im wesentlichen zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag, die Klage insgesamt abzuweisen, weiter. Die Klägerin hat in der Revisionsinstanz keinen Antrag gestellt und sich auch in der mündlichen Verhandlung vom 20. März 1991, zu der sie am 30. November 1990 ordnungsgemäß geladen worden war, nicht mehr vertreten lassen.
Entscheidungsgründe
A. Über die Revision der Klägerin ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Die Revisionsbeklagte war in der Revisionsverhandlung nicht vertreten. Das bedeutet, daß der Revision nach § 72 Abs. 5 ArbGG i.V. mit § 557 ZPO stattzugeben ist, wenn sie nach der Revisionsbegründung zulässig und sachlich gerechtfertigt ist (BAG Urteil vom 4. Oktober 1978 – 5 AZR 326/77 – AP Nr. 3 zu § 3 LohnFG; Urteil vom 30. Juli 1964 – 2 AZR 482/63 – AP Nr. 1 zu § 398 ZPO; BGHZ 37, 79; BGH NJW 1986, 3085).
Die Revision ist begründet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten des Einzelhandels in Niedersachsen keine Anwendung.
B. Die Feststellungsklage der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Revision zulässig.
Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben. Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß auf ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten allein der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten des Einzelhandels in Niedersachsen anzuwenden sei. Diese Frage betrifft ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Durch die Entscheidung, welcher Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden ist, werden eine Vielzahl von Einzelfragen dem Streit der Parteien endgültig entzogen und die tariflichen Rechte und Pflichten beider Parteien für die Zukunft grundsätzlich geklärt sowie zahlreiche einzelne Leistungsklagen vermieden. Dies rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG Urteil vom 8. Februar 1963 – 1 AZR 511/61 – AP Nr. 42 zu § 256 ZPO; BAGE 35, 239, 244 = AP Nr. 24 zu § 59 HGB; BAGE 39, 295 = AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 5. Mai 1988 – 6 AZR 521/85 – AP Nr. 1 zu § 70 LPVG NW). Hierfür sprechen auch ähnlich wie bei Rechtsstreitigkeiten über den Arbeitnehmerstatus, prozeßökonomische Gesichtspunkte (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 1990 – 4 AZR 106/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen, m.w.N.).
C. In der Sache streiten die Parteien darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für die Beschäftigten des Einzelhandels in Niedersachsen vom 19. Juli 1989 Anwendung findet oder ob dieser nach dem Grundsatz der Tarifeinheit für einen Betrieb durch die von der Beklagten abgeschlossenen Haustarifverträge verdrängt wird.
I. Das Landesarbeitsgericht hat für die Entscheidung dieser Frage zwischen Betriebsnonnen im Sinne des § 3 Abs. 2 TVG und Inhaltsnormen im Sinne des § 4 Abs. 1 TVG differenziert. Es hat die Auffassung vertreten, im Bereich von § 3 Abs. 2 TVG liege aufgrund der insoweit ausreichenden Tarifbindung des Arbeitgebers eine Tarifkonkurrenz vor, die unter dem Gesichtspunkt der Spezialität zugunsten der Haustarifverträge zu lösen sei. Hinsichtlich der Inhaltsnormen hat es dagegen keine Tarifkonkurrenz, sondern Tarifpluralität angenommen. Auf diese hat das Landesarbeitsgericht den Grundsatz der Tarifeinheit für unanwendbar gehalten und deshalb die Geltung beider Tarifverträge nebeneinander – je nach Tarifbindung des jeweiligen Arbeitnehmers – angenommen. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der MTV Einzelhandel findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien, auch soweit er Inhaltsnormen enthält, keine Anwendung. Nach den Grundsätzen der Tarifeinheit und der Spezialität ist vielmehr den Haustarifverträgen der Vorrang einzuräumen, so daß diese für den gesamten Betrieb der Beklagten den MTV Einzelhandel verdrängen.
II.1.a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der MTV Einzelhandel zwar nicht kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit, aber infolge der Allgemeinverbindlicherklärung vom 4. Dezember 1989 (Bundesanzeiger 233/89) gemäß § 5 Abs. 4 TVG unmittelbar und zwingend Anwendung. Das Arbeitsverhältnis unterfällt dem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich gem. § 1 des MTV Einzelhandel. Der Geltung des MTV Einzelhandel kraft Allgemeinverbindlichkeit steht auch nach Abschluß der Haustarifverträge nicht die in der Allgemeinverbindlicherklärung enthaltene Einschränkungsklausel entgegen. Diese hat folgenden Wortlaut:
„Die Allgemeinverbindlicherklärung berührt nicht Tarifbindungen aufgrund anderer Tarifverträge mit entsprechenden Regelungsmaterien.”
Derartige Klauseln, mit denen der Geltungsbereich eines Tarifvertrages eingeschränkt werden soll, sind grundsätzlich rechtlich möglich, wenn für die Einschränkung im Einzelfalle ein sachlicher Grund besteht (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 5 Rz 24 und 75). Dies ist u.a. dann anzunehmen, wenn eine Einschränkungsklausel dem Zweck dienen soll, eine Tarifkonkurrenz auszuschließen. Der Senat hat deshalb eine Klausel, mit der von einem anderen Tarifvertrag erfaßte Betriebe von der Allgemeinverbindlicherklärung ausgenommen wurden, als zulässig angesehen (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1983 – 4 AZR 219/81 – AP Nr. 3 zu § 3 TVG, m.w.N.). Erforderlich ist aber, daß die jeweilige Einschränkungsklausel hinsichtlich ihres Inhaltes dem Bestimmtheitsgebot im Hinblick auf die rechtsstaatlichen Anforderungen an das Gesetzesrecht entspricht (vgl. Urteil vom 26. Oktober 1983, a.a.O. und BAGE 40, 288, 292 f. = AP Nr. 18 zu § 5 TVG, zur Rückwirkung von Allgemeinverbindlicherklärungen).
Die vorliegende Einschränkungsklausel hat offensichtlich zum Ziel, Tarifkonkurrenzen zu vermeiden. Denn sie ist nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin aufgrund des Einspruches des Tarifpartners des Haustarifvertrages, der AHD, gegen die Empfehlung des Tarifausschusses beim BMA, den MTV Einzelhandel für allgemeinverbindlich zu erklären, eingefügt worden. Aus ihrem Wortlaut ergibt sich jedoch nicht hinreichend deutlich, ob die gewollte Einschränkung bereits dann eingreifen soll, wenn der Betrieb von einem anderen Tarifvertrag erfaßt wird oder erst dann, wenn aufgrund beiderseitiger Tarifbindung bzw. Allgemeinverbindlichkeit das konkrete Arbeitsverhältnis unter den Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrages fällt. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb zutreffend angenommen, die Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung greife erst dann Platz, wenn für das jeweilige konkrete Arbeitsverhältnis ein anderer Tarifvertrag gelte. Dies ist vorliegend mangels Tarifgebundenheit der Klägerin hinsichtlich der Haustarifverträge nicht der Fall. Die Einschränkung greift vielmehr nur für solche Arbeitsverhältnisse ein, auf die nunmehr kraft beiderseitiger Tarifbindung die Haustarifverträge Anwendung finden. Insoweit wird also eine Tarifkonkurrenz vermieden. Daß aber der gesamte Betrieb von der Allgemeinverbindlicherklärung ausgenommen sein soll, sobald allein der Arbeitgeber an einen anderen Tarifvertrag gebunden ist, wird aus der Einschränkungsklausel nicht hinreichend deutlich.
b) Der MTV Einzelhandel findet darüber hinaus entgegen der Auffassung der Revision auch kraft einzelvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. In Ziff. 8 des Anstellungsvertrages vom 17. Oktober 1984 haben die Parteien vereinbart, im übrigen sollten die „Bestimmungen des Rahmentarifvertrages für Angestellte im niedersächsischen Einzelhandel” gelten. Die Bezeichnung des Manteltarifvertrages als „Rahmentarifvertrag” ist insoweit unschädlich, weil die Parteien vom Beginn des Arbeitsverhältnisses an bis zum Abschluß der Haustarifverträge den MTV Einzelhandel auf ihr Arbeitsverhältnis angewendet haben. Da außerdem ein „Rahmentarifvertrag” für den Einzelhandel in Niedersachsen auch zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht existierte, ist davon auszugehen, daß die Parteien den MTV Einzelhandel, den sie lediglich falsch bezeichnet haben, zum Vertragsrecht erklären wollten. Hiervon geht im übrigen auch die Beklagte selbst aus. Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung ist diese in Ziff. 8 des Anstellungsvertrages getroffene Vereinbarung trotz Fehlens einer sog. Jeweiligkeitsklausel auch dahingehend auszulegen, daß die Parteien den MTV Einzelhandel in seiner jeweiligen Fassung vereinbaren wollten. Wird nämlich in einem Arbeitsvertrag ohne Datumsangabe auf einen im übrigen genau bezeichneten Tarifvertrag verwiesen, ist im Zweifel anzunehmen, dieser Tarifvertrag solle in seiner jeweiligen Fassung Anwendung finden. Ein solcher Wille der Parteien ergibt sich zum einen aus der beabsichtigten Zukunftswirkung des Arbeitsverhältnisses (BAG Urteile vom 6. April 1955 – 1 AZR 365/54 – AP Nr. 7 zu Art. 3 GG; vom 10. August 1982 – 3 AZR 90/81 – AP Nr. 7 zu § 5 BetrAVG), zum anderen daraus, daß die Parteien mit einer solchen Vereinbarung den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer ersichtlich einem tarifgebundenen Arbeitnehmer gleichstellen wollten (Etzel, NZA, Beilage 1/87, 19, 27). Demgegenüber ergibt sich aus dem Vertragswortlaut kein Anhaltspunkt dafür, nur der bei Vertragsschluß geltende MTV solle Vertragsbestandteil sein. Insbesondere kann dies nicht dem Umstand entnommen werden, daß die Beklagte Jahre später Firmentarifverträge abgeschlossen hat. Allein hieraus laßt sich nicht der Schluß ziehen, die Beklagte habe sich bereits bei Abschluß des Arbeitsvertrages nicht an die Tarifwerke des Einzelhandels in Niedersachsen binden wollen.
2. Gleichwohl ist eine Tarifbindung der Beklagten an diesen Manteltarifvertrag ausgeschlossen.
a) Die Beklagte ist Mitglied der AHD Unternehmervereinigung für Arbeitsbedingungen im Handel und Dienstleistungsgewerbe e.V. und ist damit gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TV G an die von der AHD und der DAG abgeschlossenen Haustarifverträge gebunden. Vom Geltungsbereich dieser Tarifverträge werden alle Beschäftigten der Beklagten in sämtlichen Betrieben der Beklagten bundesweit erfaßt. Damit ist die Beklagte sowohl kraft Allgemeinverbindlichkeit an den MTV Einzelhandel gebunden wie kraft Tarifbindung an die Haustarifverträge. Dennoch besteht im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine sog. Tarifkonkurrenz. Eine solche liegt nämlich nur dann vor, wann beide Parteien eines Arbeitsverhältnisses gleichzeitig an mehrere von verschiedenen Tarifvertragsparteien abgeschlossene Tarifverträge gebunden sind und deshalb mehrere Tarifverträge auf das gleiche Arbeitsverhältnis Anwendung finden (vgl. BAG Urteile vom 14. Juni 1989 – 4 AZR 200/89 – AP Nr. 16 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz sowie vom 5. September 1990 – 4 AZR 59/90 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, DB 1990, 2527 = BB 1991, 344). Eine Tarifkonkurrenz besteht deshalb nur für solche Arbeitsverhältnisse, auf die kraft Mitgliedschaft der Arbeitnehmer in der DAG nunmehr auch die Haustarifverträge Anwendung finden. Insoweit wird eine Tarifkonkurrenz jedoch dadurch vermieden, daß für diese Fälle die Einschränkungsklausel der Allgemeinverbindlicherklärung eingreift und damit für diese Arbeitsverhältnisse der MTV Einzelhandel nicht mehr kraft Allgemeinverbindlichkeit gilt. Die Klägerin ist jedoch nicht Mitglied der DAG, so daß mangels deren Tarifgebundenheit die Haustarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis keine Anwendung finden. Insoweit ist vielmehr eine sog. Tarifpluralität gegeben, von der immer dann auszugehen ist, wenn der Betrieb des Arbeitgebers vom Geltungsbereich zweier von verschiedenen Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge erfaßt wird, an die der Arbeitgeber gebunden ist, während für den jeweiligen Arbeitnehmer je nach Tarifbindung nur einer der beiden Tarifverträge Anwendung findet (vgl. BAG Urteile vom 14. Juni 1989 und vom 5. September 1990, a.a.O.; vom 25. November 1987 – 4 AZR 361/87 – AP Nr. 18 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel). In Fällen der Tarifpluralität sind nämlich beide Parteien des Arbeitsvertrages gemeinsam nur an einen Tarifvertrag gebunden, so daß Tarifkonkurrenz im eigentlichen Sinne nicht besteht. Wegen der Bindung des Arbeitgebers an zwei Tarifverträge, sei es aufgrund Allgemeinverbindlichkeit oder aufgrund Organisationszugehörigkeit, kann es jedoch dazu kommen, daß je nach Tarifbindung der Arbeitnehmer in einem Betrieb zwei miteinander konkurrierende Tarifverträge Anwendung finden müßten, nämlich dann, wenn im Betrieb Mitglieder beider tarifschließenden Gewerkschaften tätig sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats soll jedoch nach dem Prinzip der Tarifeinheit in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag Anwendung finden, wobei unter mehreren Tarifverträgen nach dem Grundsatz der Spezialität dem sachnäheren Tarifvertrag der Vorzug zu geben ist (vgl. BAGE 4, 37, 40 = AP Nr. 4 zu B 4 TVG Tarifkonkurrenz; Senatsurteile vom 14. Juni 1989 und vom 5. September 1990, a.a.O.). Da die gleichzeitige Anwendung konkurrierender Tarifverträge im selben Betrieb diesem Grundsatz der Tarifeinheit widersprechen würde, sind deshalb die Fälle der Tarifpluralität im Ergebnis nach den Regeln der Tarifkonkurrenz zu lösen (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 1989 und vom 5. September 1990, a.a.O.).
Der Grundsatz der Tarifeinheit hat zwar im Tarifvertragsgesetz keinen Niederschlag gefunden, folgt aber aus den übergeordneten Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Rechtliche und tatsächliche Unzuträglichkeiten, die sich aus einem Nebeneinander von Tarifverträgen in einem Betrieb ergeben, werden dadurch vermieden. Die Anwendung mehrerer Tarifverträge, die von verschiedenen Tarifvertragsparteien abgeschlossen wurden, in einem Betrieb nebeneinander, muß zu praktischen, kaum lösbaren Schwierigkeiten führen. Rechtsnormen eines Tarifvertrages über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten gemäß § 3 Abs. 2 TVG für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist. Ist dieser aber an zwei Tarifverträge gebunden, muß zumindest insoweit entschieden werden, welchem der Vorrang einzuräumen ist. Eine Abgrenzung zwischen Betriebsnonnen und Inhaltsnormen bereitet aber oft tatsächliche Schwierigkeiten, zumal hier auch Überschneidungen möglich sind. Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, daß lediglich für Betriebsnormen der MTV real-kauf vorrangig sei, kann aufgrund dessen nicht gefolgt werden. Vielmehr werden die aufgezeigten tatsächlichen Schwierigkeiten nur durch die betriebseinheitliche Anwendung eines Tarifvertrages vermieden. Dabei gewährleistet ein Anknüpfen an die Tarifbindung des Arbeitgebers einer vom Wechsel der Arbeitnehmer und vom Zufall unabhängige betriebseinheitliche Anwendung desjenigen Tarifvertrages, der den Erfordernissen des Betriebes und der dort beschäftigten Arbeitnehmer am besten gerecht wird (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 1989 und vom 5. September 1990, a.a.O.).
Da das TVG keinerlei Regelungen für den Fall der Anwendbarkeit mehrerer Tarifverträge auf ein Arbeitsverhältnis enthält, würde sich die Anerkennung des Prinzips der Tarifeinheit auch dann rechtfertigen, wenn man den bisher vom Senat als entscheidend angenommenen Gründen nicht folgt. Denn dann bestände im TVG eine Regelungslücke, die nach den allgemeinen Grundsätzen zu schließen wäre (vgl. hierzu Bieback, Tarifrechtliche Probleme des Verbandswechsels von Arbeitgebern, DB 1989, 477, 479). Danach ist aber der Rückgriff auf allgemein anerkannte Rechtsprinzipien zulässig (vgl. Larenz, Methodenlehre, 5. Aufl. 1983, S. 319 f., 381 f.). Ein solches Prinzip ist auch der Grundsatz der Tarifeinheit, was sich schon daran zeigt, daß er nicht nur ausdrücklich in der Begründung des Entwurfs eines Tarifvertragsgesetzes erwähnt worden ist, sondern auch Eingang in § 8 des sog. Stuttgarter Entwurfs vom Juli 1948 gefunden hat (abgedruckt bei Wiedemann/Stumpf, TVG, Geschichte des Gesetzes Rz 6, S. 17).
Gegen diese Rechtsprechung des Senats ist ferner eingewendet worden, ein wegen seiner Allgemeinverbindlichkeit auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag werde dann nicht durch einen speziellen Tarifvertrag verdrängt, wenn für den Arbeitnehmer mangels Mitgliedschaft in der den speziellen Tarifvertrag abschließenden Gewerkschaft keine Tarifbindung an diesen Tarifvertrag bestehe. Der Nachteil, daß dann in einem Betrieb mehrere Tarifverträge nebeneinander anzuwenden seien, sei hinzunehmen (Wiedemann, Anm. zu BAG AP Nr. 11 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; Konzern, RdA 1978, 146). Diese Einwände hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 14. Juni 1989 (a.a.O.) sowie nochmals mit Urteil vom 5. September 1990 (a.a.O.) zurückgewiesen. Er hat daran festgehalten, daß allein die betriebseinheitliche Anwendung des spezielleren Tarifvertrages geeignet ist, tatsächliche Schwierigkeiten bei der Anwendung mehrerer Tarifverträge in einem Betrieb zu vermeiden und ihr deshalb im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit der Vorzug zu geben ist. Nach diesem Grundsatz der Tarifeinheit in einem Betrieb können deshalb die durch einen speziellen Tarifvertrag verdrängten Tarifverträge auch auf solche Arbeitsverhältnisse keine Anwendung mehr finden, bei denen mangels Organisationszugehörigkeit der Arbeitnehmer keine Tarifbindung an den speziellen Tarifvertrag besteht und dieser deshalb nicht zur Anwendung gelangt. Entgegen der Auffassung der Revision und des Landesarbeitsgerichts führt der Grundsatz der Tarifeinheit also nicht dazu, daß der spezielle Tarifvertrag ohne entsprechende Tarifbindung. Allgemeinverbindlichkeit oder vertragliche Vereinbarung sozusagen „automatisch” auf alle Arbeitsverhältnisse des Betriebs anzuwenden ist. Dies hätte in der Tat einen Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit sowie gegen die Regelungen des Tarifvertragsgesetzes über die Tarifbindung zur Folge. Die vom Senat entwickelten Grundsätze haben vielmehr lediglich zur Folge, daß der spezielle Tarifvertrag alle anderen Tarifverträge im Betrieb verdrängt und diese deshalb nicht mehr zur Anwendung kommen. Wenn dadurch Arbeitnehmer, die nicht Mitglied der Gewerkschaft sind, die den speziellen Tarifvertrag abgeschlossen hat, nicht ohne weiteres unter dessen Schutz fallen und insoweit ein „tariffreier Raum” entsteht, ist dies hinzunehmen. Ebenso wie bei einer Tarifgebundenheit des Arbeitgebers Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG bei Bestehen einer tariflichen Regelung auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer ausgeschlossen werden, weil diese durch Beitritt zur tarifvertragsschließenden Gewerkschaft jederzeit den unabdingbaren Schutz der tariflichen Regelungen erlangen können (BAGE 54, 191, 207 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972), gilt dies entsprechend auch bei der Anwendung eines an die Tarifbindung des Arbeitgebers anknüpfenden Tarifvertrages (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 1989 und vom 5. September 1990, a.a.O., sowie vom 24. Januar 1990 – 4 AZR 561/89 – AP Nr. 126 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Durch Beitritt zur DAG kann deshalb die Klägerin, die bislang nicht an den Haustarifvertrag gebunden ist, dessen unabdingbaren Schutz erlangen.
Insgesamt ist also daran festzuhalten, daß nur der betriebseinheitliche Vorrang des spezielleren Tarifvertrages eine rechtlich klare und tatsächlich praktikable Lösung ermöglicht. Die vorrangige Geltung des speziellen Tarifvertrages für den gesamten Betrieb rechtfertigt sich schließlich insbesondere dann, wenn – wie vorliegend – die weit überwiegende Zahl aller Arbeitnehmer derjenigen Gewerkschaft angehört, die den speziellen Tarifvertrag abgeschlossen hat (vgl. Urteil vom 14. Juni 1989, a.a.O.).
b) Die betriebseinheitliche Anwendung des sachnäheren Tarifvertrages verstößt schließlich auch nicht gegen die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit. Zwar ist mit der aus dieser Vorschrift des GG hergeleiteten kollektiven Daseinsgarantie für Koalitionen untrennbar die Garantie verbunden, durch eine koalitionsmäßige Betätigung die dort genannten Zwecke verfolgen zu können, also die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern (BVerfGE 20, 312, 317 = AP Nr. 24 zu § 2 TVG; BAGE 20, 175, 211 = AP Nr. 13 zu Art. 9 GG). Geschützt ist insoweit der Kernbereich eines Tarifvertragssystems, weil die Koalitionen anderenfalls keine Möglichkeit haben, ihre Funktion, das Arbeitsleben im einzelnen durch Tarifverträge zu ordnen, sinnvoll erfüllen zu können (BVerfGE 20, 312, 320 = AP Nr. 24 zu § 2 TVG, zu C II der Gründe). Denn Art. 9 Abs. 3 GG verbürgt verfassungskräftig gewerkschaftliche Betätigung jedenfalls nur insoweit, als diese für die Erhaltung und Sicherung der Existenz der Koalition als unerläßlich betrachtet werden muß (BVerfGE 57, 220, 246 f.). Das Grundrecht räumt den geschützten Personen und Vereinigungen nämlich nicht einen inhaltlich unbegrenzten und unbegrenzbaren Handlungsspielraum ein (BVerfGE 38, 386, 393). Dieser Kernbereich wird aber durch den Grundsatz der Tarifeinheit und den der Spezialität bei weitem nicht berührt. Es bleibt jeder Koalition, deren Tarifvertrag durch einen spezielleren Tarifvertrag einer anderen Koalition verdrängt wird, unbenommen, ebenfalls einen solchen speziellen Tarifvertrag abzuschließen, dafür zu werben und sich entsprechend zu betätigen. Die Verdrängung eines Tarifvertrages durch einen anderen ist vielmehr im übergeordneten Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen. Bei echten Tarifkonkurrenzen ist dies sogar unvermeidlich. Dadurch, daß die Gewerkschaft, deren Tarifvertrag verdrängt wird, insoweit nicht mehr unmittelbar Einfluß auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder nehmen kann, ist der Kernbereich der Koalitionsbetätigungsgarantie nicht berührt. Zum einen wird hierdurch nur ein geringer Teil des Geltungsbereichs eines Tarifvertrages betroffen, nämlich soweit Überschneidungen vorliegen. Außerdem wird ohnehin durch den Wettbewerb bestimmt, ob sich eine Koalition im Arbeitsleben behaupten kann (BVerfGE 55, 7, 24).
3. Danach kommt somit sowohl in Fällen der Tarifkonkurrenz als auch bei der hier vorliegenden Tarifpluralität unter Anknüpfung an die Tarifbindung des Arbeitgebers betriebseinheitlich nur ein Tarifvertrag zur Anwendung. Dies ist nach dem Grundsatz der Spezialität derjenige Tarifvertrag, der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten steht und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebes und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten Rechnung trägt (vgl. BAG Urteile vom 24. September 1975 – 4 AZR 471/74 – AP Nr. 11 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; vom 29. November 1978 – 4 AZR 304/77 – AP Nr. 12 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; vom 14. Juni 1989 – 4 AZR 200/89 – AP Nr. 16 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz, jeweils m.w.N.). Vorliegend sind dies die ausschließlich für die Betriebs der Beklagten geltenden Haustarifverträge. Denn Firmentarifverträge stellen gegenüber Verbandstarifverträgen stets die speziellere Regelung dar, selbst wenn die Firma Betriebsstätten nicht nur in einem der Verbandstarifbezirke unterhält (vgl. Wiedemann/Stumpf, a.a.O., § 4 Rz 165; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, § 4 Rz 112; Däubler/Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz 620; Gramm, Tarifkonkurrenz, in AR-Blattei D, Tarifvertrag XII). Denn der Firmentarifvertrag kann den besonderen Bedürfnissen eines Betriebes viel weitgehender gerecht werden, als ein für den gesamten Einzelhandel geltender Tarifvertrag, selbst wenn letzterer nur für einen bestimmten Tarifbezirk gilt. Aufgrund dessen verdrängen sie für die Betriebe der Beklagten – auch für die nicht an sie gebundenen Arbeitnehmer – die Anwendbarkeit der allgemeinverbindlichen Tarifverträge für den niedersächsischen Einzelhandel.
4. Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich letztlich auch nicht aus der vertraglichen Vereinbarung des MTV Einzelhandel im Anstellungsvertrag. Die vertragliche Bezugnahme eines Tarifvertrages bewirkt – auch und gerade für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer – eine Geltung des in bezug genommenen Tarifvertrages. Durch eine schuldrechtliche Abrede wird also die Gleichstellung tarifgebundener und nicht tarifgebundener Arbeitnehmer erreicht. Damit ist aber die vertragliche Bezugnahme eines Tarifvertrages letztlich eine von mehreren Arten, die Bindung an einen Tarifvertrag zu bewirken. Der einzige Unterschied zur beiderseitigen Tarifbindung bzw. zur Allgemeinverbindlichkeit besteht darin, daß durch die vertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag keine zwingende Geltung des Tarifvertrages eintritt. Auch die vertragliche Vereinbarung der Geltung eines Tarifvertrages kann deshalb zum Entstehen einer Tarifkonkurrenz oder einer Tarifpluralität führen. Für deren Lösung ist aber der Ursprung der Tarifgeltung nicht von Bedeutung (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, a.a.O., § 4 Rz 159). Wenn also nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz der speziellere Tarifvertrag einen anderen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag, der gem. § 5 Abs. 4 TVG unmittelbar und zwingend auch für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer gilt, verdrängen kann, so muß dies genauso für einen kraft vertraglicher Bezugnahme geltenden, also nicht gemäß § 4 Abs. 1 TVG zwingend geltenden Tarifvertrag zutreffen. Etwas anderes könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn die vertragliche Bezugnahme erst nach und trotz Inkrafttreten des spezielleren Tarifvertrages erfolgt. Nur in diesem Sonderfall könnte u.U. auf den Willen der Parteien geschlossen werden, im Betrieb nebeneinander zwei Tarifverträge zur Anwendung zu bringen.
5. Für die Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips nach § 4 Abs. 3 TVG, die das Landesarbeitsgericht erwogen hat, ist insoweit kein Raum. Diese stellt eine Kollisionsregel für das Verhältnis von schwächeren zu stärkeren Rechtsnormen dar und kann deshalb nicht angewendet werden, wenn mehrere tarifliche und damit gleichrangige Regelungen zusammentreffen. Gerade dies ist aber bei Tarifkonkurrenzen der Fall. In derartigen Fällen ist zu entscheiden, welcher Tarifvertrag Anwendung findet. Ob die jeweilige Geltung des Tarifvertrages auf Organisationszugehörigkeit, Allgemeinverbindlichkeit oder schuldrechtlicher Vereinbarung beruht, hat insoweit keine Bedeutung. In jedem Falle hat der Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis unmittelbare Geltung, so daß nicht vertragliche und tarifliche Regelungen miteinander konkurrieren, sondern nur tarifliche und damit ranggleiche Regelungen. Deren Kollision ist aber nicht nach dem Günstigkeitsprinzip, sondern nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz zu lösen (Müller, NZA 1989, 449, 452).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schaub, Dr. Freitag, Schneider, Peter, Jansen, Lehmann
Fundstellen