Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungszeit. Tätigkeit an der LPG-Hochschule

 

Leitsatz (redaktionell)

Keine Anrechnung der Zeit der Tätigkeit an der LPG-Hochschule in Meißen als Beschäftigungszeit i.S.v. § 19 BAT-O.

 

Normenkette

BAT-O § 19; Übergangsvorschriften Nrn. 1, 2 Buchst. b; Einigungsvertrag Art. 13

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 10.08.1995; Aktenzeichen 4 (6) Sa 1222/94)

ArbG Dresden (Urteil vom 11.08.1994; Aktenzeichen 9 Ca 8672/93)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 10. August 1995 – 4 (6) Sa 1222/94 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über anrechnungsfähige Beschäftigungszeiten der Klägerin nach § 19 BAT-O.

Die Klägerin war seit dem 13. Oktober 1966 bei der LPG-Hochschule in M. beschäftigt. Aufgabe der Hochschule war die Ausbildung der Führungskader der LPGs in ökonomischer und agrartechnischer Hinsicht. Durch Kabinettsbeschluß vom 10. Dezember 1990 wurde die Hochschule zum 1. Januar 1991 aufgelöst. Die Auflösung der Hochschule wurde darüber hinaus in § 145 Abs. 3 des Sächsischen Hochschulerneuerungsgesetzes vom 25. Juli 1991 (Sächsisches GVBl S. 261) in Verbindung mit Ziff. 14 der Anlage zu dieser Vorschrift mit Wirkung zum 1. Januar 1991 geregelt. Für den Zeitraum vom 4. Oktober 1991 bis zum 30. September 1992 erhielt die Klägerin einen befristeten Arbeitsvertrag, um die laufende studentische Ausbildung der abzuwickelnden Hochschule der im Studienjahr 1991/1992 immatrikulierten Studiengänge bis zur Übernahme der Ausbildung an anderen Hochschulen abzusichern. Mit diesem Ziel wurde der Lehrbetrieb in M. bis zum 30. September 1992 fortgesetzt. Seit dem 1. Oktober 1992 ist die Klägerin als Angestellte auf unbestimmte Zeit bei der Technischen Universität Dresden des Beklagten tätig. Nach Ziff. 4 des Arbeitsvertrages findet auf das Arbeitsverhältnis der BAT-O Anwendung.

Die Zeit der Tätigkeit der Klägerin an der LPG-Hochschule vom 13. Oktober 1966 bis zum 31. Dezember 1990 wurde vom Beklagten nicht als Beschäftigungszeit nach § 19 BAT-O anerkannt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, auch diese Zeit sei als Beschäftigungszeit anzurechnen. Da der Beklagte ihr Arbeitsverhältnis zum 3. Oktober 1990 übernommen habe, sei sie seit dem 13. Oktober 1966 bei demselben Arbeitgeber i.S.v. § 19 Abs. 1 BAT-O tätig. Eine Anrechnung folge auch aus § 19 Abs. 2 BAT-O und Nr. 1 u. 2 b der Übergangsvorschriften. Zwar sei die LPG-Hochschule nicht überführt worden. Mit der Fortführung der Studiengänge habe der Beklagte aber die LPG-Hochschule und deren Aufgaben übernommen. Deshalb habe ihr Arbeitsverhältnis auch nicht geruht, sondern sei zunächst befristet bis zum 30. September 1992 fortgesetzt worden.

Ein Anspruch auf Anerkennung der Beschäftigungszeiten bei der LPG-Hochschule ergebe sich ferner aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, da bei mehreren ehemaligen Mitarbeitern der Hochschule die dort geleisteten Dienstzeiten anerkannt worden seien.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 13. Oktober 1966 bis zum 31. Dezember 1990 als Beschäftigungszeit i.S.v. § 19 BAT-O anzuerkennen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat gemeint, die Zeit der Tätigkeit der Klägerin vor dem 1. Januar 1991 könne nicht als Beschäftigungszeit angerechnet werden. Die LPG-Hochschule sei nicht überführt worden. Die vorübergehende Fortführung der Studiengänge zum Zwecke der ordnungsgemäßen Beendigung der laufenden studentischen Ausbildung sei keine Überführung gewesen, sondern habe allein der sinnvollen Abwicklung gedient. Auch seien keine Aufgaben der LPG-Hochschule übernommen worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht erkannt, daß die Zeit der Tätigkeit der Klägerin an der LPG-Hochschule in M. nicht als Beschäftigungszeit nach § 19 BAT-O i.V.m. den Übergangsvorschriften anzurechnen ist.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, eine Anrechnung der Tätigkeit bei der LPG-Hochschule als Beschäftigungszeit komme weder nach § 19 Abs. 1 oder Abs. 2 BAT-O noch nach den Übergangsvorschriften Nr. 1 oder Nr. 2 b in Betracht. Bei der LPG-Hochschule als Einrichtung der Bildung und Wissenschaft der ehemaligen DDR und dem Beklagten habe es sich nicht um denselben Arbeitgeber i.S.v. § 19 Abs. 1 BAT-O gehandelt. Die Hochschule sei auch nicht vom Beklagten nach § 19 Abs. 2 BAT-O i.V.m. Nr. 1 der Übergangsvorschriften übernommen worden, da sie nicht überführt, sondern abgewickelt worden sei. Die zeitlich begrenzte Fortführung des Studienbetriebes sei keine Überführung i.S.v. Art. 13 Abs. 1 des Einigungsvertrages gewesen. Auch Nr. 2 b der Übergangsvorschriften scheide als Rechtsgrundlage für die Anrechnung als Beschäftigungszeit aus, da der Beklagte keine Aufgaben oder Aufgabenbereiche der LPG-Hochschule übernommen habe. Soweit bei anderen Mitarbeitern Beschäftigungszeiten an der LPG-Hochschule zu Unrecht anerkannt worden seien, könne die Klägerin keine Gleichbehandlung verlangen.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist in vollem Umfang zuzustimmen. Für die Anrechnung der Zeit ihrer Tätigkeit an der LPG-Hochschule in M. als Beschäftigungszeit nach § 19 BAT-O fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

1. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT-O Anwendung. Die die Beschäftigungszeit regelnde Bestimmung des § 19 BAT-O sowie die Übergangsvorschriften dazu haben, soweit vorliegend von Interesse, folgenden Wortlaut:

㤠19

Beschäftigungszeit

(1) Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist

(2) Übernimmt ein Arbeitgeber eine Dienststelle oder geschlossene Teile einer solchen von einem Arbeitgeber, der von diesem Tarifvertrag erfaßt wird oder diesen oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwendet, so werden die bei der Dienststelle bis zur Übernahme zurückgelegten Zeiten nach Maßgabe des Absatzes 1 als Beschäftigungszeit angerechnet.

Übergangsvorschriften für Zeiten vor dem 1. Januar 1991:

  1. Als Übernahme im Sinne des Absatzes 2 gilt auch die Überführung von Einrichtungen nach Artikel 13 des Einigungsvertrages.
  2. Ist infolge des Beitritts der DDR der frühere Arbeitgeber weggefallen, ohne daß eine Überführung nach Artikel 13 des Einigungsvertrages erfolgt ist, gelten als Beschäftigungszeit nach Maßgabe des Absatzes 1

b) für Angestellte der Länder

Zeiten der Tätigkeit bei zentralen oder örtlichen Staatsorganen und ihren nachgeordneten Einrichtungen oder sonstigen Einrichtungen oder Betrieben, soweit das Land deren Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche derselben ganz oder überwiegend übernommen hat,

…”

a) Eine Anrechnung der Zeit der Tätigkeit an der LPG-Hochschule als Beschäftigungszeit nach § 19 Abs. 1 BAT-O scheidet aus.

Nach dieser Bestimmung muß die Beschäftigungszeit bei demselben Arbeitgeber zurückgelegt worden sein. Das setzt voraus, daß das Arbeitsverhältnis mit derselben Person im Rechtssinne bestanden hat (BAG Urteil vom 1. Juni 1995 – 6 AZR 792/94 – nicht veröffentlicht; Urteil vom 18. Januar 1996 – 6 AZR 346/95 – nicht veröffentlicht; Urteil vom 20. Februar 1997 – 6 AZR 713/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt). Daran fehlt es hier. Die LPG-Hochschule war eine nachgeordnete Einrichtung des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen der ehemaligen DDR. Eine rechtliche Identität mit dem Beklagten ist damit nicht gegeben.

Zwar ging mit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 3. Oktober 1990 das Arbeitsverhältnis der Klägerin als einer Beschäftigten im öffentlichen Dienst der ehemaligen DDR kraft Gesetzes auf den Beklagten nach Art. 13 Abs. 1, Abs. 3 EV als zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung über (vgl. BVerfGE 84, 133, 147 = AP Nr. 70 zu Art. 12 GG; BAG Urteil vom 18. Januar 1996 – 8 AZR 847/94 – AP Nr. 17 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Dieser gesetzliche Übergang des Arbeitsverhältnisses begründete aber keine rechtliche Identität zwischen dem früheren und dem jetzigen Arbeitgeber i.S.v. § 19 Abs. 1 BAT-O. Dies haben auch die Tarifvertragsparteien zutreffend erkannt, denn die Regelung in Nr. 1 der Übergangsvorschriften, die eine Anrechnung der Beschäftigungszeit für den Fall der Überführung von Einrichtungen regelt, wäre überflüssig, wenn bereits der gesetzliche Übergang der Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten im öffentlichen Dienst stets zu einer Anrechnung als Beschäftigungszeit nach § 19 Abs. 1 BAT-O führen würde.

b) Eine Anrechnung der Beschäftigungszeit nach § 19 Abs. 2 BAT-O kommt, entgegen der Auffassung der Klägerin, schon deshalb nicht in Betracht, weil der frühere Arbeitgeber der Klägerin nicht den BAT-O oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts angewendet hat.

c) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch eine Anrechnung nach Nr. 1 der Übergangsvorschriften abgelehnt. Die LPG-Hochschule ist nicht nach Art. 13 EV überführt worden.

aa) Die Überführung einer Einrichtung oder Teileinrichtung nach Art. 13 EV bedurfte einer auf den verwaltungsinternen Bereich zielenden Organisationsentscheidung der zuständigen Stelle, wobei diese Organisationsentscheidung formfrei ergehen und gegebenenfalls auch konkludent verlautbart werden konnte. Eine Einrichtung oder Teileinrichtung wurde i.S.v. Art. 13 EV überführt, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung die Einrichtung unverändert fortführte oder er sie unter Erhalt der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an rechtlichen Mitteln in die neue Verwaltung eingliederte (BAG Urteil vom 29. Februar 1996 – 6 AZR 472/95 – AP Nr. 10 zu § 19 BAT-O; Urteil vom 16. März 1995 – 8 AZR 414/93 – AP Nr. 14 zu Art. 13 Einigungsvertrag).

bb) Eine ausdrückliche Entscheidung der Überführung der LPG-Hochschule hat der Beklagte nicht getroffen. Nach dem Kabinettsbeschluß vom 10. Dezember 1990 sollte die Hochschule vielmehr abgewickelt werden. Dies wurde durch § 145 Abs. 3 u. 4 des Sächsischen Hochschulerneuerungsgesetzes i.V.m. der Anlage zu diesen Vorschriften bestätigt. Danach wurde die LPG-Hochschule zum 1. Januar 1991 aufgelöst.

Die Fortführung des Lehrbetriebes bis zum 30. September 1992 enthält keine konkludente Überführungsentscheidung. Die vorübergehende Fortführung des Lehrbetriebes diente, wie auch der Inhalt des entsprechend befristeten Arbeitsvertrages der Klägerin ausweist, dem Ziel, die Hochschule zu einem sinnvollen Zeitpunkt aufzulösen. Den im Studienjahr 1991/92 immatrikulierten Studenten sollte die Möglichkeit gegeben werden, ihr Studium abzuschließen oder ihre Ausbildung an anderen Hochschulen fortzusetzen. Diese Regelung erlaubt nicht den Schluß, daß eine Abwicklungsentscheidung in Wirklichkeit nicht getroffen worden sei. Eine solche Fortführung regelt vielmehr die Abwicklung (vgl. BAGE 74, 248 = AP Nr. 4 zu Art. 13 Einigungsvertrag; Urteil vom 16. März 1995 – 8 AZR 414/93 – AP Nr. 14 zu Art. 13 Einigungsvertrag; Urteil vom 29. Februar 1996 – 6 AZR 472/95 – AP Nr. 10 zu § 19 BAT-O).

d) Eine Anrechnung der Tätigkeit der Klägerin ist auch nicht nach Nr. 2 b der Übergangsvorschriften begründet.

Da der frühere Arbeitgeber der Klägerin infolge des Beitritts der DDR weggefallen ist, ohne daß eine Überführung erfolgte, kommt es für die Anrechnung als Beschäftigungszeit nach Nr. 2 b der Übergangsvorschriften darauf an, ob der Beklagte Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche von Einrichtungen, in denen die Klägerin beschäftigt war, ganz oder überwiegend übernommen hat. Dabei bestimmen sich die Aufgaben der Einrichtung nach dem Inhalt und Ziel ihrer Tätigkeit. Ist eine Aufgabe nicht in vollem Umfang übernommen worden, kommt die Übernahme eines Aufgabenbereiches als einer kleineren organisatorischen Einheit in Betracht (vgl. BAG Urteile vom 29. Februar 1996 – 6 AZR 472/95 – und vom 25. Juli 1996 – 6 AZR 673/95 – AP Nr. 10 u. 11 zu § 19 BAT-O).

Aufgabe der LPG-Hochschule war die Ausbildung von Führungskadern der LPGs in ökonomischer und agrartechnischer Hinsicht. Diese Aufgabe hat der Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht übernommen. Dies folgt auch aus § 145 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz des Sächsischen Hochschulerneuerungsgesetzes. Danach werden die von den abgewickelten Hochschulen, wie der LPG-Hochschule, wahrgenommenen Aufgaben vom Beklagten nicht fortgeführt.

Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, daß Aufgabenbereiche der früheren Hochschule, wie z.B. einzelne Fachgebiete (vgl. BAG Urteil vom 25. Juli 1996 – 6 AZR 673/95 – AP Nr. 11 zu § 19 BAT-O), übernommen worden seien und sie in einem solchen Fachgebiet tätig gewesen sei.

Die befristete Fortführung des Lehrbetriebes kann, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, nicht als Übernahme von Aufgaben angesehen werden. Sie diente vielmehr der ordnungsgemäßen Abwicklung der Aufgaben der LPG-Hochschule, die zum 30. September 1992 endgültig beendet waren.

2. Eine Anrechnung der Tätigkeit der Klägerin als Beschäftigungszeit folgt auch nicht aus einer Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.

Insoweit hat die Klägerin darauf verwiesen, der Beklagte habe bei fünf ehemals bei der LPG-Hochschule beschäftigten Arbeitnehmern, die nunmehr nicht bei der Technischen Universität Dresden beschäftigt seien, Zeiten ihrer Tätigkeit an der LPG-Hochschule als Beschäftigungszeit anerkannt.

Damit hat die Klägerin die Voraussetzungen für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht hinreichend dargelegt. Unabhängig davon, ob die Anrechnung bei diesen Angestellten zu Recht oder rechtsirrtümlich erfolgt ist, hätte die Klägerin zur Stützung ihres Anspruchs auf Gleichbehandlung vortragen müssen, in welchem Aufgabenbereich diese Angestellten bei der LPG-Hochschule eingesetzt waren, und daß eine Anerkennung als Beschäftigungszeit erfolgt sei, obwohl diese Aufgabenbereiche nicht von anderen Dienststellen des Beklagten übernommen worden sind. Daran fehlt es.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Soltau, Steinhäuser

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093111

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