Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung nach Einigungsvertrag. Beteiligung des Personalrats

 

Normenkette

Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2; BPersVG § 108 Abs. 2; PersVG-Berlin § 73; PersVG-Berlin § 84; PersVG-Berlin § 89; BetrVG § 80 Abs. 2, § 102; BGB § 626; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 29.01.1996; Aktenzeichen 17 Sa 108/95)

ArbG Berlin (Urteil vom 16.06.1995; Aktenzeichen 19 Ca 8099/95)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 29. Januar 1996 – 17 Sa 108/95 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, die die Beklagte wegen der Tätigkeit des Klägers für das frühere Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gemäß Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2 der Anlage I zum Einigungsvertrag (künftig: Abs. 5 Ziff. 2 EV) sowie wegen der Nichtangabe dieser Tätigkeit im Personalfragebogen ausgesprochen hat.

Der im Jahre 1950 geborene Kläger war nach Wehrdienst (1970 bis 1972) und Studium seit 1979 wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Beklagten. Zuletzt arbeitete er im Institut für Kunst- und Kulturwissenschaft der Philosophischen Fakultät IV. Ihm oblagen insbesondere die Abhaltung von Lehrveranstaltungen zum Thema „Ästhetik”, die Verantwortung für die Institutszeitschrift „Angebote” und die Betreuung des Nachlasses von Prof. Wolfgang Heise.

Unter dem 18. Juli 1974 verpflichtete sich der Kläger handschriftlich zu einer Zusammenarbeit auf freiwilliger Grundlage mit dem MfS. In der Folgezeit kam es zu vielfältigen Kontakten des Klägers mit dem ihm zugeteilten Führungsoffizier. Nach einem Einzelbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR vom 1. September 1994 ergaben sich daraus 23 Treffberichte der Führungsoffiziere und 14 handschriftliche Berichte des Klägers, unterschrieben mit dem von ihm gewählten Decknamen. Der Kläger wurde beim MfS als Inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit (IMS) geführt und hatte vorwiegend nach Auftrag über Personen und Sachverhalte seines beruflichen Umfeldes zu berichten. Am 13. Mai 1976 teilte der Kläger dem MfS mit, er sei nicht mehr bereit, mit dem MfS zusammenzuarbeiten, weil die konspirative Tätigkeit zu einer Unaufrichtigkeit gegenüber den Mitmenschen zwinge. Daraufhin beendete das MfS die Zusammenarbeit mit dem Kläger.

Im Jahre 1982 kam es zu erneuten Kontakten des Klägers zum MfS. Bei einem Werbegespräch am 3. März 1983 erklärte sich der Kläger zu einer erneuten Zusammenarbeit mit dem MfS bereit, lehnte jedoch eine schriftliche Verpflichtungserklärung ab. Nach dem Einzelbericht des Bundesbeauftragten lagen bis August 1984 fünf Treffberichte des Führungsoffiziers, vier Auszüge aus Treffberichten bzw. Treffvermerken und ein handschriftlicher Personenbericht des Klägers von ca. Anfang Juni 1982 vor. Dabei ging es jeweils um Personenaufklärung. In einer Beurteilung durch das MfS aus dem Jahre 1984 heißt es, daß über einen längeren Zeitraum eine Vertrauensbeziehung ausgebaut worden sei und daß beim IMS Vorbehalte bei Informationen zu seinem Freundes- und Bekanntenkreis spürbar seien. Im Abschlußbericht vom 22. November 1989 wurde vermerkt, der IMS sei nach seiner erneuten Werbung nicht bereit gewesen, Personen zu belasten; es hätten keine bedeutsamen Informationen erarbeitet werden können.

Die Beklagte befragte den Kläger im April 1991 mittels eines Personalfragebogens nach einer Tätigkeit für das frühere MfS und nach der Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit. Beide Fragen verneinte der Kläger unter dem 17. April 1991. Ebenso verneinte er am 22. Dezember 1992 die zur Klärung der Vordienstzeiten gestellten Fragen, ob er für das MfS tätig oder zu informeller/inoffizieller Mitarbeit verpflichtet gewesen sei.

Nachdem die Beklagte im September 1994 aufgrund des Einzelberichtes des Bundesbeauftragten von der früheren Tätigkeit des Klägers erfahren hatte, schaltete sie ihren Ehrenausschuß ein. Diesem übermittelte der Kläger eine mehrseitige Stellungnahme vom 19. Oktober 1994 und ein Schreiben des Herrn Dr. B. aus Düsseldorf, dessen Besuch beim Kläger im Jahre 1982 Anlaß für die erneute Kontaktaufnahme des MfS gewesen war. An der Sitzung des Ehrenausschusses am 31. Oktober 1994, bei welcher der Kläger angehört wurde, nahm auch ein Mitglied des Personalrats teil. Der Ehrenausschuß teilte am 29. November 1994 mit, er halte die Weiterbeschäftigung des Klägers nach den vorliegenden Erkenntnissen für zumutbar.

Mit Schreiben vom 23. Januar 1995 bat die Beklagte den Personalrat unter Beifügung des Entwurfs des Kündigungsschreibens um Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung. Am 9. Februar 1995 widersprach der Personalrat einer außerordentlichen Kündigung und rügte hierbei die Vollständigkeit der Unterrichtung. Zur ordentlichen Kündigung bezog er keine Stellung. Daraufhin kam es am 16. Februar 1995 zu einer ergänzenden Unterrichtung und am 22. Februar 1995 zu einer Erörterung der Kündigung mit dem Personalrat. Mit Schreiben vom 23. Februar 1995 hielt der Personalrat an seiner Stellungnahme vom 9. Februar 1995 hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung fest und erhob gegen eine ordentliche Kündigung Einwände.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Februar 1995, dem Kläger zugegangen am 1. März 1995, außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. Juni 1995.

Mit der am 14. März 1995 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 4. April 1995 zugestellten Kündigungsschutzklage macht der Kläger geltend, die Kündigung sei insgesamt unwirksam. Der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden, weil ihm weder die Empfehlung des Ehrenausschusses noch das Schreiben des Klägers vom 19. Oktober 1994 an Ehrenausschuß und Präsidentin (vollständig) vorgelegt worden sei. Ein Festhalten am Arbeitsverhältnis und seine Weiterbeschäftigung seien der Beklagten nicht unzumutbar. Der ordentlichen Kündigung fehle es an einem rechtfertigenden Grund. Bei den Angaben im Personalfragebogen sei ihm die Verpflichtungserklärung von 1974 nicht mehr erinnerlich gewesen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. Februar 1995 aufgelöst worden sei.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, die Beteiligung des Personalrats sei sowohl bezüglich der außerordentlichen wie insbesondere auch hinsichtlich der ordentlichen Kündigung ordnungsgemäß erfolgt. Die maßgeblichen Kündigungsgründe seien dem Personalrat substantiiert mitgeteilt worden. Der Kläger sei von 1974 bis 1976 und dann wieder ab 1982 für das MfS tätig gewesen. Er habe vielfach über Personen seines Umfeldes berichtet. Deshalb erscheine ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar. Dessen Fortsetzung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sei ferner deswegen unzumutbar, weil der Kläger die Fragen nach einer Zusammenarbeit mit dem MfS und nach einer Verpflichtungserklärung wahrheitswidrig wiederholt verneint habe. Jedenfalls sei die ordentliche Kündigung aus diesem Grunde gerechtfertigt.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hält die Beklagte an ihrem Klageabweisungsantrag fest.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, die Kündigung vom 28. Februar 1995 sei unwirksam, weil die Beklagte den Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt habe. Das Mitwirkungsverfahren richte sich nach den §§ 89 Abs. 1, 84, 73 Abs. 1 Satz 1 PersVG-Berlin. Danach sei die Personalvertretung rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Mitzuteilen seien auch die Gesichtspunkte, die gegen eine Kündigung sprächen, insbesondere eine aktenkundige Gegendarstellung des Arbeitnehmers. Da die Beklagte das Schreiben des Klägers vom 19. Oktober 1994 an den Ehrenausschuß dem Personalrat nicht vollständig zugänglich gemacht habe, könne die Unterrichtung keinen Bestand haben. Dem Arbeitgeber stehe keine Vorauswahl des Materials zu, er könne auch gar nicht wissen, welche Gesichtspunkte für die Entschließungen des Personalrats bestimmend würden. Die Folge des Verfahrensverstoßes sei zwar nicht ausdrücklich gesetzlich angeordnet, könne aber nur Unwirksamkeit der Kündigung sein.

II. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

1. Das Landesarbeitsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, daß dem Personalrat gem. § 89 Abs. 1 PersVG-Berlin lediglich ein Mitwirkungsrecht zustand. Dies zieht auch der Kläger nicht in Zweifel. Nach § 84 Abs. 1 PersVG-Berlin war die beabsichtigte Kündigung vor ihrem Ausspruch mit dem Ziele einer Verständigung rechtzeitig und eingehend mit dem Personalrat zu erörtern. Hierzu gehörte zunächst die ordnungsgemäße Unterrichtung des Personalrats, ohne die eine sachgerechte Stellungnahme des Personalrats nicht möglich war. Für den Umfang der Mitteilungspflicht gelten die für § 102 BetrVG entwickelten Maßstäbe entsprechend (BAG Urteil vom 31. August 1989 – 2 AZR 453/88 – AP Nr. 1 zu § 77 LPVG Schleswig-Holstein, zu II 1 der Gründe, m.w.N.; BAG Urteil vom 25. April 1996 – 2 AZR 609/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 4 der Gründe). Ist die Personalvertretung nicht beteiligt worden, so ist die durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung gem. § 108 Abs. 2 BPersVG unwirksam; diese Vorschrift ist unmittelbar für die Länder geltendes Recht. Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich, wenn der Arbeitgeber seiner Beteiligungspflicht nach dem Landespersonalvertretungsgesetz nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, z.B. den Personalrat nicht ausreichend unterrichtet hat (BAG Urteil vom 31. August 1989, a.a.O., zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 25. April 1996, a.a.O., zu II 4 der Gründe, jeweils m.w.N.); denn dem Sinn und Zweck des Beteiligungsrechts wird ebenso wie bei § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nur durch eine ordnungsgemäße Beteiligung Rechnung getragen (vgl. BAG Urteil vom 7. September 1995 – 8 AZR 839/93 – n.v., zu II 2 b der Gründe, m.w.N.; zuletzt BAG Urteil vom 7. November 1996 – 2 AZR 720/95 – n.v., zu B II 1 der Gründe, m.w.N.). Auch darin ist dem angefochtenen Urteil im Ergebnis zu folgen.

2. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe den Personalrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ausreichend unterrichtet.

a) Die Unterrichtung durch den Arbeitgeber soll die Personalvertretung im Interesse des Arbeitnehmers in die Lage versetzen, ihre Überlegungen zu der Kündigungsabsicht einzubringen. Sie muß nicht denselben Anforderungen genügen wie die Darlegung des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozeß. Zudem gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung”. Der Personalrat ist immer dann ordnungsgemäß angehört worden, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG Urteil vom 15. November 1995 – 2 AZR 974/94 – AP Nr. 73 zu § 102 BetrVG 1972). Der für die Kündigung maßgebende Sachverhalt ist so zu umschreiben, daß der Personalrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden. Eine pauschale, schlagwort- oder stichwortartige Schilderung des Sachverhalts reicht nicht aus (vgl. BAG Urteil vom 15. November 1995, a.a.O.). Teilt der Arbeitgeber dem Personalrat kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen nicht mit, weil er die Kündigung darauf nicht stützen will oder weil er sie bei seinem Kündigungsentschluß für unerheblich oder entbehrlich hält, dann ist die Anhörung deswegen nicht fehlerhaft.

Um keine Frage der subjektiven Determinierung handelt es sich aber, wenn der Arbeitgeber dem Personalrat den Sachverhalt bewußt irreführend schildert, damit sich die Kündigungsgründe als möglichst überzeugend darstellen. Nach Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens ist eine bewußt und gewollt unrichtige oder unvollständige Mitteilung der für den Kündigungsentschluß des Arbeitgebers maßgebenden Kündigungsgründe wie eine Nichtinformation des Personalrats zu behandeln. Sie kann nicht nur in der Aufbereitung der mitgeteilten Tatsachen, sondern auch in der Weglassung gegen die Kündigung sprechender, den Arbeitnehmer entlastender Informationen bestehen. Die Kündigung ist entsprechend § 108 Abs. 2 BPersVG unwirksam, wenn die bewußt irreführend dargestellten oder die weggelassenen Tatsachen nicht nur eine unzutreffende Ergänzung bzw. eine Konkretisierung des mitgeteilten Sachverhalts bewirken. Der Arbeitgeber setzt durch eine derartige Darstellung den Personalrat außerstande, sich ein zutreffendes Bild von den Gründen für die Kündigung zu machen (vgl. BAG Urteil vom 18. Mai 1994 – 2 AZR 920/93 – BAGE 77, 13, 16 ff. = AP Nr. 64 zu § 102 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – BAGE 78, 39, 46 ff. = AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG 1972, m.w.N.; BAG Urteil vom 7. November 1996, a.a.O., zu B II 1 der Gründe; vgl. ferner BAG Urteil vom 8. September 1988 – 2 AZR 103/88 – BAGE 59, 295, 299 ff.; Bitter, Festschrift für Stahlhacke, S. 61, 63 ff.). Danach kann insbesondere die Verpflichtung bestehen, über eine vorhandene Gegendarstellung des Arbeitnehmers zu unterrichten (BAG Urteil vom 31. August 1989, a.a.O., zu II 2 der Gründe) oder darauf hinzuweisen, daß von einem „glaubwürdigen Erfahren” des schwerwiegenden Kündigungsgrundes allenfalls eine vage Vermutung übrig geblieben ist (BAG Urteil vom 2. November 1983 – 7 AZR 65/82 – BAGE 44, 201, 206 ff.).

Diese Maßstäbe gelten gleichermaßen bei einer auf Abs. 5 Ziff. 2 EV gestützten Kündigung (vgl. Senatsurteile vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 654/93 – n.v., zu B II, III der Gründe; vom 7. September 1995 – 8 AZR 839/93 – n.v., zu II 3 der Gründe).

b) Nach den dargestellten Grundsätzen war die Unterrichtung des Personalrats der Beklagten im Hinblick auf die beabsichtigte außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausreichend.

aa) Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Unterrichtung des Personalrats sei schon deshalb nicht ordnungsgemäß gewesen, da diesem das Schreiben des Klägers vom 19. Oktober 1994 nicht vollständig zugänglich gemacht worden sei, trifft nicht zu. Unterrichtung über die maßgeblichen Kündigungsgründe bedeutet nicht notwendig Vorlage der einschlägigen Urkunden, Schriftstücke oder Beweismittel. Wenn das Landesarbeitsgericht hier § 73 Abs. 1 Satz 1 PersVG-Berlin heranzieht, so übersieht es den abschließenden Charakter des § 84 PersVG-Berlin, der die Vorlage von Unterlagen gerade nicht verlangt (vgl. BAG Urteil vom 26. Januar 1995 – 2 AZR 386/94 – AP Nr. 69 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe betr. die §§ 102 Abs. 1, 80 Abs. 2 BetrVG). Besondere Formvorschriften bestehen nicht. Soweit sich der maßgebliche Kündigungssachverhalt aus Urkunden ergibt, genügt deshalb die Unterrichtung hierüber auch ohne deren Vorlage (vgl. auch BAG Urteil vom 31. August 1989, a.a.O., zu II 2 der Gründe, wo der Zweite Senat nicht etwa die Vorlage der Gegendarstellung des Arbeitnehmers an den Personalrat, sondern nur die Information über das Vorliegen einer Gegendarstellung gefordert hat). Dementsprechend mußte dem Personalrat der Beklagten auch die Stellungnahme des Ehrenausschusses nicht zugänglich gemacht werden.

bb) Das Schreiben des Klägers vom 19. Oktober 1994 enthielt keinen für den Kündigungsentschluß maßgeblichen Sachverhalt, den die Beklagte dem Personalrat nicht anderweitig mitgeteilt hätte. Maßgeblich für die Beklagte war zunächst der Einzelbericht des Bundesbeauftragten, welcher dem Personalratsvorsitzenden im Rahmen der Erörterung unstreitig zugänglich gemacht wurde. Dieser Einzelbericht enthielt auch die zugunsten des Klägers sprechenden Umstände, die die Beklagte jedoch als nicht ausreichend entlastend bewertet hat. Hierüber hat sie den Personalrat informiert. Der Kläger beruft sich zu Unrecht auf die Stellungnahme der Präsidentin der Beklagten vom 4. September 1995, denn hieraus ergibt sich nur, daß der Kläger die Darstellung im Einzelbericht nach Auffassung der Beklagten bestätigte. Maßgeblich für die Beklagte war sodann die vorsätzliche Falschbeantwortung der Frage nach einer Zusammenarbeit mit dem MfS. Auch darüber hat sie den Personalrat zutreffend unterrichtet, wenn sie das fehlende Erinnerungsvermögen des Klägers für unglaubwürdig hielt.

Dadurch, daß die Beklagte das Schreiben des Klägers vom 19. Oktober 1994 dem Personalrat nicht vollständig übermittelt hat, ergab sich keine Verzerrung des Kündigungssachverhalts. Das bezeichnete Schreiben enthält nicht eine Gegendarstellung des Klägers, die zur Vermeidung einer unvollständigen und einseitigen Unterrichtung zur Kenntnis des Personalrats gebracht werden mußte. Vielmehr geht es in erster Linie um die Wertung des Sachverhalts durch den Kläger und um Erklärungen, die für eine eigenständige Beurteilung durch die Personalvertretung ohne wesentliche Bedeutung sind. Die vom Kläger geschilderten Umstände betreffen Motivlagen und Randereignisse, die zwar im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses bei der Beurteilung der Zumutbarkeit durchaus zu berücksichtigen sind. Sie verändern aber den Kündigungssachverhalt nicht wesentlich, stellen vielmehr nur eine Konkretisierung und Verdeutlichung dar. Es handelt sich auch nicht um Einlassungen, mit denen die Personalvertretung nicht rechnen mußte. Auch soweit der Kläger sich auf ein Vergessen bzw. Verdrängen der Bereitschaftserklärung beruft, wurde dem Personalrat kein falscher Eindruck verschafft. Die Darstellung des Klägers zum subjektiven Tatbestand seiner Tätigkeit für das MfS ist insgesamt zu unklar, um wesentliche Bedeutung für die Unterrichtung des Personalrats zu besitzen.

Nach alledem ergab sich keine zusätzliche Informationspflicht daraus, daß die Beklagte das Schreiben des Klägers vom 19. Oktober 1994 „bei der Beurteilung der Angelegenheit berücksichtigt” hat.

cc) Der Personalrat mußte nicht über die Stellungnahme des Ehrenausschusses vom 29. November 1994 unterrichtet werden. Diese Stellungnahme enthielt im wesentlichen nur die Zusammenfassung des Sachverhalts, wie er auch dem Personalrat zur Kenntnis gebracht worden ist. Das Ergebnis der Beurteilung wurde nicht zusätzlich begründet und war weder für den Kündigungsentschluß der Beklagten maßgeblich, noch beeinflußte es den Kündigungssachverhalt derart, daß der Personalrat nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit hierüber zu unterrichten war. Ersichtlich leitete die Beklagte die nach ihrer Meinung vorliegende Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung aus den mitgeteilten Umständen ab. Ein besonderer Hinweis hierauf war nicht erforderlich.

dd) Der Personalrat ist auch deswegen ordnungsgemäß unterrichtet worden, weil an der Sitzung des Ehrenausschusses am 31. Oktober 1994 ein Personalratsmitglied teilgenommen hat. Der Arbeitgeber braucht dem Personalrat solche für die Kündigung maßgeblichen Umstände nicht nochmals gesondert mitzuteilen, von denen der Personalrat bereits Kenntnis hat. Der Personalrat kann einzelne Personalratsmitglieder als für die Unterrichtung empfangsberechtigt bestimmen. Im Grundsatz war es deshalb unbedenklich, wenn der Personalrat notwendige Informationen in der Weise erhielt, daß ein Personalratsmitglied als „Ohr des Personalrats” die Anhörung des Klägers und Beurteilung durch den Ehrenausschuß mitverfolgte. Ausreichend war das freilich nur, wenn die maßgeblichen Feststellungen oder Erwägungen in der Ausschußsitzung offengelegt wurden (vgl. BAG Urteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1019/94 – AP Nr. 55 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu B II 2 b der Gründe). Gerade das war der Fall, wie sich aus der Stellungnahme des Ehrenausschusses ergibt. Danach ist am 31. Oktober 1994 über die Angaben im Einzelbericht des Bundesbeauftragten ebenso wie über die Einlassungen des Klägers beraten und abgestimmt worden.

ee) Schließlich ergibt sich sogar aus den Stellungnahmen des Personalrats vom 9. Februar 1995 und vom 23. Februar 1995, daß der Personalrat durch die übergebenen Unterlagen und die weitere Erörterung ausreichend unterrichtet war. Der Personalrat hat hier zwar die Auffassung vertreten, er sei nicht ausreichend unterrichtet worden. Seine Beurteilung in der Sache zeigt jedoch auf, daß er sowohl die Stellungnahme des Klägers als auch das Votum der Ehrenkommission hinreichend kannte.

3. Fehler bei der weiteren Beteiligung des Personalrats sind nicht ersichtlich und werden vom Kläger auch nicht gerügt. Insbesondere kam es am 22. Februar 1995 zu einer Erörterung der Kündigung mit dem Personalrat, der am nächsten Tag eine abschließende Stellungnahme abgegeben hat. Mit einer dem Personalrat am 28. Februar 1995 übermittelten Erklärung hielt die Beklagte an der Kündigungsabsicht fest (vgl. § 84 Abs. 3 PersVG-Berlin).

III. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat zu der sachlichen Berechtigung der Kündigung keine tragenden Ausführungen gemacht und insoweit auch keine abschließenden Feststellungen getroffen.

Im erneuten Berufungsverfahren wird zunächst der streitige Umfang der Tätigkeit des Klägers für das MfS aufzuklären und die Frage der Unzumutbarkeit eines Festhaltens am Arbeitsverhältnis zu beurteilen sein (vgl. nur BAG Urteil vom 11. Juni 1992 – 8 AZR 474/91 – BAGE 70, 309, 317 ff. = AP Nr. 4 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu B II 1 c der Gründe; BAG Urteil vom 26. August 1993 – 8 AZR 561/92 – BAGE 74, 120 = AP Nr. 8 zu Art. 20 Einigungsvertrag; BAG Urteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 484/92 – BAGE 74, 257 = AP Nr. 19 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX; BAG Urteil vom 13. September 1995 – 2 AZR 862/94 – AP Nr. 53 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 18. Juli 1996 – 8 AZR 203/95 – n.v.).

Soweit die Beklagte die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung auf die vorsätzliche Falschbeantwortung der Frage nach einer früheren Tätigkeit für das MfS stützt, kommen als Prüfungsmaßstab nur § 626 BGB und § 1 KSchG in Betracht. Die außerordentliche Kündigung scheitert hier an der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Bei einer Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung sind zunächst abschließende Feststellungen zu der Frage zu treffen, ob der Kläger vorsätzlich falsch geantwortet hat. Die Berechtigung einer ordentlichen Kündigung ist unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Vertragsparteien zu beurteilen (vgl. hierzu BAG Urteil vom 13. Juni 1996 – 2 AZR 483/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 26. September 1996 – 2 AZR 594/95 – n.v.; vgl. auch BAG Urteil vom 13. September 1995 – 2 AZR 862/94 –, a.a.O., zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 14. Dezember 1995 – 8 AZR 356/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B III der Gründe, allerdings jeweils zu Abs. 4 Ziff. 1 EV). Das ist zunächst Aufgabe des Landesarbeitsgerichts als Tatsachengericht.

 

Unterschriften

Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, Hickler, Scholz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1087126

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