Entscheidungsstichwort (Thema)
Staateninsolvenz. außerordentliche Änderungskündigung
Leitsatz (redaktionell)
Ist die Änderung der Arbeitsbedingungen erforderlich, um der konkreten Gefahr einer Insolvenz oder Staatspleite des Arbeitgebers zu begegnen, kann eine Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung begründet sein.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1 Abs. 2, § 2
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin und unter Zurückweisung der Anschlussrevision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 31. Juli 2014 – 15 Sa 1132/13 – aufgehoben, soweit es auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. Mai 2011 – 8 Ca 6870/10 – abgeändert und die Klage abgewiesen hat.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts wird – weitergehend – zurückgewiesen, soweit diese sich gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts über den zu Nr. 1 erhobenen Antrag (Feststellungsantrag) und gegen ihre Verurteilung richtet, an die Klägerin 1.884,96 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 314,16 Euro brutto seit dem 1. Kalendertag der Monate Dezember 2010 bis Mai 2011 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Änderungskündigung.
Die beklagte Hellenische Republik betreibt in D eine Ergänzungsschule.
An dieser ist die Klägerin seit 1992 als Lehrerin beschäftigt.
Im Arbeitsvertrag vom 1. Januar 1992 heißt es auszugsweise:
„1. |
Frau … wird ihre Tätigkeit im Schuljahr 1991-1992 an der Schule D fortsetzen mit 22 Stunden wöchentlich im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gemäß dem deutschen Bundesangestelltentarifvertrag BAT. |
… |
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3. |
Die Regelung des Arbeitsverhältnisses erfolgt gemäß dem deutschen Bundesangestelltentarifvertrag BAT. |
4. |
Der/die Angestellte wird nach 1.13/53 der Sammlung der Schulvorschriften des deutschen Bildungsministeriums vom 20.11.1981 (BASS 21-21, Nr. 53) und den jeweils gültigen Ausführungen in die Gruppe IVb im Alter von 31 Jahren eingestuft. |
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Die Zahlung des Gehalts erfolgt detailliert, wie folgt: |
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… |
5. |
Es wird Weihnachtsgeld gezahlt, dessen Betrag einem Monatsgehalt entspricht, in Höhe des Betrages von (des Monats September) nach Abzug der entsprechenden Abzüge. |
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Die Lehrkraft, die diesen Vertrag unterzeichnet, akzeptiert und erkennt mit ihrer Unterschrift an, dass ihr dieses Weihnachtsgeld freiwillig gezahlt wird und dass die Zahlung des Weihnachtsgeldes, auch wenn sie über mehrere Jahre hinweg erfolgte, ihr nicht das Recht erteilt, Ansprüche auf dessen weitere obligatorische Zahlung zu erheben. |
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Es besteht kein Anrecht auf Weihnachtsgeld, wenn zum Zeitpunkt der Zahlung dieses Bonus der Arbeitsvertrag gekündigt wurde oder eine beteiligte Partei den Vertrag bis zum 31.12. gekündigt hat oder wenn die Gültigkeit dieses Vertrages aufgrund eines gemeinsamen Beschlusses der beteiligten Parteien endet. Dies gilt jedoch, wenn die Kündigung des Arbeitsvertrages aus Gründen erfolgt, die sich auf den gesamten Betrieb der Schule beziehen oder das dort beschäftigte Personal betreffen. |
… |
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17. |
Das Urlaubsgeld beträgt dreihundert DM (300) und unterliegt allen Abzügen zur Sozialversicherung und der Einkommenssteuer.” |
Das Gehalt der Klägerin wurde in der Folgezeit der Tarifentwicklung angepasst. Außerdem leistete die Beklagte an die Klägerin nach Inkrafttreten des TV-L Jahressonderzahlungen iHv. 80 vH des Bemessungsentgelts nach § 20 TV-L. Auf Basis der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 berechnete sie für die Monate Januar und Februar 2010 eine Bruttovergütung iHv. 3.642,91 Euro und ab März 2010 eine Bruttovergütung iHv. 3.690,00 Euro.
Seit dem Jahr 2009 befand sich die Beklagte in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Im Zusammenhang mit ihrer Zusage, ua. das bestehende Haushaltsdefizit zu verringern, bekräftigten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in einer Erklärung vom 11. Februar 2010, im Bedarfsfall entschlossen und koordiniert handeln zu wollen, um die Finanzmarktstabilität im gesamten Euro-Währungsgebiet zu wahren.
Der Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 8. Juni 2010 gerichtet an Griechenland zwecks Ausweitung und Intensivierung der haushaltspolitischen Überwachung und zur Inverzugsetzung Griechenlands mit der Maßgabe, die zur Beendigung des übermäßigen Defizits als notwendig erachteten Maßnahmen zu treffen (2010/320/EU – ABl. EU L 145/6 vom 11. Juni 2010), fordert von der Beklagten Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung. Zu diesen gehören ua. die Kürzung des Oster-, Urlaubs- und Weihnachtsgelds für Beamte, eine Reform der Lohngesetzgebung sowie die Straffung und Vereinheitlichung der Tarifstruktur im öffentlichen Sektor.
Die Beklagte erließ aufgrund der mit der Europäischen Union (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfond (IWF) getroffenen Vereinbarungen ua. das Gesetz Nr. 3833/2010 (Schutz der nationalen Wirtschaft – Dringende Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise – Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 40 vom 15. März 2010). Nach der dem Berufungsgericht vorgelegten Übersetzung des Normtextes heißt es in diesem auszugsweise:
„Artikel 1
Minderung der Bezüge der Beschäftigten im öffentlichen Dienst
…
4. Bedienstete mit privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gem. Paragraph 2, für die die Bestimmungen von Gesetz 3205/2003 nicht gelten, werden von der Absenkung des Paragraphen 2 jene Zulagen ausgenommen, die mit dem Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne des ersten Absatzes von Paragraph 2 dieses Artikels gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um sieben Prozent (7%) herabgesetzt. …
Artikel 3
Einkommenspolitik des Jahres 2010
1. Ab Inkrafttreten dieses Artikels und bis zum 31.12.2010 sind Abschluss und Gewährung von Erhöhungen, im gleichen Zeitraum, auf die Gehälter und Bezüge von Beamten, Angestellten im öffentlichen Dienst im Allgemeinen, in kommunalen Gebietskörperschaften, bei den Körperschaften des Privaten Rechts, welche dem Staat gehören oder vom staatlichen Haushalt regelmäßig finanziert werden, nicht gestattet. …
5. Bestimmungen des Gesetzes oder Bestimmungen, Bedingungen oder Klauseln von Tarifverträgen, Schiedssprüchen, Ministerialbeschlüssen oder Verwaltungsakten jeder Art und Bedingungen individueller Arbeitsverträge oder Vereinbarungen, die im Widerspruch zu den Bestimmungen dieser Bestimmungen und der vorherigen Artikel stehen, werden aufgehoben.”
Art. 1 des Gesetzes trat mit Wirkung zum 1. Januar 2010 und Art. 3 am Tag der Veröffentlichung des Gesetzes Nr. 3833/2010 im Regierungsblatt in Kraft.
Darüber hinaus erließ die Beklagte das Gesetz Nr. 3845/2010 über Maßnahmen für die Anwendung des Stützungsmechanismus für die griechische Wirtschaft von Seiten der Mitgliedsländer der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds (Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 65 vom 6. Mai 2010). Nach der dem Berufungsgericht vorgelegten Übersetzung des Normtextes heißt es in diesem auszugsweise:
„Artikel 3 |
Maßnahmen zur Minderung der öffentlichen Ausgaben |
…
3. Bei Bediensteten mit Arbeitsverträgen des Privatrechts gem. Par. 2 Art. 1 Ges. 3833/2010, die den Bestimmungen von Gesetz 3205/2010 nicht unterliegen, sind von der Kürzung des Paragraphen 1a die Zulagen ausgenommen, die vom Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne von Paragraph 1 gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um drei Prozent (3%) herabgesetzt.
…
6. Die Weihnachts-, Oster- und Urlaubszulagen, welche von jeglichen Allgemein- oder Sonderbestimmung und Tarifklauseln, Arbeitsverträgen, Schiedssprüchen, und Einzelverträgen oder Schiedssprüchen für die Bediensteten im Anwendungsbereich der Paragraphen 1 bis 4 einschließlich, ebenso für die Bediensteten im Anwendungsbereich des Paragraphen 5 werden wie folgt festgelegt:
- Die Weihnachtszulage auf fünfhundert (500) Euro.
- Die Osterzulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.
- Die Urlaubszulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.
Die oben erwähnten Zulagen werden entrichtet, wenn alle ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen, einschließlich der Zulagen des vorangegangenen Absatzes, innerhalb eines Kalenderjahres den Betrag von insgesamt dreitausend (3.000) Euro pro Monat nicht übersteigt. …
8. Die Bestimmungen der vorangegangenen Paragraphen überwiegen aller Allgemein- oder Sonderbestimmung und Tarifklauseln, Arbeitsverträgen, Schiedssprüchen, und Einzelverträgen.”
Art. 3 des Gesetzes trat mit Wirkung zum 1. Juni 2010 in Kraft.
In Art. 3 Gesetz Nr. 3899/2010 (Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 212 vom 17. Dezember 2010) ist festgelegt, dass die Bestimmungen in Art. 3 Gesetz Nr. 3833/2010 auch auf die Haushaltspolitik des Jahres 2011 Anwendung finden. Das Gesetz Nr. 4024/2011 (Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 226 vom 27. Oktober 2011) regelt in seinem Kapitel 2 ua. ein grundlegendes Besoldungssystem für die Staatsangestellten.
Mitte Juni 2010 nahm die Beklagte eine Neuberechnung der Bezüge vor. Sie kürzte das Entgelt rückwirkend für die Monate Januar und Februar 2010 jeweils um 255,00 Euro brutto, für die Monate März bis Mai 2010 um jeweils 258,30 Euro brutto. Für den Monat Juni 2010 und in der Folgezeit bis einschließlich April 2011 zahlte sie nur noch ein um 361,25 Euro brutto verringertes monatliches Entgelt. Zudem leistete sie für das Jahr 2010 keine Sonderzahlung.
Mit Schreiben vom 9. November 2010, der Klägerin am 10. November 2010 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos und bot ihr die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen an. In dem Kündigungsschreiben heißt es:
„…, um die Finanzkrise zu lösen und um das Unterstützungsprogramm der griechischen Wirtschaft von den Mitgliedstaaten des Euroraums und der Internationalen Währungsfonds umsetzen zu können, nahm der griechische Staat vor, die Vergütung aller Beschäftigten/-Besoldeten zu verkürzen (g. Ges. N3833/2010 und N3845/2010). Für Verträge der Form wie von Ihnen, wurde beschlossen, die monatlichen Bruttoverdienste um 7% und 3% in Zahlen 314,16 EUR pro Monat zu verkürzen, sowie die Jahressonderzahlung abzuschaffen. Die Kürzung Ihres Gehaltes erfolgte mit 7% ab dem 01.01.2010 und mit weitere 3% ab 01.06.2010. Wegen den obengenannten Gründen und nach Anordnung der DIPODE (Bildungsdirektion interkultureller Erziehung für Griechen im Ausland) mit A.P.F.821/2930E/130071/Z1 kündigen wir den bestehenden Arbeitsvertrag aus wichtigem Grund sofort und ohne Einhaltung der Frist. Gleichzeitig bitten wir Ihnen einen neuen Arbeitsvertrag mit den folgenden Bedingungen:
- Kürzung des monatlichen Bruttogehaltes pro Monat 314,16 EUR
- Abschaffung der besonderen Jahressonderzahlung
Hinzufügend setzen wir Sie in Kenntnis davon, dass die Gehaltserhöhungen gemäß der (TV-L) nicht automatisch umgesetzt werden, sondern erst nach der Entscheidung Ihres Arbeitgebers, nämlich gemäß der Einsparungspolitik des Griechischen Staates. Die übrigen Bedingungen des bestehenden Vertrages bleiben unverändert. …”
Die Klägerin hat das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen.
Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat sie sich gegen die – aus ihrer Sicht – unverhältnismäßige Änderung der Arbeitsbedingungen gewandt. Die Beklagte habe ihre wirtschaftliche Lage und ihre Sanierungsplanung nicht nachvollziehbar dargelegt. Das Änderungsangebot sei nicht hinreichend bestimmt. Die Beklagte habe ihr Gehalt zudem nicht einseitig kürzen dürfen.
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt
- festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 9. November 2010 unwirksam ist,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.946,65 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter Staffelung zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Klage sei unzulässig, weil sie wegen ihrer Staatenimmunität nicht vor deutschen Gerichten verklagt werden könne. Die Klage sei jedenfalls unbegründet. Die Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 wirkten unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin ein und führten ohne jeden weiteren Umsetzungsakt zu einer Verminderung ihrer Vergütung. Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei auch gerechtfertigt. Sie sei ohne Finanzhilfen Dritter seit Ende Februar/Anfang März 2010 finanziell nicht in der Lage gewesen, die Gehälter und Renten ihrer etwa einer Million Beschäftigten aufzubringen. Zur Vermeidung ihrer Zahlungsunfähigkeit habe sie Verhandlungen mit Geberländern aufgenommen. Aufgrund deren Vorgaben habe sie die Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 erlassen. Die Geschäftsgrundlage für die ursprünglich mit der Klägerin getroffenen Vereinbarungen sei daher weggefallen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, die deutsche Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben. Auf die Revision der Klägerin hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. In seiner neuen Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrags und die Zahlungsklage insoweit abgewiesen, als sie den Betrag von 3.373,69 Euro brutto nebst Zinsen übersteigt. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, während die Beklagte mit der Anschlussrevision ihr Begehren weiterverfolgt, die Klage insgesamt abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils, soweit das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten die Klage hinsichtlich des Änderungsschutzantrags und der Differenzvergütung für die Zeit ab dem 10. November 2010 (Zugang der Änderungskündigung) im Umfang von 1.884,96 Euro brutto abgewiesen hat. Das Arbeitsgericht hat zutreffend feststellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 9. November 2010 unwirksam ist. Soweit das Landesarbeitsgericht die Klage hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung einer Jahressonderzahlung für das Jahr 2010 abgewiesen hat, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Die zulässige Anschlussrevision der Beklagten ist unbegründet. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Bruttomonatsvergütung der Klägerin im Streitzeitraum zu kürzen.
A. Die Klage ist zulässig. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 GVG liegen nicht vor. Die Beklagte genießt in Bezug auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Staatenimmunität. Andere Zulässigkeitshindernisse für die erhobene Klage bestehen nicht. Das hat der Senat in einem Parallelverfahren für eine Lehrkraft, die an der Ergänzungsschule der Beklagten in B beschäftigt wird, in seinem am 20. Oktober 2017 ergangenen Urteil (BAG 20. Oktober 2017 – 2 AZR 783/16 (F) – Rn. 19 ff.), auf dessen Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, entschieden. Insoweit weist der Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens keine entscheidungserheblichen Unterschiede auf. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass die Klägerin im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses hoheitliche Tätigkeiten ausübt.
B. Die Klage ist in Bezug auf den Feststellungsantrag begründet. Die der Klägerin im Zusammenhang mit der Änderungskündigung angetragene fristlose – nicht „überflüssige” – Änderung der Vertragsbedingungen ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 34 Abs. 2 Satz 1 TV-L, § 626 Abs. 1 BGB.
I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet deutsches materielles Recht Anwendung. Mit der bei Begründung des Arbeitsverhältnisses vereinbarten Geltung des BAT haben die Parteien konkludent deutsches Recht gewählt. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler ausgegangen. Gegenteiliges macht auch die Beklagte in der Revisionsinstanz nicht geltend.
II. Die Klägerin hat das ihr mit der Änderungskündigung unterbreitete Änderungsangebot analog § 2 KSchG unverzüglich (zu diesem Erfordernis BAG 19. Juni 1986 – 2 AZR 565/85 – zu B III 2 der Gründe) unter Vorbehalt angenommen und – rechtzeitig – entsprechend § 4 Satz 2 KSchG Änderungsschutzklage erhoben.
III. Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob die Änderungsschutzklage – wie die Beklagte meint – unter dem Gesichtspunkt der „Überflüssigkeit” des Änderungsangebots ohne Weiteres abzuweisen wäre, wenn die Beklagte aufgrund der in den Gesetzen Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 enthaltenen Regelungen auch ohne Änderungskündigung berechtigt gewesen wäre, die Vergütung der Klägerin einseitig herabzusetzen. Eine solche Wirkung entfalten die vorgenannten griechischen Gesetze für das Vertragsverhältnis der Parteien nicht. Durch diese ist auch nicht die Geschäftsgrundlage der bisher mit der Klägerin getroffenen Vereinbarungen entfallen. Auch insoweit wird zur Begründung auf die vorgenannte Senatsentscheidung vom 20. Oktober 2017 verwiesen (BAG 20. Oktober 2017 – 2 AZR 783/16 (F) – Rn. 25 ff.).
IV. Die fristlose Änderung der Arbeitsbedingungen ist nicht wegen eines Mangels in der Kündigungserklärung unwirksam. Die Beklagte hat der Klägerin im Zusammenhang mit der Änderungskündigung ein hinreichend bestimmtes Änderungsangebot in der gebotenen Form des § 623 BGB unterbreitet. Danach sollte das Gehalt der Klägerin monatlich um exakt 314,16 Euro gekürzt werden und der Anspruch auf eine Jahressonderzahlung entfallen. Bestandteil des Änderungsangebots ist ferner die Änderung der bisherigen vertraglichen Abreden dahingehend, dass künftig Gehaltserhöhungen nicht mehr „automatisch” geleistet werden.
1. Das Landesarbeitsgericht hat den vor Zugang der Änderungskündigung bestehenden vertraglichen Vereinbarungen rechtsfehlerfrei entnommen, dass sich das Arbeitsverhältnis – einschließlich der Höhe der Vergütung – nach dem TV-L in seiner jeweils geltenden Fassung bestimmte. Zwar haben die Parteien im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich auf die „jeweils geltenden” Tarifbestimmungen verwiesen. Die Formulierung „Die Regelung des Arbeitsverhältnisses erfolgt gemäß dem deutschen Bundesangestelltentarifvertrag BAT” ist aber dahin zu verstehen, dass die Beklagte als nicht tarifgebundene Arbeitgeberin auf ein intern von ihr praktiziertes System verweist, welches sich in seiner Struktur, soweit im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich Abweichendes geregelt ist, an den genannten Tarifverträgen ausrichtet (ebenso BAG 26. April 2017 – 5 AZR 962/13 – Rn. 41). Die Verweisung schließt jedenfalls die tarifvertraglichen Gehaltsregelungen ein. Die Bestimmungen in Nr. 4 des Arbeitsvertrags haben insoweit lediglich informativen Charakter. Die darauf bezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die (kleine) dynamische Bezugnahme erfasse nach der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst – im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung – die Bestimmungen des TV-L in ihrer jeweiligen Fassung, ist nachvollziehbar. Die Überleitung in den TV-L als solche entspricht der Vorstellung beider Parteien. Ein „Einfrieren” der Vergütung auf dem Niveau des (letzten) Vergütungstarifvertrags Nr. 35 zum BAT vom 31. Januar 2003 ist – wie auch die geübte Vertragspraxis zeigt – nicht erfolgt.
2. Hiervon ausgehend erweist sich die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach die Klägerin die Erklärung im Kündigungsschreiben, „setzen wir Sie in Kenntnis davon, dass die Gehaltserhöhungen gemäß der (TV-L) nicht automatisch umgesetzt werden, sondern” nur als Angebot verstehen konnte, die vertraglich vereinbarte Dynamik hinsichtlich künftiger Tariflohnerhöhungen aufzuheben, als rechtsfehlerfrei.
V. Die der Klägerin angetragene fristlose Änderung der Arbeitsbedingungen ist unwirksam, da es hierfür an einem wichtigen Grund iSv. § 34 Abs. 2 Satz 1 TV-L, § 626 Abs. 1 BGB fehlt.
1. Die Klägerin genoss aufgrund der vertraglichen Bezugnahme auf die Tarifwerke für den öffentlichen Dienst unter Berücksichtigung ihrer Beschäftigungszeit besonderen Kündigungsschutz nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TV-L. Der dort geregelte Ausschluss der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gilt auch für eine Änderungskündigung.
2. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Änderungskündigung iSv. § 34 Abs. 2 Satz 1 TV-L, § 626 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig ist und die geänderten Bedingungen dem gekündigten Arbeitnehmer zumutbar sind (BAG 28. Oktober 2010 – 2 AZR 688/09 – Rn. 32). Diese Voraussetzungen liegen entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht vor (ausführlich dazu BAG 20. Oktober 2017 – 2 AZR 783/16 (F) – Rn. 40 ff.). Zwar bestand im Kündigungszeitpunkt nach der der Beklagten in Art. 2 (1) Buchst. f des Beschlusses des Rates der Europäischen Union 2010/320/EU auferlegten Verpflichtung zur Beschränkung der dort genannten Sonderzuwendungen sowie den in den Gesetzen Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 festgelegten Entgeltkürzungen ein berechtigter Anlass für eine außerordentliche Änderungskündigung zur Reduzierung des Bruttomonatsentgelts der Klägerin (vgl. BAG 20. Oktober 2017 – 2 AZR 783/16 (F) – aaO). Das dieser unterbreitete Änderungsangebot ist aber unverhältnismäßig. Die Beklagte hat sich nicht darauf beschränkt, der Klägerin die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses mit den Vertragsbedingungen anzubieten, die den Vorgaben der im Kündigungszeitpunkt geltenden Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 entsprechen (BAG 20. Oktober 2017 – 2 AZR 783/16 (F) – Rn. 63 ff.). Diese verhalten sich nicht zu Vereinbarungen über die Gehaltsentwicklung nach dem Jahr 2010. Die Änderung der bisherigen vertraglichen Abreden dahingehend, dass künftig Gehaltserhöhungen nicht mehr „automatisch” geleistet werden sollen, beruht nicht auf normativen Vorgaben. Das Änderungsangebot erweist sich in dem fraglichen Punkt auch nicht aus anderen Gründen als verhältnismäßig. Insbesondere hat die Beklagte nicht dargelegt, aus welchen Gründen – unabhängig vom Inhalt der von ihr erlassenen Gesetze – eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Gehaltserhöhungen nach dem (deutschem) TV-L auf Dauer mit griechischem Recht und den sich daraus ergebenden Maßnahmen zur Bewältigung ihrer Finanzkrise unvereinbar sein werde (BAG 20. Oktober 2017 – 2 AZR 783/16 (F) – Rn. 70).
C. Der Zahlungsantrag ist begründet, soweit die Beklagte die laufenden Monatsbezüge der Klägerin im Jahr 2010 teilweise einbehalten hat. Auch insoweit ist die Revision der Klägerin erfolgreich, während die Anschlussrevision der Beklagten zurückzuweisen ist.
1. Der Klägerin steht für den streitgegenständlichen Zeitraum (Januar 2010 bis April 2011) aus § 611 Abs. 1 BGB die Differenz zwischen dem vereinbarten und dem von der Beklagten tatsächlich gezahlten Bruttomonatsentgelt zu. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte nicht aufgrund der in den Gesetzen Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 enthaltenen Regelungen berechtigt war, die Vergütung der Klägerin einseitig herabzusetzen (so mit ausführlicher Begründung in einem Parallelverfahren BAG 26. April 2017 – 5 AZR 962/13 – Rn. 30 bis 38). Da sich auch die streitgegenständliche Änderungskündigung aus den vorgenannten Erwägungen als unwirksam erweist, hat die Klägerin Anspruch auf Nachzahlung des im Kündigungsschreiben genannten Betrags iHv. 314,16 Euro brutto. Dementsprechend steht ihr über den ihr vom Landesarbeitsgericht zuerkannten Betrag von 3.373,69 Euro brutto ein weiterer Anspruch auf Differenzvergütung für die Zeit von November 2010 bis April 2011 iHv. 1.884,96 Euro brutto (6 × 314,16 Euro brutto) zu. Die mit dem Klageantrag zu 2. beanspruchten Entgeltdifferenzen sind – soweit sie die Bruttomonatsvergütung erfassen – zwischen den Parteien unstreitig.
2. Der Anspruch auf die Zinsen folgt teils aus § 291 BGB, teils aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. den Fälligkeitsregeln des § 24 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 TV-L.
D. Der Rechtsstreit war an das Landesarbeitsgericht wegen der von der Klägerin beanspruchten Sonderzahlung für 2010 iHv. 2.688,00 Euro brutto (80 vH aus 3.360,00 Euro brutto) zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt. Das Landesarbeitsgericht, dem hinsichtlich der Beurteilung der im Arbeitsvertrag vom 1. Januar 1992 getroffenen Vereinbarungen ein tatrichterlicher Beurteilungsspielraum zukommt, hat sich mit dem Anspruch nicht befasst und sowohl zur Reichweite des Freiwilligkeitsvorbehalts wie auch zu den Begleitumständen der von der Beklagten geleisteten Zahlungen keine Feststellungen getroffen.
Unterschriften
Koch, Niemann, Richterin am BAG Berger ist wegen vorübergehen der Dienstunfähigkeit an der Beifügung der Unterschrift gehindert. Koch, F. Löllgen, Sieg
Fundstellen
Dokument-Index HI11549886 |