Entscheidungsstichwort (Thema)
Nettolohn. Lohnsteuerjahresausgleich. Auslandsarbeit
Normenkette
EGBGB Art. 220 Abs. 1; ZPO § 23; ArbGG § 73 Abs. 2; AO § 46
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 30.11.1988; Aktenzeichen 14 Sa 1276/87) |
ArbG Münster (Urteil vom 08.05.1987; Aktenzeichen 1 Ca 128/87) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 30. November 1988 – 14 Sa 1276/87 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger oder die Beklagte Anspruch auf einen im Lohnsteuerjahresausgleich erstatteten Betrag von 1.896,– DM hat, den das Finanzamt beim Amtsgericht hinterlegt hat.
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und wurde im Jahre 1982 zur Leistung von Arbeiten im Bergbau in die Bundesrepublik entsandt. Nach Ablauf des letzten befristeten Arbeitsvertrages ist er nicht wieder in seine Heimat zurückgekehrt.
Die Beklagte ist ein polnisches staatliches Unternehmen mit Sitz in K. und unterhält verschiedene Baustellen in der Bundesrepublik Deutschland.
Der Kläger hat einen Teil seines Lohnes in der Bundesrepublik Deutschland in Deutscher Mark erhalten; der Rest ist in seinem Heimatland in polnischer Währung ausbezahlt worden. Sein Gesamtlohn ist in der Bundesrepublik Deutschland in der Weise versteuert worden, daß der in Deutscher Mark ausbezahlte Anteil und der zum amtlichen Kurs in polnischer Währung umgerechnete Restbetrag sowie die Sachbezüge zusammengerechnet und insgesamt der deutschen Lohnsteuer unterworfen worden sind. Die hierauf anfallenden Steuern und Sozialabgaben hat die Beklagte allein getragen. Dazu verweist sie auf den Beschluß Nr. 280/81 des Ministerrats der Volksrepublik Polen vom 31. Dezember 1981. In dessen § 11 ist, in einer von der Beklagten vorgelegten nichtamtlichen Übersetzung folgendes bestimmt:
- „Die Valutalöhne sowie die Zlotylöhne, die aufgrund des Beschlusses ausgezahlt werden, sind frei von der Lohnsteuer.
- Die Zlotylöhne werden von der Lohnsteuer und dem Sozialversicherungsbeitrag belastet in der Organisationseinheit, welche diese Löhne auszahlt, nach den in Polen geltenden Vorschriften.
Die Steuern aus dem Arbeitseinkommen sowie Aufenthaltsgebühren, die von den Behörden des Einsatzlandes der Arbeitskraft im Ausland auferlegt werden, werden durch denjenigen Betrieb entrichtet, welcher die Arbeitskraft zum Einsatz ins Ausland geschickt hat, weiterhin als „delegierende Einheit” genannt, es sei denn, daß sie vom Auslandspartner entrichtet werden.
…”
Der Kläger hat für das Jahr 1983 einen Lohnsteuerjahresausgleich beantragt. Das Finanzamt hat daraufhin einen Erstattungsbetrag von 1.896,– DM berechnet und beim Amtsgericht hinterlegt, weil sowohl der Kläger als auch die Beklagte Anspruch darauf erheben.
Der Kläger hat dazu geltend gemacht, der Lohnsteuererstattungsanspruch beurteile sich ausschließlich nach deutschem Recht. Das gelte auch im Verhältnis zur Beklagten. Der Erstattungsanspruch beruhe auf seinen persönlichen Belastungen, die durch eine doppelte Haushaltsführung und Unterhaltspflichten für seine Familie entstanden seien. Die daraus folgenden Lohnsteuervergünstigungen richteten sich nur nach seinen persönlichen Verhältnissen und sollten ihn entlasten und nicht die Beklagte. Die Beklagte habe auch deswegen keinen Anspruch auf den vom Finanzamt erstatteten Betrag, weil sie nicht Arbeitgeberin des Klägers gewesen sei. Der Kläger habe nicht mit der Beklagten, sondern mit einer Firma „P. K.” einen Arbeitsvertrag abgeschlossen.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, die Zustimmung zur Herausgabe des in der Hinterlegungssache 1 HL 30/85 vor dem Amtsgericht Beckum hinterlegten Betrages zu erteilen;
- hilfsweise festzustellen, daß die Beklagte keinen Anspruch auf Auszahlung des in der Hinterlegungssache 1 HL 30/85 vor dem Amtsgericht Beckum hinterlegten Betrages hat.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hat mit der Widerklage begehrt,
den Kläger zu verurteilen, der Auszahlung des beim Amtsgericht Beckum unter 1 HL 30/85 vom Finanzamt Beckum hinterlegten Lohnsteuererstattungsbetrages von 1.896,– DM nebst Hinterlegungszinsen an die Beklagte zuzustimmen.
Der Kläger hat Abweisung der Widerklage beantragt.
Die Beklagte hat dazu geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien richte sich nach polnischem Recht. Im Arbeitsvertrag sei auf die Regelungen des polnischen Arbeitsrechts Bezug genommen. Insbesondere sei in § 16 des Arbeitsvertrages ausdrücklich die Anwendung des Ministerratsbeschlusses Nr. 280/81 vom 31. Dezember 1981 vereinbart worden. Danach könne der Kläger unabhängig von seinen persönlichen Belastungen und ohne Rücksicht auf seinen Familienstand nur einen Nettolohn beanspruchen, und der Beklagten stehe die von ihr zuviel entrichtete Lohnsteuer zu. Außerdem habe der Kläger der Beklagten seinen Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt formgerecht abgetreten.
Der Kläger hat demgegenüber bestritten, daß er diesen Anspruch an die Beklagte rechtswirksam abgetreten habe; Er habe eine solche Abtretungserklärung nicht unterzeichnet. Außerdem wäre eine solche Erklärung nach § 46 AO formunwirksam.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihre Anträge zu Klage und Widerklage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht führen, weil es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen dazu fehlt, welche arbeitsvertraglichen Regelungen hinsichtlich der steuerrechtlichen Behandlung des Arbeitslohns im Innenverhältnis zwischen den Parteien bestanden haben.
I. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte zu Recht bejaht.
1. Die internationale Zuständigkeit behandelt die Frage, ob ein deutsches oder ein ausländisches Gericht für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig ist. Sie ist von der örtlichen Zuständigkeit zu unterscheiden. Da es um die Ausübung staatlicher Hoheitsrechte und die Belange der Gerichtsbarkeit geht, muß die internationale Zuständigkeit von Amts wegen beachtet werden. Das gilt auch für die Revisionsinstanz (vgl. u.a. BAGE 27, 99 = AP Nr. 12 zu Internat. Privatrecht Arbeitsrecht; BAGE 24, 411, 416 ff. = AP Nr. 159 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu A I der Gründe; BAG Urteil vom 26. Februar 1985 – 3 AZR 1/83 – AP Nr. 23 Internat. Privatrecht Arbeitsrecht, zu I 1 der Gründe).
2. Ob die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts gegeben ist, richtet sich mangels besonderer Regeln im Recht der Bundesrepublik Deutschland im wesentlichen nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit. Ist ein deutsches Gericht nach § 12 ff. ZPO örtlich zuständig, so ist es im Regelfall auch international im Verhältnis zu einem ausländischem Gericht zuständig (BAG Urteil vom 26. Februar 1985, a.a.O., zu I 2. der Gründe, m.w.N.). Zwar fehlt es an einem Gerichtsstand der Niederlassung gemäß § 21 ZPO, denn die Beklagte unterhält nur nicht rechtsfähige Betriebsstätten in der Bundesrepublik Deutschland. Hier ist aber der Gerichtsstand des Vermögens gemäß § 23 ZPO gegeben.
II. Im Streitfall ist von der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen auszugeben. Nach § 73 Abs. 2 ArbGG ist in der Revisionsinstanz die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nur von Amts wegen zu prüfen, wenn es um den Rechtsweg zu den Verwaltungs-, Sozial- oder Finanzgerichten geht. Die Zuständigkeit eines Verwaltung- oder Finanzgerichts scheidet aus, weil die Parteien im Rahmen eines inzwischen beendeten Arbeitsverhältnisses nur darüber streiten, wem der vom Finanzamt hinterlegte Erstattungsbetrag zusteht. Die Klage richtet sich auf Abgabe einer Freigabeerklärung (BGHZ 35, 165, 170). Der Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung beurteilt sich nach § 812 BGB, da der nichtberechtigte Beteiligte gegebenenfalls seine Rechtsstellung ohne Rechtsgrund auf Kosten des wirklichen Gläubigers erlangt hat (BGH, a.a.O.). Das ist ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch im Innenverhältnis zwischen den Parteien, wenn auch der Erstattungsanspruch selbst auf deutschem Steuerrecht beruht.
III. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf den vom Finanzamt hinterlegten Betrag einmal damit begründet, daß die von der Beklagten behauptete Abtretung unwirksam sei, denn sie sei geschäftsmäßig erfolgt und dem Finanzamt nicht in der richtigen Form angezeigt worden (§ 46 Abs. 2 AO).
Außerdem fehle es an einem vertraglichen Anspruch der Beklagten auf den vom Finanzamt hinterlegten Erstattungsbetrag. Dabei könne zugunsten der Beklagten unterstellt werden, daß sich die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien auf einem Arbeitsvertrag nach polnischem Recht gründeten. Obwohl der vorgelegte Arbeitsvertrag eine andere Arbeitgeberin nenne, solle zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, daß sie Arbeitgeberin des Klägers gewesen sei. Jedoch könne weder dem Arbeitsvertrag noch dem polnischem Recht, wie im Ministerratsbeschluß Nr. 280/81 vom 31. Dezember 1981 geregelt sei, entnommen werden, daß die Beklagte aufgrund der Nettolohnvereinbarung den hinterlegten Lohnsteuerjahresausgleich beanspruchen könne. Das polnische Recht könne nicht vorschreiben, „wie der deutsche Steuerfiskus die ihm verpflichteten (polnischen) Arbeitnehmer behandelt”. Die Steuerrückzahlungen beruhten außerdem auf den persönlichen Belastungen des Arbeitnehmers und müßten ihm zugute kommen.
IV. Die Revision beanstandet zu Recht die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Anwendung des polnischen Arbeitsrechts und der Geltung des deutschen Steuerrechts.
1. Zwar richtet sich die von der Beklagten behauptete Abtretung des Erstattungsanspruches nach § 46 AO. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob der Kläger eine solche Abtretungserklärung unterzeichnet hat und ob sie im übrigen den gesetzlichen Anforderungen des § 46 Abs. 2 AO entspricht. Darauf käme es nur an, wenn die Abtretung allein die Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme des hinterlegten Betrages wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Beklagte stützt sich vielmehr auf die Anwendung polnischen Arbeitsrechts und der daraus abgeleiteten Forderung auf den Lohnsteuerjahresausgleich.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts verdrängt das deutsche Steuerrecht eine gegenteilige Regelung zwischen den Parteien auf der Grundlage des polnischen Rechts.
2. Das Berufungsgericht verkennt damit die Reichweite des Steuerrechts. Wie das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, ist zwischen dem öffentlich-rechtlichen Steuerschuldverhältnis und dem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zu unterscheiden (vgl. zuletzt BAGE 56, 14, 16 = AP Nr. 2 zu § 40 a BStG, zu 2 der Gründe). Zwar hat die Beklagte unstreitig die Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt übernommen und den Kläger von seiner Verpflichtung zur Entrichtung der Lohnsteuer befreit. Die Übernahme der Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt bedeutet jedoch nicht, daß der Arbeitgeber auch im Innenverhältnis die Lohnsteuer tragen muß (BAG, a.a.O.). Das richtet sich vielmehr nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, wie im Zusammenhang mit der sog. Nettolohnvereinbarung seit langem anerkannt ist.
3. Insoweit ist aber im Innenverhältnis zwischen den Parteien nach der von der Beklagten behaupteten Vertragsgestaltung polnisches Arbeitsrecht zu berücksichtigen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die mit der Rechtslehre übereinstimmt, gilt für Arbeitsverträge mit Auslandsberührung der Grundsatz der Parteiautonomie. Fehlt es an einer – ausdrücklichen oder stillschweigenden – Vereinbarung eines bestimmten Rechts, so ist nicht nach subjektiven Vorstellungen, sondern nach objektiven, sachlichen Anhaltspunkten der mutmaßliche Parteiwille zu ermitteln (BAG Urteil vom 26. Februar 1985, a.a.O., zu II 1 der Gründe, m.w.N.). Davon ist im Streitfall auszugehen, weil auf die vor dem 1. September 1986 abgeschlossenen Vorgänge das bisherige Internationale Privatrecht anwendbar bleibt (Art. 220 Abs. 1 EGBGB).
b) Es finden sich hiernach für die Anwendung polnischen Arbeitsrechts im Innenverhältnis zwischen den Parteien gewichtige Anknüpfungspunkte. Das ist einmal die polnische Staatsangehörigkeit des Klägers und seine Tätigkeit in einem fremden Land auf der Grundlage eines in polnischer Sprache abgefaßten Arbeitsvertrages. Allerdings ist zwischen den Parteien streitig, ob der von der Beklagten (bisher nur in der Form der Übersetzung eines Formulararbeitsvertrages) vorgelegte Vertrag zwischen den Parteien geschlossen worden ist. In der von der Beklagten bisher vorgelegten Fassung finden sich weitere wichtige Anknüpfungspunkte für die Anwendung des polnischen Rechts, denn die Arbeitszeit, die Urlaubsregelung und die Sozialversicherung sowie Versorgung der daheimgebliebenen Familie sollten sich nach polnischem Arbeits- und Sozialrecht richten. Das Berufungsgericht hat selbst Zweifel erkennen lassen, ob die von der Beklagten vorgelegte Vertragsfassung zwischen den Parteien vereinbart worden ist und ob die Beklagte die Arbeitgeberin des Klägers war. Es kann aber nicht dahingestellt bleiben, ob die Beklagte Vertragspartnerin des Klägers war und ob sie den von ihr vorgelegten Arbeitsvertrag mit ihm abgeschlossen hat oder nicht. Das muß auch zur abschließenden Prüfung der Anwendung polnischen Arbeitsrechts in der Vorinstanz aufgeklärt werden. Gegebenfalls ist weiter zu prüfen, ob sich daraus die Forderung der Beklagten auf den Lohnsteuerjahresausgleich herleiten läßt und in welchem Umfang die Beklagte mit Rücksicht auf besondere persönliche Belastungen des Klägers darauf Anspruch erheben kann.
Da es insoweit schon an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Ermittlung der Rechtsgrundlagen fehlt, muß der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Dr. Frey, Buschmann
Fundstellen