Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwicklung nach Einigungsvertrag
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 13, 20 Abs. 1; Arbeitsgesetzbuch der DDR § 55 Abs. 2; GG Art. 33 Abs. 2; BGB § 293 ff., §§ 611, 615
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 19.08.1992; Aktenzeichen 13 Sa 35/92) |
ArbG Berlin (Urteil vom 26.11.1991; Aktenzeichen 68 A Ca 16458/91) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 19. August 1992 – 13 Sa 35/92 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 26. November 1991 – 68 A Ca 16458/91 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß Art. 20 Abs. 1 Einigungsvertrag in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 und 5 zum Einigungsvertrag (im folgenden: Nr. 1 Abs. 2 EV) geruht und mit Ablauf des gesetzlichen Ruhenszeitraumes geendet hat. Ferner verlangt der Kläger Zahlung der Differenz zwischen dem bezogenen Wartegeld und der Arbeitsvergütung.
Der im Jahre 1939 geborene Kläger ist von Beruf Betriebsschlosser und Maschinenbauingenieur. Von 1969 bis Januar 1990 war er Berufssoldat in der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen DDR, zuletzt im Rang eines Fähnrichs.
Aufgrund eines Arbeitsvertrags mit dem Ministerium für Nationale Verteidigung wurde der Kläger ab dem 1. Februar 1990 als Meister für Klimatechnik beschäftigt. Er hatte in einem sogenannten Spezialbau die klimatechnischen Anlagen zu warten. Dabei handelte es sich um ein nicht fertiggestelltes Bunkergebäude, das zum Zwecke der Tarnung in die äußere Gestalt eines normalen Verwaltungsbaus gekleidet war. Die Dienstzeit in der NVA wurde nach dem Vertrag auf die Beschäftigungsdauer angerechnet.
Der Kläger gehörte zur Beschäftigungsdienststelle des Informationszentrums der NVA in der O. Straße in Berlin-T.. Diese Dienststelle ist von der Bundeswehr ab dem 3. Oktober 1990 nicht weitergeführt und nicht auf den Bund überführt, sondern durch Erlaß der Beklagten vom 12. Oktober 1990 abgewickelt worden. Die Beklagte übernahm die Liegenschaft. Auf dem Gelände befinden sich verschiedene Verwaltungsgebäude. Eines davon beherbergt jetzt das Kreiswehrersatzamt der Bundeswehr. In dem Verwaltungsgebäude, das zu dem Spezialbau gehört, ist das Verbindungskommando zu den Streitkräften der ehemaligen Sowjetunion untergebracht.
Der Spezialbau wird zur Zeit nicht genutzt. Seine Sicherung hat ein Nachkommando der Bundeswehr übernommen. Die Beklagte wartet die technischen Anlagen und läßt Instandhaltungsarbeiten ausführen, u.a. Gärtner-, Tischler-, Elektriker- und Klempnerarbeiten. Sie widerrief deshalb Anfang Januar 1991 gegenüber fünf Mitarbeitern „die Versetzung in den Wartestand” und beschäftigte diese unbefristet weiter. Mit Ausnahme des Klägers arbeiten auch die Techniker, die im Spezialbau tätig waren, dort weiter, u.a. der noch nicht dreißigjährige Handwerker S..
Die Beklagte teilte dem Kläger am 20. November 1990 mit, daß sein Arbeitsverhältnis aufgrund des Einigungsvertrags ab dem 3. Oktober 1990 ruhe und mit Ablauf des 2. Juli 1991 enden werde, falls er nicht weiterverwendet werden könne. Der Kläger bot daraufhin noch im November 1990 und erneut mit Schreiben vom 12. April 1991 seine Arbeitskraft an.
Mit der am 4. Juli 1991 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht der Kläger den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend. Ferner verlangt er die Differenz zwischen dem gezahlten Wartegeld und seiner Arbeitsvergütung für die Zeit vom 3. Oktober 1990 bis zum 2. Juli 1991 in der unstreitigen Höhe von insgesamt 5.412,78 DM. Er hat vorgetragen, das Arbeitsverhältnis habe nicht geruht, da seine Versetzung in den Wartestand rechtswidrig gewesen sei. Die Abwicklungsentscheidung sei ihm nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden. Die Einrichtung, in der er tätig gewesen sei, sei tatsächlich von der Beklagten übernommen und weitergeführt worden. Der Spezialbau sei als organisatorisch selbständige und abgrenzbare Teileinrichtung unabhängig von der Entscheidung der Beklagten über die sonstigen Einrichtungen auf dem Gelände an der O. straße überführt worden. Die Beklagte hätte jedenfalls ihn weiterbeschäftigen müssen, da sie mindestens fünf weitere ehemalige Arbeitskollegen, die zum größten Teil jünger als er seien, weiterbeschäftige. Es bestehe ein vertraglicher Anspruch auf angemessene Berücksichtigung, wenn bei einer abgewickelten Einrichtung mehrere der ehemals dort tätigen Arbeitnehmer weiterverwendet und zudem in den bisherigen Arbeitsbereichen eingesetzt würden. Als älterer Arbeitnehmer habe er keine Aussicht auf eine neue Stelle im öffentlichen Dienst und auf Wiedereingliederung in das Berufsleben. Seine Versetzung in den Wartestand sei auch wegen Verletzung der ihm gegenüber bestehenden besonderen Fürsorgepflicht rechtswidrig.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht ab dem 3. Oktober 1990 geruht und mit Ablauf des 2. Juli 1991 geendet habe, sondern über den 3. Oktober 1990 hinaus unverändert fortbestehe,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.412,78 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus bestimmten sich ergebenden Nettobeträgen zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, sie habe keine Teileinrichtung im Sinne des Art. 13 EV überführt. Der Spezialbau sei keine Teileinrichtung gewesen. Eine Überführung könne nicht deshalb angenommen werden, weil einzelne oder auch umfangreichere Aufgaben einer früheren Einrichtung bestehen geblieben seien oder weil eine gewisse Zahl früherer Mitarbeiter weiterhin beschäftigt geblieben sei. Das Nachkommando habe lediglich die Aufgabe gehabt, die Einrichtung ordnungsgemäß an die nachfolgenden Nutzer zu übergeben. Nur zur Erfüllung bestimmter Aufgaben im Instandhaltungsbereich sei die Weiterbeschäftigung von fünf Arbeitnehmern erforderlich gewesen. Die Obliegenheit einer Sozialauswahl habe dabei nicht bestanden.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Das Informationszentrum der NVA sei eine Teileinrichtung des Ministeriums für Abrüstung und Verteidigung gewesen. Es sei mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 insgesamt abgewickelt worden. Dafür sei die Beklagte gemäß Art. 13 Abs. 2 EV zuständig gewesen. Einer Bekanntgabe der Abwicklung habe es nicht bedurft.
Bei dem Spezialbau handele es sich nicht um eine Teileinrichtung im Sinne von Art. 13 EV. Wartung und Unterhaltung allein bedeuteten keine Fortführung als Teileinrichtung. Es fehle an einer organisatorisch abgrenzbaren Funktionseinheit. Der Spezialbau habe nicht Aufgaben in eigener Verantwortung wahrnehmen können und keinerlei organisatorische Selbständigkeit besessen, sei vielmehr nur Teil des Informationszentrums gewesen.
Der Beklagten sei es aber versagt, sich gegenüber dem Kläger auf die Wartestandsregelung des Einigungsvertrages und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu berufen. Denn sie hätte ihn ohne weiteres in seinem bisherigen Arbeitsbereich mit Instandhaltungsarbeiten weiterbeschäftigen können. Sie habe die größere soziale Schutzbedürftigkeit des Klägers nicht beachtet, indem sie andere Mitarbeiter, insbesondere den erheblich jüngeren Handwerker S., mit den anfallenden Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten weiterbeschäftigt habe. Sie habe offensichtlich willkürlich und ohne jede nähere sachliche Begründung den Kläger in den Wartestand versetzt und sein Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Wartezeit beendet. Da für den Kläger als älteren Arbeitnehmer nur eine geringe Chance bestehe, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, hätte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aufgrund ihrer Fürsorgepflicht zum Zwecke der Wartung der klimatechnischen Anlagen fortsetzen müssen. Dementsprechend habe das Arbeitsverhältnis des Klägers weder ab dem 3. Oktober 1990 noch ab dem Zugang der Ruhensmitteilung am 20. November 1990 geruht und auch nicht nach Ablauf von 9 Monaten geendet.
Der Zahlungsanspruch ergebe sich aus § 615 Satz 1 BGB. Da die Beklagte verpflichtet gewesen sei, das Arbeitsverhältnis über den 3. Oktober 1990 hinaus fortzusetzen und den Kläger weiterzubeschäftigen, sie ihn aber nicht zur Arbeitsaufnahme aufgefordert habe, sei sie wie im Falle einer unwirksamen Kündigung in Annahmeverzug geraten.
B. Dem Landesarbeitsgericht kann weder in der tragenden Begründung noch im Ergebnis gefolgt werden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat gem. Art. 20 Abs. 1 EV in Verbindung mit Nr. 1 Abs. 2 Sätze 2 und 5 EV ab dem 3. Oktober 1990 geruht und mit Ablauf der neunmonatigen Wartezeit geendet. Deshalb fehlt es an einer Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Vergütung.
I. Das Bundesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen des Ruhens und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen nach Nr. 1 Abs. 2 EV wie folgt beschrieben:
1. Wurde bis zu dem nach dem Einigungsvertrag vorgesehenen letztmöglichen Zeitpunkt keine positive, ggf. auch konkludente Überführungsentscheidung getroffen, trat kraft Gesetzes die Auflösung der Einrichtung oder der nicht überführten Teile ein. Wurde ein überführungsfähiger Teil überführt, erfaßte die Abwicklung den Rest der früheren Gesamteinrichtung. Die Abwicklung diente der Umsetzung dieser Auflösung und war auf die Liquidation der Einrichtung oder der nicht überführten Teile gerichtet. Mit dem Eintritt der Abwicklung war kraft Gesetzes das Ruhen der Arbeitsverhältnisse gem. Nr. 1 Abs. 2 EV verbunden. Der Übergang eines aktiven Arbeitsverhältnisses konnte nur als gesetzliche Folge der Überführung der Beschäftigungseinrichtung eintreten (BAG Urteil vom 3. September 1992 – 8 AZR 45/92 – AP Nr. 1 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Die Überführung einer Einrichtung oder Teileinrichtung gem. Art. 13 EV bedurfte einer auf den verwaltungsinternen Bereich zielenden Organisationsentscheidung der zuständigen Stelle. Die Überführungsentscheidung war mangels außenwirksamer Regelung kein Verwaltungsakt (BAG, a.a.O.; BVerwG Urteil vom 12. Juni 1992 – 7 C 5/92 – ZIP 1992, 1275). Eine Einrichtung oder Teileinrichtung wurde im Sinne von Art. 13 EV überführt, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung die (Teil-)Einrichtung unverändert fortführte oder er sie unter Erhaltung der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an sächlichen Mitteln in die neue Verwaltung eingliederte (BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Überführung erforderte nicht nur die vorübergehende, sondern eine auf Dauer angelegte Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit. Wurde die (Teil-)Einrichtung nur vorläufig mit dem Ziele der Auflösung fortgeführt, lag hierin keine Überführung im Sinne von Art. 13 EV (BAG Urteil vom 28. Januar 1993, a.a.O.).
2. Eine Teileinrichtung setzte eine organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit mit eigener Aufgabenstellung und der Fähigkeit zu einer aufgabenbezogenen Eigensteuerung voraus. Bei der Feststellung einer organisatorischen Abgrenzbarkeit der Teileinrichtung ist nicht abzustellen auf die für jede öffentliche Einrichtung typischen internen Untergliederungen wie Abteilung, Referat oder Dezernat, die lediglich zu Zwecken der Geschäftsverteilung gebildet werden. Entscheidend ist vielmehr, daß der betroffene Teil als organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit auch nach außen mit einem gewissen Grad an Selbständigkeit erscheint, ohne daß ihm damit zugleich eine eigene Rechtspersönlichkeit oder ein Behördencharakter zukommen müßte (vgl. BVerfGE 84, 133, 151). Auf eine organisatorische Eigenständigkeit lassen eine eigene interne Geschäftsverteilung sowie eine zumindest teilweise selbständige Wahrnehmung von Dienst- und Organisationsangelegenheiten innerhalb des der betroffenen Einheit zugewiesenen Aufgabenbereichs schließen (BAG Urteil vom 3. September 1992, a.a.O., zu I 2 der Gründe).
3. Die ruhenden Arbeitsverhältnisse endeten kraft Gesetzes nach Ablauf von sechs bzw. neun Monaten Wartezeit, wenn nicht der einzelne Arbeitnehmer weiterverwendet wurde. Macht ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes der ehemaligen DDR geltend, sein Arbeitsverhältnis sei gem. Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 EV auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen und bestehe als aktives fort, hat er die Überführung seiner Beschäftigungs(teil-)einrichtung darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG Urteil vom 15. Oktober 1992 – 8 AZR 145/92 – AP Nr. 2 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
II. Bei Anwendung dieser Maßstäbe erweist sich der Feststellungsantrag als unbegründet.
1. Der Kläger hat selbst nicht geltend gemacht, die Beklagte habe die Einrichtung oder Teileinrichtung „Informationszentrum der NVA” auf den Bund überführt. Das Landesarbeitsgericht hat ausdrücklich festgestellt, diese Dienststelle sei nicht weitergeführt, sondern abgewickelt worden, die Beklagte habe nur die Liegenschaft übernommen. Diese Feststellung ist für das Revisionsgericht bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO).
2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe auch nicht eine Teileinrichtung „Spezialbau” überführt, ist frei von Rechtsfehlern. Der Kläger hat keinerlei Tatsachen dafür vorgetragen, daß der Spezialbau auch nur in begrenztem Umfang Aufgaben selbständig erfüllen konnte. Eine organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit ist nicht ersichtlich. Im übrigen stellt allein die Fortsetzung von Wartung und Unterhaltung keine Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit dar. Der Zweck des Spezialbaus im Rahmen der öffentlichen Verwaltung der ehemaligen DDR bestand nicht lediglich darin, gewartet und unterhalten zu werden. Der Kläger hat nicht einmal behauptet, der Bunker werde als solcher noch fertiggestellt.
3. Als gesetzliche Folge der unterlassenen Überführung trat am 3. Oktober 1990 das Ruhen des Arbeitsverhältnisses des Klägers ein. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des Ruhenszeitraums von neun Monaten (Nr. 1 Abs. 2 Satz 5, 2. Halbsatz EV), weil es zu keiner Weiterverwendung kam. Die kraft Gesetzes eingetretene Abwicklung einer Einrichtung bedurfte zu ihrer Wirksamkeit keiner Bekanntgabe. Hiervon ist allerdings die Mitteilung an die betroffenen Beschäftigten über den Eintritt des Ruhens der Arbeitsverhältnisse zu trennen. Der neue Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes konnte sich im Verhältnis zum einzelnen Arbeitnehmer auf das Ruhen des Arbeitsverhältnisses erst ab Bekanntgabe der gesetzlichen Ruhensfolge berufen (BAG Urteil vom 3. September 1992, a.a.O., zu III der Gründe). Der Arbeitnehmer mußte aber nicht neun Monate Kenntnis vom Ruhen des Arbeitsverhältnisses haben, bevor dieses endete. Vielmehr blieb der notwendige Vertrauensschutz gewahrt, wenn die für den Arbeitnehmer maßgebende Kündigungsfrist ab Bekanntgabe bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingehalten war (BAG Urteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 268/92 – AP Nr. 4 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 2 d der Gründe). Da das Ruhen dem Kläger am 20. November 1990 mitgeteilt worden ist, ist die für ihn maßgebende Kündigungsfrist von höchstens drei Monaten zum Ende des Kalendervierteljahres gem. § 55 Abs. 2 Arbeitsgesetzbuch der DDR gewahrt.
4. Die Rechtsfolge des Ruhens und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses betraf alle Arbeitnehmer der abzuwickelnden (Teil-)Einrichtung, sofern dies nicht zur Durchbrechung der Kündigungsvorschriften des Mutterschutzgesetzes geführt hätte (BVerfG Urteil vom 24. April 1991 – 1 BvR 1341/90 – BVerfGE 84, 133 = AP Nr. 70 zu Art. 12 GG; Senatsurteil vom 3. September 1992, a.a.O., zu V der Gründe; Senatsurteil vom 28. Januar 1993, a.a.O., zu III der Gründe). Die Interessen der Schwerbehinderten, älteren Arbeitnehmer und Alleinerziehenden waren bei der Neubesetzung von Stellen im öffentlichen Dienst angemessen zu berücksichtigen (BVerfG, a.a.O.; Senatsurteil vom 23. September 1993, a.a.O., zu II 2 c der Gründe). Damit hat der erhöhte Sozialschutz des Klägers aufgrund seines fortgeschrittenen Lebensalters die Rechtsfolgen der Nr. 1 Abs. 2 EV nicht berührt. Auch ein etwaiger Einstellungs-, Weiterverwendungs- oder Schadensersatzanspruch des Klägers vermochte hieran nichts zu ändern. Es entspricht der verfassungskonformen Auslegung der Art. 13, 20 EV, daß bei der Neubesetzung von Stellen der vom Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) geforderte Schutz der Schwerbehinderten, älteren Arbeitnehmer und Alleinerziehenden allein im Rahmen der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GG umzusetzen war (Senatsurteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 336/92 – n.v., zu B II 4 der Gründe, m.w.N.). Deshalb ist die Frage, ob die Beklagte die im Rahmen der Abwicklung beschäftigten Arbeitnehmer nach rechtlich vertretbaren Gesichtspunkten ausgewählt hat, für den vorliegenden Feststellungsantrag nicht erheblich.
III. Für die geltend gemachte Arbeitsvergütung fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.
1. Besteht im ruhenden Arbeitsverhältnis ein Anspruch auf Weiterverwendung oder auf Weiterbeschäftigung, so kommt der Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er eine Beschäftigung ablehnt. Der Arbeitnehmer muß nicht erst seinen Anspruch auf Aktualisierung seines Arbeitsverhältnisses durch Abschluß eines (befristeten) Arbeitsvertrages oder Änderung des ruhenden Arbeitsverhältnisses durchsetzen. Das ruhende Arbeitsverhältnis bietet eine ausreichende Grundlage für den Anspruch nach den §§ 611, 615 BGB in Verbindung mit §§ 293 ff. BGB.
Zu trennen davon ist der Fall, daß kein Arbeitsverhältnis, aber ein Einstellungsanspruch besteht. Vergütung nach den §§ 611, 615 BGB kann dann nicht verlangt werden. Annahmeverzug setzt ein bestehendes Arbeitsverhältnis voraus. Möglich ist ein Schadensersatzanspruch wegen der unterbliebenen Einstellung.
2. Der Kläger verlangt Vergütung nur für die Zeit des ruhenden Arbeitsverhältnisses bis zum 2. Juli 1991.
a) Für den Zeitraum vom 3. Oktober 1990 bis zum 20. November 1990 kann sich die Beklagte auf das Ruhen des Arbeitsverhältnisses nicht berufen. Gleichwohl besteht für diese Zeit kein Vergütungsanspruch. Der Kläger hat weder vorgetragen, er habe in dieser Zeit gearbeitet (§ 611 BGB), noch dargelegt, die Beklagte habe die Arbeitsleistung nicht angenommen (§§ 615, 293 BGB). Er hat nicht behauptet, die Beklagte habe eine Beschäftigung abgelehnt oder die Arbeitsleistung sei von ihm angeboten worden. Die Rechtslage ab dem 3. Oktober 1990 bis zur Ruhensmitteilung am 20. November 1990 lag anders als beim Ausspruch einer Kündigung, mit der der Arbeitgeber ausdrückt, daß er eine Beschäftigung ablehnt. Der Kläger hat auch sonstige Anspruchsgrundlagen für Entgeltfortzahlung ohne Arbeitsleistung nicht dargetan.
b) Der Kläger hat die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Weiterverwendung oder auf Weiterbeschäftigung nicht dargelegt. Die Pflicht, das ruhende Arbeitsverhältnis zu aktualisieren, konnte sich zum einen daraus ergeben, daß eine Beschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz vorhanden war. Dies wird vom Kläger selbst nicht geltend gemacht. Zum anderen gebietet es die Fürsorgepflicht, die Auswahlentscheidung, wer zu Abwicklungsarbeiten herangezogen wird, nicht willkürlich vorzunehmen. Der Senat hat bisher offengelassen, ob der Schutz der Schwerbehinderten, älteren Arbeitnehmer und Alleinerziehenden bereits bei der bloß vorübergehenden Heranziehung von Arbeitnehmern zu Abwicklungsarbeiten zu gewährleisten war (Urteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 336/92 – n.v., zu B II 4 der Gründe). Selbst wenn man das bejaht, genügt der bloße Hinweis des Klägers auf sein fortgeschrittenes Alter angesichts verschiedener sozialer Auswahlgesichtspunkte nicht. Aus dem Alter des Klägers kann sich noch kein Anspruch ergeben. In jedem Falle sind die Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG maßgeblich zu berücksichtigen. Die dazu notwendige Feststellung, ob ein Bewerber geeignet ist, setzt eine vorausschauende Bewertung der Persönlichkeit der Bewerber voraus. Diese gründet sich auf eine Vielzahl von Elementen, deren Bewertung und Gewichtung auch vom persönlichen Eindruck abhängen. Die Beurteilung des Einstellungsberechtigten kann durch ein Gericht nur daraufhin überprüft werden, ob er von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob er sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen und ob er die Entscheidung in einem fehlerfreien Verfahren gebildet hat (BAGE 33, 43 = AP Nr. 6 zu Art. 33 Abs. 2 GG). Eine Pflicht zum Abschluß konkreter Arbeitsverträge kann hieraus nur dann folgen, wenn jede andere Entscheidung rechtswidrig wäre. Ein derartiger Sonderfall ist vom Bewerber darzulegen (vgl. BAG Urteil vom 28. Januar 1993, a.a.O. zu III der Gründe). Hieran fehlt es im Streitfalle.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Unterschriften
Dr. Ascheid, Dr. Wittek, Dr. Mikosch, Dr. Weiss, E. Schmitzberger
Fundstellen