Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Musikschullehrerin in Nordrhein-Westfalen. Nachdiplomierung. Eingruppierung Lehrer
Orientierungssatz
- Eine Musiklehrerin in Nordrhein-Westfalen, die ihre Ausbildung nach einer sechssemestrigen Regelstudienzeit nach der Prüfungsordnung vom 22. Juli 1976 absolvierte, besitzt trotz einer Nachdiplomierung zur “Diplom-Musikpädagogin” nicht den im Nichterfüllererlaß NRW unter Nr. 4.16 Musikerzieher für die Eingruppierung in die VergGr. IIb BAT vorausgesetzten Diplomgrad (nach mindestens acht Semestern) nach § 1 Dipl.VO-KunstH vom 3. September 1990.
- Es ist nicht willkürlich, bei der Eingruppierung und den vergütungsrechtlichen Folgen danach zu unterscheiden, ob ein Musikerzieher die kürzere Studien- und Ausbildungszeit nach der alten Prüfungsordnung oder die längere nach der neuen Prüfungsordnung absolviert hat.
- Auch die unterbliebene eingruppierungsrechtliche Gleichstellung einer Nachdiplomierung ist nicht willkürlich, wenn für die Nachdiplomierung nicht dieselbe Ausbildung vorausgesetzt wird.
Normenkette
Runderlaß des Kultusministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen ohne die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis (Nichterfüllererlaß) vom 20. November 1981 in der ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. Mai 2002 – 16 Sa 1224/01 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung und Vergütung der Klägerin als Musikschullehrerin.
Die Klägerin schloß im November 1980 ein Studium an der Staatlichen Hochschule für Musik Rheinland mit der Staatlichen Prüfung für Musikschullehrer und selbständige Musiklehrer mit der Lehrbefähigung im Fach Rhythmik ab. Die Prüfung erfolgte nach der damals geltenden Ordnung der Staatlichen Prüfung für Musikschullehrer und selbständige Musiklehrer vom 22. Juli 1976. Diese sah nach ihrem § 2 in der Regel eine Ausbildung von mindestens sechs Semestern vor.
Seit dem 15. November 1982 ist die Klägerin als Musiklehrerin im Schuldienst des beklagten Landes beschäftigt. Sie wurde nach dem Erlaß des Kultusministeriums vom 20. November 1981 in VergGr. Vb BAT eingruppiert und zum 1. November 1988 im Wege des Bewährungsaufstiegs in VergGr. IVb BAT höhergruppiert. Am 14. Juni 1999 wurde die Klägerin auf Grund der Diplomprüfungsordnung 1997 nachdiplomiert und erhielt den akademischen Grad Diplom-Musikpädagogin. Mit Schreiben vom 6. Juli 1999 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf ihre Nachdiplomierung vergeblich ihre Höhergruppierung nach VergGr. IIb BAT.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Eingruppierung in VergGr. IIb BAT und rückwirkend ab 1. Januar 1999 die entsprechende Vergütung. Sie meint, nach der erfolgten Nachdiplomierung sei ihre Ausbildung mit dem jetzigen Diplomstudiengang und der nach der jetzigen Diplomprüfungsordnung abzulegenden Prüfung gleichwertig; davon gehe auch die Musikhochschule Köln aus.
Die Klägerin hat beantragt festzustellen, daß
- sie in VergGr. IIb BAT eingruppiert ist;
- das beklagte Land verpflichtet ist, an sie rückwirkend ab dem 1. Januar 1999 eine Vergütung nach VergGr. IIb BAT zu zahlen und die Differenzbeträge zur tatsächlich gezahlten Vergütung ab 1. Juli 1999 nachzuzahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, die Klägerin erfülle nach dem einschlägigen Erlaß vom 22. November 1981 nicht die Voraussetzungen für die begehrte Höhergruppierung; daran ändere auch die Nachdiplomierung nichts.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des beklagten Landes das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht entschieden, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Eingruppierung in VergGr. IIb BAT hat.
I. Das Landesarbeitsgericht hat das klageabweisende Urteil im wesentlichen wie folgt begründet:
Auszugehen sei zunächst von der ursprünglichen Eingruppierung der Klägerin, die bei ihrer Einstellung im November 1982 zutreffend nach VergGr. Vb BAT eingruppiert worden sei. Als Musikerzieherin sei die Klägerin unter den Auffangtatbestand der damaligen Ziff. 4.11 und jetzigen Ziff. 4.19 des Eingruppierungserlasses vom 20. November 1981 gefallen. Nach sechsjähriger Bewährung sei die Klägerin zutreffend ab November 1988 nach VergGr. IVb BAT eingruppiert worden.
Mit der Nachdiplomierung sei keine Änderung der Qualifikation der Klägerin eingetreten. Die höheren und von der Klägerin bislang nicht erfüllten Qualifikationsvoraussetzungen der Ziff. 4.16 des Erlasses seien von ihr mit der Erteilung des Diploms im Juni 1999 nicht automatisch erfüllt. Die Nachdiplomierung habe für die vergütungsrechtliche Regelung im Erlaß vom 20. November 1981 keine Bedeutung.
Die Vorgehensweise des beklagten Landes sei auch nicht willkürlich; es sei für das Vergütungssystem des öffentlichen Dienstes typisch und lasse sachfremde Erwägungen nicht erkennen, daß bei gleicher Tätigkeit und unterschiedlicher Ausbildung eine unterschiedliche Vergütung bezahlt werde. Auch ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot liege nicht vor.
II. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht für die Eingruppierung der Klägerin ab 1. Januar 1999 von dem Runderlaß des Kultusministeriums des beklagten Landes über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen ohne die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis (Nichterfüllererlaß) vom 20. November 1981 aus. Auf diesen Erlaß haben die Parteien im Arbeitsvertrag vom 8./15. November 1982 für die Eingruppierung Bezug genommen. Ein zunächst nur behördenintern wirkender Eingruppierungserlaß bekommt unmittelbar arbeitsrechtliche Bedeutung, wenn seine Geltung zwischen öffentlichem Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart wurde. Dies kann auch erst im Laufe des Arbeitsverhältnisses und durch schlüssiges Verhalten geschehen. Das Verhalten der Parteien muß lediglich darauf schließen lassen, daß der Eingruppierungserlaß insgesamt und nicht nur eine in den Arbeitsvertrag aufgenommene Vergütungsgruppe für den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers maßgeblich sein soll (BAG 21. Juli 1993 – 4 AZR 489/92 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 64). Die Parteien wollten die Geltung des Eingruppierungserlasses generell vereinbaren. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Daher beruft sich auch die Klägerin auf diesen Erlaß.
Danach gelten für die streitige Eingruppierung folgende Regelungen des Nichterfüllererlasses vom 20. November 1981 in der am 1. Januar 1999 geltenden Fassung:
“4.16 Musikerzieher,
die nach einem Studium an einer Musikhochschule oder Musikakademie
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die künstlerische Abschlußprüfung (nach mindestens 8 Semestern) oder |
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den künstlerischen Teil der Künstlerischen Prüfung für das Lehramt am Gymnasium (nach mindestens 6 Semestern) oder |
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die staatliche Prüfung für Kirchenmusiker (nach mindestens 8 Semestern) abgelegt oder |
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einen fachspezifischen Diplomgrad (nach mindestens 8 Semestern) nach § 1 Dipl.VO-KunstH vom 3. September 1990 (SGV. NW. 223) erworben haben, |
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bei entsprechender Tätigkeit |
II b |
…
4.19. Kunsterzieher oder Musikerzieher,
die nicht unter die Fallgruppen 4.15 bis 4.18 fallen, bei entsprechender Tätigkeit |
Vb |
nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe |
IVb”. |
2. Die Klägerin erfüllt die für eine Eingruppierung in VergGr. IIb BAT erforderlichen Voraussetzungen der Ziff. 4.16 nicht.
a) Sie hat keine künstlerische Abschlußprüfung nach mindestens acht Semestern im Sinne des ersten Spiegelstrichs der Ziff. 4.16 abgelegt; ebensowenig den künstlerischen Teil der Künstlerischen Prüfung für das Lehramt am Gymnasium (zweiter Spiegelstrich) und auch keine staatliche Prüfung für Kirchenmusiker (dritter Spiegelstrich).
b) Die Klägerin beruft sich auch zu Unrecht auf die letzte Alternative der Ziff. 4.16. Sie hat keinen fachspezifischen Diplomgrad (nach mindestens acht Semestern) nach § 1 Dipl.VO-KunstH vom 3. September 1990 erworben. Ihre Nachdiplomierung vom 14. Juni 1999 entspricht diesen Voraussetzungen nicht. Mit dieser hat die Klägerin zwar den akademischen Titel “Diplom-Musikpädagogin” erworben. Die Eingruppierung nach VergGr. IIb BAT gem. Ziff. 4.16 vierter Spiegelstrich des Nichterfüllererlasses stellt aber nicht allein auf den Erwerb des Diplomgrads als solchen ab, sondern auch auf die zugrundeliegende Ausbildung nach § 1 Dipl.VO-KunstH vom 3. September 1990. Diese Ausbildung mit der Diplomprüfung nach mindestens acht Semestern hat die Klägerin nicht. Ihre Ausbildung sah nach § 2 Abs. 2 der Prüfungsordnung vom 22. Juli 1976 lediglich eine Regelstudienzeit von sechs Semestern vor. Da Ziff. 4.16 des Erlasses für den Erwerb des dort genannten Diplomgrads ausdrücklich die vorangegangene achtsemestrige Ausbildung voraussetzt, ist eine Gleichsetzung der alten sechssemestrigen Ausbildung einschließlich der Nachdiplomierung mit der neuen achtsemestrigen Diplomausbildung nicht vorgesehen. Eine solche Gleichsetzung ist offenbar bewußt ausgeschlossen worden. Die nachträglich in die Ziff. 4.16 des Erlasses eingefügte Eingruppierung nach VergGr. IIb BAT auf Grund des fachspezifischen Diplomgrads sollte nur bei einem Diplomerwerb auf Grund der Diplomprüfungsordnung vom 11. März 1997 erfolgen, die in ihrem § 3 Abs. 1 eine Regelstudienzeit von acht Semestern vorsieht.
c) Auf die von der Klägerin behauptete Gleichwertigkeit ihrer Ausbildung mit der für die Eingruppierung in VergGr. IIb BAT vorausgesetzten Ausbildung kommt es nicht an. Es ist nicht willkürlich, bei der Eingruppierung und den vergütungsrechtlichen Folgen danach zu unterscheiden, ob ein Musikerzieher die kürzere Studien- und Ausbildungszeit nach der alten Prüfungsordnung oder die längere nach der neuen Prüfungsordnung absolviert hat. Daran ändert auch eine gleiche Tätigkeit verschieden ausgebildeter Musikerzieher nichts. Es ist für das Vergütungssystem des öffentlichen Dienstes typisch und läßt keine sachfremden Erwägungen erkennen, wenn bei gleicher Tätigkeit, aber unterschiedlicher Ausbildung eine unterschiedliche Vergütung geschuldet wird (BAG 9. Dezember 1998 – 10 AZR 244/98 – ZTR 1999, 464, zu II 2e der Gründe). Auch die unterbliebende eingruppierungsrechtliche Gleichstellung einer Nachdiplomierung ist nicht willkürlich, wenn für die Nachdiplomierung nicht dieselbe Ausbildung vorausgesetzt wird (BAG 9. Dezember 1998 – 10 AZR 244/98 – aaO, zu II 2c bb der Gründe).
3. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Dieser Grundsatz gebietet dem Arbeitgeber, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern gleich zu behandeln. Ausgeschlossen ist nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern vor allem eine sachfremde Gruppenbildung. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt. Liegt ein solcher Grund nicht vor, kann der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden (BAG 10. März 1998 – 1 AZR 509/97 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 207 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 40).
Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz scheidet aus, soweit die Klägerin Musikerzieher nennt, die nicht bei dem beklagten Land, sondern bei kirchlichen Arbeitgebern oder bei der Arbeiterwohlfahrt beschäftigt sind. Die dort beschäftigten Musiklehrer werden nicht deshalb zu Arbeitnehmern des beklagten Landes, weil deren Vergütungen zum überwiegenden Teil über das beklagte Land refinanziert werden. Soweit die Klägerin einen ihr vergleichbaren Musikerzieher aus dem Regierungsbezirk D… nennt, handelt es sich allenfalls um einen abweichenden Einzelfall und nicht um eine allgemeine Regelung, auf die sich die Klägerin berufen könnte.
III. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Hauck, Dr. Wittek, Laux, Brückmann, Dr. Scholz
Fundstellen
Haufe-Index 1097335 |
ZTR 2004, 418 |
AP, 0 |
PersV 2005, 74 |
Tarif aktuell 2004, 5 |