Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: 80 % oder 100 %
Leitsatz (amtlich)
Nach § 16 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer im Hotel- und Gaststättengewerbe in Berlin vom 31. März 1995 haben Arbeitnehmer bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 %.
Normenkette
EFZG § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 n.F.; MTV für die Arbeitnehmer im Hotel- und Gaststättengewerbe in Berlin vom 31. März 1995 § 16
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 28. Oktober 1997 - 11 Sa 106/97 - aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 4. April 1997 - 44 Ca 48552/96 - geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die Klägerin ist bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer im Hotel- und Gaststättengewerbe in Berlin vom 31. März 1995 (MTV) Anwendung. Darin heißt es unter anderem:
§ 16 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ...
1. Im Falle der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gelten die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen.
4. Die Berechnung für die Lohnfortzahlung der am Umsatz beteiligten Arbeitnehmer ist das arbeitstägliche Durchschnittsentgelt, ermittelt aus dem Durchschnitt der vorangegangenen zwölf Monate oder, wenn der Arbeitnehmer noch nicht so lange Betriebsangehöriger ist, der im Betrieb verbrachten Zeit.
5. Bei unverschuldeten Betriebsunfällen wird dem Arbeitnehmer für die siebente und achte Woche der Arbeitsunfähigkeit ein Zuschuß zum Krankengeld bis zur Höhe des Nettoentgeltes gewährt.
§ 17 Bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung
2. Alle Arbeitnehmer, die aus persönlichen Gründen ohne ihr Verschulden für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an der Arbeitsleistung verhindert sind (§ 616 BGB), erhalten nach Vorlage der entsprechenden Unterlagen oder Bescheinigungen Freizeit ohne Minderung ihrer Bezüge durch Wahrnehmung von:
a) zum Aufsuchen eines Arztes, sofern dieser die dringende Notwendigkeit des Besuches während der Arbeitszeit bescheinigt und sich der Besuch nicht auf eine andere Zeit verlegen läßt;
f) bei schweren Erkrankungen der zur Hausgemeinschaft gehörenden Ehegatten, bei Ledigen auch der Eltern, sofern der Arzt bestätigt, daß die Anwesenheit des Arbeitnehmers zur vorläufigen Pflege des Erkrankten dringend erforderlich ist und keine sonstigen Familienangehörigen zur Hilfestellung in der Lage sind:
im Kalenderjahr: 2 Tage;
g) bei schwerer Erkrankung des in der Hausgemeinschaft lebenden Kindes (bis zum vollendeten 16. Lebensjahr), sofern kein Anspruch auf Leistungen von Dritten besteht und der Arzt bescheinigt, daß die Anwesenheit des Arbeitnehmers zur Pflege des Kindes dringend erforderlich ist und keine sonstigen Familienangehörigen zur Hilfeleistung in der Lage sind:
im Kalenderjahr und pro Kind: 5 Tage;
Die Klägerin war in der Zeit vom 16. bis 19. Oktober sowie vom 19. bis zum 28. November 1996 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte leistete Entgeltfortzahlung in Höhe von 80 % des Arbeitsentgelts unter Berufung auf die ab 1. Oktober 1996 geltende neue Fassung des § 4 EFZG.
Die Klägerin beansprucht den Differenzbetrag zu 100 % in rechnerisch unstreitiger Höhe. Sie sieht in § 16 MTV eine eigenständige Regelung auch zur Höhe der Entgeltfortzahlung. Es handele sich um eine statische Verweisung auf die damals gültige Fassung des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Für eine eigenständige Regelung sprächen auch § 16 Nr. 4, 5 sowie § 17 MTV.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 288,21 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 14. Januar 1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, § 16 Nr. 1 MTV enthalte einen deklaratorischen Hinweis oder eine dynamische Verweisung auf die jeweils geltende Fassung des Entgeltfortzahlungsgesetzes.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat für die Zeit ihrer Erkrankungen keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 % ihres Arbeitsentgelts. § 16 Nr. 1 MTV enthält entgegen der Auffassung der Vorinstanzen keine eigenständige (konstitutive) Regelung zur Höhe der Entgeltfortzahlung.
I. Durch das Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26. Mai 1994, in Kraft getreten am 1. Juni 1994 (Art. 68 Abs. 4 PflegeVG vom 26. Mai 1994 - BGBl. I S. 1014, 1070), wurde die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für Arbeiter und Angestellte auf eine einheitliche gesetzliche Grundlage gestellt. Dabei blieb die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts zunächst unverändert. Durch das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996 (BGBl. 1996 I S. 1476, 1477) wurde die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall herabgesetzt. Sie beträgt nunmehr nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EFZG n. F. nur noch "80 von Hundert des dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts". Bestehende tarifliche Regelungen sind durch die gesetzliche Neuregelung nicht aufgehoben worden. Der Gesetzgeber wollte in bestehende Tarifverträge nicht eingreifen (BT-Drucks. 13/4612, S. 2; Buchner, NZA 1996, 1177, 1179).
II. Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt, daß die Tarifvertragsparteien die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht geregelt haben.
1. In diesem Zusammenhang finden die Grundsätze für die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen Anwendung (vgl. hierzu und zum folgenden BAG Urteile vom 16. Juni 1998 - 5 AZR 67/97 - und - 5 AZR 638/97 - beide zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. In seiner Rechtsprechung zur tariflichen Übernahme gesetzlicher Kündigungsfristen hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts folgenden Auslegungsgrundsatz entwickelt: "Werden einschlägige gesetzliche Vorschriften wörtlich oder inhaltlich unverändert in einen umfangreichen Tarifvertrag aufgenommen, so handelt es sich um deklaratorische Klauseln, wenn der Wille der Tarifvertragsparteien zu einer gesetzesunabhängigen eigenständigen Tarifregelung im Tarifvertrag keinen hinreichend erkennbaren Ausdruck gefunden hat" (BAGE 40, 102 = AP Nr. 133 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 74, 167; 81, 76 = AP Nr. 42, 48 zu § 622 BGB; BAG Urteil vom 14. Februar 1996 - 2 AZR 201/95 - AP Nr. 50 zu § 622 BGB; BAG Urteil vom 14. Februar 1996 - 2 AZR 166/95 - AP Nr. 21 zu § 1 TVG Tarifverträge: Textilindustrie; Urteil vom 29. Januar 1997 - 2 AZR 370/96 - NZA 1997, 726; zuletzt Urteil vom 6. November 1997 - 2 AZR 707/96 - juris).
Hinsichtlich tariflicher Verweisungen auf gesetzliche Vorschriften gilt nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts dieselbe Auslegungsregel wie bei der wörtlichen oder inhaltlich unveränderten Aufnahme einschlägiger gesetzlicher Vorschriften in ein Tarifwerk. Danach sind auch Verweisungen im Zweifel deklaratorisch, wenn nicht der Wille zur Schaffung einer eigenständigen Norm im Tarifvertrag einen hinreichend erkennbaren Ausdruck gefunden hat (BAGE 40, 102 = AP Nr. 133 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Beschluß vom 28. Januar 1988 - 2 AZR 296/87 - und Urteil vom 4. März 1993 - 2 AZR 355/92 - AP Nr. 24, 40 zu § 622 BGB; vgl. auch BAG Urteil vom 12. November 1964 - 5 AZR 507/63 - AP Nr. 4 zu § 34 SchwBeschG 1961).
3. Dem Zweiten Senat ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zumindest hinsichtlich tariflicher Verweisungen auf geltende, ohnehin anwendbare gesetzliche Vorschriften zu folgen. Diese sind im Zweifel deklaratorisch. Dabei macht es keinen Unterschied, ob allgemein auf gesetzliche Bestimmungen oder auf bestimmte Gesetze, z. B. das Lohnfortzahlungsgesetz bzw. die für Angestellte geltenden gesetzlichen Vorschriften verwiesen wird, oder ob es heißt, der Arbeitnehmer habe Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts oder "seiner Bezüge" oder nach Maßgabe bestimmter gesetzlicher Vorschriften. Mit einer Verweisung auf ein ohnehin anwendbares Gesetz bringen die Tarifvertragsparteien in aller Regel zum Ausdruck, daß das Gesetz und nicht der Tarifvertrag maßgeblich sein soll. Bei der Aufnahme einer Verweisung in den Tarifvertrag haben die Tarifvertragsparteien zwar meist genaue Vorstellungen vom Inhalt der gesetzlichen Regel. Eine solche Vorstellung ist aber bei Verweisungen mit dem Willen zur Schaffung einer eigenständigen Regelung nicht gleichzusetzen.
Aus einer deklaratorischen Verweisung wird nicht dadurch eine eigenständige Regelung, daß sich die gesetzlichen Bestimmungen, auf die verwiesen wird, ändern oder diese außer Kraft treten.
Diese Grundsätze gelten auch für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das Landesarbeitsgericht meint dagegen, "angesichts der zentralen Bedeutung von Entgeltregelungen für das Tarifgefüge ... sowie des ... insbesondere auch aus der Tarifgeschichte ableitbaren Gewichts der Entgeltsicherung im Krankheitsfall für die Gewerkschaften" sei im Zweifel anzunehmen, daß sie diesen Bereich dem Zugriff des Gesetzgebers entziehen wollten. Dem kann der Senat nicht folgen. Die Bedeutung einer tariflichen Bestimmung für die Tarifvertragsparteien oder eine von beiden sagt nichts darüber aus, ob eine Verweisung einen deklaratorischen Hinweis auf die jeweilige gesetzliche Regelung bzw. eine dynamische Verweisung enthält oder eine eigenständige (konstitutive) Regelung zur Höhe der Entgeltfortzahlung. Allenfalls ließe sich daraus schließen, welche Regelungen die Tarifvertragsparteien getroffen oder angestrebt hätten, wenn sie die Gesetzesänderung vorausgesehen hätten.
4. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts verlangt, daß der Wille zur Schaffung einer von der gesetzlichen Norm unabhängigen eigenständigen Regelung im Tarifvertrag "einen hinreichend erkennbaren Ausdruck" gefunden hat. Das sei z. B. bei Formulierungen wie, die Tarifbestimmung gelte "unabhängig von der gesetzlichen Regelung" oder "auch bei Änderung der gesetzlichen Regelung", der Fall. Diese Formulierungen betreffen allein die wort- oder inhaltsgleiche Übernahme der gesetzlichen Bestimmungen in den Tariftext. Bei Verweisungen könnte die Formulierung etwa lauten, "es gilt das Gesetz in seiner am ... gültigen Fassung" . Der Wille zur Schaffung einer eigenständigen Regelung kann sich aber nicht nur aus derartigen Formulierungen, sondern auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergeben. Das ist auch bei Verweisungen nicht von vornherein ausgeschlossen.
Zumindest für den Bereich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist zu unterscheiden zwischen der wortgleichen oder inhaltsgleichen Übernahme einschlägiger gesetzlicher Vorschriften und Tarifbestimmungen, die nur auf die gesetzlichen Vorschriften oder das Lohnfortzahlungsgesetz bzw. das Entgeltfortzahlungsgesetz verweisen. Da die Tarifvertragsparteien mit allgemeinen oder umfassenden Verweisungen auf ohnehin anwendbare gesetzliche Vorschriften typischerweise ihren fehlenden Regelungswillen zum Ausdruck bringen, bedarf es in solchen Fällen besonders deutlicher Anhaltspunkte dafür, daß gleichwohl ein Regelungswille bestand. Anders verhält es sich bei wortgleicher oder inhaltsgleicher Übernahme einschlägiger gesetzlicher Vorschriften eines Tarifvertrags ohne Nennung des Gesetzes. Zwar bedarf es auch hier nach Auffassung des Zweiten Senats zusätzlicher Anhaltspunkte, um auf den Willen der Tarifvertragsparteien zur Schaffung einer gesetzesunabhängigen Regelung schließen zu können. Da aber in derartigen Fällen nicht schon der Wortlaut des Tarifvertrags gegen das Bestehen eines Regelungswillens spricht, sind insoweit weniger strenge Anforderungen an den Ausdruck dieses Willens zu stellen.
Diese Unterschiede zeigen sich insbesondere bei der Bedeutung, die das Vorhandensein einer eigenständigen (konstitutiven) Tarifregelung über die Zahlung von Zuschüssen zum Krankengeld ab der siebten Krankheitswoche für die Auslegung hat. Der Senat sieht in einer solchen Regelung bei bloßen Verweisungen - anders als bei der wortgleichen oder inhaltsgleichen Übernahme gesetzlicher Bestimmungen in den Tarifvertrag - kein hinreichend starkes Indiz dafür, daß der Tarifvertrag die Höhe der Entgeltfortzahlung innerhalb der Sechswochenfrist eigenständig regelt.
5. § 16 Nr. 1 MTV verweist auf "die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen", nennt diese aber nicht. Schon der Wortlaut legt die Auslegung nahe, daß auf die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen verwiesen wird. Jedenfalls haben sich die Tarifvertragsparteien die gesetzlichen Bestimmungen nicht zu eigen gemacht. Auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt sich nicht, daß es sich um eine eigenständige Regelung der Höhe der Entgeltfortzahlung handelt.
a) Nach § 16 Nr. 5 MTV erhalten Arbeitnehmer "bei unverschuldeten Betriebsunfällen ... für die siebente und achte Woche der Arbeitsunfähigkeit ein(en) Zuschuß zum Krankengeld bis zur Höhe des Nettoentgelts". Diese Regelung ist - auch nach den Grundsätzen des Zweiten Senats - eigenständig (konstitutiv), da ein über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus gehender Anspruch vereinbart wurde. Allein aus dem konstitutiven Charakter dieser Bestimmung folgt jedoch noch nicht, daß auch § 16 Nr. 1 MTV als konstitutiv anzusehen wäre.
Der konstitutive Charakter eines Teils eines zusammenhängenden Regelungsbereichs läßt noch keinen Schluß auf den Charakter des übrigen Teils der auszulegenden Bestimmung zu. Den Tarifvertragsparteien steht es frei, von ihrer Regelungsbefugnis nur in Teilbereichen Gebrauch zu machen und in anderen auf die gesetzlichen Bestimmungen zu verweisen (vgl. BAG Urteil vom 14. Februar 1996 - 2 AZR 166/95 - AP Nr. 21 zu § 1 TVG Tarifverträge: Textilindustrie, zu II 4 b der Gründe).
Das Vorhandensein einer eigenständigen Regelung ergibt sich nicht aus den Zwecken der Zuschußregelung. Die Zuschußregelung des § 16 Nr. 5 MTV soll den Arbeitnehmer, der einen "Betriebsunfall" erlitten hat, auch nach Ablauf der Sechswochenfrist für zwei weitere Wochen finanziell annähernd so stellen wie innerhalb der Sechswochenfrist. Dieser Zweck wird nur erreicht, wenn dem Arbeitnehmer für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Fortzahlung des vollen Arbeitsentgelts zusteht. Das ist bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten auch nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EFZG n. F. der Fall. Diese neue Gesetzesfassung war aber für die Tarifvertragsparteien nicht vorhersehbar. Gleichwohl kann aus dem Vorhandensein einer Zuschußregelung für "Betriebsunfälle" bei Verweisungen wie der des § 16 Nr. 1 MTV nicht auf eine eigenständige Regelung geschlossen werden. Deutlich wird daraus nur, daß sich die Tarifvertragsparteien bei der Zuschußregelung eine vorausgegangene Entgeltfortzahlung zu 100 % vorgestellt, also auf der Basis der damaligen gesetzlichen Regelung verhandelt haben.
b) § 16 Nr. 4 MTV enthält eine Berechnungsvorschrift für die am Umsatz beteiligten Arbeitnehmer. Zu Unrecht meint die Klägerin, ihr stehe Entgeltfortzahlung schon aus Gründen der Gleichbehandlung zu. Denn auch die am Umsatz beteiligten Arbeitnehmer haben danach keinen Anspruch auf volle Entgeltfortzahlung.
Die - unglücklich formulierte - Bestimmung legt für diesen Personenkreis nur die Berechnungsmethode (Referenzprinzip) und die Berechnungsgrundlage (vorausgegangene 12 Monate) fest, nicht aber das Ergebnis der Berechnung. § 16 Nr. 4 MTV unterscheidet sich damit deutlich von solchen Tarifverträgen, die nicht nur Berechnungsmethode und -grundlage, sondern auch das Ergebnis der Berechnung vorgeben und damit die Höhe der Entgeltfortzahlung eigenständig regeln. Solche Formulierungen lauten etwa, daß der Arbeitnehmer im Krankheitsfall Anspruch auf 1/22 des durchschnittlichen Monatsverdiensts oder 1/65 des durchschnittlichen Vierteljahresverdienstes hat. Vereinzelt verweisen Tarifverträge hinsichtlich der Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf andere derart genaue tarifliche Berechnungsvorschriften (vgl. Urteil vom 16. Juni 1998 - 5 AZR 728/97 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Damit haben die Tarifvertragsparteien die Höhe der Entgeltfortzahlung präzise geregelt. Das ist hier nicht der Fall.
c) Auch aus § 17 Nr. 2 a, f, g MTV ergibt sich nicht, daß der Tarifvertrag die Höhe der Entgeltfortzahlung eigenständig regelt. Nach diesen Bestimmungen erhalten Arbeitnehmer "Freizeit ohne Minderung ihrer Bezüge", wenn sie selbst einen Arzt aufsuchen, "sofern dieser die dringende Notwendigkeit des Besuchs während der Arbeitszeit bescheinigt und sich der Besuch nicht auf eine andere Zeit verlegen läßt", und unter bestimmten Umständen bei schwerer Erkrankung von Ehegatten und Kindern. Danach haben die Arbeitnehmer in diesen Fällen Anspruch auf Fortzahlung des vollen Arbeitsentgelts. Die Klägerin meint, es könne nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien entsprochen haben, dem Arbeitnehmer bei Krankheit einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 80 %, in den Fällen des § 17 Nr. 2 a, f, g MTV, also bei weniger schwerwiegenden Beeinträchtigungen oder bei Krankheit von Angehörigen dagegen einen Anspruch in Höhe von 100 % zu geben. Auch wenn dies zuträfe, würde daraus nicht folgen, daß die Tarifvertragsparteien die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall eigenständig geregelt haben. Allenfalls ergäbe sich daraus, daß die Tarifvertragsparteien auf der Basis der damaligen gesetzlichen Regelung der Entgeltfortzahlung verhandelt haben.
Der Gesetzgeber hat die Höhe der Entgeltfortzahlung nur für den Krankheitsfall herabgesetzt. § 616 BGB ist unverändert geblieben, so daß bei vorübergehender Dienstverhinderung das Entgelt in voller Höhe weiter zu zahlen ist, soweit nicht abweichende Vereinbarungen getroffen wurden (vgl. § 619 BGB). Das ist hinzunehmen. Die Tarifvertragsparteien haben die Möglichkeit, eine einheitliche Regelung für diese Fälle zu schaffen.
d) Weitere Anhaltspunkte für eine eigenständige Regelung der Höhe der Entgeltfortzahlung gibt es nicht. Damit handelt es sich um einen bloßen Hinweis auf die jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften, nicht um eine eigenständige Regelung zur Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Unterschriften
Reinecke Kreft Bepler Schwefeß W. Hinrichs
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.10.1998 durch Clobes, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 1999, 112 |
DB 1999, 235 |
ARST 1999, 69 |
NZA 1999, 332 |
RdA 1999, 232 |
SAE 1999, 208 |
AP, 0 |