Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Arbeitgeberkündigung wegen Verletzung des für die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestehenden Wettbewerbs Verbotes
Normenkette
BGB § 626; HGB § 60 Abs. 1; ZPO §§ 139, 278 Abs. 3, § 286 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 8. September 1995 – 3 Sa 307/95 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger war seit dem 1. Januar 1991 bei der Beklagten als Unternehmensberater beschäftigt, zuletzt in der Funktion eines „Branch Managers” der Niederlassung D. zu einem Monatsgehalt in Höhe von 16.666,– DM brutto zuzüglich Provisionen. Die Beklagte ist auf dem Gebiet der Personalberatung, der Personalsuche sowie der Personalauswahl tätig. Auch die Ehefrau des Klägers stand – bis zum 30. September 1994 – in einem Arbeitsverhältnis als Unternehmensberaterin zur Beklagten.
In einem Schreiben vom 30. Januar 1994 wies der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger u.a. darauf hin, daß es nicht den Geschäftsgepflogenheiten der Beklagten entspreche, eine Such-/Auswahlprozedur ohne Annonce unter Rückgriff auf vorhandene Kontakte anzubieten. Einen entsprechenden Hinweis enthält ein weiteres Schreiben des Geschäftsführers der Beklagten an den Kläger vom 17. Mai 1994.
Mit Schreiben vom 27. Juni 1994 übersandte der Kläger an die R. A. und M. GmbH (im folgenden: RAM GmbH) ein von ihm verfaßtes Angebot zur Suche und Auswahl einer Führungskraft Vertrieb, nachdem er dieses Unternehmen zuvor aufgesucht hatte. In dem Angebot heißt es u.a.:
„Die Suche erfolgt aus vorhandenen Kontakten ohne Schaltung einer gesonderten Anzeige, so daß keine Anzeigenkosten eintreten.”
Am 28. Juni 1994 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Hierauf kam es zu Verhandlungen über den Abschluß eines Aufhebungsvertrages. Im Rahmen eines Gesprächs am 15. Juli 1994 unterzeichneten die Parteien schließlich eine Aufhebungsvereinbarung, in der sie festlegten, daß das zwischen ihnen bestehende Anstellungsverhältnis auf Veranlassung des Klägers mit dem 31. Dezember 1994 sein Ende finden sollte.
Mit Schreiben vom 15. Juli 1994 zog der Kläger gegenüber dem Geschäftsführer der RAM GmbH das Angebot vom 27. Juni 1994 mit der Begründung zurück: „Unser Unternehmen rekrutiert nicht aus vorhandenen Kontakten, sondern nur auf der Basis einer geschalteten Anzeige.” Ab dem 1. Oktober 1994 stellte die Beklagte den Kläger von der Arbeitsleistung frei, jedoch mit der Möglichkeit eines Rückrufs.
Mit Schreiben vom 3. Oktober 1994 unterbreitete die Ehefrau des Klägers für ihren nunmehrigen Arbeitgeber, die S. GmbH M., der RAM GmbH ein Angebot zur Rekrutierung eines Vertriebsleiters aus vorhandenen Kontakten ohne Schaltung einer Anzeige. Nach entsprechender Auftragserteilung kam es zum Abschluß eines Arbeitsvertrages mit dem von der S. GmbH vermittelten Bewerber.
Am 5. Oktober 1994 erfuhr der Mitarbeiter der Beklagten R. M. anläßlich eines Besuchs bei der RAM GmbH, daß aufgrund der Kontakte zum Kläger ein technischer Vertriebsleiter gesucht und gefunden worden sei. Hierüber informierte Herr M. den Geschäftsführer der Beklagten am 12. Oktober 1994. In einem anwaltlichen Telefax-Schreiben vom 18. Oktober 1994 warf die Beklagte dem Kläger über dessen Rechtsanwalt vor, er habe auf eigene Rechnung für die RAM GmbH einen Vertriebsleiter gesucht und gefunden und damit gegen das sich aus § 60 HGB ergebende Wettbewerbsverbot verstoßen. Gleichzeitig forderte die Beklagte den Kläger zu einer Stellungnahme bis zum 19. Oktober 1994, 12.00 Uhr auf. Nachdem der Kläger in dieser Frist nicht reagiert hatte, kündigte die Beklagte mit einem am 20. Oktober 1994 dem Kläger überbrachten Schreiben unter dem Datum des 18. Oktober 1994 das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung.
Der Kläger hat sich mit seiner am 26. Oktober 1994 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen diese Kündigung gewandt. Er hat behauptet, er habe keine Vermittlungstätigkeit für die RAM GmbH entfaltet. Seine Ehefrau habe in einem Telefonat am 2. Oktober 1994 von der RAM GmbH erfahren, daß diese immer noch einen Vertriebsleiter suche.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Anstellungsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten vom 1. Januar 1991 durch die außerordentliche Kündigung vom 18. Oktober 1994 nicht aufgelöst wurde.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie geht von einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit des Klägers aus, welche über die Ehefrau abgerechnet worden sei. Der Kläger habe die Beklagte bewußt in Unkenntnis über seine Beziehungen zu der RAM GmbH gelassen. Weder in der Kundendatei noch im internen Berichtssystem der Beklagten sei diese Firma erwähnt. Nach dem 15. Juli 1994 hätten sich sowohl die Ehefrau des Klägers wie auch der Kläger selbst mit dem Geschäftsführer der RAM GmbH in Verbindung gesetzt und ihm mitgeteilt, sie hätten einen geeigneten Kandidaten für die Position des Vertriebsleiters. Von da ab habe dieses Unternehmen mit dem Kläger und seiner Ehefrau zusammengearbeitet.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht nach Vernehmung des Geschäftsführers der RAM GmbH das Urteil des Arbeitsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die streitige Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien am 20. Oktober 1994 fristlos aufgelöst (§ 626 BGB).
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der wichtige Grund für die fristlose Kündigung bestehe darin, daß der Kläger während der Dauer des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten im Geschäftsbereich der Beklagten für ein Konkurrenzunternehmen entweder direkt oder unter Einschaltung seiner Ehefrau tätig geworden sei. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, daß der Kläger zumindest einen Kunden der Beklagten – die RAM GmbH – auf seine Ehefrau als Mitarbeiterin der S. GmbH gelenkt habe. Noch vor dem 1. Oktober 1994 sei der RAM GmbH der zum 1. November 1994 eingestellte Vertriebsleiter über den Kläger bzw. dessen Ehefrau vermittelt worden. Der Kläger habe als verantwortlicher Mitarbeiter der Beklagten nicht nur selbst von jeglicher Konkurrenztätigkeit Abstand nehmen, sondern auch seine Ehefrau als ihm ehedem unterstellte Mitarbeiterin von einer solchen Tätigkeit abhalten müssen. Die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Einer Anhörung des Klägers vor Ausspruch der Kündigung habe es nicht bedurft, da es sich insoweit lediglich um eine Obliegenheit des Arbeitgebers handele. Auf die Möglichkeit des Klägers zur Stellungnahme komme es daher nicht an.
II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Prüfung, ob ein bestimmter Sachverhalt die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes erfüllt, ist vorrangig Sache des Tatsachengerichts. Es handelt sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Diese kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 626 BGB Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen eine außerordentliche Kündigung sprechen, beachtet hat (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Urteil vom 6. August 1987 – 2 AZR 226/87 – AP Nr. 97 zu § 626 BGB, zu II 1 der Gründe und zuletzt Urteil vom 9. Mai 1996 – 2 AZR 387/95 – NZA 1996, 1085). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil stand.
a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß einem Arbeitnehmer während des rechtlichen Bestehens des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt ist, auch wenn der Arbeitsvertrag hierüber keine Regelungen enthält. Für Handlungsgehilfen ist dies in § 60 Abs. 1 HGB ausdrücklich geregelt. Diese Vorschrift konkretisiert jedoch einen allgemeinen Rechtsgedanken, der seine Grundlage bereits in der Treuepflicht des Arbeitnehmers hat. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt sein. Deshalb schließt der Arbeitsvertrag für die Dauer seines Bestehens über den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 60 HGB hinaus ein Wettbewerbsverbot ein (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG Urteile vom 17. Oktober 1969 – 3 AZR 442/68 – AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht; vom 16. August 1990 – 2 AZR 113/90 – AP Nr. 10 zu § 611 BGB Treuepflicht, zu III 2 der Gründe und vom 26. Januar 1995 – 2 AZR 355/94 – RzK I 6 a Nr. 116). Das Wettbewerbsverbot verbietet dem Arbeitnehmer für die Dauer des Arbeitsverhältnisses jede Tätigkeit, die für seinen Arbeitgeber Konkurrenz bedeutet (BAG Urteil vom 26. Januar 1995 – 2 AZR 355/94 – a.a.O.). Der Arbeitnehmer darf Dienste und Leistungen nicht Dritten im Marktbereich seines Arbeitgebers anbieten. Dadurch soll erreicht werden, daß dem Arbeitgeber der Marktbereich voll und ohne die Gefahr der nachteiligen, zweifelhaften oder zwielichtigen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offensteht (vgl. BAG Urteil vom 16. Juni 1976 – 3 AZR 73/75 – AP Nr. 8 zu § 611 BGB Treuepflicht, zu II 1 der Gründe, m.w.N.). Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt, sondern ihm ist es gleichfalls nicht gestattet, einem Arbeitskollegen bei einer konkurrierenden Tätigkeit zu helfen oder einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (vgl. BAG Urteil vom 16. Januar 1975 – 3 AZR 72/74 – AP Nr. 8 zu § 60 HGB; KR-Hillebrecht, 4. Aufl., § 626 BGB Rz 341). Die Verletzung eines für die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestehenden Wettbewerbsverbotes kann an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen (vgl. BAG Urteile vom 30. Januar 1963 – 2 AZR 319/62 – BAGE 14, 72, 78 = AP Nr. 3 zu § 60 HGB, zu I a cc der Gründe; vom 6. August 1987 – 2 AZR 226/87 – AP Nr. 97 zu § 626 BGB und vom 25. April 1991 – 2 AZR 624/90 – AP Nr. 104 zu § 626 BGB).
b) Auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen ist das Landesarbeitsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger habe das für die Dauer seines Arbeitsverhältnisses bestehende Wettbewerbsverbot verletzt.
Der Kläger hat einen Wettbewerber der Beklagten – die S. GmbH – durch die Weitergabe von Kundeninformationen an eine Mitarbeiterin bzw. zukünftige Mitarbeiterin unterstützt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger zumindest einen Kunden der Beklagten – die RAM GmbH – auf seine Ehefrau als Mitarbeiterin der S. GmbH gelenkt, d.h. der Kläger hat seiner Ehefrau bewußt Informationen über die RAM GmbH gegeben, um dieser ein Herantreten an die RAM GmbH im Rahmen bzw. in Vorbereitung ihrer Tätigkeit für die S. GmbH zu ermöglichen.
c) Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind für den Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO bindend. Die vom Kläger hiergegen erhobenen Revisionsrügen greifen nicht durch.
aa) Zu Unrecht rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht habe es nicht dahinstehen lassen dürfen, ob der Kläger direkt oder unter Einschaltung seiner Ehefrau vermittelnd tätig geworden sei. Das Landesarbeitsgericht habe insoweit rechtsfehlerhaft keine Feststellungen getroffen, ob der Kläger oder dessen Ehefrau als Mitarbeiterin der S. GmbH tatsächlich vermittelnd tätig geworden sei und es insbesondere unterlassen, Frau D., wie vom Kläger angeboten, als Zeugin zu hören.
Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht es nicht dahinstehen lassen, ob der Kläger direkt oder unter Einschaltung seiner Ehefrau vermittelnd tätig geworden ist. Es ist bei seiner Entscheidung ersichtlich davon ausgegangen, daß die Ehefrau des Klägers als (künftige) Mitarbeiterin der S. GmbH vermittelnd für die RAM GmbH tätig geworden ist. Dies ist nicht zu beanstanden. Aus dem Tatbestand des Berufungsurteils – den der Senat gemäß § 561 Abs. 1 ZPO seiner Beurteilung zugrundelegen muß – ergibt sich, daß die Ehefrau des Klägers unstreitig der RAM GmbH mit Schreiben vom 3. Oktober 1994 ein Angebot auf Vermittlung eines Vertriebsleiters aus vorhandenen Kontakten gemacht hat. Da das Landesarbeitsgericht einen Wettbewerbsverstoß des Klägers bereits – wie oben ausgeführt zu Recht – in der vorherigen „Überleitung” der RAM GmbH auf seine Ehefrau gesehen hat, kam es nicht darauf an, ob der Kläger dann selbst noch Vermittlungstätigkeiten entfaltet hat. Folgerichtig hat das Landesarbeitsgericht deshalb davon abgesehen, die Ehefrau des Klägers als Zeugin für die Behauptung zu vernehmen, daß er keine Vermittlungstätigkeit entfaltet habe.
bb) Zu Unrecht wirft die Revision dem Landesarbeitsgericht vor, es habe die Regeln der Darlegungs- und Beweislast verkannt.
Das Landesarbeitsgericht ist eindeutig davon ausgegangen, daß die Beklagte als Kündigende für das Vorliegen des von ihr behaupteten Kündigungsgrundes – den Wettbewerbsverstoß des Klägers – die Darlegungs- und Beweislast trägt. Ansonsten hätte es einer Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen Dr. R. nicht bedurft. Soweit die Revision annimmt, die Beklagte sei für die Behauptung eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot beweisfällig geblieben, setzt sie lediglich ihre Würdigung des Inhalts der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme an die Stelle der Würdigung des Landesarbeitsgerichts. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es sehr wohl darauf an, ob das Landesarbeitsgericht von einer wettbewerbswidrigen Tätigkeit des Klägers überzeugt ist oder nicht. Dies ergibt sich aus § 286 Abs. 1 ZPO. Dabei reicht es aus, wenn das Landesarbeitsgericht allein die Überleitung eines Kunden auf einen Wettbewerber als geringstmögliches Tätigwerden des Klägers als festgestellt erachtet und ein weitergehendes Fehlverhalten offen läßt. Da schon das geringstmögliche Tätigwerden einen Wettbewerbsverstoß darstellt, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger tatsächlich noch andere vertragswidrige Verhaltensweisen gezeigt hat, denn eine weitergehende Feststellung wäre nicht zum Vorteil des Klägers. Hätte der Kläger selbst den neuen Vertriebsleiter für die RAM GmbH gesucht und gefunden, so wäre dies ebenfalls ein Wettbewerbsverstoß. Die Alternative, daß die Ehefrau des Klägers allein tätig geworden ist, hat das Landesarbeitsgericht eindeutig ausgeschlossen, wenn es feststellt, daß es nicht denkbar sei, daß die Ehefrau ohne jegliche Information und ohne Hinweis seitens des Klägers den Kontakt zur RAM GmbH gesucht hätte (soweit es im Urteil „Kontakt zur Beklagten” heißt, ist dies offensichtlich ein Schreibfehler).
Entgegen der Ansicht der Revision ist die Formulierung „nicht denkbar” nicht zu beanstanden. Die Revision verkennt, daß das Landesarbeitsgericht damit keinen Vortrag des Klägers „zurückgewiesen” hat, sondern daß in der Formulierung zum Ausdruck kommt, daß das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme diese Möglichkeit nach seiner freien Überzeugung (§ 286 Abs. 1 ZPO) für ausgeschlossen erachtet. Es handelt sich insoweit nicht um Mutmaßungen. Der Zeuge Dr. R. hat bekundet, daß Frau D. hinsichtlich der Besetzung der Stelle des Vertriebsleiters nach dem 15. Juli 1994 die Zusammenarbeit angeboten hat und daß sich in seinem Terminkalender für den 30. August 1994 der Eintrag „D.” findet. Vor diesem Hintergrund ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen ist, daß Frau D. entgegen der Behauptung des Klägers durch ihn bereits vor dem 2. Oktober 1994 über die RAM GmbH informiert worden war.
cc) Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe den Beweisantritt des Klägers im Schriftsatz vom 30. Dezember 1994 übergangen, greift nicht durch. Im Schriftsatz vom 30. Dezember 1994 hat der Kläger vorgetragen, seine Ehefrau habe in einem Telefonat am 2. Oktober 1994 erfahren, daß die RAM GmbH immer noch einen Vertriebsleiter suche. Für diese Behauptung hat sich der Kläger auf das Zeugnis von Frau U. D. berufen. Das Landesarbeitsgericht ist diesem Beweisantrag nicht nachgegangen.
(1) Die Rüge ist bereits unzulässig. Prozeßrügen müssen die Bezeichnung des Mangels enthalten, den die Revision geltend machen will. Es genügt nicht, lediglich vorzutragen, das Landesarbeitsgericht habe angetretene Zeugenbeweise nicht berücksichtigt. Vielmehr muß nach Beweisantrag und Beweisthema angegeben werden, zu welchem Punkt das Landesarbeitsgericht eine Beweisaufnahme unterlassen hat. Eine allgemeine Bezugnahme reicht nicht aus; in der Regel ist die vorinstanzliche Fundstelle der Beweisanträge nach Schriftsatz und – jedenfalls bei umfangreichen Schriftsätzen – Seitenzahl genau anzugeben (BAG Urteil vom 11. April 1985 – 2 AZR 239/84 – BAGE 49, 39, 52 = AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972, zu C II 1 der Gründe, m.w.N.). Zwar hat die Revision das übergangene Beweisthema und das übergangene Beweismittel nach Schriftsatz und Seitenzahl bezeichnet. Der bezeichnete Beweisantritt befindet sich jedoch im Schriftsatz des Klägers vom 30. Dezember 1994 und damit in einem Schriftsatz erster Instanz. Die Revision hat nicht dargelegt, ob der Kläger diesen Beweisantrag vor dem Berufungsgericht aufrechterhalten und insbesondere auch nach Abschluß der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme wiederholt hat. Wenn aber eine Partei nach durchgeführter Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht ausdrücklich die früher gestellten, jedoch noch nicht erledigten Beweisanträge wiederholt, so muß in aller Regel davon ausgegangen werden, daß diese Partei die früher gestellten Beweisanträge nicht aufrecht erhält (BAG Urteil vom 7. Juni 1963 – 1 AZR 276/62 – BAGE 14, 206, 211 = AP Nr. 4 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsabschluß, zu II der Gründe; BAG Urteil vom 9. Februar 1978 – 3 AZR 60/76 – AP Nr. 7 zu § 286 ZPO; BAG Urteil vom 22. Oktober 1987 – 2 AZR 147/87 – RzK I 5 c Nr. 23).
(2) Die Rüge ist im übrigen auch unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision § 286 ZPO nicht verletzt, denn der Beweisantrag war nicht schlüssig. Er war nicht geeignet, dem Gericht die Überzeugung davon zu vermitteln, daß der Kläger die RAM GmbH nicht schon vor dem 2. Oktober 1994 durch die Weitergabe von Informationen auf seine Ehefrau „gelenkt” hatte. Der Kläger hat nicht unter Beweis gestellt, daß seine Ehefrau erstmals durch das Telefonat von der Suche der RAM GmbH nach einem Vertriebsleiter erfahren hat. Die Formulierung, seine Ehefrau habe im Telefonat erfahren, daß die RAM GmbH „immer noch einen Vertriebsleiter suchen würde”, deutet darauf hin, daß Frau D. in dem Telefonat lediglich eine Bestätigung für eine bereits vorhandene Information erhalten hat. Damit brauchte das Landesarbeitsgericht dem Beweisantrag nicht nachzugehen.
2. Auch die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe die weiteren Beweisangebote des Klägers außer acht gelassen, greift nicht durch. Die Rüge ist unzulässig. Insoweit fehlt bereits jegliche Konkretisierung der jeweiligen Beweisanträge und der Beweisthemen, die nach den oben dargelegten Grundsätzen für eine zulässige Prozeßrüge erforderlich ist.
a) Zu Unrecht rügt die Revision auch, das Landesarbeitsgericht habe die ihm gemäß §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO obliegende Hinweispflicht verletzt, indem es den Kläger nicht darauf hingewiesen habe, es gehe davon aus, daß der Kläger über seine Ehefrau vermittelnd tätig geworden sei.
b) Die Rüge ist zulässig. Nach allgemeiner Meinung muß derjenige, der eine Verletzung der §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO rügt, im einzelnen angeben, was er auf einen entsprechenden Hinweis vorgebracht hätte (vgl. z.B. Senatsurteil vom 11. August 1994 – 2 AZR 9/94 – AP Nr. 31 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu II 1 b der Gründe; Zöller/Greger, ZPO, 19. Aufl., § 139 Rz 15). Diesen Anforderungen genügt die Prozeßrüge des Klägers. Der Kläger hat vorgetragen, er hätte auf den Hinweis, das Gericht gehe davon aus, daß er über seine Ehefrau vermittelnd tätig geworden sei, den Aufsichtsratsvorsitzenden der RAM GmbH als Zeugen dafür benannt, daß dieser Herrn S. von der Firma S. GmbH M. gebeten habe, dafür Sorge zu tragen, daß für die RAM GmbH ein Mitarbeiter gesucht werde.
c) Die Rüge ist jedoch nicht begründet. Eines richterlichen Hinweises nach § 278 Abs. 3 ZPO bedarf es dann, wenn eine Partei einen rechtlichen Gesichtspunkt erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat. Er ist entbehrlich, wenn eine Partei die Rechtsfrage bereits hinreichend angesprochen hat (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 19. Aufl., § 278 Rz 7). Die Beklagte hat bereits im Schriftsatz vom 8. Dezember 1994 darauf hingewiesen, daß der Kontakt des Klägers zur RAM GmbH nach der Rücknahme des Angebots mit Schreiben vom 15. Juli 1994 über seine Ehefrau lief. Darauf hat der Kläger reagiert, indem er im Schriftsatz vom 30. Dezember 1994 ausgeführt hat, seine Ehefrau habe am 2. Oktober 1994 in einem Telefongespräch erfahren, daß die RAM GmbH immer noch einen Vertriebsleiter suche. Zum Beweis dafür hat er das Zeugnis seiner Ehefrau angeboten. Der Kläger hatte somit bereits zum damaligen Zeitpunkt ersichtlich Anlaß, den Tatsachenvortrag mit dem entsprechenden Beweisangebot, den er nun in seiner Revisionsbegründung bringt, in den Prozeß einzuführen. Eines richterlichen Hinweises bedurfte es zusätzlich nicht.
3. Soweit die Revision vorträgt, die Kündigung der Beklagten sei bereits deshalb unwirksam, weil es sich um eine Verdachtskündigung handele und die Beklagte den Kläger vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß zu dem Verdacht angehört habe, kann dem nicht gefolgt werden.
Zutreffend ist allerdings, daß nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der überwiegenden Meinung in der Literatur (vgl. BAG Urteile vom 11. April 1985 – 2 AZR 239/84 – BAGE 49, 39, 55 = AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972, zu C II 3 der Gründe; zuletzt vom 13. September 1995 – 2 AZR 587/94 – AP Nr. 25 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; KR-Hillebrecht, 4. Aufl., § 626 BGB Rz 177; KR-Etzel, 4. Aufl., § 1 KSchG Rz 479; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 8. Aufl., § 125 VII 44, S. 1146; Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 1 Rz 265) die Anhörung des verdächtigen Arbeitnehmers grundsätzlich Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Verdachtskündigung ist.
Entgegen der Ansicht der Revision hat die Beklagte gegenüber dem Kläger jedoch keine Verdachtskündigung, sondern eine Tatkündigung ausgesprochen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. BAG, a.a.O.) liegt eine Verdachtskündigung dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört, Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluß maßgebend, daß der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist (BAG Urteil vom 13. September 1995 – 2 AZR 587/94 –, a.a.O.). Die Beklagte hat ihre außerordentliche Kündigung zu keinem Zeitpunkt auf den Verdacht eines vertragswidrigen Verhaltens gestützt. Sie ist – wie sich schon aus dem Schreiben der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten mit der Aufforderung zur Stellungnahme vom 18. Oktober 1994 ergibt – immer davon ausgegangen, daß der Kläger während des bestehenden Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten für eigene Rechnung einen Vertriebsleiter für die RAM GmbH gesucht und gefunden hat. Worauf diese Überzeugung beruht, ist für die Unterscheidung von Verdachts- und Tatkündigung ohne Bedeutung. Selbst wenn die Überzeugung nur auf Schlußfolgerungen beruht und nicht auf eigener Wahrnehmung, liegt deshalb noch keine Verdachtskündigung vor (vgl. BAG Urteil vom 11. April 1985 – 2 AZR 239/94 –, a.a.O.).
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß es bei einer Tatkündigung einer Anhörung des Arbeitnehmers nicht bedarf. Es kommt somit im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob der Kläger Gelegenheit hatte, innerhalb der von der Beklagten gesetzten Frist zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Die Beklagte hätte auf die Anhörung auch ganz verzichten können.
4. Daß das Landesarbeitsgericht bei der abschließenden Interessenabwägung den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Insoweit hat die Revision auch keine Rügen erhoben.
5. Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist gewahrt. Unstreitig hat der zur Kündigung berechtigte Geschäftsführer der Beklagten am 12. Oktober 1994 von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Kündigungserklärungsfrist endete somit gemäß § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 26. Oktober 1994 und damit nach dem Zugang der Kündigung beim Kläger am 20. Oktober 1994.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Fischermeier, Dr. Bächle, Kuemmel-Pleissner
Fundstellen