Entscheidungsstichwort (Thema)
Chefarzt. Abführung von Liquidationserlösen
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu – 5 AZR 441/95 – Urteil vom 22. Januar 1997, zur Veröffentlichung bestimmt.
Normenkette
BGB §§ 611, 315; BPflV § 11 Abs. 3a, 6, § 13 Abs. 3 Nr. 6a; GOÄ § 6a Abs. 1 Sätze 1, 2 Buchst. a; GSG Art. 26
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 14. Dezember 1994 – 7 Sa 16/94 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der klagende Chefarzt aufgrund einer Änderung der Bundespflegesatzverordnung verpflichtet ist, aus seinen Gebühreneinnahmen für wahlärztliche Leistungen für die Jahre 1993, 1994 und 1995 zusätzlich 10 % an den Beklagten abzugeben.
Der Kläger ist seit dem 1. April 1978 als Leitender Arzt (Chefarzt) der Urologischen Abteilung des vom beklagten Landkreis betriebenen Kreiskrankenhauses in D. beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Dienstvertrag vom 17. Februar 1978 zugrunde.
Nach § 5 Abs. 2 Ziff. 1 des Dienstvertrags wurde dem Kläger als Entgelt für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich das Recht zur Liquidation für die Behandlung von Privatpatienten eingeräumt. Zur Kostenerstattung bestimmt § 8 Abs. 2 des Dienstvertrags, daß sie in Form einer Abgabe in Höhe von 30 % aus den bei der Abrechnungsstelle nach § 7 eingegangenen unversteuerten Honorareinnahmen für Tätigkeiten des Chefarztes im Haupt- und Nebenamt durchzuführen sei. In § 14 des Dienstvertrags ist eine Entwicklungsklausel vorgesehen. Darin heißt es:
„…
3) Der vorliegende Dienstvertrag ist ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bundespflegesatzverordnung, des Bayer. Ausführungsgesetzes zum Krankenhausfinanzierungsgesetz oder einer sonstigen gesetzlichen Vorschrift insoweit nicht mehr anzuwenden, als er Regelungen enthält, die mit diesen Bestimmungen nicht vereinbar sind. In diesen Fällen, wie auch in auftretenden Zweifelsfällen, ist der Vertrag den gesetzlichen Bestimmungen ehestens anzupassen. Das in diesem Vertrag vereinbarte Recht zur ordentlichen und außerordentlichen Kündigung bleibt unberührt.”
Durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2266) wurden u.a. übergangsweise für die Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 1995 im Pflegesatzrecht und im ärztlichen Gebührenrecht für liquidationsberechtigte Krankenhausärzte Änderungen vorgenommen. Nach § 11 Abs. 3 a BPflV in der für diesen Zeitraum gültigen Fassung (BPflV 1993/95) sind Ärzte, deren Liquidationsberechtigung für Wahlleistungen vor dem 1. Januar 1993 vereinbart worden ist (sog. Altverträge),
„verpflichtet, dem Krankenhausträger die auf diese Wahlleistungen im Pflegesatzzeitraum entfallenden, nach § 13 Abs. 3 Nr. 6 a in den Jahren 1993, 1994 und 1995 nicht pflegesatzfähigen Kosten zu erstatten.”
Nach der für denselben Zeitraum gültigen Fassung des § 13 Abs. 3 BPflV 1993/95 sind nicht pflegesatzfähig:
„6 a als Kosten wahlärztlicher Leistungen nach § 7 Abs. 3 bei Kostenerstattung nach § 11 Abs. 3 a in den Jahren 1993, 1994 und 1995
- 60 vom Hundert von 85 vom Hundert des für diese Leistungen zwischen dem Krankenhausträger und dem Arzt vereinbarten … Gesamtbetrags für das Nutzungsentgelt (Kostenerstattung und Vorteilsausgleich sowie diesen vergleichbare Abgaben) sowie
- unabhängig und außerhalb des Nutzungsentgelts 10 vom Hundert der auf die wahlärztlichen Leistungen vor Abzug der Gebührenminderung nach § 6 a Abs. 1 Satz 2 der Gebührenordnung für Ärzte … entfallenden Gebühren.”
Nach § 6 a Abs. 1 GOA in der seit dem 1. Januar 1993 (GOÄ 1993/95) geltenden Fassung sind die nach der GOÄ berechenbaren Gebühren für stationäre Leistungen um 25 % zu mindern (Satz 1); jedoch beträgt die Minderung der GOÄ-Sätze für Ärzte, deren Liquidationsberechtigung für Wahlleistungen vor dem 1. Januar 1993 vereinbart worden sind, für in den Jahren 1993, 1994 und 1995 erbrachte wahlärztliche Leistungen nur 15 % (Satz 2 Buchst. a).
§ 11 Abs. 6 BPflV i.d.F. ab 1. Januar 1993 bestimmt, daß
„vertragliche Regelungen über die Entrichtung eines Entgelts bei der Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material des Krankenhauses, soweit sie ein über die Kostenerstattung hinausgehendes Nutzungsentgelt festlegen, und sonstige Abgaben der Ärzte durch die Vorschriften der Absätze 1 bis 5 nicht berührt werden.”
Nach Art. 26 GSG sind vertragliche Vereinbarungen, auch soweit sie vor dem 1. Januar 1993 abgeschlossen worden sind, in den Teilen unwirksam, in denen sie mit den Regelungen dieses Gesetzes nicht vereinbar sind; die Vertragsparteien haben die Vereinbarungen bis zum 31. März 1993 den gesetzlichen Vorgaben anzupassen; § 71 Abs. 2 SGB V gilt entsprechend.
Der beklagte Landkreis schrieb dem Kläger unter dem 25. März 1993 folgendes:
„…
durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21.12.1992 wurde der Kostenabzug für wahlärztliche Leistungen bei der Ermittlung der Selbstkosten der Krankenhäuser mit Wirkung vom 01.01.1993 neu geregelt. Gleichzeitig wird für sog. Altverträge (Verträge, die vor dem 01.01.1993 geschlossen wurden) durch § 11 Abs. 3 a i.V.m. § 13 Abs. 3 Nr. 6 a der BPflV eine Anpassung an die Bestimmungen des GSG vorgenommen.
Soweit vertragliche Vereinbarungen mit den Regelungen des Gesetzes nicht vereinbar sind, sind sie gem. Art. 26 GSG unwirksam.
Aufgrund der in § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. b enthaltenen Regelung für liquidationsberechtigte Altverträgler sind Sie verpflichtet, neben der bisherigen vertraglichen Abgabenregelung weitere 10 v. H. der auf die wahlärztlichen Leistungen vor Abzug der gesetzlichen Minderung nach § 6 a GOÄ entfallenden Gebühren an das Krankenhaus abzuführen. Diese Regelung gilt für alle wahlärztlichen Leistungen, die ab dem 01.01.1993 erbracht und berechnet werden und endet am 31.12.1995, wenn die gesetzliche Minderung nach § 6 a GOÄ einheitlich auch für die sog. Altverträgler auf 25 v. H. umgestellt wird.
…”
Der Kläger macht geltend, der Beklagte sei nicht berechtigt, von den Bruttohonorareinnahmen für wahlärztliche Leistungen weitere 10 % zusätzlich einzubehalten. Die Regelungen in den §§ 11 Abs. 3 a, 13 Abs. 3 Nr. 6 a BPflV 1993/95 besagten nicht, daß er zusätzlich zur vereinbarten Nutzungsentgeltpauschale weitere 10 % aus seiner Liquidation für Wahlarztleistungen abzuführen habe. Die zusätzliche Abführung komme erst in Betracht, wenn die vereinbarte Nutzungsentgeltpauschale hinter den Beträgen zurückbleibe, die sich aus der Summe der Beträge aus den Regelungen unter den Buchst. a) und b) in § 13 Abs. 3 Nr. 6 a BPflV 1993/95 ergebe. Das aber sei nicht der Fall.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß der Beklagte nicht berechtigt ist, von den Bruttohonorareinnahmen des Klägers aus Privatliquidation zusätzlich zu der vertraglich vereinbarten Nutzungsentgeltpauschale in Höhe von 30 % weitere 10 % in Abzug zu bringen.
Der beklagte Landkreis hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat erwidert: Der Kläger schulde ihm grundsätzlich zur vereinbarten Erstattung die Abführung weiterer 10 % seiner Honorare aus wahlärztlichen Leistungen für die Jahre 1993, 1994 und 1995. Die vom Kläger vorgenommene Saldierung sei mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat zusätzlich zur vertraglich vereinbarten Kostenerstattung für die Jahre 1993, 1994 und 1995 weitere 10 % seiner auf die wahlärztlichen Leistungen vor Abzug der Gebührenminderung nach § 6 a Abs. 1 Satz 2 GOÄ entfallenden Gebühren an den Beklagten abzuführen. Dies haben das Landesarbeitsgericht und das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
I. Der Feststellungsantrag ist dahin auszulegen, daß er die Zeit der Budgetierung umfaßt, d.h. die Jahre 1993, 1994 und 1995. Der Rechtsstreit, insbesondere die Klagebegründung, gibt keinen Anlaß anzunehmen, daß sich die Feststellung auch auf die Rechtslage beziehen sollte, die ab 1. Januar 1996 gilt.
II. Dem Landesarbeitsgericht ist nicht darin zu folgen, daß sich diese Verpflichtung bereits von Gesetzes wegen aus der Bundespflegesatzverordnung ergibt. Ebensowenig ist der Dienstvertrag der Parteien von Gesetzes wegen entsprechend geändert worden.
1. Nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 3 a BPflV 1993/95 ist ein Arzt, dessen Berechtigung zur Privatliquidation wahlärztlicher Leistungen – wie hier – auf einem vor dem 1. Januar 1993 geschlossenen Vertrag beruht, zwar verpflichtet, dem Krankenhausträger zusätzliche 10 % seiner Honorare aus Wahlleistungen zu erstatten. Zudem sind in § 11 BPflV 1993/95 nur für die Kostenerstattung aus Ambulanz (Abs. 1) und belegärztlicher Tätigkeit (Abs. 2) Anpassungen der vertraglichen Regelung vorgesehen, nicht aber für wahlärztliche Leistungen (Absätze 3, 3 a). Gleichwohl normiert § 11 Abs. 3 a BPflV 1993/95 nicht schon von Gesetzes wegen eine Leistungspflicht der liquidationsberechtigten Krankenhausärzte gegenüber dem Krankenhausträger oder eine Änderung der vertraglichen Beziehungen zwischen dem liquidationsberechtigten Arzt und seinem Arbeitgeber. Denn Art. 26 Satz 1 bis 3 GSG ordnet ausdrücklich die Anpassung solcher vertraglichen Vereinbarungen an, die vor dem 1. Januar 1993 abgeschlossen wurden und mit den Regelungen des GSG nicht vereinbar sind. Hiernach sind Vereinbarungen, die vor dem 1. Januar 1993 abgeschlossen wurden, in den Teilen unwirksam, in denen sie mit den Regelungen des GSG nicht vereinbar sind und insoweit bis zum 31. März 1993 anzupassen. Dabei überläßt es das Gesetz den Parteien des Arbeitsvertrags, eine Anpassung vorzunehmen (vgl. zur Anpassungsregelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 BPflV 1986: BAG Urteile vom 25. Februar 1988 – BAGE 57, 344, 356 f. = AP Nr. 18 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag; vom 25. Juli 1990 – 5 AZR 394/89 – AP Nr. 24 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag, unter I 2 der Gründe). Der Senat teilt die Ansicht nicht, Art. 26 GSG sei nicht auf Verträge zwischen dem Krankenhausarzt und dem Krankenhausträger hinsichtlich der Abführung bzw. der Kostenerstattung anzuwenden, weil diese Vorschrift nach der amtlichen Begründung nur für Vereinbarungen hinsichtlich der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen (Kassenleistungen) anzuwenden sei (Tuschen/Quaas, Bundespflegesatzverordnung, 1993, S. 201). Diese Ansicht findet im insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ebensowenig Ausdruck wie in der amtlichen Begründung. Darin heißt es lediglich, „um die Ziele des Reformpakets zu erreichen, können dem Gesetz zuwiderlaufende Vereinbarungen nicht aufrechterhalten bleiben. Das Gesetz formuliert die Bedingungen und Voraussetzungen der Beteiligung an der gesetzlichen Krankenversicherung neu; insoweit entfallen die Geschäftsgrundlagen für überholte Vereinbarungen” (BT-Drucks. 12/3608 S. 155).
2. Trotz dieses Rechtsfehlers erweist sich das Urteil des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis als richtig, weil der Beklagte eine entsprechende Anpassung des Dienstvertrags der Parteien durch sein Schreiben vom 25. März 1993 vorgenommen hat. Diese Anpassung ist mit Rücksicht auf die Änderung der Gesetzeslage und die vertraglichen Beziehungen der Parteien von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
a) Das Gesetz erläutert nicht, mit welchen rechtlichen Gestaltungsmitteln die vertraglichen Regelungen anzupassen sind. Als rechtliche Gestaltungsmittel kommen die Änderungskündigung, die Ausübung eines vertraglich vereinbarten Widerrufsvorbehalts, der Abschluß eines Änderungsvertrags und die Berufung auf das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht. Welches Gestaltungsmittel anzuwenden ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach den vertraglichen Vereinbarungen (BAG Urteil vom 25. Februar 1988 – BAGE 57, 344, 360 = AP Nr. 18 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag, m.w.N.).
Vorliegend war eine Anpassung des Arbeitsvertrags (Dienstvertrags) durch Widerruf der Abgabenregelung wegen Änderung des Pflegesatzrechts vorzunehmen. Die Klausel in § 14 Abs. 3 des Dienstvertrags stellt einen wechselseitigen Widerrufsvorbehalt zum Zweck der Anpassung der vertraglichen Abgabenregelung an gesetzliche Änderungen des Pflegesatzrechts dar.
b) Durch das GSG ist eine solche zwingende gesetzliche Änderung des Pflegesatzrechts hinsichtlich der Ärzte, deren Liquidationsberechtigung für solche Wahlleistungen – wie hier – vor dem 1. Januar 1993 vereinbart worden ist, für die Jahre 1993, 1994 und 1995 eingetreten.
Die für die Pflegesatzberechnung maßgebliche Regelung der Kostenerstattung bei wahlärztlichen Leistungen ist durch die neu geschaffenen Bestimmungen in § 11 Abs. 3 a BPflV 1993/95 geändert worden. Hiernach hat der Arzt mit Altvertrag die auf diese Wahlleistungen im Pflegesatzzeitraum (1993, 1994 und 1995) nach § 13 Abs. 3 Nr. 6 a BPflV 1993/95 nicht pflegesatzfähigen Kosten zu erstatten. Zugleich ist in der neu geschaffenen Bestimmung des § 11 Abs. 6 BPflV 1993/95 angeordnet worden, daß vertragliche Regelungen, soweit sie ein über die Kostenerstattung hinausgehendes Nutzungsentgelt festlegen, u.a. durch § 11 Abs. 3 a nicht berührt werden. Die Bestimmungen über die nicht pflegesatzfähigen Kosten wahlärztlicher Leistungen sind für denselben Zeitraum durch § 13 Abs. 3 Nr. 6 a BPflV 1993/95 dahingehend geändert, daß einerseits nur noch 60 % von 85 % des zwischen Krankenhausträger und Arzt vereinbarten Gesamtbetrags für das Nutzungsentgelt nicht pflegesatzfähig sind (Buchst. a), andererseits unabhängig davon und außerhalb des Nutzungsentgelts 10 % der auf die wahlärztlichen Leistungen entfallenden ungeminderten Gebühren ebenfalls nicht pflegesatzfähig sind (Buchst. b). Zugleich ist für denselben Zeitraum für Ärzte mit einer Liquidationsberechtigung aus der Zeit vor dem 1. Januar 1993 in § 6 a Abs. 1 Satz 2 GOÄ 1993/95 anstelle des sonst geltenden Honorarabschlags von 25 % ein Abschlag von nur 15 % angeordnet worden. Ab 1. Januar 1996 beträgt der Honorarabschlag auch für diese Ärzte 25 % (§ 6 a Abs. 1 Satz 1 GOÄ).
c) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß eine Anpassung der vertraglichen Abgaberegelung zugunsten der Krankenhausträger nur vorzunehmen sei, wenn die vertraglich vereinbarten Abgaben des Arztes insgesamt geringer sind als die, die sich aus der Zusammenrechnung der Abführungsbeträge nach § 13 Abs. 6 a Buchst. a und Buchst. b ergibt. Diese Ansicht wird auch in der Literatur vertreten (Andreas, Arztrecht, 1993, 77, 81 f.; Rieger, Deutsche Medizinische Wochenschrift (DMW) 1993, 395, 396 f.). Dagegen nehmen andere an, die 10 % aus den ungeminderten Gebühren seien stets zusätzlich abzuführen (Baur/Jansen, Arzt und Krankenhaus, 1993, 31 f.; Tuschen/Quaas, a.a.O., S. 200, 201; Grupp, Deutsches Ärzteblatt 90, 1993, Heft 33, S. 16 f.). Der zuletzt genannten Ansicht ist der Vorzug zu geben.
Die Regelung in Buchst. b, a.a.O., korrespondiert mit der in § 6 a Abs. 1 Satz 2 GOÄ 1993/95. Die dort gegenüber der in Satz 1, a.a.O., um 10 % geringere Gebührenabsenkung, d.h. die insoweit höhere Einnahme an Gebühren für wahlärztliche Leistungen, soll ungeschmälert den Krankenhäusern zufließen, und zwar in der Weise, daß dieser Gebührenanteil nach § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. b vom Arzt einzunehmen und an den Krankenhausträger abzuführen ist (vgl. BT-Drucks. 12/3608 S. 140). Damit soll während der sog. Budgetierungsphase nicht nur die Einnahmeseite der Krankenhäuser verbessert werden, sondern die Ärzte tragen im Umfang der Aufschiebung der Gebührenminderung in dieser Zeit zur Pflegesatzentlastung bei. Dieser Effekt, nämlich die ungeschmälerte Weiterleitung der 10 % Gebühreneinnahmen nach GOÄ, um die die Gebührenabsenkung für Altverträge ausgesetzt ist, würde nicht erreicht, wenn andererseits die vertragliche Abgabenlast auf 60 % von 85 %, d.h. effektiv auf 51 % gemindert würde. Für eine solche Minderung spricht zwar die Regelung in § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. a BPflV 1993/95. Der Wortlaut dieser Bestimmung erweckt, wie Tuschen/Quaas zu Recht kritisch bemerken (Bundespflegesatzverordnung, 1993, S. 201), den Eindruck, als habe der Arzt mit Altvertrag hiernach lediglich 51 % der bisherigen Abgaben abzuführen. Hierauf stützt sich auch die Ansicht, daß auch aus systematischen Gründen erst eine Unterschreitung der Summe aus den gesetzlichen Abgaberegelungen gem. Buchst. a und Buchst. b des § 13 Abs. 3 Nr. 6 a BPflV 1993/95 zur Anpassung der vertraglichen Abgaberegelung führen könne (Andreas, Arztrecht, 1993, S. 77, 81 f.; ähnlich Rieger, DMW 1993, 395 f.).
Diese Auffassung läßt jedoch mehrere Gesichtspunkte außer Betracht, die dafür sprechen, daß eine solche Saldierung nicht der gesetzlichen Regelung entspricht, soweit es um die Abgaben des Arztes an den Krankenhausträger geht.
Bereits das „sowie” am Ende des Textes in § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. a BPflV 1993/95 deutet darauf hin, daß die Abführungsregelungen in beiden Buchstaben kumulativ zu verstehen sind. Dieser Wortlaut besagt für sich allein zwar noch nichts darüber, in welchem Verhältnis eine vertragliche Kostenerstattungsregelung zur Summe der Abführungen aus Buchst. a und b des § 13 Abs. 3 Nr. 6 a BPflV 1993/95 steht und wie sich diese wiederum zu § 11 Abs. 3 a BPflV 1993/95 verhält. Aufschluß gibt insoweit jedoch die gleichzeitig in Kraft getretene Regelung in § 11 Abs. 6 BPflV 1993/95. Hiernach werden „… vertragliche Regelungen über die Entrichtung eines Entgelts bei der Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material des Krankenhauses, soweit sie ein über die Kostenerstattung hinausgehendes Nutzungsentgelt festlegen, … durch die Vorschriften der Absätze 1 bis 5 nicht berührt”. Dies macht deutlich, daß es sich bei § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. a BPflV 1993/95 um eine Regelung handelt, die die pflegesatzmindernden Einnahmen der Krankenhäuser aus den Nutzungsentgelten kappt, daß aber dadurch die Höhe des Nutzungsentgelts nicht zu Lasten der Krankenhäuser verringert werden sollte (vgl. Schreiben des Bundesministers für Gesundheit vom 9. Februar 1993 an die Arbeitsgemeinschaft für Arztrecht, abgedruckt bei Andreas, Arztrecht, 1993, 77 ff., 82). Unter diesem Gesichtspunkt handelt es sich bei der Frage, inwieweit das Nutzungsentgelt den Pflegesatz mindert, um eine Höchstbetragsregelung zugunsten der Krankenhäuser, nicht aber um eine Regelung zur Minderung der Abgabenlast der Ärzte. Insoweit fallen die Regelungen über die Abgabenlast der Ärzte (§ 11 Abs. 3 a BPflV 1993/95) und die Entlastung des Pflegesatzes nach § 13 Abs. 3 Nr. 6 a BPflV 1993/95 auseinander. Die Abgabenlast der Ärzte ist höher als die Entlastung des Pflegesatzes. Während bisher die volle Kostenerstattung einschließlich Vorteilsausgleich, berechnet auf 85 % der Einnahmen nach GOÄ, zur Verringerung des Pflegesatzes führte, ist dies in den Jahren 1993, 1994 und 1995 nur zu 60 % der Fall.
Des weiteren hätte die Auffassung, nur bei einem Zurückbleiben des vertraglichen Nutzungsentgelts hinter der Summe der Abführungen aus § 13 Abs. 3 Nr. 6 a BPflV 1993/95 sei eine Anpassung möglich, zur Folge, daß der Krankenhausarzt mit einer vor 1993 vereinbarten Liquidationsberechtigung für Wahlleistungen während der Budgetierungsphase zur finanziellen Erholung des Krankenhauses nicht nur nichts zusätzlich beizutragen hätte, wenn seine vertragliche Kostenerstattung nicht hinter dem Saldo innerhalb des § 13 Abs. 3 Nr. 6 a BPflV 1993/95 zurückbleibt, sondern daß sogar in dieser Zeit infolge der scheinbaren Verringerung der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. a BPflV 1993/95 wirtschaftlich einen größeren Überschuß behält. Die Gebührenminderung um 15 % ist nicht erst ab 1. Januar 1993 durch das GSG vom 21. Dezember 1992 eingeführt worden, sondern bereits mit Wirkung vom 1. Januar 1985 durch die Zweite Verordnung zur Änderung der GOÄ vom 20. Dezember 1984 (BGBl. I S. 1680; vgl. auch BAG Urteil vom 25. Juli 1990 – 5 AZR 394/89 – BAGE 65, 290 = AP Nr. 24 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag). Wirtschaftlich käme die Aussetzung der weiteren Gebührenminderung für die Jahre 1993 bis 1995 (§ 6 a Abs. 1 Satz 2 GOÄ 1993/95) nicht dem Krankenhaus, sondern dem Arzt zugute. Das aber stünde der Absicht des Gesundheitsstrukturgesetzes direkt entgegen. Mit diesem Gesetz sollte die Wirtschaftskraft der Krankenhäuser gestärkt, nicht aber die Einnahmeüberschüsse der Ärzte mit Altverträgen zur Liquidationsberechtigung bei ärztlichen Wahlleistungen erhöht werden.
Zudem ist die Verrechnung oder Saldierung der Beträge aus den Regelungen in den Buchstaben a) und b) des § 13 Abs. 3 Nr. 6 a BPflV 1993/95 durch den Wortlaut in Buchst. b) ausdrücklich ausgeschlossen worden: Die dort genannten 10 % sind „unabhängig und außerhalb des Nutzungsentgelts” nicht pflegesatzfähig. Diese Worte waren zwar im Fraktionsentwurf des GSG (Art. 12) noch nicht enthalten, sondern sind erst durch Beschluß des federführenden BT-Ausschusses für Gesundheit (49. Sitzung) aufgrund entsprechender Vorentwürfe in den Gesetzentwurf eingebracht worden. Aufgrund eines Übertragungsfehlers wurden diese Worte nicht in die Beschlußvorlage für den Bundestag aufgenommen. Der Bundestag stimmte dieser irrtümlich formulierten Gesetzesfassung am 9. Dezember 1992 zu. Nachdem der Vorsitzende des federführenden BT-Ausschusses für Gesundheit am 11. Dezember 1992 auf den Fehler hingewiesen hatte, bat der Direktor des Bundestags den Direktor des Bundesrats, eine Berichtigung nach § 122 GeschO-BT zu veranlassen. In seiner Sitzung vom 18. Dezember 1992 stimmte der Bundesrat der endgültigen Gesetzesfassung zu (Schreiben des Direktors des Deutschen Bundestags vom 8. Februar 1995 nebst Anlagen, Bl. 163–193 Akte LAG Düsseldorf – 5 Sa 1530/94 – /ArbG Wuppertal – 6 Ca 178/94 – = Vor A zu – 5 AZR 457/95 –; siehe auch LAG Düsseldorf Urteil vom 20. April 1995 – 5 Sa 1530/94 –).
3. Bei der zusätzlichen Abführung von 10 % der ungeminderten Honorareinnahmen (§ 13 Abs. 3 Nr. 6 a Buchst. b BPflV 1993/95) handelt es sich nicht um eine verfassungsrechtlich unzulässige Sonderabgabe. Eine Sonderabgabe liegt vor, wenn es sich um eine öffentliche Abgabe handelt, die weder als Steuer noch als sog. Vorzugslast (z.B. Gebühren oder Beiträge) zu qualifizieren ist (BVerfG Urteil vom 10. Dezember 1980 – 2 BvF 3/77 – NJW 1981, 329, 330, unter C I 1 der Gründe). Diese Voraussetzung liegt – jedenfalls im Verhältnis zwischen dem Beklagten und der Klägerin – nicht vor. In diesem Verhältnis handelt es sich bei der Abgabe vielmehr um eine Vorzugslast, nämlich in der Sache um einen Vorteilsausgleich.
Die Regelungen in den § 11 Abs. 3 a und 6, § 13 Abs. 3 Nr. 6 a BPflV 1993/95, § 6 a Abs. 1 Satz 2 GOÄ 1993/95 und Art. 26 Satz 1 bis 3 GSG insgesamt verstoßen auch nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG, auch wenn durch die Anpassung der vertraglichen Abgaberegelung in erworbene Rechte eingegriffen wird. Die vertragliche Zusicherung von Liquidationsrechten und dazugehörigen Abgaberegelungen begründen keinen abschließenden Bestandsschutz; vielmehr durfte der Gesetzgeber im Rahmen der Neuordnung des Krankenhauswesens in eingeräumte Liquidationsrechte der Krankenhausärzte eingreifen, wenn sich seine Ziele – im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit – nur auf diese Weise verwirklichen lassen und wenn er dabei die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit beachtet (BAG Urteil vom 25. Februar 1988 – BAGE 57, 344, 358 = AP Nr. 18 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag; vgl. für den Fall der Einschränkung vertraglich vereinbarter Liquidationsmöglichkeiten beamteter Chefärzte durch das Krankenhausreformgesetz 1973: BVerfG Beschluß vom 7. November 1979 – 2 BvR 513, 558/74 – BVerfGE 52, 303 = NJW 1980, 1327). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das Gesundheitsstrukturgesetz soll die Krankenhausfinanzierung grundlegend reformieren und sicherstellen. Hierzu war es erforderlich, auch in die Rechtspositionen der liquidationsberechtigten Krankenhausärzte einzugreifen, um die Finanzkraft der Krankenhäuser ohne erneute Belastung der gesetzlichen Krankenkasse zu stärken. Dies hat der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit dadurch vorgenommen, daß er bei Ärzten mit Altverträgen für die Zeit der Budgetierung (1993 bis 1995) die GOÄ-Honorareinnahmen nicht zusätzlich um 10 % gemindert, andererseits aber angeordnet hat, daß diese 10 % pflegesatzmindernd zu berücksichtigen sind und entgegenstehende vertragliche Regelungen insoweit anzupassen sind.
4. Die vom Beklagten vorgenommene Anpassung ist als Ausübung des vertraglich vorbehaltenen Widerrufsrechts nur wirksam, wenn sie billigem Ermessen entspricht (§ 315 BGB). Der Gesetzgeber hat dadurch, daß die vertraglichen Regelungen über die Nutzungsentschädigung bzw. die Abgaben des Arztes an das Krankenhaus nicht von Gesetzes wegen geändert werden, sondern nur anzupassen sind, den Krankenhäusern die Möglichkeit eingeräumt, eine Anpassung in vollem Umfang der Änderung der Rechtslage vorzunehmen, aber auch, hiervon ganz oder teilweise abzusehen oder Übergangsregelungen zu schaffen.
a) Der Beklagte hat sich für eine sofortige und uneingeschränkte Anpassung entschieden, indem er den Kläger mit Schreiben vom 25. März 1993 aufgefordert hat, für die Jahre 1993, 1994 und 1995 zusätzlich 10 % der Honorareinnahmen an ihn abzuführen.
b) Dies hält sich im Rahmen billigen Ermessens. Das Landesarbeitsgericht hat diese Frage zwar nicht geprüft. Gleichwohl war der Rechtsstreit nicht zurückzuverweisen. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt ermöglicht dem Senat eine abschließende Entscheidung (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Nach dem Zweck des Gesetzes ist die Absenkung (Minderung) der Honorare für wahlärztliche Leistungen nach § 6 a Abs. 1 Satz 2 GOÄ um weitere 10 % für die Jahre 1993, 1994 und 1995 deshalb zurückgestellt worden, damit die liquidationsberechtigten Ärzte mit Altverträgen diese Beträge zum Ausgleich der besonderen Pflegesatzminderung an die Krankenhausträger abführen. Der Umstand, daß die Absenkung der GOÄ-Honorare für diesen Zeitraum ausdrücklich aufgeschoben worden ist, damit diese Beträge den Krankenhäusern zugute kommen, führt dazu, daß grundsätzlich die völlige Anpassung der Verträge an die neue Rechtslage den Rahmen des billigen Ermessens nicht überschreitet. Ob anders zu entscheiden wäre, z.B. dann, wenn dem liquidationsberechtigten Arzt praktisch keine wesentlichen Einnahmeteile mehr verblieben, kann dahingestellt bleiben. Solche Umstände liegen hier nicht vor. Dem Kläger verbleiben bei der zusätzlichen Abführung weiterer 10 % der aufgeschobenen Gebührenabsenkung aus seinen Buttohonorareinnahmen 60 % vor Abführung des Anteils an den Mitarbeiterpool und 40 % nach Abführung dieses Anteils. Sonstige Umstände, aus denen sich ergeben könnte, daß die völlige Anpassung der vertraglichen Regelungen gegen § 315 BGB verstoßen könnte, liegen nicht vor.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke, Werner, Ackert
Fundstellen