Entscheidungsstichwort (Thema)
Parteifähigkeit einer im Handelsregister gelöschten GmbH
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Streit über die Partei- und Prozeßfähigkeit einer beklagten GmbH wird diese als parteifähig behandelt.
2. Der Senat läßt offen, ob eine beklagte GmbH im anhängigen Rechtsstreit ihre Parteifähigkeit verlieren kann mit der Folge, daß die Klage unzulässig wird.
3. Die Eintragung im Handelsregister, die GmbH sei aufgelöst im Sinne von § 1 Abs 1 Löschungsgesetz, führt nicht zum Verlust der Rechts- und Parteifähigkeit.
4. Eine beklagte GmbH verliert ihre Rechts- und Parteifähigkeit nicht schon dann, wenn sie vermögenslos wird. Der Tatbestand der eingetretenen Vermögenslosigkeit muß auch im Handelsregister eingetragen werden.
5. Falls sich die beklagte GmbH im Rechtsverkehr einer Schadenersatzforderung berühmt, ist sie nicht vermögenslos.
Normenkette
ZPO § 50; GmbHG §§ 60, 66; LöschG §§ 1-2
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 28.05.1986; Aktenzeichen 2 Sa 1133/85) |
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 18.09.1985; Aktenzeichen 2 Ca 1211/85) |
Tatbestand
Der Kläger war für die Beklagte als Kraftfahrer im internationalen Fernverkehr tätig. Er verlangt rückständigen Arbeitslohn nebst Spesen sowie eine anteilige Urlaubsabgeltung. Die Beklagte hat die Forderungen des Klägers bestritten und hilfsweise die Aufrechnung mit Schadenersatzansprüchen erklärt, die die Klageforderung übersteigen. Sie hat sich außerdem darauf berufen, sie sei rechtlich nicht mehr existent und daher nicht mehr rechts- und parteifähig.
Die Beklagte ist durch Gesellschaftsvertrag vom 17. Februar 1984 gegründet und am 7. Mai 1984 in das Handelsregister eingetragen worden. Durch Beschluß des Amtsgerichts Neustadt/Weinstraße vom 30. Juli 1985 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Beklagten gemäß § 107 Abs. 1 KO mangels Masse abgelehnt. Darauf wurde am 21. Oktober 1985 die Auflösung der Gesellschaft gemäß § 1 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. Oktober 1934 (RGBl I, 914 - LöschG) im Handelsregister eingetragen.
Der Kläger hat mit Eingang vom 15. Mai 1985 Klage erhoben und vorgetragen, er sei vom 1. April bis zum 7. Mai 1985 für die Beklagte tätig gewesen. Ihm stehe daher das im Arbeitsvertrag vereinbarte Bruttoentgelt von monatlich 2.200,-- DM, insgesamt also von 2.713,32 DM zu. Außerdem habe er Spesen im Gesamtbetrag von 1.491,-- DM zu bekommen. Da die Beklagte 1.012,-- DM gezahlt habe, habe er noch Anspruch auf einen Rest von 3.192,32 DM. Daneben schulde ihm die Beklagte eine anteilige Urlaubsabgeltung für 1,5 Tage in Höhe von 110,-- DM.
Nachdem gegen den Kläger ein Versäumnisurteil ergangen war, hat er beantragt,
das Versäumnisurteil vom 12. Juni 1985 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen,
1. an ihn DM 3.192,32 brutto zu zahlen nebst
4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit,
2. an ihn DM 110,-- brutto als Abgeltung für
den Urlaub zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten. Sie hat vorgetragen, der Kläger habe für April und Mai 1985 nur Lohnansprüche in Höhe von 851,-- DM und 513,39 DM. Davon seien aber 293,33 DM abzuziehen, weil er den Lkw vier Tage habe stehen lassen. Spesen könne er deshalb nicht verlangen, weil er weder abgerechnet noch die Tachographenscheiben vorgelegt habe. Darüber hinaus habe sich der Kläger schadenersatzpflichtig gemacht. Er habe den Wagen in Athen ohne Grund stehen lassen und sich nicht gemeldet, so daß die Rückladung nicht rechtzeitig habe aufgenommen werden können. Dadurch sei ihr ein Schaden von 350,-- DM entstanden. Nach der Rückkehr habe der Kläger den Wagen in Konstanz erneut stehen lassen. Sie hätte ihn anderweit einsetzen können und habe durch die Untätigkeit des Klägers einen Ausfall von mindestens 5.000,-- DM gehabt. Schließlich habe sie, vom Kläger zu vertreten, das Transportgut auf Paletten umsetzen lassen müssen, wodurch ihr zusätzliche Kosten von 546,64 DM entstanden seien.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an den Kläger 3.232,39 DM zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
A. Die Revision ist zulässig. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte noch als juristische Person existiert oder nicht. Der Kläger ist in zweiter Instanz unterlegen. Gegen dieses Urteil steht ihm kraft Zulassung durch das Landesarbeitsgericht die Revision offen. Außerdem ist mit der Rechtsfähigkeit der Beklagten zugleich deren Partei- und Prozeßfähigkeit im Streit (§§ 50, 51 ZPO). Dieser Streit kann nur ausgetragen werden, wenn die Beklagte als parteifähig behandelt wird (BGHZ 24, 91, 94; BGHZ 74, 212 = NJW 1979, 1592; BGH Urteil vom 29. September 1981 - VI ZR 21/80 - NJW 1982, 238).
B. Die Revision ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Klage sei unzulässig geworden.
I. Es ist in der Rechtsprechung und in der wissenschaftlichen Literatur umstritten, ob eine juristische Person während eines gegen sie anhängigen Rechtsstreits ihre Parteifähigkeit verlieren kann mit der Folge, daß die Klage unzulässig wird (bejahend: BGH Urteil vom 5. April 1979 - II ZR 73/78 - BGHZ 74, 212 = NJW 1979, 1592; BGH, aa0, NJW 1982, 238; anderer Ansicht: BAGE 36, 125 = AP Nr. 4 zu § 50 ZPO; wohl auch BAG Urteil vom 9. Februar 1978 - 3 AZR 260/76 - AP Nr. 7 zu § 286 ZPO, zu I 2 der Gründe; BFH Urteil vom 26. März 1980 - 1 R 111/79 - AP Nr. 3 zu § 50 ZPO, zu 2 a der Gründe; aber wie das BAG wohl auch BGH Urteil vom 23. Oktober 1980 - IV a 79/80 - JZ 1981, 631; vgl. ferner Stumpf in Anmerkung zu AP Nr. 4 zu § 50 ZPO; Theil, JZ 1979, 567; ders. JZ 1981, 631; ders. JZ 1982, 373, jeweils mit weiteren Nachweisen). Im vorliegenden Verfahren braucht diese Frage nicht entschieden zu werden. Die Klage ist selbst dann nicht unzulässig geworden, wenn man dies mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. April 1979 für rechtlich möglich hält.
II. Die Beklagte hat entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ihre Rechts- und Parteifähigkeit nicht verloren.
1. Die Beklagte ist nach Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse gem. § 1 Abs. 1 LöschG als aufgelöst im Handelsregister eingetragen worden. Wie auch das Berufungsgericht erkannt hat, führt nicht schon diese Eintragung zum Untergang der Gesellschaft als juristische Person. Die Vorschrift ergänzt § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG, wonach die Gesellschaft durch die Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst wird. Folge der Auflösung ist, daß die Gesellschaft nicht mehr als werbende existiert, sondern nach Maßgabe der §§ 66 ff. GmbHG zu liquidieren ist. Die Parteifähigkeit besteht fort (BGH Urteil vom 23. Oktober 1980 - IV a ZR 79/80 - WM 1980, 1431; Baumbach/Hueck, GmbHG, 14. Aufl., Anhang § 60 Anm. 3 zu § 1 LöschG; Rasner in Rowedder/Fuhrmann/Koppensteiner/Lanfermann/Rasner/Rittner/Zimmermann, GmbHG, 1985, § 60 Rz 5 und Anh. zu § 60 Rz 6; Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl., § 60 Rz 5 f. und Anh. § 60 Rz 11; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 6. Aufl., § 60 Rz 5 und Anh. § 60 Rz 4).
2. Die Beklagte hat ihre Rechts- und Parteifähigkeit auch nicht nach § 2 LöschG verloren.
Nach dieser Vorschrift kann eine Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die kein Vermögen besitzt, auf Antrag der amtlichen Berufsvertretung des Handelsstandes oder der Steuerbehörde oder von Amts wegen gelöscht werden; mit der Löschung gilt die Gesellschaft als aufgelöst. Eine Liquidation findet nicht statt. Das Gesetz geht hier also davon aus, daß liquidationsfähige Vermögenswerte nicht mehr vorhanden sind. Deshalb wird die Auffassung vertreten, daß die Löschung nach § 2 LöschG zum Untergang der Gesellschaft, also zum Verlust der Rechts- und Parteifähigkeit führe. Die Einzelheiten sind streitig. Insbesondere ist in der Literatur umstritten, ob die Vermögenslosigkeit oder die Löschung oder erst beide Tatbestände zusammen zum Untergang der Gesellschaft führen (vgl. die Nachweise bei Baumbach/Hueck, aaO, Anh. § 60, § 2 LöschG, Rz 9). Da es aber im Streitfall nicht um eine Löschung aufgrund des § 2, sondern des § 1 LöschG geht, braucht hierauf nicht näher eingegangen zu werden.
3. Die Beklagte hat schließlich ihre Rechts- und Parteifähigkeit nicht dadurch verloren, daß sie vermögenslos geworden ist.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Gesellschaft sei dadurch beendet worden, daß sie vermögenslos geworden sei und deshalb für eine Liquidation jede Grundlage fehle. Schon diese Rechtsauffassung, die zwar der noch herrschenden Meinung entspricht (vgl. die zahlreichen Nachweise bei Rasner, aaO, Anh. § 60 Rz 16) erscheint nicht unbedenklich. Nach Auffassung einer im Vordringen begriffenen neueren Lehre müssen aus Gründen der Rechtsklarheit zwei Tatbestände erfüllt sein, also Vermögenslosigkeit der Gesellschaft und Eintragung der Vermögenslosigkeit im Handelsregister (z.B. Rasner, aaO, § 60 Rz 14; Karsten Schmidt, aaO, § 74 Rz 14; Ulmer, aaO, § 60 Rz 6 und Anh. § 60 Rz 30, jeweils m.w.N.).
b) Im Streitfall ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei nicht mehr parteifähig, schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen nicht die Annahme rechtfertigen, die Beklagte sei vermögenslos. Das Berufungsgericht hat die Annahme völliger Vermögenslosigkeit auf drei Umstände gestützt: Die Ablehnung des Konkursverfahrens mangels Masse, die Erklärung des Steuerberaters der Beklagten vom 2. September 1985, derzufolge die Beklagte in den ersten sieben Monaten des Jahres 1985 einen vorläufigen Verlust von 2.634,56 DM erlitten hat, und schließlich auf die Versicherung der Beklagten im Prozeßkostenhilfeverfahren, daß sie kein Vermögen und keine Einkünfte habe, wohl aber Bankverbindlichkeiten in Höhe von 350.000,-- DM.
Die Argumentation des Berufungsgerichts überzeugt nicht. Die Ablehnung des Konkursverfahrens belegt nur, daß "nach dem Ermessen des Gerichts" eine die voraussichtlichen Kosten des Konkursverfahrens deckende Masse fehlt, sagt aber nichts darüber aus, ob noch liquidationsfähiges Vermögen vorhanden ist (Ulmer, aaO, Anh. § 60 Rz 12). § 107 Abs. 1 KO hat in dem vorliegenden Zusammenhang allein die Bedeutung, daß nach Rechtskraft des Beschlusses wieder die Einzelvollstreckung möglich wird. Auch die Erklärung des Steuerberaters über die Verluste in den ersten sieben Monaten des Jahres 1985 sagt etwas darüber aus, ob die Gesellschaft noch Vermögen hat oder vermögenslos geworden ist. Das gleiche gilt schließlich für die Angaben der Beklagten im Prozeßkostenhilfeverfahren. Die Beklagte mag überschuldet sein, sie mag illiquide sein und schließlich mag es zutreffen, daß sie nicht über Vermögenswerte verfügt, die sie in dem anhängigen Rechtsstreit zur Erfüllung evtl. Kostenverbindlichkeiten einsetzen könnte. Eine Vermögenslosigkeit der Gesellschaft ist damit nicht dargetan. Vermögen ist so lange vorhanden, wie verteilungsfähige Aktiva vorhanden sind, und sei es zur Erfüllung bestehender Verbindlichkeiten. Auch geringe Vermögenswerte hindern die Annahme der völligen Vermögenslosigkeit (einhellige Meinung, vgl. statt aller Rasner, aaO, Anh. § 60 Rz 10 mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Schrifttum).
c) Zudem hat das Berufungsgericht übersehen, daß die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen nicht vermögenslos ist. Die Beklagte hat sich selbst bis zur letzten Tatsachenverhandlung als "in Liquidation befindlich" bezeichnet. Sie ist nach ihrem eigenen Vortrag damit befaßt, Geschäfte abzuwickeln. Darüber hinaus berühmt sie sich eines Vermögenswerts, der einer völligen Vermögenslosigkeit entgegenstünde. Sie macht nämlich gegen den Kläger Schadenersatzansprüche geltend, die sogar über die Klageforderung hinausgehen. Zwar hat das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen, da aber - nach Auffassung des Berufungsgerichts - die Beklagte im übrigen vermögenslos ist, hinge das Fortbestehen der Beklagten gerade von dieser Forderung ab. Das hat zur Folge, daß die Beklagte im Rechtsstreit so lange als parteifähig zu behandeln ist, wie das Bestehen der Forderung nicht geklärt ist (ebenso BGH Urteil vom 21. Oktober 1985 - II ZR 82/85 - WM 1986, 145). Das Vorbringen der Beklagten zur Begründung ihrer Schadenersatzforderungen ist zwar wenig substantiiert, hierauf kommt es jedoch bei der Prüfung der Parteifähigkeit nicht an.
III. Hiernach steht fest, daß die Beklagte noch parteifähig ist. Die Sache muß daher an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Das Landesarbeitsgericht muß klären, ob und in welcher Höhe die Klageforderung besteht und, ggf., ob und in welcher Höhe sie durch Aufrechnung erloschen ist.
Dr. Heither Schaub Griebeling
Dr. Schwarze Grimm
Fundstellen
Haufe-Index 438528 |
DB 1988, 1660-1660 (S1-5) |
NJW 1988, 2637 |
NJW 1988, 2637-2638 (LT1-5) |
GmbH-Rdsch 1988, 388-389 (ST1-3) |
GmbH-Rdsch 1989, 123-125 (ST1-2) |
JR 1989, 44 |
KTS 1988, 531-534 (LT1-5) |
NZA 1988, 841-842 (LT1-5) |
RdA 1988, 317 |
AP § 50 ZPO (LT1-5), Nr 6 |
EzA § 50 ZPO, Nr 2 (LT1-5) |
HV-INFO 1989, 383-384 (LT) |