Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebs(teil)übergang. Öffentlicher Dienst. Arbeitsvermittlung. Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse. nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil des Personals
Leitsatz (amtlich)
Kommt es – wie bei der Arbeitsvermittlung – im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, ist die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit anzunehmen, wenn nicht nur die betreffende Tätigkeit, sondern auch ein nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil des Personals übernommen wird.
Orientierungssatz
1. Den für das Vorliegen eines Betriebs(teil)übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu.
2. Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt.
3. Im öffentlichen Dienst kommt § 613a Abs. 1 BGB iVm. der Richtlinie 2001/23/EG bei einer Übertragung wirtschaftlicher Tätigkeiten – jedoch grundsätzlich nicht bei einer Übertragung von Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse – zur Anwendung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob einer juristischen Person des öffentlichen Rechts insgesamt Hoheitsprivilegien oder Zwangsbefugnisse zur Verfügung stehen, sondern ob solche im fraglichen Betriebsteil angesiedelt sind.
4. Die Feststellung einer wirtschaftlichen Einheit als hinreichend strukturierte und selbständige Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck hängt nicht davon ab, ob eine – beispielsweise gesetzliche – Aufgabe vollständig oder Teile davon der betreffenden Einheit übertragen sind. Der „eigene Zweck” kann auch eine Teilaufgabe innerhalb einer größeren Aufgabenstellung sein, solange es sich nach den im Einzelfall maßgebenden Umständen der vorzunehmenden Gesamtbewertung um eine wirtschaftliche Einheit iSd. § 613a BGB handelt.
5. Arbeitsvermittlung (Beratung und Vermittlung) stellt grundsätzlich eine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Dass sie teilweise staatlichen Stellen obliegt, ändert daran nichts.
Normenkette
BGB § 613a; KSchG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 1. November 2012 – 4 Sa 1528/11 – aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 28. September 2011 – 4 Ca 210/11 Ö – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und in diesem Zusammenhang insbesondere über die Voraussetzungen eines Betriebsteilübergangs.
Seit 2005 nimmt die beklagte Stadt bestimmte Aufgaben nach dem SGB II wahr, darunter die Arbeitsvermittlung, das Fallmanagement und die Bewirtschaftung von Integrationsmitteln für die Leistungsberechtigten mit Wohnung in der Stadt G. Träger der Leistungen ist der Landkreis G (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), gesetzliche Grundlage der Tätigkeit der beklagten Stadt ist § 6 Abs. 2 SGB II. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2010 war ihr gestattet, einen Teil der übertragenen Aufgaben durch Dritte durchführen zu lassen. Die beklagte Stadt beauftragte die Beschäftigungsförderung G, eine kommunale Anstalt öffentlichen Rechts (im Folgenden: BFG) durch öffentlich-rechtliche Vereinbarungen befristet bis zum 31. Dezember 2010 ua. mit den Aufgaben Arbeitsvermittlung, Fallmanagement, sowie mit der Bewirtschaftung von Mitteln für die Integrationsleistungen. Das Fallmanagement sollte arbeitsteilig durch den Fachbereich Soziales der beklagten Stadt und die BFG erfolgen: Die sog. passive Arbeitsvermittlung (finanzielle Sicherstellung des Lebensunterhalts) war bei der beklagten Stadt angesiedelt, die BFG übernahm die sog. aktive Arbeitsvermittlung (Beratung/Integrationsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt).
Zum Stand Ende 2010 waren 51 Arbeitsvermittler/Fallmanager in drei (von sieben) Abteilungen der BFG (Abteilungen 3, 4 und 5) sowie eines ihrer beiden Vorstandsmitglieder (Herr Ge) mit aktiver Arbeitsvermittlung im Bereich SGB II beschäftigt. Herr Ge war ua. zuständig für die Koordination der aktiven Leistungen nach dem SGB II, insbesondere im Zusammenspiel mit dem Landkreis. Die Erstellung von Sanktionsbescheiden bei Pflichtverstößen im aktiven Leistungsbereich war in der Abteilung 2 (Zentrale Dienste), Unterabteilung 2.4 – Eingliederungstitel (SGB II) und Recht (SGB II und SGB III) – der BFG angesiedelt. Nachdem in sozialgerichtlichen Entscheidungen eine Befugnis der BFG zum Erlass von Sanktionsbescheiden verneint worden war, wurden die Bescheide ab Herbst 2007 auf Kopfbogen der beklagten Stadt unterschriftsreif vorbereitet und von bestimmten, von der beklagten Stadt an die BFG abgeordneten Mitarbeitern unterschrieben.
Der Kläger war bei der BFG ab März 2005 bis zum 31. Dezember 2010 mit befristeten Arbeitsverträgen als Arbeitsvermittler beschäftigt. Eine gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Befristung zum 31. Dezember 2010 gerichtete Klage war erfolgreich.
Seit dem 1. Januar 2011 nimmt die beklagte Stadt die Aufgabe der aktiven Arbeitsvermittlung nach dem SGB II selbst wahr. Bei der BFG fielen dieser Bereich und die damit beschäftigten Abteilungen weg. Bei der beklagten Stadt wurden für diesen Aufgabenbereich 52 Stellen für Fallmanager zuzüglich drei Leitungspositionen – also insgesamt 55 Stellen – vorgesehen. Das benötigte Personal wurde im Wesentlichen aus der BFG zusammengestellt; dafür wurden im Sommer 2010 neue Arbeitsverträge angeboten. Am 1. Januar 2011 waren insgesamt 51 Fallmanager/innen (inklusive Personen in Elternzeit) bei der beklagten Stadt beschäftigt, die zuvor bei der BFG im Aufgabenfeld der aktiven Arbeitsvermittlung im Bereich SGB II tätig waren. Auf der Leitungsebene kamen drei Personen hinzu, die bereits bei der BFG Koordinierungs- und Leitungstätigkeiten ausübten: Das bisherige Vorstandsmitglied der BFG Herr Ge, die Leiterin der ehemaligen Abteilung 3 Frau J und der Leiter der ehemaligen Abteilung 5 Herr L. Die beklagte Stadt hatte bis Ende 2010 keine Erfahrungen in der Koordination der aktiven Leistungen nach dem SGB II im Zusammenspiel mit dem Landkreis G als eigentlichem Entscheidungsträger dieser Leistungen.
Arbeitsvermittlung wird bei der beklagten Stadt in ihrem Fachbereich Soziales in sieben (von elf) Fachdiensten (Fachdienste 50.5 bis 50.11) wahrgenommen. Seit dem 1. Januar 2011 arbeiten die von der BFG kommenden Arbeitsvermittler als Fallmanager der aktiven Arbeitsvermittlung und die Leistungssachbearbeiter der auch zuvor von der beklagten Stadt erbrachten passiven Arbeitsvermittlung in denselben Abteilungen unter einheitlicher Leitung. Dabei verrichten beide Gruppen – Fallmanager und Leistungssachbearbeiter – nach wie vor unterschiedliche Tätigkeiten, nach wie vor getrennt nach aktiven und passiven Leistungen. Die Klientel der Arbeitsvermittlung nach dem SGB II (die Parteien sprechen von „Arbeitnehmerkunden” und „Arbeitgeberkunden”) ist bei der beklagten Stadt dieselbe wie zuvor bei der BFG. Die auf die aktive Arbeitsvermittlung bezogenen Datenbestände (sowohl in Form von Ordnern als auch elektronisch dokumentierte Bestände) sind einschließlich der Software übernommen worden. Die Tätigkeit der Fallmanager wurde bei der beklagten Stadt gegenüber der früheren Tätigkeit bei der BFG inhaltlich erweitert (um das Erteilen von Bescheiden, die Bearbeitung und Vorbereitung von Widerspruchsentscheidungen, die Auszahlung von Mitteln im Rahmen der aktiven Arbeitsvermittlung). Auch Bürosachbearbeitung, die zuvor bei der BFG von (nicht übernommenen) Bürosachbearbeiter/innen erledigt wurde, ist hinzugekommen.
Der Kläger ist seit dem 1. Januar 2011 als Fallmanager im Bereich SGB II für die beklagte Stadt tätig, mit der er im August 2010 einen schriftlichen, unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen hatte, in dem eine Probezeit von sechs Monaten vorgesehen ist.
Mit Schreiben vom 14. Juni 2011 kündigte die beklagte Stadt das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. Juni 2011, nach Personalratsanhörung und unter Berufung auf die vereinbarte Probezeit.
Mit seiner rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger die Auffassung vertreten, auf das Arbeitsverhältnis finde das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Es liege ein Betriebsteilübergang vor. Die beklagte Stadt beschäftige nahezu alle Fallmanager/Arbeitsvermittler der BFG aus dem Bereich der aktiven Arbeitsvermittlung als „Know-how-Träger” und ohne Tätigkeits- oder Organisationsveränderung weiter. Die Kunden, die Akten, das Mobiliar und die Räume seien übernommen worden. Eine ggf. geplante Aufgabenerweiterung sei zu Beginn des Jahres 2011 nicht und danach höchstens sukzessive erfolgt. Die bei der BFG erbrachte Beschäftigungszeit sei anzurechnen, weshalb die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt sei. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Gründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG lägen nicht vor. Die Beteiligung des Gesamtpersonalrats sei nicht ordnungsgemäß erfolgt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 14. Juni 2011 nicht beendet wird;
- im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Fallmanager weiterzubeschäftigen.
Die beklagte Stadt hat Klageabweisung beantragt. Das KSchG finde keine Anwendung. Die Kündigung sei in der Probezeit erfolgt und habe personenbedingte Gründe. Das Anforderungsprofil der Tätigkeit bei der beklagten Stadt sei ein anderes als bei der BFG. Der Kläger sei dem nicht gewachsen.
Ein Betriebsteilübergang liege nicht vor. Es handle sich nur um eine Weiterführung von Aufgaben. Zudem sei in den Abteilungen 3, 4 und 5 der BFG keine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit vorhanden gewesen. Die Leistungen der aktiven Arbeitsvermittlung nach dem SGB II seien bei der BFG weder von der Abteilung 4, der der Kläger zugeordnet gewesen sei, noch von den Abteilungen 3, 4 und 5 zusammen oder deren Unterabteilungen allein verantwortlich und selbständig erbracht worden. Vielmehr habe es eines abteilungsübergreifenden Zusammenwirkens mit der Unterabteilung 2.4 bedurft. Es sei nicht Aufgabe des Klägers gewesen, die im Rahmen der aktiven Arbeitsvermittlung erforderlichen außenwirksamen Bescheide zu erteilen. Der Kläger habe auch keine Zahlbarmachung von Leistungen nach dem SGB II vorgenommen. Diese zur Arbeitsvermittlung nach dem SGB II zugehörigen Tätigkeiten seien bei der BFG vielmehr von den Beschäftigten der Unterabteilung 2.4 durchgeführt worden, außer zu Übungszwecken für weniger als zwei Wochen – abzüglich der Weihnachtsfeiertage – Ende Dezember 2010 von Mitarbeitern der Abteilungen 3, 4 und 5. Die Weiterbeschäftigung der übernommenen Beschäftigten sei im Wesentlichen nicht in der Zusammensetzung erfolgt wie bei der BFG. Die Personalratsbeteiligung sei ordnungsgemäß erfolgt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist begründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen eines Betriebsteilübergangs verneint. Das Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung, da die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt sei.
§ 613a BGB finde keine Anwendung, da die Tätigkeiten des Fallmanagements und der Arbeitsvermittlung als hoheitliche Aufgaben anzusehen seien. Wesentliches Steuerungsinstrument beim Fallmanagement sei die Eingliederungsvereinbarung, zu deren Abschluss der Leistungsträger nach §§ 2, 15 SGB II regelmäßig gehalten und der Leistungsempfänger verpflichtet sei. Der Verstoß gegen Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung führe zu Sanktionen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung in Gestalt eines öffentlich-rechtlichen Vertrags mit fehlender Verhandlungssymmetrie auf Seiten des Leistungsberechtigten spreche für hoheitliches Handeln. Die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II sowie die Sanktionsnorm des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II verdeutlichten das ordnungsrechtliche Instrumentarium des Leistungsträgers.
Im Übrigen seien die Voraussetzungen eines Betriebsteilübergangs nicht dargetan. Bei den in den Abteilungen 3, 4 und 5 der BFG mit der Aufgabe der aktiven Arbeitsvermittlung nach dem SGB II befassten Beschäftigten handele es sich nicht um einen hinreichend strukturierten und selbständigen Betriebsteil iSd. § 613a BGB, da ihnen nur die Beratungs- und Vermittlungsleistungen einschließlich des Abschlusses von Eingliederungsleistungen übertragen gewesen seien, die Erstellung von Sanktionsbescheiden bei Pflichtverstößen usw. jedoch in der gesonderten Unterabteilung 2.4 vorgenommen worden sei.
B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist am 1. Januar 2011 mit allen Rechten und Pflichten auf die beklagte Stadt übergegangen (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB) und durch die Kündigung vom 14. Juni 2011 nicht beendet worden.
I. Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 BGB iVm. der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 (ABl. EG L 82 vom 22. März 2001 S. 16) liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt (vgl. nur EuGH 6. März 2014 – C-458/12 – [Amatori ua.] Rn. 30 mwN; BAG 22. August 2013 – 8 AZR 521/12 – Rn. 40; 15. Dezember 2011 – 8 AZR 197/11 – Rn. 39).
1. Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck (EuGH 6. März 2014 – C-458/12 – [Amatori ua.] Rn. 31 f. mwN; vgl. auch BAG 10. November 2011 – 8 AZR 538/10 – Rn. 17).
2. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (näher EuGH 15. Dezember 2005 – C-232/04 und C-233/04 – [Güney-Görres und Demir] Rn. 35 mwN, Slg. 2005, I-11237; BAG 22. August 2013 – 8 AZR 521/12 – Rn. 40 ff. mwN). Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (vgl. ua. EuGH 20. Januar 2011 – C-463/09 – [CLECE] Rn. 34 mwN, Slg. 2011, I-95; BAG 23. Mai 2013 – 8 AZR 207/12 – Rn. 22; 15. Dezember 2011 – 8 AZR 197/11 – Rn. 39).
3. Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (EuGH 6. September 2011 – C-108/10 – [Scattolon] Rn. 49 ff., Slg. 2011, I-7491; vgl. auch 20. Januar 2011 – C-463/09 – [CLECE] Rn. 36, 39 mwN, Slg. 2011, I-95; BAG 22. August 2013 – 8 AZR 521/12 – Rn. 41; 21. Juni 2012 – 8 AZR 181/11 – Rn. 31).
4. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge (vgl. EuGH 20. Januar 2011 – C-463/09 – [CLECE] Rn. 41, Slg. 2011, I-95; BAG 23. September 2010 – 8 AZR 567/09 – Rn. 30 mwN).
5. Im öffentlichen Dienst kommt § 613a Abs. 1 BGB iVm. der Richtlinie 2001/23/EG bei einer Übertragung wirtschaftlicher Tätigkeiten – jedoch grundsätzlich nicht bei einer Übertragung von Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse – zur Anwendung (vgl. EuGH 6. September 2011 – C-108/10 – [Scattolon] Rn. 54, Slg. 2011, I-7491; 26. September 2000 – C-175/99 – [Mayeur] Rn. 39 f., Slg. 2000, I-7755; 14. September 2000 – C-343/98 – [Collino und Chiappero] Rn. 31 und 32 mwN, Slg. 2000, I-6659; 10. Dezember 1998 – C-173/96 und C-247/96 – [Hidalgo ua.] Rn. 24, Slg. 1998, I-8237; BAG 10. Mai 2012 – 8 AZR 434/11 – Rn. 33 ff.).
6. Der Umstand, dass ein Übergang auf einseitigen Entscheidungen staatlicher Stellen und nicht auf einer Willensübereinstimmung beruht, steht der Annahme eines Betriebsübergangs nicht entgegen (EuGH 6. September 2011 – C-108/10 – [Scattolon] Rn. 63, Slg. 2011, I-7491). Ohne Bedeutung ist, ob das Eigentum an den eingesetzten Betriebsmitteln übertragen worden ist (EuGH 20. November 2003 – C-340/01 – [Abler] Rn. 41 mwN, Slg. 2003, I-14023; BAG 11. Dezember 1997 – 8 AZR 426/94 – BAGE 87, 296).
7. Dem Übergang eines gesamten Betriebs steht, soweit die Vorrausetzungen des § 613a BGB erfüllt sind, der Übergang eines Betriebsteils gleich. Dies ist unabhängig davon, ob die übergegangene wirtschaftliche Einheit ihre Selbständigkeit innerhalb der Struktur des Erwerbers bewahrt oder nicht (EuGH 6. März 2014 – C-458/12 – [Amatori ua.] Rn. 31 ff. mwN; 12. Februar 2009 – C-466/07 – [Klarenberg] Rn. 50, Slg. 2009, I-803); es genügt, wenn die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten und es dem Erwerber derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (EuGH 12. Februar 2009 – C-466/07 – [Klarenberg] Rn. 53, aaO; BAG 7. April 2011 – 8 AZR 730/09 – Rn. 16).
II. Nach diesen Grundsätzen ist die ehemals bei der BFG bestehende wirtschaftliche Einheit „aktive Arbeitsvermittlung nach dem SGB II” (Abteilungen 3, 4 und 5 einschließlich der damit verbundenen Verwaltungsarbeit) im Wege des Betriebsteilübergangs am 1. Januar 2011 iSv. § 613a BGB auf die beklagte Stadt übergegangen und dort unter Wahrung ihrer Identität fortgeführt worden. Diese wirtschaftliche Einheit beinhaltete bei der BFG keine Tätigkeit in Ausübung hoheitlicher Befugnisse iSv. § 613a BGB und der Richtlinie 2001/23/EG.
1. Die Klage kann nicht mit der Begründung abgewiesen werden, eine übergangsfähige wirtschaftliche Einheit iSd. § 613a BGB könne ohne die Unterabteilung 2.4 und ihre Tätigkeit der Erteilung außenwirksamer Bescheide der aktiven Arbeitsvermittlung nicht gegeben sein, da die Arbeitsvermittlung in den Abteilungen 3, 4 und 5 der BFG als solche nicht ausgereicht habe, die (vollständige) Dienstleistung zu erbringen. Die Feststellung einer wirtschaftlichen Einheit als hinreichend strukturierte und selbständige Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck hängt nicht davon ab, ob eine – wie hier gesetzliche – Aufgabe vollständig oder Teile davon der betreffenden Einheit übertragen sind. Der „eigene Zweck” kann auch eine Teilaufgabe innerhalb einer größeren Aufgabenstellung sein, solange es sich nach den im Einzelfall maßgebenden Umständen der vorzunehmenden Gesamtbewertung um eine wirtschaftliche Einheit iSd. § 613a BGB handelt.
2. Die aktive Arbeitsvermittlung nach dem SGB II in den Abteilungen 3, 4 und 5 der BFG war eine wirtschaftliche Einheit iSv. § 613a Abs. 1 BGB iVm. der Richtlinie 2001/23/EG.
a) § 613a Abs. 1 BGB findet iVm. der Richtlinie 2001/23/EG Anwendung. Die Tätigkeit in den Abteilungen 3, 4 und 5 der BFG erfolgte nicht in Ausübung hoheitlicher Befugnisse.
aa) Sowohl die BFG als auch die beklagte Stadt sind juristische Personen des öffentlichen Rechts. Deshalb kommt § 613a Abs. 1 BGB iVm. der Richtlinie 2001/23/EG nur dann zur Anwendung, wenn die im fraglichen Betriebsteil ausgeübte Tätigkeit eine wirtschaftliche und keine in Ausübung hoheitlicher Befugnisse war.
(1) § 613a Abs. 1 BGB gilt iVm. der Richtlinie 2001/23/EG sowohl für öffentliche als auch private Unternehmen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht. Bei der Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer Behörde auf eine andere handelt es sich nicht um einen Übergang in diesem Sinne (Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2001/23/EG). Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse sind danach keine wirtschaftlichen Tätigkeiten.
(2) Dabei ist der Begriff „Behörde” in Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2001/23/EG nicht auf staatliche Stellen im engen Sinne – in Deutschland insbesondere Bund, Länder und Gebietskörperschaften – begrenzt, sondern umfasst auch andere juristische Personen des öffentlichen Rechts (vgl. EuGH 26. September 2000 – C-175/99 – [Mayeur] Rn. 23 bis 40, 57, Slg. 2000, I-7755).
(3) Im Zusammenhang des Vergaberechts, aber ohne Zweifel auf „Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse” übertragbar, hat der EuGH die Ausübung „öffentlicher Gewalt” als eine hinreichend qualifizierte Ausübung von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien oder Zwangsbefugnissen (EuGH 29. April 2010 – C-160/08 – [Kommission/Deutschland] Rn. 79, Slg. 2010, I-3713) beschrieben (vgl. auch BAG 10. Mai 2012 – 8 AZR 434/11 – Rn. 35). Tätigkeiten für öffentliche Unternehmen in Ausübung hoheitlicher Befugnisse sind bereits nicht als wirtschaftliche Tätigkeiten einzustufen (EuGH 6. September 2011 – C-108/10 – [Scattolon] Rn. 44, Slg. 2011, I-7491, ua. unter Bezug auf Rechtsprechung zum EU-Wirtschaftsrecht, insbesondere: EuGH 1. Juli 2008 – C-49/07 – [MOTOE] Rn. 24 mwN, Slg. 2008, I-4863, sowie in Bezug auf die Richtlinie 77/187/EWG: EuGH 15. Oktober 1996 – C-298/94 – [Henke] Rn. 17, Slg. 1996, I-4989).
(4) Demgegenüber gelten Dienste als wirtschaftliche Tätigkeiten, die, ohne dass es sich um eine Ausübung hoheitlicher Befugnisse handelt, im allgemeinen Interesse und ohne Erwerbszweck im Wettbewerb mit den Diensten von Wirtschaftsteilnehmern erbracht werden, die einen Erwerbszweck verfolgen (EuGH 6. September 2011 – C-108/10 – [Scattolon] Rn. 44, Slg. 2011, I-7491; vgl. 23. April 1991 – C-41/90 – [Höfner und Elser] Rn. 22, Slg. 1991, I-1979; 24. Oktober 2002 – C-82/01 P – [Aéroports de Paris/Kommission] Rn. 82, Slg. 2002, I-9297; 10. Januar 2006 – C-222/04 – [Cassa di Risparmio di Firenze ua.] Rn. 122 und 123, Slg. 2006, I-289).
(5) Im Zusammenhang des Wettbewerbsrechts, aber ohne Zweifel übertragbar (zur Heranziehung von Auslegungsergebnissen aus Urteilen zum Wettbewerbsrecht zur Auslegung von Begriffen der Richtlinie 2001/23/EG vgl. ua. EuGH 14. September 2000 – C-343/98 – [Collino und Chiappero] Rn. 33, Slg. 2000, I-6659), stellt die Arbeitsvermittlung grundsätzlich eine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Dass sie teilweise staatlichen Stellen obliegt, ändert daran nichts (EuGH 11. Dezember 1997 – C-55/96 – [„Job Centre II”] Rn. 22, Slg. 1997, I-7119; 23. April 1991 – C-41/90 – [Höfner und Elsner] Rn. 21, Slg. 1991, I-1979).
bb) Nach diesen Maßstäben erfolgte die Tätigkeit in den Abteilungen 3, 4 und 5 der BFG nicht in Ausübung hoheitlicher Befugnisse, weshalb § 613a Abs. 1 BGB iVm. der Richtlinie 2001/23/EG Anwendung findet.
(1) Arbeitsvermittlung (jedenfalls in Form von Beratung und Vermittlung) ist nach den og. Maßstäben grundsätzlich eine wirtschaftliche Tätigkeit. Sie kann auch von nicht-staatlichen Trägern erbracht werden.
(2) Etwas anderes gilt nicht im Hinblick auf den Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen. Darin liegt keine hoheitliche Tätigkeit, keine hinreichend qualifizierte Ausübung von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien oder Zwangsbefugnissen. Bei einer Eingliederungsvereinbarung (§ 15 Abs. 1 SGB II) handelt es sich nicht um eine Ausübung von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien oder Zwangsbefugnissen, sondern trotz asymmetrischer Verhandlungspositionen um eine vertragliche Regelung (BSG 14. Februar 2013 – B 14 AS 195/11 R – Rn. 19, BSGE 113, 70), nämlich einen öffentlich-rechtlichen Vertrag iSv. § 53 SGB X, für den die allgemeinen Regeln des BGB zum Vertrag gelten.
(3) Ohne Bedeutung ist vorliegend, dass im Fall der Ablehnung durch den Arbeitssuchenden die Handlungsform des Verwaltungsakts (§ 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II) zur Verfügung steht und im Fall der Verletzung von Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung oder dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II Sanktionen in Betracht kommen (beispielsweise Leistungskürzungen). Denn es kommt nicht darauf an, ob der betreffenden juristischen Person des öffentlichen Rechts insgesamt Hoheitsprivilegien oder Zwangsbefugnisse zur Verfügung stehen, sondern ob solche im fraglichen Betriebsteil angesiedelt sind. Die Arbeitsvermittlung in den Abteilungen 3, 4 und 5 der BFG hatte zwar die Aufgabe der Einleitung von Sanktionen, war jedoch nicht mit deren Erlass befasst.
Dafür war die Unterabteilung 2.4 der BFG zuständig. Dahinstehen kann dabei, ob deren Tätigkeit überhaupt der BFG zurechenbar ist, da die Bescheide auf Kopfbogen der beklagten Stadt erlassen und von Personen unterschrieben wurden, die von der beklagten Stadt an die BFG abgeordnet waren. Dahinstehen kann zudem, ob die Tätigkeit der Unterabteilung 2.4 eine Tätigkeit in Ausübung hoheitlicher Befugnisse iSv. § 613a BGB und der Richtlinie 2001/23/EG ist und auch ob § 613a Abs. 1 BGB zu Gunsten der Arbeitnehmer weitergehender als die Richtlinie Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse miterfasst. Denn jedenfalls war die Tätigkeit der Unterabteilung 2.4 bei der BFG organisatorisch getrennt von der aktiven Arbeitsvermittlung nach dem SGB II in den Abteilungen 3, 4 und 5.
(4) Da nach allem die Arbeitsvermittlung in den Abteilungen 3, 4 und 5 der BFG keine Tätigkeit in Ausübung hoheitlicher Befugnisse war, kann dahinstehen, wie es zu beurteilen wäre, wenn hoheitliche Befugnisse nur in einem bestimmten, eventuell geringen Umfang von Bedeutung für eine Tätigkeit sind.
b) Die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Einheit sind erfüllt.
aa) Losgelöst von den anderen Abteilungen der BFG wurde in den Abteilungen 3, 4 und 5 aktive Arbeitsvermittlung nach dem SGB II durch eine hinreichend strukturierte und selbständige Gesamtheit von Personen betrieben. Die dafür beschäftigte Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Aufgabe und Tätigkeit unter der Koordination von Herrn Ge verbunden war, schloss drei Abteilungsleiter/innen, die Arbeitsvermittler/innen und die Bürosachbearbeiter/innen ein.
bb) Dabei handelte es sich um eine Tätigkeit, bei der es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankam. Dies zeigt bereits die hier nicht zur Anwendung kommende, jedoch eine vergleichbare Situation regelnde Bestimmung des § 6c SGB II (Personalübergang bei Zulassung weiterer kommunaler Träger und bei Beendigung der Trägerschaft). Nach der Gesetzesbegründung dazu hängt die Funktionsfähigkeit der Grundsicherung von der personellen Kontinuität, der Erfahrung und der Fachkompetenz der Beschäftigten ab (BT-Drs. 17/1555 S. 19).
cc) Von wesentlicher Bedeutung sind neben dem Erfahrungswissen des Personals einschließlich der erforderlichen, auf den regionalen Arbeitsmarkt bezogenen Kontakte und Netzwerke die angesammelten Datenbestände, sowohl über Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberkunden (die Wortwahl der Parteien aufgreifend).
dd) Von geringer Bedeutung sind für die Arbeitsvermittlung Gebäude, Mobiliar und technische Ausstattung. Sie sind – innerhalb eines bestimmten Rahmens (zB. der Wahl von Räumen, die kundenbezogenen Gesichtspunkten genügen müssen) – austauschbar.
ee) Die aktive Arbeitsvermittlung nach dem SGB II wurde in den Abteilungen 3, 4 und 5 der BFG dauerhaft betrieben, nämlich von 2005 bis Ende 2010.
3. Diese bestehende wirtschaftliche Einheit (aktive Arbeitsvermittlung nach dem SGB II in den Abteilungen 3, 4 und 5 der BFG) ist nach § 613a Abs. 1 BGB iVm. der Richtlinie 2001/23/EG auf die beklagte Stadt übergegangen und wird von dieser unter Wahrung ihrer Identität ohne Unterbrechung fortgeführt.
Die beklagte Stadt führt nicht nur die Aufgabe der aktiven Arbeitsvermittlung nach dem SGB II weiter, die zuvor von der BFG wahrgenommen worden ist. Zusammen mit dieser Aufgabe hat sie die wirtschaftliche Einheit übernommen, die diese Aufgabe bisher bei der BFG tatsächlich verrichtete.
a) Für die bei der Stadt vorgesehenen Stellen für Fallmanager ist ein nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil der Arbeitsvermittler/innen der BFG übernommen worden. Zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Arbeitsvermittlung sind bereits im Sommer 2010 mit dem Kläger wie auch mit anderen Arbeitsvermittler/innen Vereinbarungen zur Fortsetzung der Tätigkeit bei der beklagten Stadt getroffen worden. Von den Ende Dezember 2010 im Aufgabenbereich der aktiven Arbeitsvermittlung im Bereich SGB II in den Abteilungen 3, 4 und 5 der BFG beschäftigten 51 Arbeitsvermittler/innen sind die meisten am 1. Januar 2011 zur beklagten Stadt gewechselt, die ihrerseits 52 Stellen für Fallmanager vorgesehen hatte.
b) Hinzu kommt die Übernahme von wesentlichen Teilen der Leitungsebene; damit hat die beklagte Stadt einen insgesamt funktionsfähigen Belegschaftsteil weiterbeschäftigt. So nutzt sie nicht nur das spezifische Fachwissen und die Kontakte der Arbeitsvermittler/innen, sondern auch das der übernommenen Führungskräfte. Der Nutzung des betriebsspezifischen Know-hows der Führungskräfte kommt für die Frage des Betriebsübergangs ganz erhebliche Bedeutung zu (vgl. auch BAG 24. Januar 2013 – 8 AZR 706/11 – Rn. 37 mwN).
Neben der Übernahme von zwei von drei Personen auf der Ebene der Abteilungsleitungen der BFG ist von besonderer Bedeutung, dass die Koordinierung der aktiven Leistungen nach dem SGB II nach wie vor von Herrn Ge vorgenommen wird. Neben der Übernahme der Arbeitsvermittler/innen bzw. Fallmanager/innen liegt darin ein wesentlicher Umstand der Fortführung der wirtschaftlichen Einheit unter Wahrung ihrer Identität. Denn die beklagte Stadt hatte bis Ende 2010 keine Erfahrungen in der Koordination der aktiven Leistungen nach dem SGB II im Zusammenspiel mit dem Landkreis G als eigentlichem Entscheidungsträger dieser Leistungen. Sie nutzt, wie sie selbst eingeräumt hat, die Erfahrungen von Herrn Ge. Ebenso nutzt sie die Erfahrungen des eingespielten Teams der Arbeitsvermittlung unter seiner Koordination.
Ohne Bedeutung ist der von der beklagten Stadt in der Revisionsinstanz hervorgehobene Umstand, dass die konkrete Abteilungsleitung, unter der der Kläger bei der BFG tätig gewesen ist, nicht zu der beklagten Stadt gewechselt ist. Es ist einerseits nicht erforderlich, dass ausnahmslos sämtliche Beschäftigte und sämtliches Leitungspersonal des Betriebsteils übernommen worden sind. Andererseits ist es nicht ausgeschlossen, dass nicht übernommene Personen eventuell selbst einen Übernahmeanspruch gehabt hätten.
c) Die zu beratenden und zu betreuenden „Arbeitnehmerkunden”, die aufgebauten Datenbestände, auch bezüglich der „Arbeitgeberkunden”, sind samt der Software, in die dazu vorhandene Informationen eingepflegt waren, vollständig übernommen worden.
d) Eine mit und nach Betriebsteilübergang erfolgte Anreicherung der Tätigkeit mit Verwaltungsarbeit und Tätigkeiten der früheren Unterabteilung 2.4 sowie eine andere Abteilungsaufteilung als zuvor stehen der Feststellung eines Betriebsteilübergangs nicht entgegen.
aa) Zweck der Richtlinie 2001/23/EG und damit auch des § 613a BGB ist es, im Fall eines Übergangs einen wirksamen Schutz der Rechte der Arbeitnehmer sicherzustellen. Die Regelungen zielen darauf ab, die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel zu gewährleisten und damit die Arbeitnehmer im Fall eines solchen Wechsels zu schützen. Dieser Zweck kann nicht erreicht werden, wenn die Anwendbarkeit dieser Schutzbestimmungen allein deshalb ausgeschlossen wäre, weil der Erwerber sich entschließt, den erworbenen Unternehmens- oder Betriebsteil aufzulösen und in seine eigene Struktur einzugliedern. Damit würde den betreffenden Arbeitnehmern der von der Richtlinie gewährte Schutz vorenthalten werden. Es genügt, wenn die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten und es dem Erwerber derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (EuGH 12. Februar 2009 – C-466/07 – [Klarenberg] Rn. 43, 47 und 53, Slg. 2009, I-803).
bb) Eine Anreicherung der Tätigkeit durch Verwaltungsarbeit und Tätigkeiten der früheren Unterabteilung 2.4 zerstört nicht die Identität der bestehenden wirtschaftlichen Einheit, sondern baut darauf auf. Die Grundtätigkeit, die nach wie vor überwiegt, ist dieselbe geblieben. Selbst wenn die Tätigkeitsveränderung, wie die beklagte Stadt meint, (mittlerweile) einen Zeitanteil von 35 % ausmachen sollte, ändert dies nichts an der Weiterführung der „alten” und „neuen” Kernaufgabe von Beratung und Vermittlung. Zudem kommt es nur auf den Stand der Dinge zum Zeitpunkt des Übergangs an und nicht auf danach, und sei es nur kurz darauf erfolgte Tätigkeitsanreicherungen, die im Übrigen auch ohne Betriebsübergang hätten erfolgen können.
Unerheblich ist auch, dass die nach wie vor ausgeübte Tätigkeit der aktiven Arbeitsvermittlung im Bereich SGB II nun in sieben Fachdiensten statt zuvor in drei Abteilungen verrichtet wird und in ein anderes Konzept (Abteilungen gemeinsam mit Leistungssachbearbeitern statt wie zuvor mit weiteren altersbezogenen Angeboten) eingebettet worden ist.
4. Ohne Bedeutung ist zudem, dass mit dem übernommenen Personal, darunter mit dem Kläger, ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist. Bei § 613a BGB handelt sich um zwingendes Recht, der Übergang erfolgt von Rechts wegen (ua. EuGH 26. Mai 2005 – C-478/03 – [Celtec] Rn. 38, Slg. 2005, I-4389; 25. Juli 1991 – C-362/89 – [d'Urso ua.] Rn. 20, Slg. 1991, I-4105; 10. Februar 1988 – C-324/86 – [Foreningen af Arbejdsledere i Danmark, „Daddy's Dance Hall”] Rn. 14, Slg. 1988, 739; BAG 21. Juni 2012 – 8 AZR 181/11 – Rn. 81) und ungeachtet anderslautender Abmachungen. Es ist ohne Bedeutung, in welchem (vermeintlichen) Rechtsverhältnis der Übernehmer die bisherigen Arbeitnehmer nach der Übernahme (weiter-)beschäftigt (BAG 18. Februar 1999 – 8 AZR 485/97 – BAGE 91, 41). Die Verträge und Arbeitsverhältnisse, die im Zeitpunkt des Übergangs am 1. Januar 2011 zwischen dem Veräußerer und den im übertragenen Betrieb(steil) beschäftigten Arbeitnehmern bestehen, sind als zu diesem Zeitpunkt vom Veräußerer auf den Erwerber übergegangen anzusehen, unabhängig davon, welche Einzelheiten dazu zwischen beiden vereinbart worden sind.
III. Das unbefristete Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 14. Juni 2011 nicht beendet worden.
1. Durch erfolgreiche Klage ist rechtskräftig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis mit der BFG zuletzt unbefristet bestand und damit zum Kündigungszeitpunkt länger als sechs Monate; jedenfalls ist es durch die beklagte Stadt im Vertrag vom 30. August 2010 mit Wirkung ab 1. Januar 2011 entfristet worden. Damit war bei Zugang der Kündigung die Wartezeit von sechs Monaten iSv. § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt und die ausgesprochene Kündigung vom 14. Juni 2011 ist am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes zu messen.
2. Wie das Arbeitsgericht zutreffend entschieden hat, hat die Beklagte keine hinreichenden Kündigungsgründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG vorgetragen. Dem ist die beklagte Stadt auch im weiteren Prozessverlauf nicht mehr entgegengetreten.
C. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Der Antrag ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens betreffend die Kündigung vom Juni 2011 gerichtet. Dieses ist rechtskräftig abgeschlossen (vgl. BAG 25. Oktober 2012 – 2 AZR 700/11 – Rn. 23, BAGE 143, 244).
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Hauck, Winter, W. Reinfelder, Umfug, Pauli
Fundstellen
Haufe-Index 7186272 |
BAGE 2015, 168 |
BB 2014, 2099 |
DB 2014, 2055 |
DB 2014, 8 |
DStR 2014, 13 |