Erforderlichkeit eines Ersatztermins für Bewerbungsgespräche mit Schwerbehinderten
Eine zweigeschlechtlich geborene sowie schwerbehinderte Person bewarb sich unter Angabe ihrer Schwerbehinderung bei der Ausländerbehörde der beklagten Stadt für die Stelle "Fallmanager*innen im Aufenthaltsrecht".
Die Stadt antwortete auf die Bewerbung und lud zu einem Vorstellungsgespräch ein, das zwei Wochen später stattfinden sollte. Die bewerbende Person teilte daraufhin mit, dass sie zu diesem Termin "schon einen anderen Termin in Brandenburg" habe und deshalb um einen Ersatztermin bitte. Hierauf entgegnete die beklagte Stadt, dass kein Ersatztermin eingeräumt werden könne, weil das Stellenbesetzungsverfahren nicht weiter verzögert werden solle und die Auswahlkommission aufgrund anderer Termine zeitnah nicht nochmals zusammenkommen könne.
Die klagende Person erschien sodann nicht zu dem Vorstellungsgespräch, sondern forderte gemäß § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung wegen Diskriminierung in Höhe von 5.000 EUR, da sie sowohl wegen ihres Geschlechts als auch ihrer Schwerbehinderung diskriminiert worden sei.
Keine Diskriminierung bei Verwendung von Genderstern
Das BAG stellt zunächst klar, dass eine Benachteiligung zweigeschlechtlicher Menschen nicht aus der Verwendung der Bezeichnung "Fallmanager*innen" bei der Stellenausschreibung geschlossen werden kann. Zwar hat die Stellenausschreibung geschlechtsneutral zu erfolgen und muss sich an Menschen jedweden Geschlechts richten, nicht nur an Männer und Frauen. Durch die Verwendung des Gendersterns als symbolhaftes Sonderzeichen wird jedoch nach Auffassung des BAG gerade zum Ausdruck gebracht, dass sich die Ausschreibung an jede die Anforderungen erfüllende Person richtet und das Geschlecht kein Rolle spielt.
Kein Anspruch auf unbekannte und unübliche Anrede
Ebenso stellt es nach Auffassung des Gerichts keine Diskriminierung dar, dass die beklagte Stadt in ihrem Antwortschreiben die Anrede "Sehr geehrte(r) Frau/Herr" verwendet hat, wohingegen die klagende Person die Anrede "Sehr geehrte* Herm" wünschte (Herm steht dabei für Hermaphrodit). Das BAG betonte, dass der Arbeitgeber auch aus Gründen des Diskriminierungsschutzes nicht gehalten ist, eine eher unbekannte und unübliche Ausdrucksweise zu verwenden. In der weiteren Korrespondenz hatte sich die Stadt zudem auf die gewünschte Anrede eingelassen.
Anbieten von Ersatztermin kann erforderlich sein
Nach § 165 S. 3 SGB IX sind öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, schwerbehinderte Menschen, die sich auf einen Arbeitsplatz beworben haben und deren fachliche Eignung nicht schon offensichtlich fehlt, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Das BAG stellt nun klar, dass diese Pflicht allerdings nicht bereits mit dem Anbieten eines einzigen Vorstellungstermins erfüllt ist, wenn:
- der schwerbehinderte Mensch seine Verhinderung vor der Durchführung des Termins unter Angabe eines hinreichend gewichtigen Grundes mitgeteilt hat und
- dem Arbeitgeber bei Vornahme einer Gesamtschau das Anbieten eines Ersatztermins in zeitlicher und organisatorischer Hinsicht zumutbar ist.
Beide Kriterien waren hier aus Sicht des BAG nicht erfüllt
Der Mitteilung der bewerbenden Person mit dem bloßen Hinweis auf einen "anderen Termin in Brandenburg" konnte die Stadt nichts zur Bedeutung und Verschiebbarkeit dieses Termins entnehmen. Das BAG stellt diesbezüglich klar, dass es nicht die Verpflichtung des Arbeitgebers ist, die Hintergründe der Absage zu eruieren, sondern es Sache des Bewerbers ist, seine Beweggründe zu kommunizieren und für Klarheit zu sorgen. Ein hinreichend gewichtiger Grund besteht aus Sicht des BAG bspw. regelmäßig im Falle einer kurzfristigen Erkrankung oder bei Terminkollisionen mit einer bereits gebuchten Urlaubsreise oder einem Arzttermin.
Im Hinblick auf die Zumutbarkeit eines Ersatztermins für die Arbeitgeberin stellte das BAG fest, dass die beklagte Stadt in dem betreffenden Jahr über 200 Stellenbesetzungsverfahren durchzuführen hatte und die Besetzung der streitgegenständlichen Stelle mit Blick auf die langen Bearbeitungszeiten der Ausländerbehörde von seinerzeit sieben Monaten besonders dringend war. In Anbetracht der Umstände des Einzelfalles sowie der von der bewerbenden Person vorgetragenen sehr pauschalen Mitteilung war es der Stadt in diesem Fall nicht zumutbar, einen Ersatztermin anzubieten.
Eine Entschädigung war von der Stadt also nicht zu bezahlen.
(BAG, Urteil v. 23.11.2023, 8 AZR 164/22)
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